21 | oder findest du mich einfach nur heiß | louis
vibe des kapitels: monster - shawn mendes, justin bieber
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„Louis?"
Ich sah überrascht auf und schob meinen Kopfhörer von den Ohren. „Ja?" Ich sah zu meinem Vater, der auf der anderen Seite des Gangs saß, mir schräg gegenüber, mit einem Glas Champagner in der einen Hand (wie sollte es auch anders sein?) und seinem Handy in der anderen (natürlich) und mich ansah.
Ich hatte definitiv nicht damit gerechnet, dass er jetzt mit mir sprach.
„Ich lese mir gerade die ersten Artikel durch und ich bin mit diesem Schneider von deiner Mutter sehr zufrieden, die Kritiker lieben den neuen Anzug."
„Okay?" Ich kratzte mich an meinen Bartstoppeln am Kinn und runzelte die Stirn. Was wollte er mir damit jetzt sagen? Das war doch Enriques Verdienst.
„Ich will, dass du dich bei ihm meldest und er dir noch zwei Anzüge für die nächsten Events macht. Ich sende dir eben seine Nummer und du kümmerst dich darum, okay?"
„Ähh...ja ist gut", sagte ich und wollte meinen Kopfhörer fast schon wieder aufsetzen, weil mein Vater nur noch auf sein Handy sah, da sagte er noch etwas.
„Und Louis...das hast du sehr gut gemacht auf der Messe. Du hast einen guten Eindruck hinterlassen, ich bin stolz auf dich."
Wie paralysiert starrte ich meinen Vater an, der seine Aufmerksamkeit jetzt wieder vollständig auf sich selber gerichtet hatte und nicht mal merkte, was er gerade in mir angerichtet hatte.
Ich bin stolz auf dich.
Ich richtete meinen Blick schnell wieder starr aus dem Fenster, weil meine Augen brannten. Fuck, wieso hatte mich das jetzt so getroffen? Ich war doch auch die letzten Jahre gut damit klargekommen meinen Vater einfach zu hassen, was war das jetzt plötzlich?
Wie konnten mich fünf fucking Worte so aus dem Konzept bringen? Er hatte mich ja nicht mal angesehen, als er sie gesagt hatte.
Ich setzte meinen Kopfhörer wieder auf und machte die Musik lauter. Meine Finger zitterten.
Wann er das wohl das letzte Mal zu mir gesagt hatte?
Ich bin stolz auf dich.
Fuck.
Fuck, was war denn falsch mit mir?
Ich umklammerte mein Handy und meine Hand wanderte wie von selbst unter meinen Pulli zu dem Ring an meiner Kette.
Es beruhigte mich ein wenig und ich holte tief Luft und warf wieder einen kurzen Blick zu meinem Vater. Er war heute auch irgendwie entspannter als sonst. Diese Messe...diese Menschen, diese Massen an Geld...das war wirklich seine Welt.
Aber das hieß doch nicht, dass ich plötzlich einfach wieder damit anfangen konnte, etwas darauf zu geben was mein Vater dachte. Ich hatte mich doch so gut davon abgeschottet, hatte einfach alles was er sagte an mir abprallen lassen, nichts ernst genommen...und jetzt das. Jetzt sagte er einmal was positives und mein Herz dachte sich so „Dad".
Louis: Kann man sich einbilden jemanden zu hassen?
Mein Vater hatte wirklich WLAN im Jet einbauen lassen, so las er schließlich auch gerade die Artikel und deshalb konnte ich Harry schreiben. Seine Familie war schon viel früher wieder zurückgeflogen, deshalb konnte es gut sein, dass er meine Nachricht auch bekam.
Und tatsächlich kam die Antwort nur etwa eine Minute später.
Harry: Wie kommst du drauf?
Louis: Mein Vater hat mir gesagt er ist stolz auf mich
Ein paar Sekunden kam nichts, nachdem Harry die Nachricht gelesen hatte. Dann schrieb er.
Harry: Ich denke schon, dass man sich bestimmte Sachen einreden kann, damit andere nicht mehr so wehtun.
Louis: ich bin vollkommen durcheinander
Harry: das tut mir leid Louis. Ich wünschte ich könnte dich jetzt einfach in den Arm nehmen.
Meine Augen wurden noch wässriger und ich zwang mich nicht zu blinzeln.
Louis: kannst du mich einfach ablenken? Bitte?
Statt einer Antwort kam ein Foto von einer Katze in einer Badewanne. Ich musste grinsen.
Harry: Er sieht aus wie du wenn du nasse Haare hast
Und dann kamen noch mehr Bilder mit den komischsten Captions und ich musste lächeln.
Ja, Harry war wirklich das Beste was mir je passiert war.
