Wenn alle Masken fallen

Für daydream1001.
Du hast mich schon durch meine allererste FF begleitet, standest als einzige zu einem Neuling auf Wattpad, hast mich zum Schreiben und Weitermachen ermutigt.
Ich kann nicht sagen wie sehr ich dir danke.
Damals habe ich es nicht getan, als das Finale von "the fire of Albion" rauskam, damals war ich noch nicht so stolz auf mein Finale um es dir zu würdigen.
Dieses Mal bin ich es.
Hier ist dein Kapitel.
Danke für deine Unterstützung ♡

Chroma- the way of the dauntless
Nie hat es einen besseren Soundtrack gegeben der etwas so gut untermalt hat. *.*
Lest, und dann hört euch den Soundtrack nochmal ganz in Ruhe an.
Schließt die Augen und denkt an meine Worte.
"Ist es schon Wahnsinn, so hat es doch Methode."- W. Shakespeare.

Ein letztes Mal

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Skye's POV:

Da waren Schmerzen.
Ich erinnere mich an grauenhafte Qualen.
Daran wie das verzehrende Feuer durch meine Knochen flammte, es meine Organe auseinander riss, mir dir Lunge zerfetzte, wie mein Kopf zu explodieren drohte.
Ich wand mich.
Es hörte nicht auf.
Es wurde immer schlimmer.
Es wollte einfach nicht aufhören.
Ich wollte mich wehren, mein Herz sprang, klopfte mir bis zum Hals. Ich würgte, doch da war nichts in meinem Magen außer flüssiges Feuer.
Es verätzte mir die Kehle, brannte in meinen Gedanken, ließ meine Haut Blasen werfen.
Es waren schreckliche Schmerzen.
Es war die reinste und vollendetste Form der Folter.
Ich schmeckte Blut, fühlte meinen Körper nicht mehr, meine Glieder zuckten unkontrolliert hin und her, ich hatte keine Macht mehr über mein eigenes Wesen.
Dumpf hörte ich die Schreie von den Wänden widerhallen. Hoch, schrill, hysterisch und voller Grauen.
Ich begriff nicht das es meine eigenen waren.
Mir wurde die Haut bei lebendigem Leibe abgeschält, ich kratzte mir die Arme blutig, versuchte zu widerstehen, die herrschende Stimme in meinem Kopf zu ignorieren.
Doch es ging nicht.
Über allem stehend hörte ich diese eine Stimme.
Dunkel echote sie in meinem Kopf, pulsierte wie ein übergroßes Herz, trieb mich in den Wahnsinn.
Ich kämpfte.
Ich kämpfte unter allen Schmerzen gegen sie an, gegen die Verwandlung die mich zu übermannen drohte.
Der Drache wand sich, zerriss mir fast das Herz, kreischte, schlug mit den Krallen um sich.
Scharf wie Dolche gruben sich die Klauen durch die Muskeln, umgriffen meine Membranen und Sehnen, zogen ,zerrten, rissen an mir herum.
Ich versuchte ihn zu beruhigen, ihm zu sagen das alles gut war, ihn im Zaum zu halten, den inneren Kampf in mir zu stoppen.
Doch ich war machtlos, ich war zu schwach.
Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich verlassen, fühlte mich wie Abschaum.
Wie ein Monster.
Ich stöhnte auf, biss mir auf die Lippen, schmeckte Metall.
Ich keuchte als meine Schulter zu ziehen begann.
Blut strömte aus meiner Wunde, es war als hätte mich jemand von der Schulter abwärts auseinander gerissen, mich bei lebendigem Leibe gespalten und halb ganz zurückgelassen.
Ich spürte den eiskalten Stein gegen meine Brust drücken, bekam keine Luft mehr.
Tränen rannen mein Gesicht herunter.
Ich weinte wurde mir klar.
Alles andere verblasste zu einer gewaltigen Wolke der Qualen, doch zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass ich Tränen vergießen konnte.
Dass ich ein Mensch war.
Mein Blickfeld veränderte sich.
Hatte ich vorher alles verschwommen gesehen, die Worte die mich niederrangen vor meinen Augen blitzen gesehen, so wurde jetzt alles schwarz.
Mir wurde eiskalt.
Da war keine Hitze mehr die ich fühlte, keine brennende Lust, kein Antrieb mehr.
Nur noch der Wunsch zu sterben, endlich erlöst zu werden.
Zum ersten Mal fühlte ich das volle Gewicht der Welt, fühlte wie der Himmel in glühenden Fetzten auf mich niederging, die Mauer der Macht in sich wie ein Kartenhaus zusammen fiel, meine Wand aus Eis, aus Unantastbarkeit einfach so schmolz.
Ich hörte diese tiefe befehlende Stimme dröhnen, meinen Körper einnehmen, spürte wie mich die Macht dieser Worte erzittern ließ, mich in die Knie zwang.
Ich fiel.
Ich fiel in einen tiefen schwarzen Schlund, schlug vergeblich mit meinen Flügeln, sah im Fallen wie sie sich auflösten, zu Asche zerfielen.
Mit riesiger Geschwindigkeit näherte ich mich dem Boden, spürte die Luft an mir vorbei zischen, wie mich die Erdanziehungskraft in ihren Bann zog und mich nicht wieder los ließ, wie ich versuchte irgendwo Halt zu finden, meine Finger hilflos durch lose kalte Luft fuhren, wie ich immer weiter auf den alles entscheidenden Aufprall zusteuerte.
Ich verlor mich selbst, es war vorbei.
Mein Wesen bröckelte, verblasste, löste sich wie Zwiebelschichten eine nach der anderen von mir, verschwand im Nimmerland.
Immer schneller begann sich alles zu drehen, begann die Erde zu bersten.
Meine Gedanken wurden ausradiert, umstrukturiert.
Etwas altes, lange Vergessenes begann wieder zum Leben zu erwachen, die Finger auszustrecken, drang in die letzten Winkel meines Schattens vor, gab ihm wieder Form, schuf mich neu.
Ich fühlte auf einmal wieder alles.
Den Schmerz, die Tränen die warm und salzig mein Gesicht hinunter liefen, auf meine spröden Lippen trafen, wie der eisige nach Frost duftende Wind über meine nun nackte Haut fuhr, wie sich die feinen Häärchen vor Kälte aufstellten, wie Gänsehaut mich erschaudern ließ, wie ich meine Fingerspitzen über den rauen Boden fahren ließ.
Der Drache hatte sich schlafen gelegt.
Hatte seinen Zorn und sein Feuer mitgenommen, eine alte, verfallene Ruine zurückgelassen. Schneidend fuhr mir die Luft in die nun viel zu kleine Lunge, ich hustete, bäumte mich ein letztes Mal vergeblich auf bevor ich in mir zusammen fiel, mich meine letzte Kraft verließ, als mich mein Beschützer gebrochen und mit ausgerissenen Flügeln auf einem kalten Steinboden zurückließ.
Ich war am Ende.
Ich wusste es.
Was auch immer passiert war, es war vorbei.
Die Würfel waren gefallen.
Es gab kein Entrinnen mehr, keine Alternative zu der Leere, der plötzlichen Einsamkeit und der erdrückenden Ziellosigkeit.
Ich brach zusammen, ergab mich meiner Schwäche.
Langsam entglitt mir mein Bewusstsein, Gleichgültigkeit ergriff von mir Besitz.
Ich driftete in die verheißungsvollen Tiefen und Abgründe des Jenseits, spürte wie die Lichter um mich herum erloschen, wie sich mein Herz auf leisen Sohlen schlafen legte, es zu träumen begann, von einer anderen Zeit, von einer besseren Welt und von lange verlorenen Geliebten.
Meine Muskeln wurden taub, meine Bewegungen erlahmten, der Schmerz in meiner Seite verebbte.
Ich ließ los. 

Und dann fühlte ich Wärme.
Nicht die alles einnehmende Hitze, nicht das züngelnde Feuer.
Nein ich fühlte Wärme, wie eine sanfte Maibrise strich sie über meine kalte Haut, es war als kitzelten Sonnenstrahlen mein Gesicht, lange gestorbene Schmetterlinge begannen sich wieder zu regen, spreizten die Flügel, erhoben sich lautlos in die Lüfte, flatterten durch meine Brust, umspielten mein Herz.
Es machte einen Hüpfer.
Erst langsam, bedacht, wie ein kleines unsicheres Kind, dann schneller, entschlossener, fasste neuen Mut, überwand die Grenzen der Vernunft.
Meine Brust weitete sich.
Tief sog ich die Luft ein, spürte wie der Druck verschwand, wie das Blut wieder durch meine Adern zu strömen begann, wie sich meine Gedanken aus ihren Fesseln befreiten, sich die Nervenzellen in meiner Haut regten, sich der Quelle der Wärme  entgegen streckten, sich an sie schmiegten, in dem überwältigenden Gefühl der Geborgenheit zu baden begannen, sich nach ihr sehnten, ihr immer näher sein wollten.
Ich erschauderte. Dieses Mal nicht aus Angst.
Ich erschauderte weil das Leben wieder in mich zurückkehrte, die Dunkelheit zurückdrängte, meinen Körper vibrieren ließ, gegen den Tod anfocht.
Lange vergessene Gefühle erwachten in mir, Sinneseindrücke spielten sich vor meinem inneren Auge ab.
Ich hörte das Dröhnen von Gewittern, den leisen Hauch des Frühlingswindes, roch die frischen dunkelgrünen Blätter der Bäume im Sommer, sah das Sonnenlicht durch die Zweige fallen, sah wie Schatten miteinander spielten, sich die Grashalme sanft im Abendrot wiegten, wie der Schnee zart auf die verzauberte Welt niederrieselte, roch den süßen Duft aufblühender Rosen, den Geruch nach nasser Erde nach einem warmen Sommerregen, fühlte Haut auf Haut, Finger über meine nackten Arme streichen.
Nur das das letzte real war.
Es war kein Hirngespinst, keine wieder erwachte Erinnerung.
Es war die Wirklichkeit.
Ich fühlte Stoff an meinem Rücken, Arme, die sich um meinen Oberkörper  schlangen, mich in dieser Welt festhielten, mich an einen warmen, zitternden Körper drückten.
Ich roch Blut, Schweiß und Angst. Doch er war noch da.
Der Geruch den ich so lange in meinem Herzen begraben getragen hatte, der leise Hauch nach Moschus, nach den geheimnisvollen Tiefen des Waldes, nach der Wärme der ersten Sonnenstrahlen, nach lange aufgegebenen Träumen.
Nach Hoffnung.
Mein Herz schlug.
Es schlug so stark wie nie zuvor, als die Liebe mit einer einzigen Welle wieder über mich hereinbrach, durch meine Venen strömte, mich mit ihrer Wärme und Sicherheit durchflutete, alles Schlechte in den Hintergrund rückte und mich für einen Moment einfach nur auf sanften Wogen sicher über den grauen Ozean trug.
Ich schlug die Augen auf.
Ich blickte durch runde Pupillen, nicht durch geschlitzte.
Als das Bild vor mir Gestalt annahm, als sich die Konturen herausbildeten, trugen mich die Wellen sicher und behütet an den Strand.
Er sah noch genauso aus wie vor Monaten.
Noch immer dieselben rabenschwarzen, zerwuschelten Haare in denen sich das kalte Winterlicht fing, dieselben strahlend blauen Augen mit der golden umrahmten Iris, mit den sanften Dunkelblautönen, den Farben des sich langsam senkenden Abendhimmels, denselben langen sanft geschwungenen Wimpern die das Blau zum Leuchten und Schwinden brachten, denselben eleganten Wangenknochen unter denen sich himmlische Grübchen bilden konnten, denselben zarten Lippen.
Er hielt mich.
Tränen strömten sein Gesicht hinunter als er meinen Blick erwiderte, ich spürte das tiefe Schluchzen aus den Tiefen seiner Brust hervorbrechen, als er mich noch fester an sich drückte, den Kopf an meiner Schulter barg, zitterte sowie seine Wimpern über meine Haut strichen.
Er sah mir in die Augen und zum ersten Mal seit langer Zeit erkannte ich ihn wieder, fühlte wieder wie die Schmetterlinge tanzten, wie sich die Funken unter meiner Haut regten.
Ich sah die Erleichterung, die eben erst verebbte Angst, die verdrängten Zweifel und die unglaubliche Dankbarkeit.
"Merlin", wisperte ich leise mit rauer Stimme.
Seine Miene veränderte sich.
Seine Augen weiteten sich, seine Lippen verzogen sich in dem leisen Anflug eines Lächelns.
Da fiel mein Blick auf die tiefroten Kratzer in seinem Gesicht, das getrocknete Blut an seinem Hals, die dunklen, violetten Male über seinem Kehlkopf, die Schwellung über seiner Schläfe.
Und dann kamen die Erinnerungen.

Ich hatte ihm das angetan.

Merlin's POV:

Skye sah mich an.
Ich versank in ihren waldgrünen Augen, in den Tiefen des sommerlichen Waldes,in den sanften Versprechungen der Blätter die ihre Regenbogenhaut besprenkelten, den Farbtupfern die mich so sehr in ihren Bann zogen.
Und mir wurde eins bewusst.
Ich hätte sie nie töten können, denn ich hatte Recht gehabt.
Die ganze Zeit über hatte ich richtig gelegen.
Skye war nie verloren gewesen, sie hatte immer noch existiert, sie war nicht gestorben.
Wir hatten sie aufgegeben, sie fallen gelassen, nichts unternommen um sie zurück zu holen.
Es ist allein unsere Schuld.
Es hätte nie soweit kommen müssen.
Doch hier sind wir nun.
An dem Punkt wo mir endlich die Augen aufgegangen sind, wo ich endlich einmal das Gefühl hatte etwas richtig gemacht zu haben.
Hätte ich sie doch nur früher getroffen.
Ich hätte sie erlösen können, das alles hier verhindern können.
Doch es sagt sich immer so leicht, nicht wahr.
Was wäre wenn.

Doch so ist es nicht.
Es ist passiert, nichts kann die geschehenen Dinge ungeschehen machen, niemand kann die Toten wieder lebendig machen, die grausamen Dinge zurück nehmen.
Unsere Entscheidungen prägen uns ein Leben lang.

Sie zeigen wer wir sind.
Wir  haben die Wahl.
Oft genug.
Es gibt immer eine Wahl, wir müssen sie bloß annehmen.

Wenn wir wählen, sollten wir es mit Bedacht tun, über jede unserer Handlungen nachdenken, die Dinge nicht einfach so hinnehmen, alles hinterfragen.
Dann passiert so etwas vielleicht nicht, dann lässt sich so etwas vielleicht vermeiden.
Und wenn doch, dann haben wir es wenigstens versucht.
Das Schicksal eines Menschen ist nicht in Stein gemeißelt, es steht nirgendwo eindeutig geschrieben. Am Ende sind wir es, wir, alle Wesen die auf dieser Erde wandeln, die entscheiden wie man uns in Erinnerung behält, ob man sich an uns erinnert, ob wir uns einen Platz in den Herzen unserer Freunde und Geliebten verdient haben.
Wir brennen so hell.
Doch sollten aufpassen, dass wir uns nicht verbrennen.
Wir können nicht ewig mit dem Feuer spielen.
Irgendwann kommt der Punkt im Leben wo man sich entscheiden muss.
Riskiert man alles um alles zu gewinnen, oder lässt man es, in dem fast sicheren Wissen sich nie zufrieden geben zu können, in der Schmach es nicht einmal versucht zu haben.
Oftmals ist die leichte Entscheidung nicht die richtige.
Es liegt in unserer Hand ob wir es später bereuen, uns grämen für alles was wir verpasst haben oder ob wir eines Tages wenn wir alt und grau sind zurück bleiben und uns gedanklich für diese Wahl auf die Schulter klopfen.
Es ist immer besser zurückzuschauen und zu sagen 'Oh Gott, warum hab ich das nur getan?', als sich einzugestehen 'Hätte ich es doch bloß gemacht.'
Das Leben ist kein Wunschkonzert.
Wir alle sind unseres Glückes Schmied, haben die Möglichkeit etwas aus unserer Zeit hier zu machen, etwas zu schaffen, an das man sich erinnert.
Doch wir müssen es versuchen, müssen dafür kämpfen, unsere Träume immer vor Augen haben und nie aufgeben.
Und wir müssen zu uns stehen.
Zu den Entscheidungen die wir trafen, zu den Fehlern die wir begingen, zu den Menschen die wir geliebt und verloren haben.
Doch vor allem dürfen wir nie vergessen wer wir selbst sind.
Niemals. Denn wir sind diejenigen die die Geschichte schreiben, die es in der Hand halten, die ihr und das Schicksal anderer aktiv gestalten können.
Doch wir müssen ringen, es wagen, uns trauen und uns vertrauen.
Und wir sollten vor allen anderen Dingen lernen zu vergeben.
Nicht nur anderen.
Auch uns selbst. 

Ich hatte Skye in dem Moment vergeben als sie mich ansah, in diesem einen langen Moment wo sich unsere Blicke trafen, unsere Augen einander bannten, wo wir kurz in unserer eigenen Welt existierten.
Ich hatte ihr nicht vergeben weil ich es wollte, ich hatte es getan, weil ich keine Wahl hatte. Manchmal trifft auch unser Herz eine Entscheidung, manchmal kommen wir nicht einmal zu Wort.  Und wir sollten nie den wahren Wert unseres Herzens unterschätzen.
Ich liebe Skye.
Hab ich immer, werde ich immer.
Deswegen konnte ich sie nicht töten.
Ganz egal wie naiv ich doch auch manchmal war, wie stursinnig und eigenwillig, ich war auch ein Träumer.
Ich glaubte noch an meine Träume.
Und ich würde für sie kämpfen.
Ich träumte von einem Leben mit Skye an meiner Seite, der Skye in die ich mich damals Hals über Kopf verliebt habe, die die Leere in meinem Herzen nach Freyas Tod auffüllen konnte, die mir die schönsten Seiten des Lebens zeigte, die mein Herz schneller schlagen ließ.
Ich war damals nicht für sie dagewesen, hatte sie in Zeiten größter Not allein gelassen, mich von ihr abgewendet, war zu feige gewesen sie zu suchen.
Doch ich hatte meine Entscheidung nun getroffen, hatte mich für meine Träume entschieden, gegen die Vernunft, gegen das Leben selbst und nun kniete ich hier, mein geliebtes Mädchen in den Armen haltend.
Und zum ersten Mal seit langer Zeit, hatte ich das Gefühl etwas richtig gemacht zu haben.

