6: Feelings


"Waffenstillstand?", brummte ich und ließ mich neben Louis auf den Stuhl sinken. Das Mittagessen der Cafeteria sah unappetitlich aus und um ehrlich zu sagen, bekam ich so oder so nichts runter. Das Übelkeitsgefühl verdrehte mir immer noch den Magen und ich musste mich schon zusammenreißen, dass es mich nicht überkam wenn ich nur dabei zusah wie alle anderen sich den Fraß hineinstopften. Louis blaue Augen funkelten mich an und dann lehnte er sich zurück und verschränkte auffordernd seine Arme vor die Brust. "Lou", setzte ich wieder an, worauf er die Hand hob und seine Augenbraue in die Höhe zog. "Es tut mir Leid, ok?", gab ich mich schließlich geschlagen und verdrehte meine Augen. Noch immer bohrte sich der scharfe Blick von Louis' blauen Augen in meinen und ich seufzte. "Ich hab dir um die drei Billionen Nachrichten hinterlassen und du hast auf keine geantwortet", zischte er und rückte mit seinem Stuhl näher zu mir. "Was ist los, Zayn?" Verdutzt sah ich ihn an, worauf Louis nur anfing zu schmunzeln. Er legte seinen Arm um meine Schulter und übte leichten Druck aus.

"Man sieht dir schon von 10 Kilometer Entfernung an, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt. Also, raus mit der Sprache", sprach er leise und sah mich ermutigend an. "Es ist alles okay, ich bin nur müde", antwortete ich ihm nicht ganz ehrlich und zuckte mit meinen Schultern. "Erzähl mir lieber von Harry", versuchte ich von mir abzulenken und als Harrys Name fiel sprühten Louis' Augen nur vor Aufregung und ich seufzte. Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen als er mir voller Vorfreude erzählte, dass Harry ihn tatsächlich zu einem Date eingeladen hatte. Und wirklich, ich freute mich für meinen besten Freund. Sein Gesichtsausdruck erinnerte an den eines Kleinkindes am Weihnachtsabend und ich konnte mir ein leises Kichern nicht verkneifen als er mir erzählte wie Harry rot wie eine Tomate angelaufen war, als Louis ihm von der Nacht der Party erzählt hatte. Mir wurde etwas wärmer ums Herz und wenn ich dabei Liams intensiven Blick in meinem Nacken spürte und diesen gekonnt ignorierte, dann musste das schließlich keiner wissen.

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Bevor sich Louis' und mein Weg auf dem Schulflur trennte, versprach er mir am Abend vorbeizukommen, denn er würde für nichts auf der Welt auf die Blaubeerpfannkuchen meiner Mutter verzichten. Ich verabschiedete mich mit einem Lachen und machte mich langsam aber sicher auf den Weg zu meinem Literaturunterricht, auch wenn dieser erst in guten fünfzehn Minuten anfing. Mein Herz fühlte sich an als wäre es aus Beton, schwer und eine Last in meinem Brustkorb. Außerdem tat es mir schwer zu Atmen.

Seufzend lief ich in die Männertoilette, die sich wie ich herausgefunden hatte auf der komplett anderen Seite des Flurs befand. Ich blickte in den Spiegel und ein Lachen verließ meine Lippen. Wie war es möglich, dass Haare in so viele verschiedene Richtungen abstehen konnten? Hilflos versucht ich meine Haare in Ordnung zu bringen doch gab den Kampf nach gefühlten Stunden auf und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht um meine Gedanken zu sortieren. Noch einmal sah ich in den Spiegel und versuchte diesmal mein Lachen herunterzuschlucken, denn wie bitter war es, dass ich mich selbst auslachte? Du schaffst das schon Zayn, sprach ich mir selbst Mut zu und gab mir selbst ein aufmunterndes Nicken bevor ich kehrt machte.