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Mein Vater hatte den Kontakt nur unter Schneider (Johannah) eingespeichert. Dass er nicht mal Jay dort stehen hatte verwirrte mich ein bisschen, denn niemand nannte meine Mutter Johannah.
Sie war übrigens - große Überraschung - nicht zu Hause. Ich war enttäuscht, aber irgendwie auch einfach ein bisschen verwirrt, denn als ich meinen Vater gefragt hatte, hatte er einfach nur gesagt sie sei noch beim Anwalt.
Es war fast zehn Uhr. Abends. Und sie war doch schon das ganze Wochenende dort gewesen, konnte sie nicht wenigstens heute mal nach Hause kommen?
Ich nannte den neuen Kontakt Enrique und ließ mich dann auf mein Bett fallen. Ich war gar nicht mal wirklich müde, ich hatte im Flugzeug geschlafen.
Es ploppte eine neue Nachricht von Niall auf. Fuck, ich hatte ihn ganz vergessen.
Niall: Louis, ich mache mir echt Sorgen, können wir bitte reden?
Ich seufzte und setzte mich auf. An Nialls Stelle würde ich mir auch Sorgen machen, ich war schließlich am Freitag einfach abgehauen und hatte bis jetzt seine Nachrichten nicht mal gelesen. Einfach weil ich das ganze Wochenende auf der Messe oder mit Harry verbracht hatte und heute war ich zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt gewesen.
Ich sollte wirklich mit ihm reden.
Also öffnete ich den Chat und scrollte kurz durch die unzähligen Nachrichten. Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen. Ich vermisste Niall. Und ich hatte mich wirklich nicht gut verhalten.
Louis: Wollen wir uns treffen?
Niall antwortete sofort.
Niall: Im Park? Ich kann in zehn Minuten beim Fußballplatz sein.
Louis: Perfekt.
Ich stand auf und schlüpfte in meine Schuhe. Dann griff ich nach meiner Sweatshirtjacke und zog sie über, die Kapuze zog ich mir ins Gesicht. Mein Handy stopfte ich zurück in meine Hosentasche und verließ mein Zimmer.
Ich rief kurz in Richtung Büro, dass ich mich mit Niall traf, dann verschwand ich, ohne auf eine Antwort zu warten, im Aufzug.
Es war angenehm warm draußen, obwohl es so spät war, aber ich zog mir die Kapuze trotzdem tiefer ins Gesicht, als ich die Treppe vorm Haus runterjoggte. Die Straßen waren erhellt durch Autos und Straßenlaternen, aber sobald ich einige Minuten später in den Park einbog, war das Licht nur noch spärlich, durch ältere Laternen alle 10 Meter, von denen ungefähr die Hälfe nicht mehr funktionierte.
Die Geräusche der Stadt ebbten ab, je weiter ich lief und ich hörte nur das leise Rauschen der Bäume und das Plätschern des Bachs neben mir. Die Wege waren aus Schotter und begrenzt von einer schwarzen Metallstange, vielleicht 10 Zentimeter über dem Boden. Ich hatte noch nie verstanden, warum man den Weg so einzäunen musste. Es kapierte doch jeder, wo er aufhörte und anfing. Und es war ja auch nicht so, als würde damit gesagt werden „bitte nicht auf die Grünflächen treten", das durfte man nämlich, das hier war schließlich ein Park.
Ich gähnte, weil ich irgendwie ziemlich müde war und hörte auf über Metallstangen nachzudenken. Da hörte ich dann eh jemanden hinter mir.
„Louis. Hey, warte!" Ich drehte mich um und sah Niall auf mich zulaufen, kurz ein Stück am Joggen, um zu mir aufzuschließen.
„Hey", meinte ich leise, als er bei mir ankam.
„Hi." Er schluckte und war sichtlich nervös. Als er sah, dass ich ihn anlächelte, schien er sich aber schon ein bisschen zu entspannen.
„Also äh..." Er seufzte. „Ich weiß nicht so richtig, wo ich anfangen soll."
Ich hätte es ihm ja abgenommen, aber ich wusste selbst nicht so richtig wie. Das letzte was ich zu Niall gesagt hatte war, dass ich schwul war und seitdem hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Normalerweise konnte man bei einem Outing zumindest noch eine Reaktion sehen und außerdem war es aus einem Streitgespräch so gekommen und nicht wie zum Beispiel bei Liam bedacht und ruhig. Ich war also mindestens so überfordert wie Niall.
Wir liefen kurz schweigend nebeneinander her, dann seufzte er.
„Es tut mir Leid", sagte er. „Ich hab irgendwie das Gefühl, ich hab dich dazu gezwungen dich zu outen oder so und dann hat es auch noch Zayn - ausgerechnet Zayn - gehört und ich konnte dir nicht mal sagen wie...ach keine Ahnung, es tut mir auf jeden Fall wirklich Leid."
Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm. „Du hast mich doch nicht gezwungen mich zu outen", sagte ich. Niall runzelte die Stirn.
„Doch, ich...na ja ich hab die ganze Zeit auf dich eingeredet und dich irgendwie unter Druck gesetzt, zumindest hat es sich so angefühlt, aber ich war halt einfach so verletzt und ich wollte nicht, dass-"
„Niall, es war meine Entscheidung. Okay?" Ich legte meine Hände auf seine Schultern und sah ich eindringlich an. „Ich wollte es dir eh sagen, schon so lange, ich konnte nur irgendwie nicht, weil ich so extrem große Angst hatte, dass jemand es rausbekommt. Ich meine, mein Vater ist nun mal extrem homophob und ich-" Ich stockte und seufzte.
„Und jetzt ist genau das passiert", hauchte Niall.
Ich seufzte nochmal. Denn ja, das stimmte. Und Niall konnte ja nicht wissen, dass mir Zayns bester Freund zufällig versichert hatte, dass er es schon niemandem sagen würde.
Während ich heulend auf seinem Schoß gesessen und er mich geküsst hatte.
Ich schüttelte kurz den Kopf, um mich auf Niall zu konzentrieren und lächelte.
„Ist nicht so schlimm."
Er sah mich an und runzelte die Stirn. „Was? Aber es...es ist Zayn. Ich meine, ich hatte nie Probleme mit ihm, aber ihr-"
„Ja, ich...ich weiß. Aber wir können es nicht mehr ändern." Ich zuckte mit den Schultern. „Ich verschwende jetzt keine unnötige Energie mehr darauf. Die brauche ich für andere Dinge."
Niall musterte mich einen Moment, aber er schien sehen zu können, dass ich nicht mehr über Zayn reden wollte. Ich wollte schon weitergehen, aber Niall hielt mich am Ärmel fest.
„Louis", sagte er dann zögerlich und ich sah wieder zu ihm hoch.
„Ja?"
„Ich bin sehr froh, dass du es mir gesagt hast...dass du mir vertraust. Du bist mir wirklich sehr, sehr wichtig, Louis, ich weiß, dass wir oft, vor allem mit den anderen, immer nur oberflächliche Gespräche führen und nicht über unsere Gefühle reden oder was weiß ich, aber ich bin wirklich, wirklich froh, dass du es mir gesagt hast. Danke."
Ich lächelte sanft. Die Gesellschaft war wirklich scheiße. „Vielleicht sollten wir mehr über unsere Gefühle reden."
Niall nickte langsam und schluckte. „Ja, vielleicht."
Dann fuhr er sich durch die Haare, sah kurz zu Boden und wieder auf. „Und falls irgendwelche...falls ich irgendwelche dummen Witze oder Sprüche gemacht habe, die dich irgendwie verletzt haben...also über Homosexualität...das tut mir Leid. Das war nie meine Absicht, ich bin einfach unsensibel und-" Ich lächelte noch breiter und unterbrach ihn, indem ich ihn einfach an mich zog.
„Schon okay, Nialler."
„Sicher?"
„Sicher." Ich drückte ihn fest, klopfte noch zweimal auf seinen Rücken und löste mich dann wieder von ihm. Niall sah jetzt nicht mehr so aus, als würde er vor Schuldgefühlen gleich zusammenbrechen und das war gut. Er gab ein kleines erleichtertes Lachen von sich, dann setzten wir uns wirklich wieder in Bewegung.
„Wie lange weißt du es schon?", fragte er und steckte seine Hände in seine Hosentaschen. Ich seufzte.
„Ewigkeiten", antwortete ich dann.
Kurz war Stille. „Das muss hart sein."
Ich nickte.
Wieder war Stille. Aber es war nicht unangenehm, einfach nachdenklich. Von beiden Seiten aus.
„Wer weiß es alles?", fragte er dann und ich lächelte ein bisschen vor mich hin und griff kurz nach meinem Ring um meinen Hals. Auch in der kurzen Zeit eines Tages war das schon zu einer Gewohnheit geworden.
„Du", sagte ich. „Liam, Enrique, der Schneider und...und mein Freund."
Niall blieb stehen. Ich musste ein Grinsen unterdrücken und drehte mich zu ihm um. Und ja, technisch gesehen war Harry nicht mehr mein Freund, sondern mein Mann, aber ich musste ja nicht direkt jedem unter die Nase reiben, dass ich verheiratet war.
„Okay, erst wollte ich schon fragen, warum zur Hölle es Enrique, der Schneider weiß, aber wie bitte? Du hast einen Freund?" Auf Nialls Gesicht breitete sich ein Grinsen aus und ich nickte und fing selber an zu grinsen.