Skye sah mich an.
Meine Lippen zuckten in dem leisen Anflug eines Lächelns.
Für diesen winzigen Moment hatte ich gewonnen, konnte den Schrecken vergessen.
Doch da verzog sich ihr Gesicht vor Unglauben, vor Schock, vor Angst.
Die Zeit schien still zu stehen, ich sah mein Spiegelbild in ihren großen Pupillen, sah wie sich ihr Ausdruck veränderte.
Erst langsam, dann immer schneller brach es über sie herein, begrub sie unter dem Gewicht ihrer Schuld.
Sie erinnerte sich.
Ihre Lippe begann zu zittern, es erfasste ihren ganzen Körper, schüttelte sie unkontrolliert.
Sie wurde blass, ihre Augen weiteten sich bestürzt, ein die Stille zerreißendes Schluchzen drang aus ihrer Kehle, sie kniff die Augen zusammen, Tränen formten sich in wunderschönen kristallinen Tropfen in ihren Augenwinkeln, rannen wie in Zeitlupe ihre weißen Wangen hinab.
Fassungslos blinzelte sie mehrmals, wollte es nicht glauben, konnte einfach nicht begreifen, dass alles Wirklichkeit war.
"Skye!", sagte ich vorsichtig, mein Tonfall außerordentlich besorgt.
Sie sah mich nicht an, sie senkte den Kopf, barg ihn in den Händen, wandte sich von mir ab, die Arme abwesend um den nackten Körper  geschlungen.
Sie zitterte wie Espenlaub, ihre Schultern zuckten unaufhaltsam als alles über sie hereinbrach.
Schnell zog ich meine zerfetzte Jacke aus, legte sie ihr sacht um die aufgeschürften Schultern.
Ihre kalten Finger krallten sich in  den Stoff, zogen ihn eng um sich, als wäre diese eine Jacke der letzte Halt vor dem Abgrund der sich nun vor ihr auftat.
"Skye", setzte ich wieder an.
Ich sprach ganz langsam, ganz bedächtig.
Ich konnte sie einfach nicht so sehen, ich wollte sie nicht so sehen.
"Es ist alles gut. Jetzt ist alles wieder gut", flüsterte ich, rückte  näher an sie heran, legte meine  Arme um ihre Hüfte und lehnte  meinen Kopf mit der Stirn gegen ihren Rücken.
Sie weinte stumm vor sich hin, ließ sich unter der gewaltigen Brandung der Trauer begraben.
Ich hörte jeden ihrer rasselnden Atemzüge, fühlte jeden ihrer Herzschläge die holprig vor sich hinrasten, spürte wie sie immer weiter absackte, sich immer weiter zwischen den Welten verlor.
Ich streichelte über ihren Rücken, zögerte als ich spürte wie es sie bei meinen Berührungen nur noch mehr schüttelte, wie sie langsam aber sicher zerbrach unter meiner Hand.
Skye zerfiel in tausend kleine Teile,wurde von der Grausamkeit der Welt überrollt, unter ihr zerschmettert.
Ihre Seele lag in scharfen, klirrenden Scherben vor mir und es gab nichts was ich tun konnte um sie wieder zusammen zu setzten.
Da wurde mir klar, was nun vor ihr lag. Es würde nichts gut sein.
Zu viel hatte sich ereignet.
Zu viele hatten ihr Leben gelassen.
Nichts war mehr wie zuvor.
Alles hatte sich verändert.
Skye erinnerte sich.
Sie erinnerte sich an das was sie getan hat. 
An alles was verloren war, an alle Verletzten, an das Feuer welches sie im Land verbreitet hatte, die Furcht auf den Gesichtern der Menschen.
Die Vergangenheit holte schlussendlich jeden von uns irgendwann ein.
Wie naiv war ich eigentlich gewesen zu glauben, es könnte wirklich alles wieder so werden wie früher, es würde alles wieder normal zwischen uns sein, als hätte sich nichts ereignet.
Die Sicherheit war so schnell verschwunden wie sie gekommen war.
Ich sah sie an.
Sie hatte die Arme um die Knie geschlungen, ignorierte die immer noch stark blutende Wunde an ihrer Seite.
Skyes Blick war leer, ausdruckslos starrte sie auf die grauen Fliesen, unfähig sich zu rühren, zu reagieren.
Sie war nicht mehr Herr über ihren eigenen Verstand.
Skye hob den Kopf.
Ihre Augen brannten vor Wut, vor ohnmächtigem Zorn, vor blankem Selbsthass. 
"Alles ist gut?", krächzte sie entgeistert.
 Es schüttelte sie.
Sie bekam Panik, immer mehr.
Ihre Fingerknöchel traten weiß hervor, ihre Stimme schwankte, sie atmete immer schneller, immer hysterischer.
Ich zog sie fester an mich, drückte meinen Kopf gegen ihren, stand ihr bei als die Gedanken aus ihr herauskamen und die Erinnerungen über sie hereinbrachen.
Ihre Tränen tropften auf meine Wange, hinterließen warme salzige Spuren, ihre nassen Wimpern strichen über meine Stirn, ihr Atem floss schaudernd an meinem Ohr vorbei.
"Skye", murmelte ich sanft während ich ihr beruhigend über den Rücken strich und versuchte sie zu wärmen, sie zu beschwichtigen.
 Doch ich wusste das ich keinen Erfolg haben würde.
Sie hörte mich nicht mehr, sah nur noch die Bilder vor ihrem inneren Auge vorbeirauschen, das Grauen das ihr zugestoßen war durchlebte sie immer und immer wieder.
Alles was in den letzten Monaten geschehen war, alles was uns entzweit hatte, holte sie nun wieder ein.
Alles was sie aufgegeben hatte. Und was sie noch aufgeben musste.
Es brach mir das Herz, meine Lunge drückte gegen meine Rippen als mich die Anteilnahme mit voller Wucht traf, meine Gefühle nur so aus mir stoben, sich mein Körper viel zu klein und quälend eng anfühlte.
"Merlin. Oh Gott Merlin. Es... es... tut mir so leid.... Nein... bitte... nicht...", schluchzte sie fassungslos, als immer mehr Bruchstücke hervorbrachen, sich ihren unheilvollen Weg an die Oberfläche bahnten.
Ich verschränkte meine Arme in ihrem Nacken, meine Fingerkuppen fuhren in ihr rabenschwarzes Haar, versuchten sie zu halten, in dieser Welt die ihr so schnell zu entgleiten drohte, zu bewahren.
Ich wollte sie beschützen.

Ich durfte nicht denselben Fehler noch einmal machen, ich konnte sie einfach nicht schon wieder verlieren.
Ich durfte sie nie wieder verlassen, sie nimmermehr zurücklassen.
Ich würde bei ihr bleiben.
In guten wie in schlechten Tagen.

Skye drehte sich um und drückte sich an meine Brust.
Ich zuckte zusammen als sie über die empfindlichen Stellen fuhr, da wo vor wenigen Momenten sie selbst noch mir die Luft abgedrückt hatte.
Sie spürte mein kurzes Zurückweichen, hob zitternd den Kopf und sah mich ängstlich an.
Unsicher erwiderte ich ihren Blick.
Wie sollte ich es ihr erklären? Ihr verständlich machen, das ich keine Furcht vor ihr hatte?
Wenn sie sich erinnern konnte, dann würde sie auch nicht vergessen haben, dass sie versucht hatte mich zu töten. 
Ich sollte Recht haben.
Ungläubig verzerrte sich ihr Antlitz.
"Merlin. Was habe ich nur getan?", wisperte sie tonlos.
Ihre Stimme hallte als Schatten ihrer selbst von den hohlen, kalten Steinwänden wider, verlor sich in der erdrückenden Stille.
Sie sah auf.
Ihre Augen schimmerten wie tausend Sterne, sie brannten vor Trauer, vor Schuld, vor dem untragbaren Wissen.
Sie wusste was sie getan hatte. Sie wusste alles.
Ich schluckte. Ein Kloß drückte in meinem Hals, erschwerte mir das Atmen, es machte mir krank sie so zu sehen, Skye leiden zu sehen.
Ich wollte ihr helfen, das nun so zerbrechliche Mädchen beschützen, sie in Geborgenheit wiegen, ihr das Gefühl geben, trotz allem noch innigst geliebt zu werden, ihrem Leben wieder einen Sinn geben.
Doch wie beschützt man jemanden vor sich selbst?
Wie stoppt man diesen unaufhaltsamen, reißenden Strom von Geschehnissen, von Gefühlen, von Fassungslosigkeit und Hilflosigkeit?
Und das Schlimmste war, das ich mit Sicherheit wusste, das das hier vor mir die wahre Skye war, das Mädchen das ich nicht bereit gewesen war aufzugeben, für die ich gekämpft hatte, gegen den Drachen in ihr gerungen hatte, bis zum Schluss.
Und nun lag sie hier, gebrochen wie ein junger Vogel der den Himmel aus den Augen verloren hatte, unfähig dem Ereigneten in die Augen zu blicken.
"Was habe ich nur getan?", wiederholte sie sich.
Immer wieder. Immer wieder flüsterte sie dieselben Worte.

Sie konnte es nicht begreifen.
Sie wollte es begreifen, sehen wie das alles sein konnte, es glauben, endlich durch das Geflecht von lauter Lügen durchblicken, einmal die Wahrheit erfahren.
Ich konnte sie verstehen, sah ihre Hilflosigkeit.
Es lag alles an der Grenze des Unmöglichen und doch war es passiert.
Und das machte es so unbegreiflich, so unfassbar schwer in Worte zu fassen.
Was kann man schon sagen wenn die Welt für einen auseinander bricht?
Wenn alles was man geglaubt hat zu kennen sich verändert?
Man selbst zu einem willenlosen Spielball in einem einzigen Machtkampf wird, man manipuliert und ausgenutzt wird?
Wenn man keine Wahl mehr hat?
Nie ein Mitspracherecht hatte? 
Sich auf einmal alle Türen geschlossen haben, wenn man mit voller Wucht gegen die Klippen geschmettert wird, wenn man gegen die Brandung nicht mehr ankämpfen kann, einfach nur noch mit schwimmt, das Kämpfen aufgibt?
Es war unvorstellbar. 
Es war eine kaputte Welt.

"Es ist nicht deine Schuld gewesen.", sagte ich entschieden.
Denn ich hatte Recht.
Skye trug keine Schuld an dem was geschehen war. Sie konnte nichts dafür. 
Es war meine eigene.
Meine eigene übergroße Schuld hatte sie hierher gebracht, wegen mir lag sie am Boden,kroch gespalten und entzwei gerissen auf den Knien, dem Wahnsinn so nahe.
Es waren unsere Entscheidungen die uns hierher gebracht hatten, die die Fußspuren zu diesem Punkt bestimmt hatten, unsere Fährte die sich düster durch den Staub zog, die die Asche um unsere Beine aufwirbelte.
Ob bewusst oder unbewusst.
Am Ende hatten wir die Wahl gehabt.
Die einen mehr, die anderen weniger.
Und uns alle würden unsere Entscheidungen prägen, weit über den Tod hinaus wird man sich an das erinnern was wir getan haben, selbst wenn unsere Namen schon lange in den Zeilen der Geschichte verklungen sind, wird man sich doch an unser Wirken erinnern können.
"Ich bin ein Monster Merlin.", murmelte sie taub gegenüber mir.
Sie war eiskalt.
Ihre Haut spürte ich schlaff und kühl unter meinen Fingerspitzen pulsieren.
Ganz sanft hielt ich sie nun in den Armen, ihren Kopf an meiner Brust, bot ihr Sicherheit vor der Grausamkeit dieser Welt.
Ich schüttelte den Kopf.
Meine Augen wurden feucht.
Skye hatte Recht.
Verdammt nochmal sie hatte Recht und doch wieder nicht.
Sie selbst war ein Mensch, ein Mensch mit einem Gewissen, mit der Fähigkeit zur Trauer, zur Liebe, zur Selbstlosigkeit und schlussendlich auch zum Sterben.
Sie war kein Monster.
Durfte es nicht sein.
Denn dann wäre alles verloren.
Ich konnte sie nicht aufgeben.
Wut strömte durch meine Adern. 
Alles war Morganas Schuld. Sie hatte uns das angetan.
Und Morgana war mein größtes Vergehen, mein bitterster Fehler.
"Nein. Ich bin dafür verantwortlich. ich hätte für dich da sein müssen, dir helfen müssen. Ich habe dich allein gelassen. Es tut mir leid. Es tut mir so leid. Verzeih mir Skye."
Meine Stimme klang hohl, wie von weit entfernt schallte sie zu mir durch, echote dumpf in meinem Kopf wider, während ich auf das Mädchen niedersah das ich doch so sehr liebte.
"Ich bin ein Monster", heulte sie auf.
Ich erschauderte vor den Schmerzen in ihrer gefolterten Stimme, vor den Qualen hinter jedem ihrer Worte.
"Ich bin ein Monster.", sie wirkte um Jahre gealtert als sie sprach.
Keine Spur mehr von dem wilden, mutigem, aufbegehrenden Mädchen das ich damals im Wald in meinen Armen gehalten hatte, von der ich von Anfang an gewusst hatte, das sie etwas besonderes war, dass Skye meine Welt und mein Herz umkrempeln würde, meinem Leben einen tieferen Sinn geben würde, etwas für das es sich zu kämpfen lohnte, für das man bereitwillig das Risiko des Verlusts einging.
"Skye bitte nicht...es tut mir so leid....", ich konnte jetzt nicht verlieren.
Nicht nach allem was ich ihretwegen durchgemacht hatte, was sie meinetwegen erlitten hatte. 
Es konnte doch jetzt nicht das Ende sein.
"Sieh dir an was passiert ist. Ich erinnere mich an alles. An jeden. An alle die ich...", schrie sie ihr ganze Wut, ihren ganzen schäumenden Zorn hinaus.
Sie brach ab, brachte die abscheuliche Gewissheit nicht über die Lippen, sah wie die Welt langsam ihre Konturen verlor und sie verließ.
Sie würde fallen. 
Sie würde fallen und aufschlagen.
Der Aufprall würde sie zerschmettern, ihr die Glieder brechen, ihre Seele verkümmern und ihr Herz verkrüppeln.
Aber ich konnte sie fangen, ihr wieder aufhelfen, ihr den richtigen Weg weisen, sie vom Abgrund zurückreißen.
Ich konnte sie retten.
Doch ich musste stark bleiben, mich zusammen reißen.
"Skye. Skye hör mir zu...", doch sie unterbrach mich energisch.
Erschrocken schnappte ich nach Luft als sie mich von sich stieß, von mir abrückte, einen kalten, klaffenden Abstand zwischen unsere beiden vernarbten Seelen brachte.
"Geh Merlin bitte. Bevor ich dir weh tue, bevor ich dich auch noch verletzte...", sagte sie unter Tränen, ausgelaugt und zerschmettert.
Ihr Gesicht war bleich, die Lippen blutleer, die Augen unendlich müde und erschöpft.
Entschlossen sah ich sie an.
Jetzt oder nie.
Wenn ich sie jetzt verlöre, dann würde sie in den Wahnsinn hinabgleiten, sich über die Klippen stürzen.
"Das wirst du nicht tun. Ich lass dich nie wieder allein. Ich bleibe bei dir Skye."
Ihre Unterlippe begann zu beben, sie schnappte nach Luft.
Ihre Kiefer pressten sich verzweifelt aufeinander.
"Ich habe sie umgebracht. Jeden einzelnen. Sie haben geschrien. Ich höre ihre Schreie. Immer wieder. Sie haben mich angefleht. Merlin ich habe sie umgebracht.",krächzte sie. 
Resigniert senkte ich den Kopf.
Es tat so weh.
Ich erstickte an dem niedergeschlagenem Gefühl, würgte als der Druck zu groß wurde, sich die Dunkelheit wie ein Schleier über meine Gedanken legte und sie erstickte.
"Skye nicht... es ist nicht deine Schuld.", flehte ich sie an. 
Warm strömten die Tränen aus meinen Augenwinkeln, hinterließen warme, nasse Spuren, sammelten sich an meinem Kinn, tropften gleißend auf den trostlosen Boden hinab.
"Was habe ich nur getan Merlin? Bitte sag mir das das alles nicht passiert ist."
Ihr Leben lag in Scherben, in Bruchstücken zerschmettert vor ihr.
"Ich wünschte das könnte ich.", murmelte ich taub.
Skyes Augen wurden groß, weiteten sich immer mehr, wurden immer leerer, als alle Gefühle sie verließen und nur der unverzeihlichen Fassungslosigkeit Platz machten.
"Ich bin ein Monster. Eine Bestie. Ein Todesengel."
Das Licht schwand, die Hoffnung in meinem Herzen starb leise seufzend vor sich hin.
Ich schüttelte mich. 
So durfte es nicht enden.
Wir hatten zu viel gekämpft, zu viel geopfert und verloren.
Ich würde mich jetzt nicht geschlagen geben, denn so dunkel die Nacht auch war, so weit der letzte Hoffnungsschimmer auch war, selbst auf den schwärzesten Tag folgte ein neuer Morgen.
Man durfte bloß nicht aufgeben, musste weiterringen, weiter suchen und finden.
Wir durften nicht weichen.
Um allerwillen nicht.
"Skye sieh mich an. Sieh mir in die Augen. Es ist alles gut. Es ist vorbei. Du bist wieder du selbst.", ich rutschte zu der zusammengesunkenen, zitternden Skye, schob ihre verkrampften Arme von ihren Knien, hob ihr Kinn an, zwang sie mir in die Augen zu sehen.
Dunkelblau traf auf waldgrün. 
Tränen sickerten unaufhörlich durch ihr Gesicht, eiskalte Ströme in dem kalten Schloss.
Erschaudernd sah Skye mich an.
"Morgana... sie...sie hat mich gezwungen all die Leute zu...", erinnerte sie sich stöhnend und schlug sich die Hände vor den Mund, unterdrückte das Schluchzen.
Sie war so schwach, so gebrochen, so unsicher geworden.
Von der Stärke des Drakirs war nicht geblieben, er hatte eine labile, hilflose Hülle zurückgelassen.
"Ich weiß. Es wird alles wieder gut.", seufzte ich und legte ihr den Arm um die Schultern.
Sie ließ es zu.
Selbst für Einwände war sie zu überwältigt, zu schwach geworden.
"Sie sind tot. Alle. Oh Gott Merlin, was habe ich nur getan?", heulte sie, der Blick irre, die Stimme vor Wahnsinn schrill.
Ihr war so kalt, ich konnte es spüren.
Eine Gänsehaut überzog ihre Arme und ihre nackten Beine, ließ sie zaudern und zusammen zucken. Doch viel schlimmer war die abweisende Kühle die aus ihrer gebrochenen Seele entströmte.

