1. Chapter
~ JAY ~
Schweiß lief mir über die Stirn und meine Muskeln brannten. Erschöpft stützte ich meine Arme auf meine Knie ab und atmete einmal tief durch, was bei meinem schnellen Herzschlag nicht so einfach war. Die Trainingseinheit hatte es heute mal wieder in sich gehabt und ich spürte Muskeln, von denen ich nicht mal wusste, dass ich sie überhaupt hatte.
„Jay, kommst du mit zu Liam?", vernahm ich auf einmal Caleb neben mir.
Ich hob meinen Kopf, um ihn in die Augen sehen zu können, hielt mir allerdings eine Hand vors Gesicht, als mich die Sonne blendete. „Ja klar. Geh du schon mal vor, ich komm nach", japste ich nur.
Caleb klopfte mir brüderlich auf die Schulter und lachte. „Ich sag's doch, keine Ausdauer", zog er mich auf, was ich nur mit einem Schnauben beantwortete.
„Ja, ich weiß. Kein Grund es immer wieder anzusprechen", entgegnete ich.
Ausdauer war noch nie meine Stärke, obwohl das eins der wichtigsten Dinge war, die ein Soldat besitzen musste. Ich war mehr der strategische Typ, dachte vor einer Aktion länger und ausführlicher nach als meine Kameraden und setzte lieber auf Geschwindigkeit. Im Sprinten und Kurzstreckenschwimmen war ich beinahe unschlagbar.
Caleb war da das komplette Gegenteil. Er hatte verdammt viel Kondition und Durchhaltevermögen, er schwitzte nur minimal und stand entspannt neben mir. Und die Trainingseinheiten machten es irgendwie auch nicht besser. Jeder hatte eben andere Fähigkeiten und eine andere Anatomie, aber unsere Offiziere sahen das wohl anders. In ihren Augen zählte nur Perfektion.
Und da sollte jeder am besten alles können.
Calebs dunkelbraune Haut glänzte in der Sonne. Wie alle Soldaten hatte er sehr kurzes Haar und war ordentlich rasiert. Wir kannten uns schon lange und ich vertraute ihm bedingungslos. Kurz, er war wie ein großer Bruder für mich. Aber trotz seiner freundlichen Art, hatte er nicht viele Freunde hier im Stützpunkt.
Das lag aber nicht nur an seiner Hautfarbe und seinen schwarzen Haaren, sondern auch daran, dass er in manchen Dingen einfach besser war wie die anderen. Dadurch fühlten sie sich bedroht und ihre Eifersucht durfte Caleb seitdem fast jeden Tag spüren. Missbilligend sahen sie ihn beim Training an und lästerten hinter seinem Rücken.
Ein Verhalten, was mich einfach nur anwiderte!
Zusammen gingen wir zu unserem Zimmer, welches wir noch mit Liam teilten. Ihm ging es heute Morgen angeblich gar nicht gut, weshalb er nicht mit zur Trainingseinheit konnte. Scheinbar hatte er sich den Magen verdorben.
„Na, Training schon beendet?", begrüßte er uns als wir in unserem Zimmer waren. Offenbar ging es ihm wieder besser. Ob das nun gut oder schlecht war, wusste ich noch nicht.
Seine blöden Kommentare würde er jedenfalls irgendwann noch bereuen. Genauso wie seine ganzen Schikanen und Tricks. Er schlängelte sich permanent durchs System und kam dabei immer unbemerkt davon. Das Leben war unfair, seiner Meinung nach, und eben deshalb musste man sich nicht an jede Regel halten.
„Für einen Kranken reißt du ganz schön das Maul auf!", antwortete ich leicht gereizt und erntete nur ein amüsiertes Lachen seitens Caleb. Liam grinste mich an und ich wollte noch etwas sagen, doch wurde unterbrochen.
„Antreten!"
So schnell wir konnten, kontrollierten wir unsere Klamotten und traten dann aus unserem Zimmer. Unsere Muskeln spannten sich an und sofort war jedes Gefühl in unseren Augen und jegliche Bewegung erlöschen. Diese und viele weitere Bewegungen passierten schon voll automatisch. Wie ein Reflex hatte man uns diese Kommandos eingetrichtert.
„Parker, mitkommen!"
„Ja, Sir!", antwortete ich und folgte dem Coporal.
Die Militärbasis war nach Klassen unterteilt und ich war so ziemlich ganz unten. Die Grundausbildung hatte ich zwar schon hinter mir, war aber noch nicht sonderlich aufgestiegen. Mir hatte bisher einfach die Chance dazu gefehlt. Somit war ich ein einfacher Obergefreiter und gehörte zur Private First-Class. Genauso wie Caleb und Liam.
Ich folgte ihm also durch die Gänge, bis zum Hauptquartier. Das Planungs-, Befehls- und Koordinationszentrum war zentral gelegen und zugegeben ziemlich groß. Dort angekommen traten wir ein und wurden auch schon von dem Sergeant Major of the Army erwartet. Das konnte kein gutes Zeichen sein. Meine Vermutung bestätigte sich, als mich der Coporal dann auch noch mit ihm allein ließ.
Eine ganze Weile sagte keiner von uns was und ich stand noch immer angespannt da, hielt die Haltung, drückte die Brust raus und hielt meinen Kopf und Blick gerade. Irgendwann sah er von seinen Papieren hoch und unsere Blicke begegneten sich.