„Wer?"
„Ähm, ich glaube das wird sogar ein noch größerer Schock, also..." Ich stockte, weil ich Schritte hörte. „Warte, da kommt jemand, ich sag's dir wenn die Person weg ist."
Niall nickte und dann bog jemand um den Busch an der Ecke.
Und ach, du heilige Scheiße.
Was hatte ich dem Universum eigentlich getan? Ich verstand es wirklich nicht. Wieso um alles in der Welt musste ausgerechnet jetzt, von den 7 Milliarden Menschen auf diesem Planeten, genau der hier langlaufen, dem ich einfach nur aus dem Weg gehen wollte?
„Oh", machte Zayn, als er uns erkannte und blieb stehen. Ein Grinsen legte sich auf sein Gesicht und er nahm die Zigarette aus seinem Mund und blies Rauch in die Luft. „Na, was eine Überraschung."
Ich seufzte und sagte einfach nichts, Niall schien etwas aus dem Konzept gebracht zu sein.
„Zayn", meinte er und räusperte sich. „Hallo."
Zayn guckte nur, hob seine Hand zum Mund und nahm einen weiteren Zug der Zigarette. Ich sah an ihm vorbei.
„Immer noch so konfliktscheu, Louis?", fragte er und grinste mit einem Mundwinkel. Ich lenkte meinen Blick auf ihn und wusste nicht, was ich tun sollte. Harry hatte zwar gesagt Zayn würde es nicht weitersagen, aber das beschränkte sich vermutlich darauf, dass ich ihn nicht provozierte. Wenn ich jetzt irgendwas tat, dass Zayn sauer auf mich war...dann war ich am Arsch.
Kurz gesagt, ich hatte Angst. Angst irgendwas zu sagen, was ihm nicht passen würde und außerdem hatte ich auch echt keine Lust mehr. Harry war die Liebe meines Lebens und Zayn sein bester Freund. Unser ständiger Streit war anstrengend und unnötig und ja, ich mochte ihn wirklich nicht, aber für Harry konnte ich ja wenigstens versuchen mit Zayn klarzukommen.
„Was machst du hier, Zayn?", fragte Niall und wirkte nicht ganz so offen und freundlich, wie er sonst mit Zayn umging.
„Ich bin auf dem Weg zu meinem besten Freund."
„Harry Styles?", fragte Niall und ich biss mir auf die Unterlippe. Ich biss mir auf die Unterlippe, denn keiner von beiden hatte auch nur die leiseste Ahnung, dass sie gerade über meinen Ehemann sprachen.
Heilige Scheiße.
Zayn nickte und sah mich dann an. „Und was macht ihr hier so?", fragte er und ich warf einen Blick zu Niall, der nur besorgt zurücksah.
„Ach, einfach ein bisschen...reden."
„Reden." Zayn schmunzelte. „Aha."
Eine Weile starrten wir alle uns nur an und es war die unangenehmste Situation seit...ich wusste es nicht. Seit einer sehr langen Zeit auf jeden Fall und ich war gerade erst von einer Messe voller gefaketer Lächeln und Konversationen gekommen. Das hieß also was.
„Ähm, okay, willst du dann einfach weiter-"
„Wieso sagst du denn nichts, Louis?", unterbrach Zayn Nialls Versuch ihn loszuwerden und grinste. „Bist du sprachlos?"
Er hatte richtig Spaß. Er hatte richtig Spaß daran, zu wissen, wie er mich theoretisch in der Hand hatte. Weil er Bescheid wusste. Was ein Sadist.
„Was ist los? Wirklich, wir verstehen uns doch sonst so gut." Seine Stimme triefte nur so von Sarkasmus, ein fast schon gehässiges Lächeln wohnte in seinem linken Mundwinkel und ich konnte wirklich nicht verstehen, wie Harry mit ihm befreundet sein konnte.
„Zayn, was willst du?", presste ich hervor und versuchte mich unter Kontrolle zu halten. Leider stritten wir uns schon seit so vielen Jahren, dass Zayn genau wusste, wie er mich am besten provozieren konnte. Und jetzt kannte er einen neuen wunden Punkt von mir und er würde es bis zum Ende auskosten.
„Was ich will? Gar nichts." Er setzte ein unschuldiges Gesicht auf. „Ich frag mich nur, warum dir unsere süßen kleinen Streitereien nicht mehr gefallen. Hast du etwa Angst vor dem Schuldirektor bekommen? Hat er dir beim letzten Mal zu deutlich gesagt, dass Gewalt keine Lösung ist und du bist jetzt die Personifizierung des Friedens?"
Ich starrte ihn nur an und presste meinen Kiefer zusammen.