"Du hattest keine Wahl. Es war Morgana. Sie hat dich benutzt.", meine Finger streiften ihre Wange, fuhren die Vertiefung ihres Wangenknochens nach bis hin zu ihren verquollenen Augen. 
Unsicher musterte sie mich, taub gegenüber den leisen Liebkostungen.
"Da waren Kinder. Ich habe Kinder umgebracht, sie in Fetzen gerissen. Wehrlose, kleine Kinder.", wimmerte sie und wieder rannen Tränen über meine Finger, während sie hysterisch nach Luft schnappte, versuchte den ganzen Schmerz wegzuatmen, das Geschehene zu vergessen, zu verdrängen.
"Skye bitte hör mir zu. Das warst nicht du. Das war Morgana. Sie wollte das das alles passiert.", dumpf und flehend drang meine Stimme zu ihr durch.
Auch sie zitterte, genau wie meine Hand die ihr tröstend durch die verfitzten, schweißverklebten schwarzen Haare strich.
Doch Skye ließ sich nicht so leicht beruhigen, kein Wunder bei dem was passiert war.
"Das ändert doch nichts mehr. Ich bin ein Monster geworden. Ich bin ein Mörder. An meinen Händen klebt Blut.", leer starrte sie zu Boden, ihr Tonfall spiegelte all die Emotionen wider, die ich mir nicht einmal im Ansatz vorstellen konnte, mir nicht zu fühlen vorstellen wollte.
Dieser grausame alles in den Schatten stellende Schmerz, diese Wut auf das eigene Leben, dieser Selbsthass der an ihr nagte, das herzbrecherische Gefühl versagt zu haben.
Skye schlang meine Jacke fester um ihren Körper, wie ein Ertrinkender sich an einen Baumstamm klammerte, so hielt sie sie fest, ließ nicht los.
Sie keuchte auf vor Schmerzen als der Stoff sich in ihre verletzte Seite schnitt.
Ihre Augen wurden groß, ihre Lippen verloren jegliche Farbe, sie war aschfahl.
Fassungslos blickte sie an sich hinab, sah das blutgetränkte Leder, sah es und realisierte es doch erst Momente später.
"Was, warum... warum bin... ich verletzt? Merlin was passiert hier nur?", fragte sie immer panischer werdend als sie erschrocken auf ihre Seite schaute.
Hilflos fuhr ich mir über die kalte Stirn.
Die Wunde hatte ich vollkommen vergessen, hatte sie in die hintersten Ecken meines Gedächtnisses verbannt, hatte die gewaltige Schmach für eine kurze Zeit nicht mehr gespürt.
 Wie sollte ich es ihr sagen?
Wie konnte ich es ihr sagen?
"Skye ... ich... es tut mir so leid...", setzte ich stotternd an, den Blick gesenkt, nicht in der Lage ihr auch nur irgendwie in die Augen zu blicken aus Angst was ich dort entdecken würde.
Doch Skye war nicht dumm, sie hatte schon lange begriffen, vielleicht hatte sie sich aus den vielen an die Oberfläche kommenden Bruchstücken die Wahrheit zusammengefügt.
"Du hättest mich töten sollen.", sagte sie voller Bitterkeit, ganz in ihrer zermürbenden Wut versunken.
Erschrocken hob ich die Augen.
Ich sah ihr verzerrtes Gesicht, die Trauer in ihren Augen, die ohnmächtige Wut die auch ich empfunden hatte.
Ich hatte sie töten wollen, hatte wirklich mit dem Gedanken gespielt als ich auf dem Hof gestanden hatte, hatte ernsthaft gedacht ich würde es tun.
Aber ich hatte es nicht gekonnt.
Vielleicht war ich naiv, vielleicht war ich ein Träumer, vielleicht auch einfach nur ein elender Dummkopf, ein Idiot.
Aber ich konnte den einzigen Menschen den ich von ganzem Herzen und bedingungslos liebte nicht eigenhändig in den Tod schicken, war nicht in der Lage mit das Herz selbst zu brechen.
"Das könnte ich nicht.", sagte ich aufrichtig.
Ihre Unterlippe begann wieder zu beben, es schüttelte sie, ich zog sie wieder an mich, legte ihren Kopf auf meine Schulter.
Sie weinte stumm vor sich hin.
"Hättest du es doch bloß getan.", murmelte sie nach einer Weile, die Hand auf die blutende Wunde gepresst.

Ich setzte mich ruckartig auf, verwundert sah sie mich an.
Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände, sah ihr lange und innig in die Augen, legte all meine Liebe und Ehrlichkeit in den Blick, all die Erinnerungen die wir teilten, all die glücklichen Momente die wir zusammen erlebt hatten.
Ich würde sie nicht aufgeben.
"Ich liebe dich Skye. Ich stehe zu dir.", sagte ich ernst.
Zweifel standen in ihrer Miene, ihr Mund verzog sich sarkastisch.
"Nach allem was geschehen ist? Wie kannst du nur? Wie kannst du mir nur vergeben?", fragte sie leise.
"Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich habe dich gesehen, habe mit eigenen Augen gesehen was du getan hast. Doch ich weiß, dass das nicht du warst. Du hast ein gutes Herz Skye. Du bist nicht böse.", sprach ich vorsichtig, doch es war die Wahrheit.
Skye hatte das edelste Herz das ich konnte, hatte den größten Mut bewiesen und den ultimativen Preis gezahlt.
Ihr Schicksal war nicht einfach gewesen, hatte sie meist nur betäubt daneben stehen lassen, doch sie war immer sie selbst geblieben, auch in den auswegslosesten Situationen, hatte die anderen immer vor sich selbst gestellt.
Skye war übel mitgespielt worden, sie hatte alles verloren was man verlieren konnte, doch sie hielt immer noch an ihren Idealen fest, am ihren Grundsetzten, an den Regeln mit deren Hilfe sie hoffte ein Mensch zu sein mit dem sie selbst leben konnte, mit dem sie selbst sich im Reinen befand.
"Ich bin das geworden, was ich nie sein wollte. Hättest du mich doch bloß umgebracht."
Die Welt war für sie gefallen, sie selbst fiel immer schneller, doch sie dachte immer noch an das was passiert war.
Sie wollte nie so sein, sie bereute ihre Taten, sie war schockiert, vollkommen aufgelöst über die Art wie sich die Dinge entwickelt hatten.
Sie hatte ein Gewissen, ein Herz.
Und das machte sie zum Menschen, wenn auch zu einem Gebrochenen.

"Skye, niemand von uns hat auch nur im Entferntesten geahnt, das  es soweit kommen würde. Es tut mir so leid. Ich hätte für dich da sein müssen, dir helfen müssen. Ich habe versagt. Es ist alles meine Schuld.", floss es nur so aus mir heraus.
Meine Kehle fühlte sich zugeschnürt an, auf meiner Brust lastete ein unheimliches Gewicht, erschwerte mir das Atmen. 
Es zerriss mich sie so zu sehen.
Sie so kaputt und zerstört am Boden liegen zu sehen.
Zu sehen wie sie immer weiter in Splitter zerfiel, sich immer weiter von der Realität weglöste und sich ihrer Trauer hingab.
Skye schüttelte beklommen den Kopf, die Augen traurig auf die Fliesen gerichtet.
"Nein ist es nicht. Ich war so naiv, so unendlich dumm. Isley hat mich vor dem gewarnt was sein würde, Ich wollte nicht auf sie hören. Ich... Isley...Oh mein Gott"
Sie stockte, sah mich voller Angst an. Ich rückte näher an sie heran als sie den Mund in einem stummen Schrei aufriss, sich ihr Atem beschleunigte, sie sich manisch verkrampfte.
"Isley...", hauchte sie tonlos, ihr Antlitz eine einzige Freske aus Schock, Unglauben und so tiefem Schmerz, dass ich gar nicht hinsehen wollte. Sie griff nach meiner Hand, ihre eisigen Finger schlossen sich um meine, drückten mir das Blut ab, während sie neben mir zitterte, immer mehr in sich zusammen fiel.
Irgendetwas war geschehen, irgendetwas grauenvolles hatte sich ereignet.
"Was ist mit deiner Schwester?", fragte ich vorsichtig, nach der Wahrheit drängend.
Doch Skye hörte mich nicht.
Sie versteifte sich immer mehr, bewegungsunfähig keuchte sie, würgte neben mir.
Sie rannte, sie rannte vor ihren Erinnerungen weg, floh vor dem Unausweichlichem, vor der schrecklichen Gewissheit.
"Was ist passiert Skye?", ich schüttelte sie besorgt, versuchte sie vor dem Fallen zu retten.
Sie sah mich an,die Haut wie Pergament gespannt, die Augen eingefallen, so niedergeschlagen, so verfolgt von sich selbst.
Mehrmals setzte sie an, brach ab, bekam keinen Ton heraus. 
Sie zerquetschte meine Hand, brach mir fast die Finger als sie sich immer fester an mich klammerte.
"Sie wollte mich beschützen, sie hat... sie ist tot Merlin!", flüsterte wie zu sich selbst.
Erschrocken sog ich die Luft ein.
"Sie ist tot wegen mir.Ich habe sie umgebracht. Meine eigene Schwester.", wiederholte sie immer schriller, die Augen wild umherzuckend.
"Was ist passiert Skye?", fragte ich ernst.
Mein Herz schlug schneller, meine Schultern spannten sich an. Ich hatte Isley nie kennengelernt, war ihr nie wirklich begegnet.
Doch ich wusste das sie Skye viel bedeutet hatte, dass sie der die einzige wirkliche Überlebende ihrer Familie war, ein Anker für Skye gewesen war, eine Bezugsperson in der Hölle, eine gute Ratgeberin und eine besorgte Schwester.
"Cole er... er hat uns verraten. Er hat das alles geplant. Er und Morgana. Sie wollten mich. Isley hat mich gewarnt, sie hat versucht mit mir zu fliehen. Und Cole er... er hat... er hat sie einfach niedergestochen... und Morgana, sie... ich wollte mich auf Cole stürzen, wollte ihn töten für das was er getan hat, doch sie... sie... sie hat mich in ein Monster verwandelt. Sie hat mich gezwungen all diese Menschen abzuschlachten. Sie hatten keine Chance...", schluchzte sie verzweifelt.

Sie brach zusammen, ich fing sie auf, zog sie in meine Arme, weinte bittere Tränen um alles was passiert war, schloss sie in eine feste Umarmung, wollte ihr das Gefühl nach Sicherheit wiedegeben, ihr die Angst nehmen.
Hemmungslos schluchzte sie an meiner Brust, krallte sich in mein Hemd, murmelte immer wieder Isleys Namen immer und immer wieder.
Zitternd holte ich tief Luft.
Ich war sprachlos, hatte keine Worte für meine Gefühle, für die Fassungslosigkeit und die ohnmächtige Wut in meinen Adern.
Wie weit war es doch gekommen, wie sehr hatte Skye doch durch die Hölle gehen müssen.

"Morgana wird für das bezahlen was sie dir angetan hat. Und Cole auch. Er ist nicht mehr dein Bruder.", stieß ich unter zusammengepressten Zähnen hervor, konnte den aufschäumenden Zorn nicht verbergen, die Rache die brennend durch meine Adern floss. 
Wie hatten sie ihr das antun können?
Wie hatte Cole sie so verraten können, sie so zerstören können?
Ich wollte ihn anschreien, auf ihn einschlagen für alles was er getan hatte, für alles wofür er verantwortlich war, für alles Leid was er Skye und mir zugefügt hatte.
Skye spürte wie ich immer rasender wurde, wie ich zu zittern anfing, die Hände zur Faust ballte.
Vorsichtig sah sie auf, sah mir direkt in die Augen bis mein verschwommener Blick sich wieder klärte, ich sie wieder wahrnahm.
"Weißt du was das Schlimmste ist?
Ich erinnere mich an alles. An jedes Gesicht, an die Angst in ihren Augen, wie das Feuer sie verzehrt hat, sie sich wanden. Ich erinnere mich an das Gefühl purer Freude. Es hat mir Spaß gemacht, Merlin. Ich wollte es wirklich. Ich war glücklich gewesen.", sagte sie ernst ohne jede Emotion.
Ihre Tränen waren versiegt, vielleicht hatte sie auch keine mehr übrig, vielleicht hatte ihr die Erinnerung an Isleys Tod auch schlussendlich den Rest gegeben.
Es gab so viele schlimme Dinge in der Welt, so viel Grausamkeit, so viele Tote das man früher oder später daran zugrunde gehen musste. 
Manchmal fällt es einem unglaublich schwer noch irgendetwas gutes in den Menschen zu sehen, ihre Selbstzerstörung beiseite zu lassen und sich an den einfachsten Dingen des Lebens zu erfreuen.
Ich war so müde, so unfassbar müde.
Doch ich durfte nicht aufgeben. 
Ich zwang mich zum weitermachen, weiter zu kämpfen.
Für Skye.
"Nein warst du nicht. Du hast das getan was Morgana dir befohlen hat, das hatte nichts mit dir zu tun. Skye, sieh dich an.
Sieh dir an was es mit dir gemacht hat, wie sehr du alles bereust, wie du ohnmächtig daneben stehen musstest. Doch es ist vorbei. Jetzt ist es endlich vorbei. Ich bleibe bei dir, egal was noch zwischen uns geschieht. Ich lass dich nie wieder allein. Nie wieder. "
Das wir die Schuld immer zuerst bei uns selbst suchen als bei anderen ist eine merkwürdige Eigenschaft.
Schlussendlich wollen wir einander doch nur beschützen, wollen füreinander da sein, wollen uns an jemandem festhalten während die Welt zerbricht.
Skye sah zu Boden, sie war inzwischen so weiß wie eine Wand und vollkommen unterkühlt, doch die Kälte schien sie nicht mehr zu spüren, sie schien sie nicht mehr zu berühren.
"Ich kann mir nicht vergeben.
Ich kann es nicht und werde es nicht.", sagte sie leise.
Resigniert schüttelte ich den Kopf, versuchte irgenwie noch zu ihr durchzudringen.
"Skye, du stehst unter Schock. So etwas braucht Zeit. Wir müssen jetzt erstmal irgendwie weitermachen. Weiterkämpfen. Einfach nicht aufgeben. Der Rest gibt sich von allein.", probierte ich optimistischer zu klingen als ich war.
Skye zeigte keine Reaktion, starrte weiter stur und leer vor sich hin.
Mir wurde langsam kalt, die Kühle des Steins kroch mir unter die Haut und meine Zehen begannen zu kribbeln.
Ich zitterte als ich meine versteiften Muskeln lockerte und da wurde mir klar wie lange wir hier schon auf dem Boden saßen. 
Auch Skye sah auf.
Sie schien das gleiche zu denken wie ich.
Ich lächelte ihr aufmunternd zu, wollte das Eis zwischen uns endlich brechen, sie auf andere Gedanken bringen.
Doch ihr Gesicht verzerrte sich auf einmal, panisch fuhr sie zu mir herum als würde sie etwas suchen, als wäre ihr etwas wichtiges eingefallen das sie noch zu erledigen hatte.
Als sie es nicht fand verdüsterte sich ihre Miene und sie riss den Mund auf.
"Wo ist Arthur?", schrie sie mich an.

Verblüfft sah ich sie an.
Was wollte sie jetzt mit Arthur?
Was hatte er mit der ganzen Sache hier zu tun?
"Wir haben uns getrennt.
Er ist zurück gerannt, er wollte Uther und Gaius suchen, sie hier rausbringen. Die Festung ist so gut wie besiegt. Wir wollten fliehen. Wir hatten keine Chance.", antwortete ich wahrheitsgemäß, taub gegenüber der Sorge in ihrer Stimme.
Sofort wollte ich meine Worte wieder zurücknehmen als ich ihre Reaktion sah.
Sie sah aus wie als hätte man ihr ins Gesicht geschlagen.
"Ich habe euch das angetan.
Wegen mir ist alles hier geschehen, wegen mir wurdest du verletzt, wegen mir kämpft Arthur jetzt um sein Leben.", wisperte sie erregt, konnte die Wut in ihrem Tonfall nicht verbergen.
Verdutzt hörte ich ihr zu.
Mein Kopf schmerzte, wie tausend Nadeln stach jeder Gedanke hinter meinen Schläfen.
Die Erschöpfung lastete schwer auf meinen Schultern, machte mich träge, ließ mich das offensichtliche übersehen.
Warum sollte Arthur um sein Leben kämpfen?
Da drangen die Worte zu mir durch, jemand kippte mir einen Kübel eisigen Wassers über den Kopf, weckte mich aus meiner Starre.
Mein Herz begann zu rasen.
Der Schweiß brach mir auf der Stirn aus.
"Wie meinst du das? Was weißt du?", fuhr ich sie an.
Skye riss die Augen auf als ihr klar wurde was sie da gerade eigentlich gesagt hatte, was das bedeutete.
Sie wurde kreideblass, ihre Lippe zitterte.
"Morgana sie... Oh Gott", stieß sie hervor als die Erinnerungen ans Tageslicht kamen.