„Stehen sie bequem, Parker." Seine Stimme klang noch immer straff und ernst, aber auch erschöpft. Sein Seufzten bewies mir, dass ich richtig lag. „Ich habe schlechte Neuigkeiten für sie. Es gab einen Anschlag in El Paso in Texas. 125 Tote. Ihre Eltern, Mr. Parker und Mrs. Parker gehören dazu."
Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Kam völlig unerwartet und riss mir glatt den Boden unter den Füßen weg. Mir entglitten meine Gesichtszüge und ich stieß erschrocken die Luft aus. Sie waren tot. Einfach tot.
„Ich weiß, das kommt jetzt sehr plötzlich und sie haben mein tiefstes Beileid. Sie haben die Möglichkeit in drei Tagen für 36 Stunden nach Texas zu fliegen, um an der Beerdigung teilzunehmen und sich von ihren Eltern zu verabschieden."
Jetzt klang seine Stimme schon mitfühlender, dennoch bezweifelte ich sehr, dass ihm das wirklich nahe ging. Als Sergeant Major of the Army hatte er schon viel gesehen und da bedeuteten zwei Menschenleben gar nichts.
„Morgen 06:00 Uhr startet ihr Flieger. Seien sie pünktlich." Ich nickte nur, zu geschockt, um zu sprechen. „Abtreten!" Ich wandte mich zum Gehen ab und wollte gerade den Raum verlassen, als er noch einmal das Wort ergriff und ich mich wieder umdrehte. „Ach und Parker, ich hoffe doch sie vernachlässigen durch diesen Verlust nicht ihren Dienst. Das wäre fatal, immerhin haben sie viel Potential und könnten es noch weit bringen."
„Ja, Sir", erwiderte ich mit belegter Stimme, ehe ich endgültig den Raum verließ.
Draußen lehnte ich mich gegen die schwere Metalltür und legte meinen Kopf in den Nacken. Meine Augen wanderten hoch zum Himmel und ich ignorierte das Brennen durch die Sonne. Ob es an dem grellen Licht oder meiner Trauer lag, wusste ich nicht, aber meine Augen wurden glasig und ich konnte nur mit Mühe verhindern, dass eine Träne diese verließen.
Ich schloss die Augen.
Zittrig atmete ich aus und ballte meine Hände zu Fäusten. Zudem hatte ich das Gefühl zu ersticken. Ein dicker Kloß war in meinen Hals und das Schlucken schmerzte. Doch das alles durfte nicht sein. Mein Herz wurde schwer und ein unangenehmes Stechen begann in meiner Brust. Es fühlte sich alles an, wie ein surrealer Traum und ich wollte endlich aufwachen!
Frustriert drehte ich mich um, schlug mit der Faust gegen die Hauswand und schrie wütend auf. Dort verweilte sie einen Moment und ich genoss den pochenden Schmerz. Er lenkte so wunderbar ab und ich konnte meinen Frust auslassen. Dabei konnte die Wand gar nichts dafür.
Nur hielt der Schmerz nur für einen kurzen Moment. Und dann war der Moment vorbei.
Das körperliche Leid verebbte und überdeckte den Seelischen nicht mehr. Also zog ich meine Hand von der Mauer und wollte noch einmal zuschlagen, um das ablenkende Gefühl zu spüren. Doch dazu kam ich nicht. Jemand hielt meine Hand fest und legte mir die andere auf die Schulter. So wurde ich umgedreht und leicht an die Wand gedrückt.
Als die Person aber meinen Gemütszustand sah, umarmte sie mich plötzlich! Ich erstarrte sofort, da ich nicht wusste wer das war und eine Umarmung hier nicht das Normalste war.
Er drückte mich nur näher an sich und so langsam entspannte ich mich. Bis mir auffiel, was ich hier gerade tat. Ich, ein Soldat ließ mich von einem fremden Mann trösten. Ich durfte doch keine Schwäche zeigen! Das war eins meiner wichtigsten Prioritäten! Doch die fremde Person ließ mich nicht los und meine Gegenwehr brachte nichts. Also ergab ich mich meinem Schicksal. Ich war mit meinem Schmerz nicht mehr allein und das tat irgendwie gut.
Nach kurzer Zeit löste sich der Fremde von mir und ich ging einen Schritt zurück.
„Alles wieder in Ordnung?", fragte er mich und ich hob meinen Kopf, um ihn in die Augen sehen zu können. Er hatte schwarze Haare und dunkle Augen, zudem einen kurzen Bart. Ich nickte schnell, mir war die Situation mehr als peinlich. Mein Blick wanderte daher zu seiner Uniform und da erkannte ich auch das Abzeichen mit dem Stern und den zwei Flügeln. Command Sergeant Major. Ich war ja so am Arsch heute.
Meine Augen weiteten sich. „Tut mir leid, Sir! Es wird nicht wieder vorkommen!" Sofort nahm ich Haltung an und verkrampfte mich wieder.
„Es ist okay auch mal Schwäche zu zeigen, Parker." Seine Stimme klang ruhig und er war mir nicht mal ansatzweise böse. Ich senkte daraufhin nur den Blick und widersprach ihm nicht, auch wenn ich anderer Meinung war. „Wir sehen uns." Er klopfte mir nochmal auf die Schulter und lief dann an mir vorbei ins Gebäude.
Verwirrt sah ich ihm hinterher. Was war denn das?!
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