„Oder hattest du die Erleuchtung und achtest jetzt auf deine friedliche Aura und darauf das Universum nicht ins Ungleichgewicht zu bringen? Hast du eine Wahrsagerin besucht?"
„Zayn", begann Niall, aber ich warf ihm nur einen Blick zu und schüttelte langsam den Kopf. „Geh einfach nicht drauf ein, Nialler."
„Oh wow. Du scheinst ja wirklich eine große Charakterentwicklung durchgemacht zu haben, Louis. Ich bin beeindruckt." Zayn nahm einen letzten Zug, warf die Zigarette auf den Boden und trat sie aus.
Ich sagte einfach nichts und presste meine Fingernägel in meine Handfläche. Ich durfte nicht auf seine Provokationen eingehen. Alleine für Harry.
„Ich will es wirklich wissen", sprach Zayn weiter. „Was war es? Hast du plötzlich Angst vor mir? Hab ich dich beim letzten Mal zu heftig erwischt?"
Ich schloss kurz meine Augen und öffnete sie dann wieder.
„Wirklich, wieso redest du denn nicht mit mir? Du hast doch sonst immer so schlaue Konter parat. Oder bist du jetzt zu cool? Stehst du jetzt über sowas? Ist das dein neuer Plan, es einfach ignorieren bis es weggeht?"
Er kam ein kleines Stück näher.
„Haben deine Eltern keine Lust mehr auf die Anrufe aus der Schule und haben dir gedroht dir irgendwas von den dreitausend Sachen wegzunehmen, die du in den Arsch gesteckt bekommst? Geht es etwa um dein Auto?" Er schob gespielt mitleidig seine Unterlippe vor.
Dann wuchs ein herablassendes Grinsen in seinem linken Mundwinkel und ich konnte sehen, dass sein nächster Kommentar das war, worauf er sich die ganze Zeit hingearbeitet hatte.
„Oder findest du mich einfach nur heiß?" Er legte eine Hand auf seine Brust. „Wirklich Louis, ich fühl mich sehr geschmeichelt, aber ich steh leider nicht auf Typen."
„Okay, das geht zu weit!"
Mein Blick flog zu Niall, der mit zwei Schritten bei Zayn war und ihm seine linke Faust in den Magen rammte.
Dieser gab einen erstickten Schmerzlaut von sich und sah dann vornübergebeugt zu Niall hoch.
„Fuck, was ist denn mit dir?", fragte er und stöhnte leise. Ich konnte nicht anders als einfach nur in Schockstarre zuzusehen. Hatte Niall Zayn gerade wirklich geschlagen? Mein bester Freund Niall, der nichts mehr hasste als Gewalt? Der, der mal aus Versehen jemanden mit einem Golfschläger getroffen hatte und ihn dann ein Jahr lang jede Woche zum Eis eingeladen hatte? Derselbe Niall?
„Wenn du Louis' Sexualität noch ein Mal als Möglichkeit nimmst, ihn irgendwie-" Weiter kam Niall nicht, denn Zayn hatte sich wieder aufgerichtet und gab ihm einen heftigen Kinnhaken.
Niall gab einen leisen Schrei von sich, stolperte nach hinten und fiel auf den Boden. Sein Gesicht war angestrengt verzogen und er hielt sich den Kiefer. Er konnte sich kaum bewegen, weil er wirklich so starke Schmerzen zu haben schien und da sah ich rot.
Wenn Zayn mich geschlagen hätte, okay, aber dass er meinen besten Freund zu Boden gebracht hatte war zu viel. Vor allem weil die beiden eigentlich immer gut miteinander klargekommen waren. Während Zayn Niall also nur etwas ungläubig anstarrte, als hätte er seinen eigenen Schlag ein bisschen unterschätzt, rannte ich die zwei Schritte fast schon auf ihn zu und schlug ihm ins Gesicht, bevor ich mich irgendwie zurückhalten konnte.
Nur hatten wohl weder ich noch er damit gerechnet, dass der Schlag so eine Kraft haben würde.
Er taumelte nach hinten und stolperte über diese dumme Gehwegbegrenzung. Es kam mir fast schon vor wie in Zeitlupe, wie Zayn nach hinten fiel und den kleinen Abhang runter in den Bach stürzte.
Eine Sekunde starrte ich nur in die Dunkelheit.
„Fuck", rief ich dann laut und sprang auf die kleine Grünfläche. Ich schlitterte den Abhang herunter, riss mir dabei irgendwie an einem Ast oder so Stoff und Haut an meinem Arm auf, aber das einzige was wichtig war, war jetzt Zayn, der bewusstlos in dem kalten Wasser lag. Und zwar merkwürdig verdreht.