Ihr Blick war riesengroß, ihr Atem ging rasselnd.
Rasend schüttelte ich sie, konnte die Furcht die mein Herz befiel nicht verbergen.
"Skye?! Skye was ist los?"
Ätzend brannte die Angst in meiner Lunge, meine Atemzüge wurden schneller, ich schnappte nach Luft wie ein Ertrinkender, spürte wie meine Beine taub wurden, wie die Gedanken dumpf in meinem Kopf pochten, wie das Adrenalin durch meine Adern jagte.
"Wo ist Arthur?!", schrie Skye mich an, hörte meine Frage nicht, wurde von ihren Erinnerungen überwältigt.
Ihre Fassade bekam tiefe Risse, fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Sie wurde immer verzweifelter, redete sich immer mehr in Rage.
"Ich hab doch gesagt er sucht Uther!", schrie ich wütend.
Was war hier nur los?
Warum hatte sie solche Angst?
Wieso hatte ich selbst auf einmal das Gefühl zu fallen, unfähig auf den Boden zuzurasen, mich dem alles entscheidenden Aufprall immer weiter zu nähern.
"Wo ist er?!", ging sie mich an, wild um sich blickend wie eine Furie stand sie in Flammen.
"Keine Ahnung, ich nehme an im Thronsaal, ich wollte ihn eigentlich gerade suchen als...", sagte sich so ruhig wie ich konnte um mich selbst zu beruhigen, um sie nicht noch mehr auf zuhetzten.
Doch sie unterbrach mich mitten im Satz, ihr Gesicht ein einziges Angstspiel, ihre Augen voller Furcht.
"Merlin, begreifst du nicht?", wisperte sie hysterisch.
Und da wurde es mir klar.

Meine Zähne schlugen aufeinander, mein Herz sprang, ich versuchte mich aus dem Meer aus Eis in das ich gefallen war hervor zu kämpfen, die Oberfläche zu durchbrechen.

Wie dumm ich doch gewesen war.
Kein Wunder das wir keine Spur von Morgana gefunden hatten, dass sie unauffindbar war.
Ich wollte mir gegen den Kopf schlagen, wollte aufspringen und los sprinten, wollte mein Schicksal erfüllen, retten was noch zu retten war.
Ich hätte Skyes letzte Worte nicht mehr gebraucht, der Blick aus ihren Augen allein genügte als Bestätigung, zeigte mir auf, dass sich Recht hatte. 
"Es ist eine Falle!"

Skye's POV:

Stöhnend ging ich in die Knie als  die Schmerzen meinen schwachen Körper überwältigten, mich niederrangen.
Meine Seite brannte wie Feuer, die Flammen leckte gierig über meine Haut, versenkten sich tief in der Wunde.
Dumpf schlug ich auf dem eisigen Boden auf, meine nackte Haut riss unter dem Umhang den ich einem toten Ritter abgenommen hatte auf.
Blut sickerte in den Umhang, ließ ihn noch röter als so schon leuchten. Ich schrie als meine verletzte Seite über den rauen Stein schabte, drehte mich weg und rollte mich krümmend zusammen. 
Ich hielt es nicht mehr aus, ich war so schwach, so verwundet.
Mir wurde schwarz vor Augen, das Gefühl mich übergeben zu müssen stieg ätzend in meiner Kehle auf, spannte meine Muskeln an.
Die Wunde gab mir den Rest, zehrte meine letzten Kräfte restlos aus.
Kalt strich der Luftzug über meine nassen Wangen, ließ mich erschaudern, während ich hilflos gegen die mich zu übermannende Ohnmacht anfocht.
"Skye", rief Merlin als er sich atemlos neben mich hockte, die Angst in den Augen.
"Was ist los? Wir müssen weiter.", stieß er gehetzt hervor.
Seine Augen waren geweitet, sein Atem ging keuchend, sein Blick war ungeduldig, immer wieder sah er sich um.
Schwer atmend setzte ich mich auf, wälzte mich hoch und biss die Zähne zusammen.
Die Qual zog mich immer wieder runter, machte meine Glieder tonnenschwer, sie zu einem Gefängnis meiner selbst.
"Bitte Skye steh auf", fuhr er mich an.
Die pure Furcht sprach aus ihm heraus, seine verkrampfte Haltung versteifte sich als ich nur wehrlos den Kopf schütteln konnte.
Ich hatte zu viel Blut verloren, war wacklig und unsicher auf den Beinen.
Immer wieder wurde ich mit den Wellen gegen die Klippen geschleudert, immer härter, immer erbarmungsloser.
Wie würde dieser Tag bloß enden?
Wann würde es endlich alles vorbei sein?

Ich war an meine Grenzen gegangen, so schnell gelaufen wie nur irgend möglich, hatte alles andere aus meinen Gedanken verbannt, mich voll und ganz auf diese eine letzte Aufgabe konzentriert, meine letzen verbliebenen Kräfte für sie gesammelt.
Wir mussten Arthur retten.
Um alles und jeden Preis musste er überleben, er durfte hier und heute nicht sterben.
Nicht er, um Himmels willen nicht er.
Morganas Plan war von Anfang an perfekt gewesen.
Niemand hatte Verdacht geschöpft, niemand hatte sie vermisst, alle waren viel zu sehr von mir abgelenkt gewesen um das wahre Vorhaben zu durchschauen.
Das Schloss war von Anfang verloren gewesen, die Kämpfer zum Tode verdammt und das Feuer zum Brennen verurteilt gewesen.
Doch ihr eigentliches Begehren erfuhren die meisten nie.
Sie wollte Arthur.
Sie wollte ihn und Uther für alles büßen lassen, wollte sie bezahlen lassen für was sie ihr angetan hatten, wollte sie eigenhändig töten.
Morgana kannte Arthur einfach zu gut.
Sie kannte seine Stärken und seine Schwächen die letztendlich sein Untergang sein würden.
Natürlich würde er Camelot nie ohne seinen Vater verlassen, die Festung selbst am Ende nicht einfach so aufgeben.
Er würde weiterkämpfen um derer willen die er liebte, die ihm etwas bedeuteten.
Und er würde immer zurückkehren.
Darauf wartete sie nur.

"Skye komm. Bitte", flehte mich Merlin drängend an.
Ich sah auf.
Unschlüssig hockte er halb neben mir, jederzeit bereit mich zurückzulassen und an Arthurs Seite zu rennen, sich vor ihn zu werfen, sein Leben für seins bereitwillig hinzugeben.
Ich würde das Gleiche tun, ich wollte das Gleiche tun.
Es war meine Schuld das alles erst so weit gekommen war.
Ich war für diesen Angriff mit all den Toten verantwortlich, ich hatte die Ritter getötet die den König und seinen Sohn beschützen sollten, diejenigen die sich gezogenem Schwert vor die beiden stellen sollten und sie verteidigen sollten.
Doch jene tapferen Männer waren tot.
Sie waren ausgelöscht wurden, waren zu Asche niedergebrannt und von der Welt getilgt wurden.
Alles nur wegen mir.
Weil ich Morgana ultimative Waffe war, diejenige die man bedingungslos und ohne Gewissensbisse auf andere hetzten konnte, sich nicht selbst die Hände in Blut tauchen musste, solange man ihren Verstand kontrollierte.
Ich war ihr Spielball gewesen, ihr Arm, ihre Finger die sich um die röchelnden Kehlen legten, ihr Schwert das zischend durch die Luft schnitt.
Ich hatte ihren Hass geteilt, hatte die schwarze Verbitterung in meinem eigenen Herzen gefühlt, hatte meinen glühenden Zorn an lauter Unschuldigen ausgelassen.
Ich habe so viel falsch gemacht, habe sooft die alles verdammende Entscheidung getroffen, habe mich benutzten und manipulieren lassen, mich brechen und zerstören lassen.
Kurz um, ich hatte mir einen riesigen Berg Schuld auf die Schultern geladen.
Ich war das größte Unheil das dieses Land je gesehen hatte.
Nun sollte nicht auch noch Arthurs Tod auf meiner zerborstenen Seele lasten.
Es musste aufhören.
Jetzt.
Genau hier in diesem einen Moment hatte ich endlich die Möglichkeit es zu beenden,
das Schicksal das mich heimsuchte vielleicht im letzten Moment noch abzumildern, zu retten was noch zu retten war.
Ich musste es schaffen. 
Wir mussten es schaffen.
Nichts zählte mehr als das Leben von Arthur, das Leben meines Freundes, meines Bruders, meines Königs.
Arthur war mehr mein Bruder als es Cole je gewesen war.
Und ich würde um meine Familie kämpfen, würde weiter ringen bis sie in Sicherheit war, nie ruhen, mich nie für sie geschlagen geben.
Nun hatte ich eine Wahl.
Zum ersten Mal seit langer Zeit war es wieder meine eigene Entscheidung was ich tat.
Stand ich nur daneben wäre die Apokalypse vorprogrammiert, würde ich kämpfen,
so verlor ich unter Umständen mein Leben und alles was mir lieb und teuer war.
Doch im Leben hatte man immer eine Wahl.
Manchmal ist es einfacher sich einzureden, man hätte keine.
Und ich würde weitermachen.
Für meine Eltern, die Eltern die viel zu früh von mir gingen,
die in mir immer mehr gesehen haben als ich war, die mich nie im Stich ließen, die mich immer glauben ließen der mutigste und geliebteste Mensch der Welt zu sein,
für Isley die mich nur retten wollte, die ihr Leben für meine Freiheit hingab, die versucht hatte mich vor den Grausamkeiten des Abgrunds zu beschützen,
für Cole, den alten Cole, meinen Bruder so wie er in meinen Erinnerungen immer noch lebte, der Bruder der mich als ich kleiner war auf den Schultern durch das duftende Mohnblumenfeld getragen hatte, der mit mir im Wald verstecken gespielt hatte, für mich gelogen hatte wenn ich mal wieder Unfug gebaut hatte,
für Gwen, die mir die Wege des Herzens mit ihrer Güte aufgezeigt hatte, die mir loyal zur Seite stand und mich aufheiterte wann immer das Leben meine Züge entgleiten ließ,
für Gaius, der mir auf die Beine half, der seine Weisheit und sein Vertrauen in mich setzte, das Vertrauen das ich ein besserer Mensch war als ich selbst zu glauben wagte,
für Arthur, meinen zukünftigen König, auf dem all meine Hoffnungen und Träume ruhten, der mich entkommen ließ, der für mich uralte Grenzen überschritt obwohl er wusste wo das Ganze enden würde, der für mich kämpfte, sich meiner erbarmte und schlussendlich genauso wie ich mit dem Schrecken dieser Erden konfrontiert wurde.

Ich sah auf, die ganze Zeit hatte ich auf den Fußboden gestarrt, war innerlich leer gewesen,
hatte alle Gedanken an das Geschehene und das vor mir Liegende ausgeblendet,
sie in die tiefsten Ecken meiner abgeschoben um mich voll und ganz zu konzentrieren, um mich nicht ablenken zu lassen, um die Taten die ich beging im heißen Atem des Gefechts vergessen zu können.
Meine Augen trafen auf Merlins dunkelblaue Ozeane,
verloren sich darin, schwammen mit dem Strom und ließen beim Abtauchen die Welt selbst hinter sich.
Die Oberfläche rückte in immer weitere Entfernung,um mich herum nur die sanft schlagenden Wirbel, während die Erinnerung langsam zu verblassen begann.
Ich blinzelte.
Ich würde kämpfen.
Für Merlin.
Für die Dinge die ich selbst nicht verstand, für seinen unerschütterlichen Glauben an mich, für seine treue Liebe, unsere zerschmetterte und doch auf eigenartige Weise heile Beziehung, für den Glauben an eine Zukunft mit ihm.
Für all die Erinnerungen die wir teilten.

Ich stütze mich hoch, nahm alle Kraft zusammen die ich noch hatte, die ich in den entlegensten Reserven auftreiben konnte.
Doch es war nicht genug. 
Schmerz explodierte in meinem Brustkorb, grub sich tief in meine Nerven, raubte mir das Sehen und Denken.
Ich biss mir auf die Lippe, schmeckte den eisigen Geschmack nach Blut, versuchte in den Schmerz zu atmen, ihn irgenwie abzumildern.
Doch es ging nicht.
Meine Seite pulsierte, pochte rhythmisch im Takt meines Herzschlages, ich spüre wie immer mehr Blut meinen besiegten Körper verließ, ich immer schwächer wurde.
Doch ich würde nicht aufgeben.
Es gab so viele Gründe einfach hier mich meinem Schicksal zu ergeben, den Tod willkommen zu heißen.
Doch nur einer sprach dagegen.
Der simpelste Grund der Welt. 
Ich konnte es einfach nicht.

Ich spürte Merlins Arme unter meinen Achseln, wie er versuchte mich vorsichtig wieder auf die Beine zu ziehen, eine Gefallene aufzurichten.
Zitternd berührten meine nackten Fußsohlen den kalten Steinboden, wie tausend Nadeln stach mir die Kälte ins Fleisch.
Mir war so kalt, so unendlich kalt.
Ich war so müde, so ausgelaugt und hatte gleichzeitig das unglaubliche Verlangen weiterzumachen, mich meinen Schwächen nicht einfach so hinzugeben.
Schluchzend holte ich Luft, ich schwankte, Merlin zog mich an sich, fing mich mit seinem Körper auf, war mein Fels in der Brandung.
"Ich kann nicht mehr", wisperte ich tonlos, darum bemüht die Augen offen zu halten während hinter meinen Lidern ein grausam wütender Sturm tobte.
Die Toten begannen leise hinterhältig ihre kalten, blassen Finger nach mir auszustrecken, sie wie Geister ihren Weg in mein Gewissen zu bahnen.
Sie schlichen auf leisen Sohlen immer näher, begruben mich unter ihrer Last, ließen ihre hämisch verzerrten Gesichter aus dem Nebel vor meinem inneren Auge auftauchen und tanzen.
Ich versuchte sie abzuschütteln, sie verzweifelt zurückzudrängen, dem Wahnsinn zu entkommen.
Merlin hielt mich, er hob mein Kinn an, zwang meinen Blick nach oben.
Nachdenklich musterte er mich.
Ich mochte nicht daran denken was Morgana wohl gerade mit Arthur machte.
Er musste weiter.
"Lass mich zurück", flüsterte ich aus rauen Lippen, "ohne mich bist du schneller."
Doch er schüttelte resigniert den Kopf.
"Ich lass dich nie wieder alleine, schon vergessen?"

"Merlin, du... Arthur er stirbt... bitte...", sagte ich drängend.
Tränen stiegen in mir auf, meine Kehle schnürte sich zu.
"Merlin ich kann nicht mehr. Lass mich zurück. Bitte..."
Er trat näher, sein Atem strich angenehm warm über meine taube Wange, seine Hand fuhr über meine aufgesprungenen und blutverklebten Lippen.
Seine Augen waren groß, sein Gesicht meinem so nahe das ich die winzigen goldenen Sprenkel darin erkennen konnte, wie weisende Lichter in einer dunklen Nacht.
"Es gibt eine Möglichkeit. Ich brauche dich. Ohne dich schaffe ich das nicht Skye", murmelte er mit ehrlichem Tonfall und belegte Stimme.
Zweifelnd sah ich ihn an.
Er konnte mich nicht heilen.
Er durfte seine Kräfte nicht an jemanden wie mich verschwenden wenn wir kurz davor waren uns Morgana und Cole zu stellen.
"Verwandle dich Skye", hauchte er.
Ich riss die Augen auf als die Worte zu mir durchsickerten.
Das konnte er nicht ernst meinen.
Was wenn ich wieder zu einer willenlosen Tötungsmaschine wurde, wenn ich ihn angriff, mich mein Gewissen wieder verließ?
Wenn Morgana wieder Macht über mich hätte?
"Merlin... ich, nein, das kannst du nicht...", setzte ich stotternd an.
Doch er unterbrach mich unwirsch.
"Vertrau mir."
Lange sah ich ihn an.
Er hatte recht.
Als Drakir war ich stark, stärker als als Mensch, könnte die Verletzung ohne Umstände aushalten, brauchte vor Morgana keine Angst haben.
Wenn alles gut ging.
Merlin hatte mich schon einmal bezwungen, hatte mich schon einmal gebändigt.
Er war ein Drachenmeister, das hatte er mir damals selbst erzählt als wir noch glücklich zusammen waren, er hatte die Macht über die Herzen der Drachen, konnte die uralte Sprache die ihn und sie miteinander vereinte.
Er hatte mich gerettet.
Wer sagte das er es nicht wieder konnte?
Wenn alles gut ging.
Doch in einem Punkt hatte er Recht.
Wir hatten gar keine andere Möglichkeit mehr, hatten keine andere Wahl mehr als alles auf eine Karte zu setzen.
Er sah mich immer noch abwartend an.
Mein Blick fiel auf Excalibur an seiner Seite.
Die Klinge schimmerte immer noch rötlich von meinem getrocknetem Blut.
Dieses Schwert würde auch Morgana töten.
Deswegen waren wir hier.
Um sie zu töten, um dem Spuk ein für alle Mal ein Ende zu setzten.
Alles oder nichts.
Siegen oder sterben.
Triumphieren oder fallen.
Töten oder brennen.

"In Ordnung", sagte ich entschlossen,
"Aber wenn ich mich selbst wieder verliere, dann tötest du mich. Hast du verstanden? Du zögerst nicht, du denkst nicht nach, du erlöst mich einfach von ihren Fesseln. Bitte"
Merlin sah mir in die Augen, sein warmer Atem strich über meine Lippen, sein Gesicht war ernst.
"Ich verspreche es dir."