Bevor ich jedoch die Toilettentüre öffnen konnte, wurde sie bereits aufgerissen und in Lichtgeschwindigkeit fiel sie auch wieder ins Schloss. Ich starrte etwas perplex vor mich hin bevor ich erkennen konnte, wer sich in die Toilette gedrängelt hatte und ich stöhnte entnervt auf. "Was willst du, Liam?", zischte ich und funkelte ihn an bevor ich mich wieder zu den Waschbecken drehte. Einen großen Unterschied machte dies nicht, da ich seine Reflektion im Spiegel sehen konnte. "Zayn", setzte er an doch ich hob meine Hände. "Es tut dir leid, doch es wäre besser wenn ich nicht mit dir rede?", redete ich ihm dazwischen und wand mich ihm wieder zu. Mein Blick lag überall nur nicht auf seinem Gesicht, denn ich war mir sicher, würde ich in seine rehbraunen Augen sehen hätte ich keine Chance.

"Gesagt, getan", fauchte ich und wollte an ihm vorbei stürmen, doch er blockierte mir den Weg. "Ich weiß, dass vorhin war nicht die feine englische Art", begann er wieder zu sprechen doch ich unterbrach ihn ein weiteres mal, was ihn aufseufzen ließ. "Das war gar keine Art, Liam und jetzt lass mich hier raus", zickte ich und wollte erneut an ihm vorbei doch diesmal hielt er mich an meinem Handgelenk fest und ich keuchte auf als seine Berührung Bilder von Samstag Nacht vor meinem inneren Auge abspielen ließ und mir mein Herz wie wild Blut durch den Körper pumpte. Ich schluckte und richtete meinen Blick auf Liams Gesicht. Und da war sie wieder, diese Wärme in seinen haselnussbraunen Augen. Diese leicht geröteten Wangen, dieser aufrichtige Blick. "Sei nicht so schwierig, Zayn", wisperte er leise und sein Blick wurde traurig. "Hör auf damit", wimmerte ich und riss mich von seinem Griff los. "Was meinst du?", hakte er irritiert nach und kam einen Schritt auf mich zu, worauf ich automatisch einen Schritt zurückwich. Mein Verhalten verwirrte ihn und seine Verworrenheit spiegelte sich in seinem so schönen Gesicht wider. Seine Stirn legte sich in Falten und seine Augen verengten sich und ich schluckte für einen Moment. Wie ich gesagt hatte, diese Augen ließen mir keine Chance.

"Einmal bist du so, einmal so", wisperte ich und mein Ärger war ersetzt durch Traurigkeit und Wut auf mich selbst. Denn wie konnte ich denken, dass Liam Payne tatsächlich so etwas wie Interesse für mich hatte? "Ich weiß Zayn, es tut mir Leid", antwortete mir Liam schnell bevor ich ihn erneut unterbrechen konnte. "Dir tut wirklich sehr viel Leid", lachte ich auf schüttelte den Kopf. "Nein Zayn, hör mir zu", seufzte Liam auf und vergrub seine Hände in den längeren Strähnen auf seinem Kopf und ich folgte seiner Bewegung, wünschte mir es wären meine Hände, die diesen perfekt gestylten Mohawk zerstörten. Liam wartete einen Moment, womöglich um zu sehen ob ich ihn wieder unterbrach, doch ich blieb still und sah ihn einfach nur an. "Meine Freunde, sie sind einfach etwas", er stoppte einen Moment als er sah wie ich mich bei der Erwähnung seiner Freunde verkrampfte und ich wich seinem Blick aus. "Sie sind etwas schwierig, okay? Das vorhin, ich hätte das niemals so stehen lassen dürfen", erklärte er weiter und mein Betonherz machte sich wieder bemerkbar. Ich atmete schwer, doch hatte ich das Gefühl ich bekam nicht genug Sauerstoff in meine Lunge, kein Wort verließ meine Lippen.