Der Bach war an dieser Stelle wirklich nur wenige Zentimeter tief und Zayn war mit seinem ganzen Gesicht auf die Steine auf dem Grund aufgeschlagen. Und er lag mit dem Gesicht nach unten.
„Scheiße, Zayn!" Ich fiel neben ihm auf die Knie und hob vorsichtig seinen Kopf aus dem Wasser. Seine Augen waren geschlossen, an seiner Stirn war die Haut aufgeschürft und aus seiner Nase tropfte Blut.
„Scheiße, scheiße, scheiße", flüsterte ich.
Ich versuchte Zayns Körper zu drehen, aber es ging nur sehr schwer und irgendwas war extrem falsch. Ich konnte es fühlen und irgendwie sah Zayns Körper auch immer noch super verdreht aus. In diesem Moment gab er ein leises Stöhnen von sich gefolgt von einem schmerzverzerrten Wimmern.
„Zayn? Zayn? Zayn, verdammt kannst du mich hören?"
Seine Augen flatterten kurz auf und dann wieder zu und ich fluchte und hievte auch Zayns Beine auf die andere Seite. Seine Jeans hatten sich schon komplett mit Wasser vollgesogen und ich zog seinen Oberkörper auf meinen Schoß. Wieder gab er ein schmerzverzerrtes Geräusch von sich und ich atmete zitternd ein.
Ich wusste nicht wo genau der krasseste Schmerz herkam, aber irgendwas war gewaltig kaputt.
„Niall?", rief ich fragend und merkte wie Tränen der Verzweiflung in meinen Augen brannten. Verdammt, verdammt, verdammt.
Wie konnte das nur passieren?
Von oben kam nur ein Geräusch, das klang als ob Niall gerade die größten Schmerzen seines Lebens erfuhr.
„Scheiße." Ich tastete mit zitternden und eiskalten Fingern meine Taschen nach meinem Handy ab und zog es hervor. Es hatte einen heftigen Riss im Display, aber es leuchtete sofort auf, als ich es anschaltete, wofür ich so dankbar war, dass ich kurz eine Art Schluchzen von mir gab.
Meine Finger zitterten so stark, dass ich es kaum schaffte, die richtigen Tasten zu drücken, aber irgendwie klappte es wohl und ich konnte einen Notruf absetzen.
Meine Ohren begannen zu rauschen und alles was danach kam war nur noch ein Blur. Eine Mischung aus Emotionen und Farben und Schmerzen.
Aber einzelne Bilder brannten sich in meinen Kopf.
Wie Zayn ins Innere eines Krankenwagens befördert wurde. Wie Niall ins Innere eines Krankenwagen befördert wurde. Wie irgendein Sanitäter mich fragte ob ich ihn verstehen konnte.
Blaulicht und Sirenen, Schreie und Stille, ich war nur noch eine Hülle gefüllt mit Adrenalin und vermutlich irgendeinem Schmerzmittel.
Mein Gehirn klärte sich erst viel später wieder. Richtig klar wurde es erst wieder, als ich gefühlte Ewigkeiten auf einem ungemütlichen Krankenhausstuhl saß und an dem Verband rumzupfte, den der Arzt mir am Oberarm gemacht hatte. Ich hatte eine ziemlich eklige Wunde, die zwar höllisch wehtat, aber zum Glück nur oberflächlich war.
Niall war im OP. Er hatte einen Kieferbruch und heilige Scheiße, wenn ich gewusst hätte, dass Zayn mit seiner Faust so einen Schaden anrichten konnte, hätte ich schon viel eher aufgehört, mich mit ihm zu prügeln. Ich war ganz froh, dass ich beide gerade nicht sehen musste.
Zayn war immerhin, als er vorhin zu einer weiteren Untersuchung gebracht worden war, wieder bei Bewusstsein gewesen, aber ich war aus der Situation definitiv am glimpflichsten davongekommen.
Bis jetzt hatte man bei ihm einen Schlüsselbeinbruch und eine leichte Gehirnerschütterung festgestellt. Und ich machte mir schreckliche Vorwürfe. Ich meine, klar es war nicht komplett hundertprozentig meine Schuld gewesen, immerhin hatte ich anfangs wirklich versucht nicht auf die Provokationen einzugehen, aber er war meinetwegen in den Bach gestürzt.
Und das war wirklich keine Absicht gewesen.
Ich wusste nicht so richtig wohin mit mir. Mein Vater war auf dem Weg mich abzuholen und mir war einfach nur unwohl, vor allem mit dem Wissen, dass ich jede Sekunde auf Zayns Eltern treffen könnte.
Scheiße, das Ganze würde doch bestimmt auch einen ewigen Rechtsstreit wegen Körperverletzung geben. Ich konnte das jetzt nicht aushalten. Es war einfach zu viel.