Und dann küsste er mich.
Ein letztes Mal spürte ich seine sanften Lippen auf meinen, spürte wie mein Herz zu flattern begann, wie Funken durch meine Adern schossen,
wie er mich mit seiner Liebe in Flammen steckte.
Die Erinnerungen verblassten, ich lebte in meiner eigenen kleinen Welt, wo alles gut war, wo ich nie traurig war, wo das Leben noch einen Sinn hatte.
Ich klammerte mich an diesen Kuss,
verwahrte mir die Gefühle tief in meinem Herzen, dort wo ich mich an sie erinnern würde, in Zeiten wo das Licht nicht mehr scheinen würde.
Hitze breitete sich von meinen Lippen über meinen Körper hinweg aus,
ließ meine Haut sanft schmelzen und meinen Brustkorb sich weiten als die Verwandlung einsetzte.
Der tiefe Schmerz verebbte.
Auf ins Feuer.
"Ich liebe dich", flüsterte er leise.

Merlins POV:

Der Gang zum Thronsaal lag leer und verlassen vor uns.
Nichts rührte sich, kein Geräusch war zu hören, die ganze Welt hielt den Atem an,
wog sich in beklemmender tödlicher Stille, wartete sehnsüchtig auf den Moment der letzten Entscheidung.

Die Stunde des Schicksals war so nahe, der Tag senkte sich dem Abend entgegen, die Welt ging in strahlend roten Farben dem Ende entgegen.
Die Sonne starb in einem gleißenden Feuerball,
ließ den Himmel blutrot erstrahlen. 
Ich schloss die Augen als ich das letzte Licht durch die Fenster fallen sah, die Konturen der Erde verblassen sah.
Die Welt würde nicht untergehen, nicht jetzt, nicht heute, nicht hier.

Ich würde diesen Sonnenuntergang nicht als Omen für ein schreckliches Blutbad sehen.
Ich konnte es einfach nicht. 
Sonst wäre ich verloren. 
Ich durfte mich nicht verlieren. 
Nicht jetzt wo Arthur mich am meisten brauchte, nicht heute nachdem wir soviel durchgemacht haben, nicht hier wo das Schicksal des gesamten Königreichs auf meinen jungen Schultern lastete.
Ich war es Arthur schuldig.
Ich war es ihm schuldig zu kämpfen, zu hoffen, zu wagen und zu träumen.
Er war mein Schicksal, er war das Kind das mir anvertraut worden war, das ich nun durch die Welt an der Hand seinem großen Schicksal entgegen führte.
Wir waren zwei Helden mit Herzen von gleichem Schlag und wir würden um des anderen Willen nie weichen. 
Wir waren zwei Seiten ein und derselben Münze, dazu geschaffen füreinander zu kämpfen, füreinander da zu sein und dem anderen stets zu helfen, koste es was es wolle.
Wenn Arthur stirbt, sterbe ich mit ihm.
Wenn er stirbt sterben meine Träume, all meine Hoffnungen und all mein Glaube. 
Unsere Wege waren seit jeher mit einander verstrickt gewesen, sie würden sich auch durch den Tod des anderen nicht trennen lassen. 
Er war mein König, mein treuster Freund und mein einzig wahrer Held zu dem ich immer aufblicken würde.
Ich war so stolz auf ihn. 
Wie hatte Arthur sich doch verändert.
Vom arroganten Idioten der mich in den Kerker hat werfen lassen, über den eingebildeten Trottel der sich für unbesiegbar hielt hin zu einem Menschen der es wert war gerettet zu werden.
Ich hätte alles für ihn getan.
Ich würde für ihn durch die Hölle und wieder zurückreiten, würde für ihn ganze Heere bezwingen, mich selbst aufopfern und mich selbst aufgeben. 
Ich war glücklich darüber dass Uther mich zu seinem Diener ernannt hat.
Es war das Beste was mir in meinem Leben passieren konnte. 
Als ich nach Camelot kam, hatte ich nichts.
Jetzt war ich dabei alles zu verlieren.
Doch ich würde kämpfen, ein letztes Mal,
ein letztes Mal alles geben, ein letztes Mal an meine Grenzen gehen, sie überwinden,
mich nicht brechen lassen, weiterringen, weiter wagen, weiter träumen und hoffen, weiter fliegen, bereit den ultimativen Preis zu zahlen.
Ich war glücklich Arthurs Diener zu sein bis zu meinem Tod.
Und noch viel weiter.
Ich war froh darüber an der Seite eines so großen Menschens zu stehen.
Manche Menschen werden dazu geboren um Felder zu bestellen und ihre Ernte einzuholen, andere um die größten Genies ihrer Zeit zu werden und wieder andere werden dazu geboren ein größer König zu werden.
Ich wurde dazu geboren um Arthur zu dienen.
Und das werde ich.

Heute endet es.
Heute rechne ich ab mit meinen Fehlern, werde den Schrecken den ich allein über dieses Land gebracht habe nehmen.
Morgana ist mein Vergehen, mein Fehler für den ich verantwortlich bin, meine gescheiterte Freundin.
Ich habe sie damals im Stich gelassen als sie mich am meisten brauchte, war nicht da als sie nach mir rief, habe das Schicksal frei entscheiden lassen, ihm seinen verheerenden Lauf gelassen.
Wie viel wäre anders gekommen wenn ich sie damals nicht vergiftet hätte?
Wenn ich nicht auf den großen Drachen gehört hätte, wenn ich nach einem Ausweg gesucht hätte, mich mehr angestrengt hätte.
Es war eine traurige Geschichte in der viele Komponenten mitgewirkt hatten, doch ich war der Auslöser gewesen.
Ich konnte meine Entscheidungen nicht zurücknehmen, konnte meine Vergehen nicht ungeschehen machen, doch so durfte es nicht weitergehen.
Ich bin schuld an daran was aus ihr geworden ist.
Aber das hört jetzt auf.
Ein für alle mal.

Wir erreichten das schwere Schlossportal.
Dahinter lag der Thronsaal, dahinter lag unser Schicksal.
Die schwere Tür aus Eichenholz schimmerte uns dunkel entgegen, schluckte die Geheimnisse die sich im inneren abspielten. 
Hier standen wir nun. 
Ein letztes Mal.
Alles oder nichts. 
Ich blickte Skye an.
Sie stand neben mir, die Augen Funken sprühend, die Brust vibrierend, der Schwanz ungeduldig hin und her peitschend.
Was auch immer geschehen würde, uns konnte man nicht mehr trennen.
Ich sah die schweren Türknaufe vor mir, kalt lagen sie an dem glatten Holz, schmiegten sich elegant an die schwere Tür.
Ich streckte die Hand aus, meine Finger umschlossen das eisige Metall, ballten sich zusammen.
Ich umklammerte Excalibur fester mit der freien Hand, hob das Sagenschwert an, hielt es mir schützend vor die Brust. 
Die Klinge fing das letzte Tageslicht ein, warf es tanzend an die Decke wo es sich in bunten Lichtpunkten spiegelte.
Die goldene Inschrift verlieh mir Kraft.
"Heb mich auf", stand auf der einen Seite.
"Wirf mich weg", auf der anderen.
Wie wahr es doch war.
Die Entscheidung wie alles enden würde lag ganz bei uns.
Ich atmete tief durch.
Ich war bereit.
Aus Liebe zu Camelot.
Tiefes Luftholen.
Dann schwang ich die Tür mit aller Wucht auf,
hörte wie sie in den Angel quietschte, wie Skye hinter mir laut auffauchte, aber zurück blieb und mein Herz einen Schlag aussetzte.
Ich riss die Augen beim Anblick der Szene vor mir weit auf.

Der Thronsaal war bis auf vier Gestalten vollkommen verlassen, so leer wie sonst nur in tiefster und schwärzester Nacht.
Das Licht fiel rot durch die riesigen Fenster ein, malte ein blutiges Farbenspiel auf die sonst so grauen Fliesen, die Sonne ging riesengroß in den Fenstern unter, brach sich im Glas wie Wasser an einem Strand.
Es war kalt.
Der Saal war eiskalt, alle Lebensfreude ausgemerzt, nichts zeugte mehr von den fröhlichen Festen die hier abgehalten wurden,
von den Zeremonien zu denen tausende nach Camelot strömten.
Ein uralte böse Macht strahlte von diesem Raum ab.
Morgana saß auf dem hölzernen Thron, die Beine locker überschlagen,
die Hand leicht gelangweilt an ihr Kinn gelegt, eine einzige Statue aus schwarz und weiß, die Lippen in blutrotes Licht getaucht.
Ihre Haare wellten sich in verfransten schwarzen Locken weit über ihre Schultern, umrahmten ihr schneeweißes Gesicht, die marmorne Haut und die rauchgrünen,
eiskalt blickenden Augen, warfen dunkle Schatten auf ihre hohen, elegant geschwungenen Wangenknochen.

Vor ihr kniete Arthur, sein Gesicht schmerzverzerrt, die Arme grob auf dem Rücken verdreht.
Er kniete vor Morgana,
war vor dem Thron nieder gezwungen worden.
Das Blut lief ihm von der Stirn hinunter, färbte seine sonst so strahlend blonden Haare tiefrot,
ein riesiger blauer Fleck prangte über seinem rechten stark zugeschwollenem Auge, er atmete schwer,
Schweiß stand auf seiner kreideweißen Stirn und Todesangst in seinen Augen.
Seine Rüstung war zerfetzt, der Harnisch grob abgerissen worden,
sein Kettenhemd wies mehrere tiefe Risse auf aus denen träge dickes Blut quoll,
das sich langsam mit dem sonst so strahlenden Silber vermischte,
es rot schimmern ließ und das Licht fing.

Hinter ihm stand ein großer grimmig aussehender junger Mann, der ihm die Arme unbarmherzig verdrehte,
viel weiter als nötig gewesen wäre, der ihm eine Schwertspitze zwischen die beiden Schulterblätter drückte, die Klinge glänzte noch vor frischen Blut, sein Gesicht zeigte keine Regung als er den Prinzen auf den Knien hielt, dem Besiegten das Messer an die Kehle hielt. 
Cole.
Ich war Skyes Bruder nie begegnet, hatte immer nur von ihm gehört.
Der Mann vor mir hatte markante Züge, die ihn hart und unnahbar wirken ließen,
kalt dreinblickende schwarze Augen, die mich abwartend musterten und mich durchleuchteten, mich genau abschätzten, nach meinen Schwächen suchten und er hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit Skye.
Da war keine Wärme in seinem Blick, kein Skrupel, kein Erkennen.
Vielleicht lag es daran, dass er nur ihr Halbbruder war,
eventuell aber auch daran, dass er ein Monster war, daran, dass Morganas Hass auch sein Herz befallen und zerfressen hatte.
Sein Griff um das Schwert verstärkte sich, er drückte die Klinge noch stärker auf Arthurs Kreuz, der vor Schmerzen zusammen zuckte und den Blick hob.
Das letzte bisschen Farbe wich aus seinem Gesicht,
er riss erschrocken die blauen geweiteten Augen auf, seine aufgesprungene Unterlippe begann zu beben als er mich sah. 
Ich blickte ihm direkt in die halb abwesenden blauen Augen.
Ich sah wie die Angst sein Gesicht verzerrte, wie sich Todesangst über seinen Zügen ausbreitete, wie er sich verlor und fiel.

Ich hatte Arthur noch nie so gesehen.
Er hatte seine Angst nie offen zeigen wollen, hatte den anderen immer verschwiegen wie sehr seine Seele doch litt und blutete.
Doch nun war seine eiserne Maske gefallen und offenbarte einen geschlagenen jungen Prinzen der bei dem Anblick seines todesmutigen Dieners erstarrte, der sich um einen Freund mehr als um sein eigenes Leben sorgte.
Seine Stimme zitterte vor Schwäche als er mich sah.
"Merlin! Lauf!!!", schrie er mich panisch an, versuchte sich aus Coles Griff herauszuwinden, ihm zu entkommen und zu mir zu gelangen.
Doch immer tiefer bohrte sich die Schwertspitze in seinen Rücken, er stöhnte vor Schmerzen laut auf, verdrehte die Augen in den Höhlen, als sich das Metall unter seine Haut bohrte und das Blut seinen Rücken hinab zu rinnen begann.
Zornig sah ich auf meinen blutenden Freund nieder,
sah was sie mit ihm gemacht hatte.
Dann blickte ich zu Morgana, sah wie sie beinahe lässig auf dem Thron ihres Vaters saß,
suchte mit den Augen und fand ihn schließlich hinter ihr auf dem Boden in einer Blutlache liegend, das Gesicht von dem großen dunklen Thron verdeckt auf dem er sonst zu sitzen pflegte.

Uthers Arme lagen abgespreizt da, seine Kleidung ebenso zerrissen wie die seines Sohnes, doch sein Gesicht nicht zu erkennen.
Ich sah nicht ob er noch atmete, war zu aufgeregt um auf die vermeintliche Hebung und Senkung seines Brustkorbs zu achten.
Sie sah mich an.

Morgana Pendragon, Halbschwester von Arthur und verleugnete Tochter Uther Pendragons sah mir direkt in die Augen.
Meine Finger verkrampften sich um Excalibur, ich spürte wie mein Herz schneller und immer lauter schlug, wie das Blut in meinen Venen pulsierte, sich die Spannung knisternd zwischen uns ausbreitete, funkensprühend in der Luft stand, wie sich der Druck auf meine Lunge legte.
Entschlossen trat ich durch die offene Tür, Skye hielt sich hinter mir, immer noch von dem Türrahmen verdeckt, unsichtbar für Morgana.
Meine Kiefer malten aufeinander, ich hob Excalibur an, richtete die Spitze in ihre Richtung aus, direkt auf das hasserfüllte Herz der Hexe die am anderen Ende des Raumes saß.
Ich machte mich auf das vor mir liegende gefasst, rief meine Zauberkräfte herbei, jederzeit bereit sie ein zusetzten, bereit Arthurs Leben bis zum letzten Atemzug zu verteidigen.
"Verschwinde du Narr!!!", stieß er aus zusammengebissenen Zähnen hervor, wand sich und konnte Coles Griff doch nicht entkommen.
Ich wandte den Blick ab.
Ich ertrug es nicht meinen besten Freund so zu sehen.
Ich blickte die Hexe an, die junge Frau die ich einst geglaubt hatte zu kennen, die uns verraten hatte, die mich gefoltert hatte, die mir die Menschen die ich liebte genommen hatte.
Mein Herz flammte auf vor brennendem Hass.
Morgana schien nicht überrascht mich zu sehen.
In Zeitlupe senkte sie ihre Hand, legte sie bedächtig auf die Armlehne nieder.

"Ah hallo Merlin", klirrte ihre Stimme kalt wie Eis, doch mit leicht amüsierten Unterton als ein süffisantes Grinsen ihre roten Lippen verzog, "wir hatten uns schon gefragt wann du endlich kommen würdest."
Ihre Augen blitzten, ihre Zähne waren weiß wie Schnee, ihr Tonfall gefährlich leise.
Mit klopfendem Herzen trat ich näher, meine Knie wurde weich als ich die gewaltige Macht spürte die ihr entströmte, meine Lunge weitete sich als ich Luft holte.
"Lasst ihn in Ruhe Morgana!", stieß ich mit unverhohlener Wut hervor. 
Ich spürte das erregte Zittern meiner Glieder, der ohnmächtige Zorn strömte durch meine Adern, Wut lodernd wie Feuer befiel mich.

Morgana setzte sich gespielt beleidigt auf.
"Was?", fragte sie scheinheilig, "so begrüßt du eine alte Freundin?"
Bebend trat ich noch einen Schritt näher, immer weiter auf sie zu.
"Wir sind schon lange keine Freunde mehr.", flüsterte ich gefährlich, das Schwert gehoben.
Ich spürte Coles kalten Blick auf meiner zugeschnürten Brust, doch meine Aufmerksamkeit richtete sich ganz auf Morgana.
Jede ihrer Bewegungen mit Bedacht wählend stand sie auf, ganz langsam, wie ein Raubtier das sich zum Sprung bereit machte.
Arthur bäumte sich auf, ich sah es aus den Augenwinkeln wie seine Lippen weiß vor Schmerz wurden, je mehr er sich bewegte. 
Cole trat ihm unwirsch in die Kniekehlen. 
Zitternd ging der Prinz zu Boden.

Morgana beobachtete die Szene mit kühler Genugtuung, sie schien Gefallen an dem Anblick ihres zuckenden Bruders zu finden.
Dann hob sie wieder die Augen, die Augen die weiter entfernt und abweisender waren als die kältesten Sterne des Himmels.
Um ihren Hals baumelte eine lange silberne Kette mit einem großen rubinen Anhänger.
Ich wusste sofort was es war.
Das Zauberamulett.
"Nein ich fürchte du hast Recht Merlin", sagte sie bedauernd. 
"Immerhin hast du mich damals vergiftet. So etwas tun Freunde doch für gewöhnlich nicht, oder?"