"Ich weiß, das rechtfertigt nichts aber ich will nicht, dass du so von mir denkst", fuhr er fort und ich lehnte mich nun gegen die kalten, weißen Fließen, bekritzelt mit Handynummern und Graffiti. "Wie sollte ich denn von dir denken, Liam? Ich kenne dich noch nicht einmal", antwortete ich ihm leise und hob langsam wieder meinen Blick um ihn anzusehen. In seinem Gesicht spiegelte sich deutlich seine Reue wider, doch ich machte das nicht mit. "Das ist es doch, Zayn", sagte er hektisch und wollte wieder einen Schritt auf mich zugehen, doch entschied sich dagegen. Er verharrte in seiner Bewegung. "Du kennst mich noch nicht mal richtig. Doch ich will, dass du mich kennst." Ich fuhr mir durch meine Haare und war mir sicher, die Versuchung meine Haare zu retten war hiermit vollkommen verloren. "Du machst keinen Sinn, Liam", stellte ich fest und zuckte mit meinen Schultern. "Die Schwuchtel sollte nicht mit dir reden", hauchte ich verletzt doch umspielte ein verschmitztes, ironisches Lächeln meine Lippen. "Und nun willst du, dass sie dich kennenlernt?" Liam wimmerte auf und schüttelte den Kopf. Er kam wieder einen Schritt näher und ich richtete meinen Blick auf seine Füße, zu große Angst wieder diesen kalten Gesichtsausdruck in seinem Gesicht zu sehen.

"Ich würde niemals so über dich denken", antwortete mir Liam ruhig und als ich meinen Blick zu seinem Muttermal gleiten ließ sah ich wie schwer er schluckte. "Was immer das hier ist, ich mach da nicht mit Liam", flüsterte ich. "Du hast vorhin ziemlich deutlich gemacht, dass wenn es darauf ankommt, du alles tust um deine Freunde zufrieden zu stellen. Du bist kein Stück anders als sie." Unsere Blicke trafen sich und dieses sonst so strahlende braun seiner Augen war dumpf und strahlte rein gar nichts aus. "So ist das nicht", verteidigte sich Liam sofort. "Lass gut sein", unterbrach ich ihn zum dritten mal und lächelte ihn schwach an. "Wir müssen das nicht tun, Liam. Du hast deine Welt, ich meine. Wieso willst du unbedingt, dass ich dich kennenlerne, wenn es so kompliziert sein muss?" Ich ging an ihm vorbei und diesmal ließ er es zu und ich wusste nicht ob ich erfreut oder enttäuscht darüber sein sollte. Als ich an ihm vorbei lief hörte ich, wie unregelmäßig er ausatmete und fragte mich, ob sein Herz möglicherweise genauso unregelmäßig schlug wie meines. "Viel Glück für das Spiel morgen", hauchte ich noch bevor ich die Türe öffnete. Als ich ein gewispertes "Ich weiß es doch selbst nicht, Zayn" hörte, war ich mir sicher, ich litt unter Paranoia. Denn es konnte nicht sein, dass ich Liam verwirrte. Er war nicht interessiert. Ich war nicht interessiert in ihn. Liam war nicht schwul.

Schweren Herzens ließ ich die Türe hinter mir ins Schloss fallen und machte mich auf den Weg zum Literaturunterricht. Ich setzte mich in die letzte Reihe, da ich heute wirklich keine Lust hatte mich an irgendeinem Unterricht zu beteiligen und ich ließ mich tief auf meinem Stuhl sinken. Als sich kurz nachdem ich mich gesetzt hatte die Türe zum Klassenzimmer wieder öffnete, senkte ich schnell meinen Blick auf meinen Tisch und sah nicht auf. Ich hatte heute schon genug von braunen Augen. Vor allem von kalten, dann warmen, dann verwirrten und schlussendlich von reuevollen braunen Augen. Ich brauchte eine Auszeit. Einen kurzen Moment um tief durchzuatmen, Zeit um nachzudenken.