Ich zog meine Kapuze tief in mein Gesicht und zog dann vorsichtig den Ärmel meiner Sweatshirtjacke über den Verband, damit ich endlich aufhörte daran rumzunesteln.
Nialls Eltern waren auch schon hier und hatten mich nachdem sie mich eine halbe Stunde ausgequetscht hatten, einfach nur in den Arm genommen und mir dann ein bisschen Ruhe gegeben. Und ich könnte ihnen einerseits nicht dankbarer sein, aber andererseits war diese Stille auch erdrückend.
Vielleicht sollte ich mir von dem Automaten in dem einen Gang links etwas zu essen holen? Ich brauchte Zucker. Ich stand auf und kramte in meiner Tasche nach einem Dollar, denn ich wusste wirklich nicht wo sonst hin mit mir.
Ich setzte mich in Bewegung, kam aber nicht ganz bis zum Automaten. Denn einen Gang vorher kam mir eine Person entgegen.
Sofort begann mein Herz zu flattern.
Harry.
Er war hier.
Aber in dem Moment, in dem ich seinen Gesichtsausdruck sah, war es vorbei mit dem Aufatmen und ich schreckte fast ein Stück zurück.
Natürlich. Zayn.
„Louis", sagte er, als er vor mir zum Stehen kam und ich konnte ihn nur anstarren. Sein Gesicht strahlte Kälte aus und seine Locken schienen fast dunkler als sonst und ließen seinen harten Blick und aufeinander gepressten Kiefer nur noch krasser wirken.
Scheiße, ich hatte echt nicht gewusst, dass Harry so einschüchternd aussehen konnte.
„Äh...h-hi", stotterte ich, immer noch überrumpelt. Ich war es nicht gewohnt, dass er mich so ansah. Ich war es gewohnt, dass er mich ansah, als wäre ich das Schönste was er je gesehen hatte und als würde er sich jede Sekunde mehr in mich verlieben. Mich sah er weich an, nicht hart.
Aber jetzt war sein Gesicht fast wie eingefroren. Er hatte seine Maske aufgesetzt. Er verschloss sich vor mir.
Und das tat so viel mehr weh als diese Verletzung an meinem Oberarm oder meine eigenen Vorwürfe.
„Ich war gerade bei Zayn", sagte er und holte zitternd Luft. Aber ich wusste nicht, ob es ein unsicheres Zittern oder ein wütendes Zittern war. Ich konnte es nicht zuordnen und das machte mir noch mehr Angst. „Er muss jetzt aber gleich wieder zu einer Untersuchung."
Ich ließ langsam Luft aus meinen Lungen entweichen und wollte gerade ansetzen, etwas zu sagen, da brach es auch Harry heraus.
„Ist das dein fucking Ernst?"
„Harry, ich-" Ich war verzweifelt, so verzweifelt. Alles brach gerade zusammen und ich konnte nicht mehr. Ich fand keine Worte. Aber Harry ließ mich eh nicht ausreden.
„Nein, Louis, was zur Hölle? Ich weiß, du und Zayn könnt euch nicht ausstehen, aber das geht einfach zu weit. Ich dachte, du könntest dich wenigstens für mich zusammenreißen." Zwischen seinen Augenbrauen war eine tiefe Falte aufgetaucht.
„Ich hab's doch versucht", versuchte ich ihm zu erklären. „Harry, ich bin auf keine seiner Provokationen eingegangen, weil ich keine Lust habe weiter mit dem besten Freund von meinem Freun-meinem Mann aneinanderzugeraten, ich-"
„Nenn mich nicht so." Die Enttäuschung von der seine Stimme triefte brach mein Herz.
Ich wich einen Schritt zurück und blinzelte. „Was? Harry, das kannst du nicht-"
„Du hast sein Schlüsselbein gebrochen!", zischte er und ich versuchte gegen die Tränen anzukommen.
„Er hat Niall verletzt", rief ich zurück, wurde langsam selber sauer und sah nur wie Harry schnaubte und den Kopf schüttelte. „Und das gibt dir das Recht ihn zurück zu verletzen, oder was? Ey, Louis, das hier ist das 21. Jahrhundert, du kannst nicht einfach jemanden rächen, okay? So funktioniert das nicht!"
„Das war doch keine Absicht!", rief ich aufgebracht. Harry sah mich nur stumm an.
„Harry", versuchte ich es nochmal, ging einen Schritt auf ihn zu, aber er trat einen zurück. Das rammte einen Dolch in mein Herz. Harrys Abneigung war das Schlimmste.
„Louis, weißt du eigentlich was ein Schlüsselbeinbruch für Zayn heißt?"
Ich biss nur meine Zähne aufeinander und starrte ihn an.