Die alten Schuldgefühle kamen in mir hoch als sie sprach.
Doch ich hatte keine andere Alternative damals gesehen, ich hatte Arthur retten wollen und kein Preis war mir zu hoch gewesen.
"Wärt ihr doch nur gestorben.", meinte ich rau.
Sie kniff die Augen zusammen.
"Ach, da hättet ihr aber eine Menge Spaß verpasst nicht wahr?"
"Morgana bitte..."
"Schweig!", fiel sie mir zornentbrannt ins Wort.
"Wie kannst du es wagen mir in die Augen zu sehen? Du bist nichts als ein kleiner Diener, ein Niemand. Du hättest schon längst tot sein müssen. Hat dir Skyes Anblick eigentlich gefallen?", fragte sie laut, die Lippen zu einem hämischen Lächeln verzerrt.
Ich hörte Schritte hinter mir, hörte wie Krallen über Steinboden wetzten, wie ein riesiges Wesen seinen Schwanz über die Erde peitschen ließ.
Arthurs Augen weiteten sich bestürzt, er riss die Augen auf.
"Merlin pass auf.... Hinter dir!", schrie er mich an.
Doch ich drehte mich nicht um.
Ich hatte keinen Grund dazu.
Ich sah die Genugtuung auf Morganas Gesicht, sah ihr grausames Grinsen als sie über meine Schulter blickte.
Ich sah wie Coles Miene sich zu einem boshaften Lächeln verzerrte, wie er dem sich windenden Arthur aus Entzückung nur noch mehr die Armen verdrehte.
Morgana sah aus wie ein kleines Kind das sich auf eine lag ersehnte Überraschung freute.
"Wenn man vom Teufel spricht", sagte sie mit unschuldiger Stimme, ganz so als ginge es hier nicht um mein Leben, sondern um etwas anderes. 
Etwas unwichtiges, etwas belangloses.
Aber vielleicht war ich das ja auch für sie.
Ich war Morgana fremd geworden, sie fühlte sich von mir und ihrer Familie im Stich gelassen, fühlte sich verraten.
Dabei waren es ihre eigenen Entscheidungen die ihr Schicksal geschrieben hatten, die sie hierher an diesen Ort gebracht hatten, in die Hallen ihres Vaters die jetzt mit seinem Blut befleckt waren.
Alles nur weil sie sich hintergangen und verraten fühlte.
Sie lächelte über meinen Tod, würde sich an seinem Anblick ergötzen.
Sie spürte keine Liebe.
Das tat sie schon lange nicht mehr.
Morgana Pendragon tat mir leid.
Ich fühlte wie sich etwas großes mir näherte, wie die pure Kraft schleichend und langsam näher kam.
Ich spürte die Hitze, das zornige Schlagen eines gewaltigen Herzens, die drückende Stille die sich über alle Anwesenden senkte, wie sich die Luft vor Spannung auflud.
Ich fühlte den heißen Atem an meinem Ohr, die Feuerbrunst die aus ihrer Brust hervorquellen konnte, roch den Geruch nach Rauch und Flammen, sah grüne Augen aufblitzten, hörte Krallen übereinander schaben, sah es rotgolden in meinem Augenwinkel schimmern.
Ich drehte mich nicht um.

Mein Blick ruhte starr auf Morgana die mich abwartend ansah.
Ich blinzelte nicht, erwiderte ihre Starren ohne mit der Wimper zu zucken.
Skye blieb neben mir stehen.
Stille.

Ich sah wie Arthur sich versuchte zu rühren,
wie die Angst über sein Gesicht zuckte, wie er den Mund öffnen wollte, doch wie fest gefroren schien.
Alle Blicke ruhten auf mir.
Ich sah einen Nerv in Morganas sonst so beherrschtem Gesicht zucken, dem Gesicht das kalt wie Stein war, undurchdringlich wie die schwarze Nacht, so unbeweglich wie eine Statue.
Sie zitterte vor Anspannung.
Ich fühlte wie Skye näher trat, die Krallen langsam und bedächtig ausstreckte.
Kurz befielen mich Zweifel.
Kurz schlug mir mein Herz bis zum Hals, setzte mein Atem aus.
War sie stark genug dem Amulett zu widerstehen, war sie mutig genug zu kämpfen?
Sie musste es einfach schaffen.
Ich musste an sie glauben.
Ich musste Skye vertrauen.
Ein allerletztes Mal noch.

Feurige Lippen berührten meine Wange,
hauchten mir einen flammenden Kuss ins Gesicht.
Es war nur eine flüchtige, ganz leichte Berührung, doch sie sagte alles aus.
Mein Herz sprang freudig auf, als die Zuversicht wie eine helle Flamme in mir aufloderte,  
meine Lunge füllte sich wieder mit Luft, meine Finger umfassten das Heft von Excalibur wieder entschlossener als ihre hauchzarte Berührung verklungen war.
Doch die Kohlen waren noch lange nicht erloschen.
Die Glut begann zu schwelen.
Ich sah wie die Wut sich wie eine Welle über Morganas blutleeres Gesicht ausbreitete,
wie sie große Augen machte, wie die Erkenntnis sie mit einem Schlag in die Wirklichkeit zurückholte als sie scharf die Luft einsog, wurde es ihr klar.
Sie hatte einen Fehler gemacht.
Einen einzigen fatalen Fehler.
Unterschätze niemals die Macht der Liebe.
Denn sie ist stärker als alles andere.
Und sie wird immer weiterkämpfen, wird sich immer gegen jede Art von auferlegten Fesseln aufbäumen, sich gegen sie richten, sie bezwingen um schlussendlich dem verheißungsvollen Ruf des Herzens zu folgen.

Mit einem ohrenbetäubenden Fauchen stieß Skye sich vom Boden ab, schraubte sich wenige Meter hoch in die Luft, gerade soweit wie esdie hohe hell erleuchtete Decke zuließ, die Augen zu Schlitzen verengt, der Brustkorb geweitet, die Nüstern gebläht, die Pupillen vor Rachedurst entflammt.
Ihre Flügel zerschnitten rauschend die Luft als sie sich auf Morgana stürzte.
Ich sah den Schrecken der ihre Miene verzerrte,
sah wie Angst in ihren Augen aufleuchtete, wie sie verzweifelt die Hand hob, die Finger nach Skye ausstreckte wie um sie aufzuhalten, um in letzter Sekunde ihr einen Zauberspruch entgegen zu schmettern.
Ein Zauberspruch der eh von ihrem Schuppenpanzer abprallen würde, ein letzter verzweifelter Versuch.
Doch es war zu spät.

Mit voller Kraft prallten die beiden aufeinander,
krachte Skye in die Hexe hinein, gingen in einem einzigen verstrickten Haufen aus Flügeln und Krallen zu Boden, schlitterten über den Flur,
kamen kurz vor der Wand zum Stillstand. 
Die Hexe schrie vor Schmerzen als ihr Arm eingeklemmt wurde, als Skyes Gewicht ihr die Finger brach, doch sie schaffte es sich loszureißen.
Skye riss den Kopf hoch, das Maul weit aufgerissen, die Zähne wie Dolche gebleckt, die Krallen zu einer tödlichen Bewegung ausholend.
Morgana duckte sich weg als sie beide aufprallten, ihre Körper über den Boden schrammten, beide übereinander rollten. 
Skyes Hieb ging ins Leere.
Glaubte man zumindest.
Ihre Krallen verfingen sich in einer zarten silbernen Kette, rissen sie von Morganas Hals, schleuderten sie über den Boden.
Ich sah wie der gleißende Rubin davon schlitterte, unweit des Thrones an der Wand liegen blieb.
Ich musste dieses Amulett zerstören, koste es was es wolle.
Es war die Quelle von Morganas Macht, wir hatten keine andere Wahl.
Doch Skye versperrte mir den Weg.
Ich hatte sie noch nie so unfassbar wütend gesehen, wo in Zorn entbrannt, so von Rachedurst getrieben.

Ihre Klauen wetzten über blanken Steinboden, Funken stoben auf, sie schrie zornig.
Morgana trat nach ihr, traf nicht als eiserne Schuppen, der Tritt ließ sie erzittern, zeigte selbst jedoch keine Wirkung.
Eilends kroch sie vor dem schäumenden Drakir davon, versuchte sich in Sicherheit zu bringen, die Augen schreckensgeweitet.
Blut strömte aus einer Wunde an ihrem Hinterkopf, färbte ihr so schon rabenschwarzes Haar nur noch dunkler.
Skye richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, kam langsam und bedrohlich auf sie zu.
Ich bemerkte eine Bewegung aus dem Augenwinkel.
Es war Cole.
Ich fuhr herum.
Er hatte Arthur zu Boden gestoßen, war aufgesprungen um Morgana beizustehen, ihr irgendwie aus ihrer auswegslosen Situation zu helfen.
Er machte einen Schritt in ihre Richtung, unachtsam gegenüber seiner Umgebung.
Arthur bäumte sich schreiend auf, seine Finger schlossen sich um Coles Fuß und brachten ihn in einer einzigen Bewegung zu Fall.
Cole ging mit einem erschrockenen Aufschrei zu Boden, dass Schwert entglitt seinen Fingern als er unter Arthurs schwerem Körper begraben wurde.
Die beiden rollten über den Boden, verkeilt ineinander, schlugen immer wieder auf den anderen ein.
Arthur stöhnte als Cole ihm seinen Ellenbogen in die verletzten Rippen rammte. 
Er wich zurück, die Hand an die malträtierte Brust gedrückt.
Ihm wurde schwarz vor Augen, benommen lag er da, schnappte zitternd nach Luft.
Cole fuhr herum, griff nach seinem Schwert was er beim Fall verloren hatte und wandte sich Arthur zu.
Er holte aus, schneidend zerschnitt die Klinge die Luft.

Metall traf auf Metall als ich seinen Hieb abblockte,
Excalibur fing den Schlag des Schwertes ab.
Die Bewegung sandte mir Schauer durch den Arm, fasst hätte ich das Schwert losgelassen als mich die Wucht des Schlages erreichte.
Coles Antlitz verzerrte sich zu einer grotesken Maske der Wut als ich mich zwischen ihn und Arthur warf, ich sah mein eigenes Spiegelbild in seinen schwarzen Augen die gar keine Ähnlichkeit mit Skyes aufwiesen.
Ich erstarrte.
Im Hintergrund hörte ich Morgana aufkeuchen, hörte ein dumpfes Geräusch, würgte als ich knackende Knochen vernahm, ein seltsames Rutschen, wie als würde etwas schweres die Wände hinabgleiten und ein bestialisches, unglaublich wütendes Fauchen ertönte.
Ich war abgelenkt.
Für den Bruchteil einer Sekunde war ich abgelenkt.
Cole nicht.
Ich sah eine schnelle Bewegung, sah etwas silbern aufblitzen, wusste das das mein Ende war, realisierte in Gedanken das ich Excalibur niemals schnell genug würde hochreißen können, dass ich verloren war,  
dann wurde ich mit aller kraft beiseite gestoßen.
Ich flog durch die Luft, fühlte mich einen Moment lang vollkommen sicher und frei,
überrascht über die plötzliche Wendung des Schicksals,
dann prallte ich hart auf dem Boden auf.
Der Sturz ließ mich Sternchen sehen, presste mir die Luft aus den Lungen, setzte meinen Rücken in Brand als ich über die Steinfliesen schlitterte.
Keuchend krümmte ich mich zusammen, kämpfte um meine Orientierung.
Ich hob den Kopf. 
Wenige Zentimeter vor meinem Gesicht sah ich eine große graue Fläche.
Ich blinzelte verwirrt.
Es war eine Wand.
Ich lag am anderen Ende des Saals. 
Stöhnend stützte ich mich auf die Ellenbogen, würgte als der Schmerz in meinem Kopf explodierte und drehte mich um.
Ich musste mehrmals blinzeln, bis das Schauspiel vor meinen Augen Gestalt annahm.
Wie eine Furie stand Skye vor Cole, die Flügel zu ihrer ganzen Pracht und Größe hinter ihrem Rücken ausgebreitet, das Gesicht vor unterdrückter Wut verzogen,  als sie ihn mit ausgestreckten Krallen anfauchte. 
Hinter ihr lag Arthur auf dem Boden, die Hand schwach auf die blutenden Wunden in seinem Brustkorb gepresst, die Lippen blutleer und die Augen halb geschlossen.
Er kämpfte gegen die Ohnmacht an, versuchte um jeden Preis wach zu bleiben.
Cole hielt das Schwert in Skyes Richtung, seine Schultern verrieten seine Anspannung,
seine Lippe bebte vor Wut, als er seine Schwester ansah.
Doch trotz allem griff Skye ihren Halbbruder nicht an.

Sie stand zwischen ihm und Arthur, doch sie machte keine Anstalten sich auf ihn zu stürzen, beobachte nur jede seiner Bewegungen mit Argusaugen, jederzeit das Leben des Prinzen mit ihrem eigenen zu verteidigen.
Etwas rot schimmerndes lenkte mich ab.
Ich drehte den Kopf.
Wenige Meter neben mir stand der Thron, daneben lag Uther, immer noch bewusstlos wie ich jetzt erkannte, denn seine Brust hob und senkte sich schwach und er hatte eine übel aussehende Platzwunde auf der Stirn.
Hinter ihm lag Morgana seltsam verdreht an der Wand zusammengesackt, die Augen geschlossen, ein schmales Blutrinnsal rann ihr Gesicht hinab, sammelte sich an ihrem Kinn und tropfte in ihren Ausschnitt.
Doch auch sie atmete noch.
Morgana Pendragon war noch nicht tot, sie hing am Leben wie eine Zecke, klammerte sich mit aller Macht daran fest.
Doch etwas anderes hatte mich abgelenkt.
Es waren nicht Vater und verstoßene Tochter gewesen die meinen Blick auf sich gezogen hatten, sie waren nur der Nebeneffekt.
Vor Uther lag das Zauberamulett, fing die letzten Strahlen des Sonnenuntergangshimmels ein, spiegelte sie in gleißend rotem Licht.
Es sah aus wie ein pulsierendes Herz,
man spürte wie viel Kummer dieses eine kleine Schmuckstück verursacht hatte, wie viel Leid auf diesem winzigen Stein ruhte.
Wacklig stand ich auf, ganz konzentriert auf die Aufgabe die vor mir lag.
Suchend blickte ich mich um, bis ich fand was ich suchte.
Excalibur lag neben mir an der Wand, die uralte Klinge wies nicht den kleinsten Kratzer oder die winzigste Schramme auf, sie sah tadellos aus.
Meine Finger schlossen sich um das Heft, hoben das Schwert hoch, ich fühlte die Schwere in meinem Arm, die Last die jetzt auf mir lag.
Ich ging meinen Weg, vollendete mein Schicksal ohne es zu wissen, war unwissend für diesen einen kleinen Moment.
Schneidend fuhr die Klinge durch die Luft, funkelte in den Strahlen des einfallenden Lichts, prallte funkensprühend auf dem Zauberstein auf, spaltete ihn in einem seltsam hohen Klingen grob in zwei Teile.

Skye heulte auf, ich hörte wie die letzten Fesseln von ihr abfielen, wie sie sich endgültig aus Morganas Umklammerung befreite, sich genüsslich streckte und sich dann zu ihrer vollen Größe aufrichtete.
Ich drehte mich um.
Sie stand noch immer zwischen Arthur und Cole, doch ihre rasende Wut war verebbt.
Ihre Flügel schrumpften, wurden kleiner und schmaler, ihr Gesicht verzog sich, nahm wieder menschliche Züge an, ihre Krallen gingen zurück, aber verschwanden nicht ganz.
Ihr Körper war immer noch von Schuppen bedeckt, wenn auch nicht mehr so hell, nicht mehr so vollkommen.
Skyes Augen waren wieder die eines Menschen.
Wissend sah sie Cole an, die Liebe und verzweifelte Hoffnung sprach Bände, sie streckte die Hand nach ihrem Halbbruder aus, dem letzten Familienangehörigen den sie noch hatte, der ihr nach all der Zeit, nach all den Narben noch geblieben war.
"Cole, mein Bruder", sagte sie bittend, die Stimme vor Ehrlichkeit und Bedauern laut angeschwollen, "Es ist vorbei, du bist frei. Morganas Zauber ist gebrochen. Es wird alles wieder gut." 

Ich hörte die Hoffnung in ihren Worten, ihre Aufrichtigkeit als sie zu ihm sprach.
Ich hörte auf zu atmen, hoffte, bangte für Skye,
dass sich nun alles zum guten für sie wenden würde, dass sie nach schwärzester Nacht endlich wieder das Licht des neuen Morgens willkommen heißen könnte,
endlich mit der Hilfe ihres letzten Verwandten die düsteren Tage vergessen könnte, wieder Spaß und Gefallen am Leben finden würde.
Cole sah sie an, musterte sie aus zusammengekniffenen Augen als würde er sie zum ersten Mal wirklich wahrnehmen, sein Gesicht verriet nichts.
Einen Moment war es ganz still.
Ausdruckslos blickte er seine halbmenschliche Schwester an, eine Veränderung schien in ihm vorzugehen, er schien ernsthaft nachzudenken,
die Entscheidung genau abzuwiegen.
Er zitterte als er beherzt ein Stück auf seine Schwester zutrat, seine Züge entglitten ihm,
Skyes Augen leuchteten auf, sie hob die Hand noch ein Stückchen höher, Cole sah auf die ihm hingereichte Hand.

Doch dann trat er einen Schritt zurück, seine Lippen verzogen sich zu einem hässlichen, boshaft wissenden Lächeln das aus den finstersten Abgründen der Hölle zu kommen schien .
Erschrocken wich Skye zurück, ihr Gesicht verzerrte sich ungläubig,
sie senkte die ausgestreckte Hand als ihr ihr gewaltiger Fehler bewusst wurde, als das Puzzle endlich zusammen gefügt wurde, das letzte Teil endlich auf seinen rechtmäßigen Platz gelegt wurde. 
Die allerletzte Maske fiel zu Boden,
wo sie Risse bekam und schließlich zerbrach,
nach so langer Zeit war die letzte Maske gefallen.

Verächtlich sah Cole sie an, dann spuckte er Skye vor die Füße.
Ein lautes, höhnisches Lachen brach aus ihm heraus.
"Du wirst es nie verstehen, oder Schwesterherz?"

Skyes POV:

Fassungslos sah ich Cole an,

starrte den Bruder an, den ich mein ganzes Leben zu kennen geglaubt hatte, der Bruder der mich einst auf Schultern durch Blumenfelder getragen hatte,
dem ich meine größten Geheimnisse hinter vorgehaltener Hand zugeraunt hatte, den Bruder dem ich vertraut hatte, der mir gezeigt hatte warum es sich zu kämpfen lohnte,
den Bruder den ich nach allem nicht hatte aufgeben wollen,
den ich versucht hatte zu retten, für den ich bereit gewesen war alles aufzugeben, dem ich trotz allem zu vergeben bereit gewesen war, den einzigen Verwandten den ich noch besaß.

Cole, der Bruder, der mich verraten hatte.

"Was denn Skye?", fragte er gehässig, seine schwarzen Augen zeigten keine Gefühlsregung als er meinen Namen aussprach, in seiner Stimme fehlte jede Wärme.
"Du bist so blass. Was ist denn los?"
Er grinste, verzog die Lippen in einer ekelerregenden Bewegung. 
Bestürzt blickte ich ihn an, öffnete erschüttert die bebenden Lippen, brachte keinen Ton mehr heraus.