Als Liam an meinem Tisch vorbeilief, um sich selbst auf einem Stuhl paar Plätze entfernt von meinem fallen zu lassen, ließ er mich mit einer Duftwolke seines Parfums zurück. Es war das selbe Parfum welches er Samstag Nacht an sich getragen hatte. Es roch süßlich und zitronig und so nach Liam, dass es mir meine Sinne vernebelte und ich aufstöhnte. Mein Sitznachbar schielte unauffällig zu mir und hob seine Augenbraue. "Was?", zischte ich und funkelte ihn an, worauf er seinen Blick sofort wieder von mir abwandte und ich mir frustriert über das Gesicht strich. Das konnte doch alles nicht wahr sein.

"Ich hoffe doch sehr, dass sie heute ein Zitat für mich haben, Mr. Payne", riss mich mein Literaturlehrer Mr. Bob aus meinen Gedanken und verzweifelt sah ich auf die Uhr, denn ich wollte einfach nur noch nach Hause. Als Liam anfing zu sprechen, versuchte ich mit aller Kraft seine Stimme auszublenden, doch es fiel mir sichtlich schwer. Denn sie war melodisch, tief und sanft und einfach alles was ich hören wollte. "Ich konnte nicht", sprach Liam klar und ich sah schon wie Mr. Bob sein Kiefer anspannte um nicht sofort einen Wutausbruch zu erleiden. "Sie sagten doch, ich sollte mir ein Beispiel an Zayn nehmen", fuhr er fort und ich keuchte auf und beugte mich nach vorne um Liam erschrocken über unsere Mitschüler hinweg anzusehen. "Doch er weigert sich mir Nachhilfe zu geben." Ich schnappte nach Luft als Liam mein Blick erwiderte und ein verschmitztes Lächeln seine Lippen umspielte. "Ist das wahr, Mr. Malik?", bohrte mein Literaturlehrer nach und ich öffnete meinen Mund um ihn dann wieder zu schließen und sah immer noch erschrocken zu Liam. "Ich", nuschelte ich und ließ mein Blick zu Mr. Bob und dem Rest meiner Mitschüler gleiten, die alle wie gespannt auf mich starrten. "Ich weiß nicht." Liam entwich ein Kichern und ich wünschte mir nichts mehr in diesem Moment, als ihm seinen schönen Kopf abzureißen.

"Sie sollten ihren Mitschülern Hilfe gewähren, wenn sie danach fragen Mr. Malik", begann Mr. Bob seine Moralpredigt und ich stöhnte auf. "Das weiß ich doch", wollte ich ihn unterbrechen, doch er hob warnend seine Hand. Ich seufzte. "Sie werden Mr. Payne Nachhilfe geben, haben sie mich verstanden?" Ich biss mir auf meine Unterlippe und überlegte wie ich mich aus dieser Situation retten konnte, doch ich wusste ganz genau Mr. Bob würde kein 'Nein' akzeptieren. Meine Hände ballten sich zu Fäusten, denn ich wollte nicht. "Mr. Malik", drang mich mein Lehrer ein weiteres mal und ich rieb mir meine Schläfen. "Okay", hauchte ich und ich konnte Liams zufriedenes Grinsen buchstäblich vor mir sehen. Ich war wortwörtlich überfordert. "Gut, dann hätten wir das auch geklärt." Und damit fuhr Mr. Bob seinen Literaturunterricht fort als hätte er nicht gerade mein Todesurteil verkündet.

Denn wie sollte ich das anstellen? Das Bild von Liam und mir alleine in einem Raum bildete sich in meinem Kopf. Sein Duft umspielte wieder meine Nase. Ich sah das Aufblitzen in seinen warmen, braunen Augen. Das zarte Lächeln, dass seine Lippen umspielte wenn er alleine mit mir war. Ich fragte mich wirklich, wie ich das schaffen sollte und gleichzeitig mir einreden sollte, dass Liam wie seine Freunde war, dass Liam mich nicht verwirrte.

Liam war nicht schwul und dennoch empfand ich für meinen Mitschüler Gefühle, die ich nicht fühlen sollte. Gefühle, die Liam niemals erwidern konnte.

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Ich hoffe es hat euch gefallen :)
(Sagt mir, was ihr darüber denkt, wenn ihr wollt)
Ganz viel Liebe zu euch, Emily

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