„Er kann mindestens acht Wochen kein Instrument mehr spielen." Jetzt kam Harry doch einen Schritt zu mir zurück, aber es war eher bedrohlich, sodass ich jetzt fast zurückwich. „Du hast alles, worauf er sein Leben lang hingearbeitet hat, zerstört."
Jetzt wich meine Wut irgendwie Verzweiflung und ich konnte die Tränen nicht mehr aufhalten. „Das war doch nicht mit Absicht", sagte ich ein drittes Mal und atmete zitternd ein. Für eine Sekunde brach Harrys Maske, dann verhärtete sich sein Gesicht wieder und er sah von mir weg.
„Ich will dich gerade nicht sehen."
„Bitte tu mir das nicht an", hauchte ich. Harry war alles was ich gerade hatte. Liam war nicht da, Niall hatte damit zu tun, dass Zayn Bescheid wusste und war jetzt auch noch auf seine Provokationen eingegangen und meine Mutter war Gott weiß wo.
Jetzt konnte sich nicht auch noch die letzte Person, die mich liebte, von mir abwenden.
„Ich brauch nur ein bisschen Zeit, Louis", sagte Harry und sah plötzlich einfach nur erschöpft aus. Ich wischte die Tränen weg und setzte meine Maske auf. Wenn Harry sich plötzlich vor mir verschließen wollte, bitte. Das konnte ich auch, ich hatte ein Leben lang Übung.
Harry griff nach meiner Hand und drückte sie kurz, bevor er sich umdrehte und ging. Ich sah ihm einfach nur nach. Dann trat ich wütend und verzweifelt gegen einen Stuhl, der neben mir stand, was nur dafür sorgte, dass mir jetzt auch noch mein Fuß wehtat. Ich schloss die Augen und zwang mich gleichmäßig zu atmen.
Fuck, fuck, fuck, fuck. Ich drehte mich ebenfalls um und ging wieder zurück in Richtung Lobby, einfach damit mich jemand fand, falls ich wirklich eine Panikattacke haben sollte. Mit zittrigen Fingern tastete ich nach dem Päckchen Salz, dass Eleanor in meine Jackentasche gesteckt hatte.
Eleanor! Ich hatte noch Eleanor.
Sie wäre für mich da. Das war ein Lichtblick und ich zwang mich gleichmäßig zu atmen, aber dann fiel mein Blick sowieso auf etwas, das mich sofort ablenkte.
Am Ende des Ganges, vor dem Aufzug, stand eine Krankenschwester neben einem Krankenhausbett auf Rollen. Darin lag Zayn.
Aber mein Gehirn hatte keine Zeit irgendwie auch nur ansatzweise erleichtert zu sein, dass er bei Bewusstsein war und für seinen Zustand ganz gut drauf zu sein schien.
Denn neben ihm stand mein Vater.
Und die beiden unterhielten sich.
Sofort wich sämtliches Blut aus meinem Kopf. Scheiße.
Ich wollte nicht zu ihnen gehen, ich wollte einfach nur weglaufen. Aber meine Beine gehorchten mir nicht. Ich kam immer näher.
„Oh, das wussten Sie gar nicht. Oh. Das tut mir jetzt Leid", hörte ich Zayn sagen und atmete kaum.
Sein Blick fiel auf mich und seine Mundwinkel zogen sich in ein gefaketes Lächeln. Sein ganzes Gesicht strahlte Abneigung gegen mich aus. Mir wurde schlecht. Ich hatte keine Kraft dafür.
„Entschuldigung, Mr. Malik muss in die nächste Untersuchung", sagte die Krankenschwester, die an dem Bett stand, bevor ich noch irgendwas tun konnte und rollte Zayn in den Fahrstuhl. Ich starrte solange auf den Aufzug, bis die Türen sich geschlossen hatten.
Dann drehte ich mich zu meinem Vater, Gesicht bleich vor Angst.
Und sein Gesichtsausdruck sagte mir, dass ich auch allen Grund zur Angst hatte.
„Louis", zischte er. „Wir gehen jetzt nach Hause. Und dann unterhalten wir uns mal." Er packte meinen Arm, direkt auf meine Wunde, ich zischte kurz auf, weil es höllisch wehtat und er zog mich aus dem Krankenhaus.
Mein Leben war vorbei.
_____
ääähm ja, da ist die situation wohl ein bisschen eskaliert.
ich schätze mal das ist nicht so euer lieblingskapitel haha :/
könnt ihr harrys ärger nachvollziehen? oder findet ihr er war ein bisschen harsch zu louis? und was denkt ihr von der niall und zayn situation so?
übrigens hab ich am mittwoch meine fahrprüfung bestanden!! this bitch can drive now :)
(na ja die ersten paar monate nur mit meinen eltern, aber trotzdem haha)
wie geht es euch? alle gesund?
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