Ich spürte wie die Tränen des Entsetzens in mir aufstiegen, wie meine Augen feucht wurden,
wie ich hilflos in einer riesigen Halle stand und zusehen musste, wie man mir den Dolch ins Herz bohrte.
Mein eigener Bruder, der Mensch mit dem ich groß geworden war, der mich über zwanzig Winter durchs Leben begleitet hat, der mich zum Lachen und Kichern gebracht hatte, stand nun hier vor mir.
Er war der Verräter, die größte Schande meines Blutes.
Und das Schlimmste, das was am meisten weh tat, was den Schmerz unerträglich quälend machte, was meine Seele folterte,
mein ohnehin schon gebrochenes Wesen endgültig in die Knie zwang, war, dass ich keine Ahnung hatte warum. 

Warum verrät man seine Familie, warum hintergeht man seine Geschwister, die Menschen die dasselbe Blut teilen,
die sich um einen gekümmert hatten wenn man krank im Bett lag, die Personen die der Rettungsanker im Leben gewesen waren, denen man bedingungslos hatte vertrauen können, die immer für einen dagewesen waren, auf die man immer hatte zählen können.
Warum war Blut nicht dicker als Wasser?
Warum nicht?
Warum war das alles passiert?
Was hatte zwei einander liebende Menschen so entzweit, was hatte sie so auseinander reißen können?
Warum tun Menschen sich das gegenseitig an?
Warum müssen wir immer alles kaputt machen?
Wieso?
Warum musste es soweit kommen?
Ich hörte Schritte, drehte mich nicht um, konnte mich nicht rühren,
sah nur noch meinen Bruder, oder denjenigen von dem ich dachte er wäre mein Bruder.

Ich blickte in die Augen einer fremden Person, die das Gesicht meines einst von ganzem Herzen geliebten Verwandten trug.
Ich spürte wie jemand neben mich trat, wie Merlin kam um mir beizustehen, wie er an meiner Seite sein wollte, so wie er es mir versprochen hatte.
In guten wie in schlechten Tagen. 
Obwohl die schlechten wohl gerade überwiegten.
Sein Gesicht war zornentbrannt,
seine Züge weiß vor Wut, seine leeren Hände ballten sich immer wieder zu Fäusten, als wollte er sich hier und jetzt auf Cole stürzen.
Excalibur hatte er liegen gelassen.

An der Stelle wo die Leiche allen Übels lag, die traurigen Überreste eines einst so machtvollen Amuletts, direkt neben dem unbarmherzigsten König und der von Hass zerfressenen Tochter.
Ich sah Cole an.
Er lächelte.
Er lächelte über meine Qualen, über den Schmerz der meine Seele zerriss, der mich fast in den Wahnsinn trieb, der wie glühende Eisen unter meiner Haut brannte, meine Gedanken bestimmte und sie versenkte.
"Warum?", flüsterte ich tonlos, das eine Wort kaum mehr als ein sterbendes Schnappen nach Luft, der letzte Atemzug einer zum Tode verdammten.
Zynisch feixte er.

"Warum? Warum Schwesterherz?", das letzte Wort spie er aus,
spukte es so verächtlich aus wie als hätte er einen bitteren Geschmack im Mund den man um jeden Preis nur noch loswerden wollte.
"Du hast ja absolut keine Ahnung. Gott bist du dumm."
Jedes Wort war wie ein Faustschlag in die Magengrube, ließ mich würgen.
Ich wollte sterben, wollte diesem Leben ein für alle Mal nur noch entkommen.
Es war die reinste Hölle auf Erden.
Wie kann ein Mensch nur solche Schmerzen ertragen?
Was hatte ich falsch gemacht um das hier zu verdienen?

Ich hatte das Gefühl zu ertrinken, ich sank in einem Meer aus Eis immer tiefer, sah wie die Oberfläche in immer weitere Entfernung rückte, unerreichbar für mich,
langsam in der aufkeimenden Dunkelheit verschwand.
Ich sah wie meine letzte Hoffnung starb,
fühlte wie mir die Flügel ausgerissen wurden, wie ich nackt und hilflos zu Boden gepresst wurde unter dem schieren Gewicht den Schicksal langsam und qualvoll starb.
"Wie konntest du ihr das nur antun?", schrie Merlin ihm bebend ins Gesicht. Ich hatte ihn noch nie so unbeherrscht erlebt, hatte noch nie gesehen wie einem Menschen die Beherrschung so entgleiten konnte.
Er trat einen Schritt vor, doch ich packte ihn reflexartig am Handgelenk, hielt ihn im letzten Moment davon ab meinen Bruder zusammen zu schlagen. 

"Was habe ich dir nur getan um das zu verdienen?", fragte ich bitter.
Die Worte brannten in meiner Kehle, verätzten meinen Körper, vergifteten meine Zellen, ließen mich langsam und dornenreich leiden.
Cole trat einen Schritt auf mich zu. 
Er war fast zwei Köpfe größer als ich, sah aus schmalen und und gefühlskalten auf mich nieder, musterte mich abschätzend von oben herab.
Seine ausgeprägten Gesichtszüge verrieten nicht die geringste Regung, er war so unnahbar wie kalter Stein, seine schwarzen Augen schimmerten wie die Schlunde zur Hölle,
die Pforten zu meinen dunkelsten Alpträumen. 
"Nein, du stellst die Frage ganz falsch liebes kleines Schwesterlein", er schmunzelte über seine eigenen Worte. 
"Die Frage ist doch vielmehr, was hast du nicht getan?"

Verständnislos beobachtete ich ihn, beobachtete das Monster das aus meinem Bruder geworden war.
Ich begriff nicht, es machte alles keinen Sinn für mich.
Was hatte ich denn getan?
Wovon sprach er hier die ganze Zeit?
"Ich weiß nicht was du meinst", wisperte ich heiser, die Tränen brannten hinter meinen Lidern, doch ich wollte mir diese Schwäche nicht geben.
Ich wollte ihm diesen Anblick nicht bieten, wollte nicht das er sich noch mehr an meinem Schmerz ergötzte als er es ohnehin schon tat, ich wollte nicht das er mich bluten sah.

"Oh du weißt nicht was ich meine. Hmmm, dann werde ich dir wohl ein bisschen auf die Sprünge helfen müssen oder nicht?", vorfreudig trat er zurück, streckte die Arme weit von sich, ganz so als würde er ein gespannt wartendes Publikum begrüßen.
Und dann begann er zu erzählen.
"Weißt du alles begann damit das meine Mutter mich verraten hat."

Ich riss die Augen auf, die Luft entwich pfeifend meiner Lunge als ich ihn perplex anstarrte.
Ich brauchte mehrere Momente um mich zu fangen, die zwischen uns stehende Stille zu durchbrechen.
"Was hat unsere Mutter damit zu tun?", sagte ich leise, mehr zu mir selbst als zu Cole.
Ich wollte endlich die Wahrheit wissen,
ich  wollte endlich Licht in dieses grenzenlose, verstrickte Netz der Lügen bringen das man um mich herum gewebt hatte, das mich langsam erdrosselte.
"Unsere Mutter, eigentlich nur meine Mutter hat mich verraten.
Sie hat meinen Vater verraten. Er würde sich im Grab umdrehen wenn er von ihrem Betrug wüsste", säuselte er fast liebevoll, ganz so als würde er zu einem kleinen, etwas schwer von Begriff seienden Kind reden.
"Was hat sie denn so schlimmes getan?", schrie ich am ganzen Körper zitternd. 
Merlin legte mir die Hand auf die Schulter, war meine einzige Stütze in diesem Moment.
In dem Moment wo der Himmel auf die Erde niederkrachte,
wo alles an was ich bis jetzt geglaubt hatte sich als Lüge herausstellte.

"Sie hat wieder geheiratet.
Sie hat ein Monster geehelicht, hat sich mit dem Teufel eingelassen und zwei Wechselbälger in die Welt gesetzt.
Sie hat sich über jede Art von Grenzen hinweg gesetzt, hat immer nur an sich gedacht.
Sie war so egoistisch, hat sich nicht einen Hehl aus dem gemacht, was aus ihrem einzig wahren Sohn wird.
Sie hatte nur ihren eigenen Vorteil im Sinn!", fauchte er mir die letzten Worte entgegen. 
Seine kühle Beherrschung war komplett verschwunden, er konnte sein aufbrausendes Temperament nicht mehr zügeln. 
"Was hat Richard dir nur angetan?", kreischte ich,
"Er ist mein Vater. Er war dir ein guter Vater! Wie kannst du es nur wagen so über ihn zu sprechen?!"
Mein Halbbruder musterte mich unverholen bösartig.
"Wie ich es wagen kann so von ihm zu sprechen?
Dem ach so großen Richard, der immer wollte das ich ihn Vater nannte, dem angeblichen Engel auf Erden? Der Mann der wollte dass ich zu ihm aufschaute?
Du weißt nicht was ich weiß, du unwissendes, kleines Mädchen!", donnerte er.
"Dann sag es mir doch!", schrie ich wutentbrannt.
Ich hatte genug. 
Jetzt hatte ich endgültig genug.
"Sag mir endlich was du weißt du dreckiges Stück Abschaum!"
"Wie du willst.", er bleckte angriffslustig die Zähne, spannte die Schultern wie ein Raubtier was sich zum finalen Sprung bereit machte an. 
"Er hat mich geschlagen, er hat mich ausgepeitscht, er hat mich gefoltert!", seine Stimme zitterte vor rotem Zorn. 

Ich wurde aschfahl, riss die Augen weit auf.
Nein. Das konnte nicht sein. 
"Was guckst du so ungläubig? Du kanntest wohl deinen großen Vater nicht einmal halb so gut wie du dachtest.", er feixte über die Bitterkeit in seinen Worten. 
Ich schüttelte unfähig de Kopf, meine Gedanken waren wie leer gefegt. 
"Das ist nicht wahr...", murmelte ich hilflos. 
Cole lachte entzückt auf. Es war das Lachen eines Wahnsinnigen. 
"Das möchtest du wohl gerne glauben nicht wahr.
Tja, die Wahrheit sieht folgendermaßen aus.
Dein Vater war ein Monster, er war eine Bestie, ein Ungetüm das mich als Nichtsnutz abstempelte, dass mich zusammenschlug wann immer es die Gelegenheit sah.
Er hat mich gehasst, er hat in mir den einzigen Widersacher gesehen der ihm seinen Besitz noch streitig machen konnte.
Ich war laut seiner Meinung das schwarze Schaf in der Familie, der Sohn den er niemals haben wollte, derjenige den er kurzerhand um die Ecke gebracht hätte,
wenn er die Möglichkeit gehabt hätte.
Doch ich habe mich nicht schlagen lassen, ich habe mich nicht brechen lassen. Ich habe nie jemandem meine Wunden gezeigt, habe all die Jahre still für mich hingelebt, habe nie geschrien. Ich habe die dunkelsten Geheimnisse in meiner Seele gehütet, habe immer auf den geeigneten Moment gewartet um zurückzuschlagen, meine mir auferzwungene Maske endlich abzulegen. Und dann kam er."
Geistesgestört freute er sich, sein Lachen hallte von den hohen Wänden wider, grub sich tief in mein Trommelfell. 
Ich wollte das nicht glauben, wollte es alles für Schwachsinn erklären, die Lügen aus meinem Kopf verbannen.
Doch es ging nicht. 
Ich konnte es einfach nicht. 
Denn tief in meinem inneren wusste ich das er die Wahrheit sagte, das sich das letzte Puzzleteil endlich an seinem rechtmäßigen Platz befand. 
Nach all den Lügen war da das Licht welches alles erhellte, alles Übel der Vergangenheit offenbarte. 
Hätte Merlin mich doch bloß getötet. 
Hätte er mir doch nur diese schwere Last des Wissens von meinen schwachen Schultern genommen. 

Nun war es zu spät. 
Nun trug ich sie, nun würde ich sie bis ans Ende aller Tage auf dem vernarbten Herzen tragen. 

Und dann kam dieser eine Moment wo ich verstand, wo Coles Worte zu mir durchdrangen, einen tieferen Sinn ergaben, ihre vollständige Bedeutung offenbarten.
"Du hast sie getötet nicht wahr?", fragte ich leise.
Ich wusste das ich richtig lag, lange bevor ich sein teuflisches Grinsen sah. 
Ich schloss die Augen.
So war das also. Es war kein Zufall gewesen.
Diese ganze Geschichte war nicht der Langeweile des Schicksals zu verschulde, nicht einer Laune der Natur. 
Es war mein Bruder gewesen. 
Mein eigener Bruder, den ich nie als meinen Halbbruder angesehen hatte, der für mich immer eine Bezugsperson in meinem Leben gewesen war, hatte mich verraten. 
Und nicht nur mich. 
Er hatte meine Eltern umgebracht, hatte Isley ermordet, hatte mich zu meinem Leiden verdammt. 
Er war daran schuld, dass ich Merlin begegnet war.

"Warum Cole, warum nur?", weinte ich tonlos. 
Nun strömten die Tränen meine Wangen hinunter, unaufhaltsam wie Sturzbäche brachen sie aus mir heraus. 

"Warum?", er lachte.
Dauernd lachte er.
Wie weit war es doch nur mit ihm gekommen. 
"Warum? Weil ihr mich alle verraten habt.
Ihr habt mich alle im Stich gelassen. Mein Vater ist tot,
meine Mutter hat sich nicht mehr um mich gekümmert, war so verliebt in dieses Monster das sie blind gegenüber seinen Taten war.
Sie wollte nicht sehen das er mich schlug. Sie wollte es einfach nicht wahrhaben. Sie hat mich hintergangen, hat mich verwaist am Boden zurück gelassen.
Sie war eine verfluchte Rabenmutter.
Sie hatte nichts anderes als den Tod verdient."
Ich schluckte. Ich würde jeden Moment zusammenbrechen. Ich konnte es nicht mehr länger ertragen.
Unaufhaltsam fuhr er fort. 

"Ja und dann lernte ich Morgana kennen.", er grinste schabertanisch auf.
Ich starrte ihn nur noch ausdruckslos an. 
"Sie hat mich verstanden. Bei ihr konnte ich der sein der ich in Wirklichkeit bin,
brauchte mich nicht mehr verstecken.
Wir trafen uns immer öfter.
Sie zeigte mir meine Gaben auf.
Ich habe Zauberkräfte Skye. Du auch.
Isley hatte auch welche.
Unsere Eltern haben uns ein Leben lang belogen, haben die Wahrheit vor uns geheim gehalten. Morgana hat mir gezeigt zu was ich fähig bin.
Sie wurde auch verraten musst du wissen. Wir haben uns gefunden.
Zwei gequälte Seelen mit Herzen vom gleichem Schlag. Ich begann mich mächtig zu fühlen, begann zu verstehen.
Ich verstand warum Richard mich nie hatte brechen können. Es war mir bestimmt seinen Untergang herbei zu führen, ihn für seine Taten büßen zu lassen. Und alle die da mit drin hingen.
Morgana und ich schmiedeten einen Plan.
Sie willigte ein mir zu helfen, wenn ich ihr im Gegenzug einen Gefallen tat.
Sie wollte mich auf ihrer Seite.
Morgana hatte einen Seelenverwandten in mir gefunden und ich ebenfalls einen in ihr.
Sie bot mir eine Chance an, sie bot mir Macht und ich griff zu.
Am darauffolgenden Tag überfielen ihre als Banditen verkleideten Söldner unser Haus und töteten die Verräter.
Dass du entkommst war aber eigentlich nicht geplant gewesen.
Sie sollten dich eigentlich töten.
Das sie ihren eigenen kleinen Spaß mit dir treiben wollten, kann ich ja noch verstehen, hässlich warst du immerhin nie.
Doch du hast trotz allem Widerwillen überlebt und hier stehen wir nun. Nimmt das Schicksal nicht manchmal seltsame Wendungen?"
Ich spürte wie sich Merlin neben mir immer weiter verkrampfte, wie sein Kiefer zu mahlen anfing, wie er sich nicht sehnlicher wünschte als dieser verlogenen Ratte die Kehle durchzuschneiden. 
Doch ich hielt ihn zurück. 
Cole hatte meine Eltern auf dem Gewissen.
Er hatte meine Schwester getötet und mich zu einem Leben im Unglück verdammt. 
Nur mir allein oblag das Recht ihn zu töten.

"Und warum musste Isley sterben Cole? Was hat deine kleine Schwester dir getan?", wollte ich zitternd wissen. 
Ich schäumte nun vor Wut.
Sie brach in riesigen Wellen über mich herein. Ich konnte an nichts anderes mehr denken als an Rache. 
Ehrlich bedauernd neigte er den Kopf. 
"Isley hat die falsche Entscheidung getroffen.
Sie war eigentlich noch so jung. Sie konnte nichts für mein Leiden. Was hätte sie auch schon tun sollen?
Deswegen habe ich sie gerettet, deswegen habe ich ihr Leben verschont. Sie war komplett unschuldig.
Doch leider ist auch sie mir in den Rücken gefallen. Sie hat vergessen wo ihre Treue lag. Sie war nicht geschaffen für dieses Leben.
Sie hat sich entschieden. Für dich. Ich hatte keine andere Wahl als sie zu töten. Immerhin war sie doch ein Verräter. Und jeder weiß was mit Verrätern passiert."
Zitternd entwich der Atem meinen Lippen, erwärmte sich in der eisigen Luft. 
Ich kochte vor Wut. 
Unbeirrt fuhr er fort. 
"Weißt du Skye, vielleicht hätte ich dich auch gerettet, dir das alles erspart.

Aber du schlägst nunmal viel zu sehr nach deinem Vater. Ihr habt dasselbe kranke Temperament. Und meine Mutter.
 Ach meine ach so tolle Mutter. Sie hat dich immer am meisten von uns dreien geliebt. Du warst doch ihr Goldschatz, ihr kleines Stück Himmel, ihr ein und alles.
Wir anderen waren doch nur Ballast für sie. Nun war unsere Zeit gekommen. Und außerdem liebes Schwesterherz,", er neigte wie in Zeitlupe den Kopf, seine kalten Augen funkelten gefährlich,
"bist du ein Monster."

