The Unexpected

Ich habe nicht erwartet ihn hier anzutreffen. Im Leichtathletikkurs meines Bruders. Eigentlich war ich nur hier, um mein Bruderherz abzuholen und ein wenig mit seinem Trainer, der vor Jahren auch mein Kursleiter war, zu plaudern. Die Gruppe aus Zwanzigjährigen verließ den Raum, um sich nach dem harten Training umzuziehen. In der Turnhalle roch es auch angemessen. Nur er ging nicht in die Kabine. Nein, er kam direkt auf mich zu. Der schüchterne Junge, der nie seine Kapuze vom Kopf nahm. Auch jetzt nicht, denn er trug einen dünnen Pullover ohne Ärmel, wahrscheinlich selbst so zugerichtet. Trotzdem hatte ich von seiner drahtigen Figur nicht so definierte Armmuskeln erwartet. Er sah in Sportkleidung definitiv anders aus. Attraktiv. Auch wenn sein Look mit den Hoodies auch genau mein Typ war.

Der Trainer sah zu mir. Normalerweise würde er jetzt die Halle aufräumen, doch er nickte mir nur zu. Und dann betrat er ebenfalls die Kabinen und ließ mich so mit dem Jungen vor mir allein. „Hey", war alles, was er sagte. „Hey", meinte auch ich und erkannte das gebräunte Gesicht unter der Kapuze. Seine Haare standen in alle Richtungen ab. Plötzlich stellte ich mir vor, mit meiner Hand durch sie hindurch zu fahren. Erschrocken atmete ich ein und konzentrierte mich wieder. „Schön, dich wieder zu sehen." Ich konnte dies nur mit einem Nicken kommentieren. Mir fiel einfach nichts Besseres ein. Außerdem konnte ich meinen Blick nicht von seinen hellen Augen lösen. Ohne, dass ich es bemerkt hätte, standen wir nur mehr einen kleinen Schritt voneinander entfernt. Ich sah wieder seine Kapuze an und mich überfiel die Lust, seine Haare darunter zu befreien. Wie hypnotisiert hob mich meine Hand. „Darf ich?" Er nickte und ich strich die Kapuze von seinem Kopf. Mein Daumen streifte seine dunklen, etwas feuchten Haare und ein Schauer fuhr über meinen Rücken. Auf einmal wurde mir bewusst was ich gerade getan hatte und zog meine Hand zurück. Ich wandte den Blick ab, aber er musste auch so merken, wie rot ich wurde. Zum Glück sagte er nichts, sondern verabschiedete sich mit einem „Man sieht sich". Dann nahm auch er den Ausgang zu den anderen.

Ich wartete draußen beim Auto auf meinen Bruder, die Hände vor Kälte reibend. Der erste, der das Gebäude verließ, war er. Und halb hoffte ich, er würde mich nicht bemerken, halb hoffte ich, dass er zu mir kommen würde. So wie vorher. Ohne einen Grund. Und das tat er. Der Junge kam mit festem Schritt auf mich zu. Ich war überrascht, als er einen Arm um meine Hüfte legte. Von seinem Körper strahlte noch immer eine Wärme aus, die meinen Puls augenblicklich in die Höhe schießen ließ. Sein Kopf war plötzlich so nah. Sein Mund, seine Lippen. „Darf ich?", fragte er und ich nickte. Nichts anderes wollte ich im Moment lieber. Nach all den Jahren waren meine Gefühle für ihn nicht weniger geworden. Obwohl ich sie endlich verblasst geglaubt hatte. Ich hatte nie daran geglaubt, dass etwas zwischen uns sein könnte. Und jetzt war es das. Zwei Zentimeter Luft. Und im nächsten Moment nicht mehr.

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