Und jetzt war es mir zu viel. 
Alle Stricke rissen, alle Seile wurden mit einem Mal gekappt, ich verlor die Kontrolle. 
"Du nennst mich Monster?! Was bist du?! Ein kranker Psychopath?", schrie ich. 
All meine Wut, all meinen Zorn ließ ich in diese Worte fließen,
all meine Trauer um die Gestorbenen, all meine Lust auf grausame Rache. 
Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode.
Er tat mir leid.
Er tat mir so leid. 

Ich spuckte ihm ins Gesicht, vollkommen entflammt in meinem unbebändigtem Fanatismus. 
Doch ich hatte meine Wut wohl gehörig unterschätzt.
Der Funke verließ meine brodelnden Lippen, bahnte sich verhängnisvoll seinen Weg durch die Luft, traf auf Coles braune Haare und der Funke wurde zur Flamme, die Glut zum Inferno. 
Er schlug um sich als er Feuer fing,
er kreischte wie von allen Sinnen als er lichterloh zu brennen anfing, als Cole, mein für mich gestorbener Halbbruder zur menschlichen Fackel wurde. 
Unbeteiligt stand ich da,
sah das Schauspiel vor meinen eigenen Augen, hörte seine hilflosen Schreie als er verzweifelt um sich schlug, während ihm das Fleisch von den Knochen schmolz, sein Blut zu kochen anfing, die Flammen gierig Haut und Haare verzehrten. 

Merlin sah mich erschrocken von der Seite her an, doch mein Blick ruhte starr auf meinem Bruder, der nun seine gerechte Strafe bekam, seine Verurteilung für alles was er getan hatte. 
Er rannte, er versuchte dem Feuersturm zu entfliehen, sich zu retten. 
Doch mir war noch nie jemand entkommen. 
Er erreichte die andere Seite des Saales, eine Fackel in der Dämmerung, ein Lichtbote im dunklen Grau. 
Kurz vor dem Portal schrie er ein letztes Mal so schmerzerfüllt auf, dass sich der letzte Schrei dieses elenden Verräters tief in mein Gedächtnis grub, bevor er in die Knie ging und zusammenbrach. 
Dann rührte er sich nicht mehr. 
Stille senkte sich über den Thronsaal, nur der Geruch nach verbranntem Fleisch stand noch in der Luft. 
Ich blickte immer noch auf die verkohlte Leiche meines Halbbruders. 

Ein lautes Aufkeuchen ließ mich herum fahren. 
Denn es war nicht Merlin dem dieses Geräusch entschlüpft war, es war Arthur gewesen. 
"Vater was hast du getan?", flüsterte er bestürzt. 
Er war anscheinend wieder bei Bewusstsein, bei vollem Bewusstsein. 
Arthur Pendragon hatte das fundamenteerschütternde Geständnis meines Bruders nur halb mitgekriegt, dafür stand nun ausausgesprochener Schrecken und Unglaube auf seinem jungen, blassen Gesicht geschrieben. 
Ich blickte mich um. 
Und dann sah ich warum. 
Denn auch der König von Camelot, der mich seinerzeit zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt hatte, war wieder wach. 

Uther Pendragon stand, das Gesicht eisern verzogen, die Hand um ein blutbesudeltes Schwert geklammert über einem schwarzen Bündel. 
Excalibur. 
Erst Sekunden später begriff ich auf was er da eigentlich niedersah. 
Besser gesagt auf wen. 
Denn es war Morgana die zusammengesunken und verkrümmt vor ihm lag. 
Ihre aufgeschlitzte Kehle sah aus wie ein groteskes hellrotes Lächeln, der letzte Gruß einer gefürchteten Hexe. 

Das Blut floss langsam aus der tödlichen Wunde, breitete sich in einer riesigen Lache um ihren Kopf herum aus. 
Unbeweglich stand Uther über ihr,
sah der Sieger auf den Verlierer hinab, sah auf das Mädchen hinab das er aufgezogen hatte und das ihn so hintergangen hatte, das Mädchen das seine Tochter war, die verleugnete leibliche Tochter, deren schmale Brust sich nun nicht mehr hob und senkte. 
Ich dachte immer das Morgana Pendragon mit viel Gezeter und Öffentlichkeit aus dieser Welt scheiden würde, doch dem war nicht so. 
Sie ging wie man es von ihrer Art nicht anders erwarten konnte, spurenlos. 
Ihr Hass hatte ihr den Tod gebracht,
hatte sie schließlich selbst ins Grab gestoßen. 
Sie würde keinen bleibenden Eindruck in der Welt hinterlassen, in wenigen Jahren würde sich niemand mehr an das verbitterte, vom Weg abgekommene Mädchen erinnern können. 
Sie würde in der Geschichte untergehen und von dort würde sie nie wieder an die Oberfläche kommen. 
Sie hatte mit dem Feuer gespielt und sich verbrannt. 
Ihr Stolz hatte sie zu Fall gebracht.
Ein Hass wie ihrer konnte nie triumphieren. 

Und da wurde mir bewusst was ich eigentlich getan hatte, was ich gerade getan hatte.
Ich war kein Stück besser als sie.
Sollte nicht die Liebe die uns verbindet stärker sein als die Macht die wir besitzen?
Mir wurde klar wie weit es gekommen war, was alles geschehen war, wie sehr ich selbst mich doch verloren hatte. 

Uther wandte sich um, schien mich zum ersten Mal zu bemerken. 
Sein Gesicht verfinsterte sich als er mich grimmig betrachtete. 
Die Augen des Königs blitzten herzlos auf als er mich ansah. 
Er hob das vor Blut glänzende Schwert und trat auf mich zu, überwand die Distanz zwischen uns in eilenden Schritten. 
Ich sah wie Merlin den Mund aufriss, ihn anschreien wollte, ihn anflehen wollte mich zu verschonen. 
Doch da war auf einmal Arthur. 
Er stieß seinem Diener hart den Ellenbogen in die Rippen, schubste ihn zu Boden wo er keuchend und sich krümmend liegen blieb. 
Arthur würde Merlin immer beschützen. 
Komme was wolle. 
Der Prinz fuhr herum, sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.
Es sollte das letzte Bild sein an das ich mich im Zusammenhang mit ihm erinnern würde. 
"Verschwinde von hier Skye!", schrie er panisch. 
"Flieh!"

Und in diesem Moment löste sich meine Schockstarre, ich konnte mich wieder frei bewegen, meine Muskeln gehorchten wieder allein mir. 
Meine Flügel spannten sich hinter meinem Rücken, ich stieß mich vom Boden ab, erhob mich in die Lüfte, stieg zur Decke empor und sah mich ein letztes Mal um. 
Ich blickte in Arthurs würdevolles Gesicht, seine erschrocken aufgerissenen Augen in denen aber keine Schuldgefühle standen,
nur ein kleiner, kaum wahrnehmbarer Funken von Stolz. 
Ich sah Uther der mich unverhohlen hasserfüllt mit Blicken durchbohrte, kurz davor war das Schwert nach mir zu schleudern, es dann aber bleiben ließ und sich tobend an Arthur wandte und ihm seine ganze Wut ins Gesicht schrie.
Ich sah Merlins unendlich traurige Augen als er begriff,
als ihm klar wurde das ich gehen musste. 
Doch noch war es nicht Zeit für einen endgültigen Abschied. 
Ein letztes Mal legte ich all meine Liebe in einen winzigen Augenblick der in der Luft zwischen uns stand, dann drehte ich mich um und flog geradewegs auf das riesige Fenster vor mir zu.
Krachend zerbarst die Scheibe in tausende,
scharfe Scherben, wurde zertrümmert, kam meinem Seelenzustand sehr nahe. 
Klirrend fielen die Bruchstücke zu Boden. 
Dann war ich in der anbrechenden Nacht verschwunden.



Es war ein warmer Wintermorgen.
Es war wärmer als sonst. 
Das Licht kehrte langsam wieder zurück, die Tage wurden schleppend wieder länger, die ersten Frühblüher streckten ihre zarten Köpfe aus der Erde, schnupperten den Duft nach dem wiederkehrenden Leben. 
Die Welt machte sich für die Ankunft des neuen Jahres bereit. 
Mit allen Problemen und Sorgen die es bringen würde, mit allen Träume die wir träumen sollten, all unseren brennenden Hoffnungen und der uneingeschränkten Liebe die wir einander geben würden. 
Ich zitterte in der kühlen, stechend kalten Morgenluft. 
Die Sonnenstrahlen waren noch nicht über den Horizont gekrochen, der Tag war noch nicht offiziell angebrochen. 
Ich ging auf und ab, versuchte die Kälte aus meinen steifen Gliedern zu vertreiben, rieb meine Finger aneinander um ihnen wieder Leben einzuhauchen.
Ich stieg über langsam wieder zum Vorschein kommende Wurzeln, Lebensadern die auf einmal wieder aus dem Leichentuch hervortraten.
Ich sah mich um. 
Meine Wunde war gut verheilt, sie bereitete mir keine Probleme mehr.
Der Winter hatte sich zurückgezogen, nur vereinzelt sorgte noch etwas Schnee von seiner einst so frostigen Herrschaft die so viele hatte erzittern lassen. 
Die Tannen ragten dunkel gegen den dämmrigen Himmel empor. 
Die Lichtung hatte sich nicht verändert seitdem ich das letzte Mal hier gewesen war, sie hatte nur etwas von ihrem alten Glanz für mich verloren.
Es war der Ort wo ich mich einst zum ersten Mal richtig verwandelt hatte.
Wo er mit mir geübt hatte. 
Ich blickte mich um.
Ich war nervös und mir war kalt. 
Ich zitterte.
Würde er heute kommen?
Würde ich ihn heute sehen?
Seit Tagen kam ich jeden Morgen zu dieser Lichtung, wartete und wartete, doch nie kam jemand. 
Ich wartete vergeblich. 
In der Ferne sah ich das Schloss wieder unbesiegt auf dem Berg thronen, sah wie die Ritter und Arbeiter die jüngsten Risse in seiner makellosen Fassade auffüllten, wie die Narben der zeit verschwanden und nichts mehr von ihnen zeugte. 
Wenn es doch nur so einfach wäre. 
Sie hatten überlebt. 
Uther und Arthur erholten sich von ihren nicht allzu schlimmen Verletzungen, Gwen half fleißig dabei das Schloss aufzuräumen, die Toten zu bestatten, Gaius versorgte wieder die Verwundeten, kümmerte sich um seine Familie wie eh und je, Gwaine riss schon wieder die alten Witze, versuchte die Ernsthaftigkeit und Anspannung aus den Herzen der Menschen zu vertreiben indem er sie zum Lachen brachte. 
Kurz um, es war fast wieder alles normal in Camelot.
Aber auch nur fast. 
Das Leben ging weiter, doch einer fehlte. 
Merlin.
Seit Tagen hatte ich keine Spur von ihm entdeckt, hatte gewartet und gewartet, doch er war nicht erschienen. 
Ich saß also schließlich wie jeden Morgen an meinem üblichen Platz und wartete. 

Und diesmal sollte er kommen. 

Ich saß gedankenverloren und immer noch zitternd im Wald, hatte den Blick zu den Baumwipfeln gehoben, den kahlen Ästen die sich dem Himmel entgegen streckten und fieberte den ersten Sonnenstrahlen entgegen.
Da hörte ich ein Knacken hinter mir.
Ich blieb ganz ruhig sitzen, verhaarte an meinem Platz.
Schritte bahnten sich ihren Weg durch das Unterholz, hielten direkt auf mich zu.
Sie verstummten, als die Person stehen blieb.
Ganz langsam und bedächtig drehte ich mich um. 
Da stand er, die Hände lässig hinter dem Rücken verschränkt, die strahlend blauen Augen auf mich gerichtet.
Der leise Anflug eines Lächelns umspielte seine Lippen als er mich sah.
Ich erhob mich, schritt auf ihn zu.
Er war so viel größer als ich, doch bei ihm fühlte ich mich geborgen.
Seine markanten Wangenknochen waren himmlische Schatten auf seine blasse Haut die im schönen Kontrast mit seinen kohlrabenschwarzen Haaren stand.
Er nahm mich in die Arme, vergrub das Gesicht an meiner Halsbeuge, hielt mich eine Weile lang stumm umklammert.
Entschieden löste ich mich, sah Merlin in die Augen.
"Ich werde fort gehen", sagte ich bestimmt.
Meine Stimme zitterte, doch ich konnte die Tränen zurückhalten.
Er nickte.
Seine Augen blickten mich wissend an.
"Das hatte ich befürchtet.", flüsterte er.
Ich sah zu Boden.
"Bist du deswegen nicht gekommen? Weil du es bereits wusstest?", fragte ich leise während ich meine Stiefelspitzen betrachtete.
"Nein", gab er ehrlich zu.
"Ich bin nicht gekommen weil es zu schmerzlich für mich war. Ich wusste von Anfang an das es nicht gut mit uns ausgehen konnte, das alles nur eine Frage der Zeit war."
Ich sah auf.
"Glaubst du das wirklich?"
Doch ich wusste das er Recht hatte.
Zuviel war passiert, wir trugen beide zuviel auf dem Herzen.

Ich liebte ihn. Ich liebte ihn mehr als das Leben selbst, mehr als jeden Menschen zuvor, doch es half alles nichts.
Merlin schwieg.
"Hör zu", setzte ich an.
Tagelang hatte ich über die folgenden Worte nachgedacht, hatte mir den Kopf über sie zerbrochen.

"Ich liebe dich. Aber ich kann mit mir selbst im Moment nicht klar kommen,
kann keine vernünftigen Entscheidungen mehr treffen. Es gibt viel was ich zu verarbeiten habe. Ich brauche einfach Zeit.
Ich brauche Abstand von allem was passiert ist. Uther lässt mich jagen, ich bin hier nicht mehr sicher. Dein Platz ist hier, an Arthurs Seite. Es würde nicht funktionieren.", sagte ich matt.
Merlin blickte auf, unsere Blicke trafen sich.
"Ich weiß das du Recht hast Skye, auch ich hatte Zeit über alles nach zu denken. Du hast deine Entscheidung doch schon getroffen, genau wie ich meine. Und doch tut es so weh. Es zerreißt mir das Herz dich gehen zu lassen."
"Alles was passiert ist, ist meine Schuld. Ich bin für den Tod hunderter Unschuldiger verantwortlich. Ich kann nicht so tun als wäre das alles nie passiert."
"Ich weiß. Aber Skye, es ist so unheimlich schwer eine klare Linie zwischen Opfern und Tätern zu ziehen. Lass dich nicht brechen. Bitte."

Ich sah auf, ich ertrug diesen ehrlichen, flehenden Blick nicht.
Nun kamen mir doch die Tränen.
Sein Ausdruck wurde weich, er hob die Hand und wischte sie mir von den Wangen.
Seine Finger verharrten warm an meiner Wange.
"Lerne dir zu vergeben Skye, komm mit dir selbst wieder ins Reine."
Ich schluchzte auf und Merlin nahm mich wieder in die Arme.

"Es wird alles gut Skye, es wird alles wieder gut.", hauchte er mir leise ins Ohr.
Ich befreite mich aus der Geste, musterte ihn traurig.
"Versprich mir gut auf Arthur Acht zu geben. Versprich mir, dass du auf ihn aufpasst, ihm hilfst ein größer König zu werden."
"Das tue ich."
Ich barg meinen Kopf schluchzend an seiner sich langsam hebenden und senkenden Brust.
 
"Werde ich dich je wiedersehen Skye?", fragte Merlin nach einem langen Moment.
Ich trat zurück, fuhr mir mit der Hand über die Augen.
"Ich weiß es nicht", gab ich aufrichtig zu.
Er nickte, er hatte es kommen sehen.
Es gab Dinge die konnte man nunmal nicht vorhersagen, sie geschahen einfach.
Vielleicht würde ich Vergebung finden, vielleicht war das hier kein Abschied für immer, vielleicht konnte ich eines Tages wirklich zurückkehren.
Doch ganz egal was passieren würde, ich würde nie mehr dieselbe Skye sein.
Bedauernd trat Merlin näher, schloss die klaffende Kluft zwischen uns, nahm mein Gesicht in seine warmen Hände.
Er sah mir fest in die Augen.
"Was auch immer geschehen mag, denk immer daran, ich liebe dich. Vergiss das nie."
"Und ich dich", wisperte ich heiser.
Ein leises Lächeln verzog seine Mundwinkel.
Unwillkürlich zuckten auch meine, das erste Lächeln seit Tagen das mir jemand aufs Gesicht zauberte.
"Das hebe ich mir für die Jahre auf", hauchte er mir sanft ein, bevor er unsere Lippen mit einem sanften Kuss verschloss.

Ich senkte die Lider, fühlte seine warmen Lippen auf meinen, spürte wie meine totgeglaubten Gefühle langsam wieder zum Leben erwachten,
wie der Frühling in mein Herz einzog, sich für das neue Jahr wappnete, den Anbeginn einer neuen Zeit.
Sanfte Schauer durchliefen mich als unsere Lippen gegeneinander arbeiteten, seltsam zart und doch so entschlossen auf eine gewisse Art und Weise, als würden sie spüren, dass ihnen nicht mehr viel Zeit in der Gesellschaft des anderen blieb.
Doch war konnte schon behaupten, er würde die Zukunft erahnen?
Kein junger Mensch, wie groß er auch sein mag, konnte sein Schicksal kennen.

Und das machte das Leben so vielfältig bunt, löschte schwarz und weiß aus, ersetzte die langweiligen Töne durch strahlende Farben.
Ich löste mich aus dem  Kuss, legte ihm ein letztes Mal die Hand an die Wange, nahm sein Lächeln in mir auf und speicherte es in meinem Herzen.

Er nickte mir zu. 
Es war Zeit. 
Ich drehte mich um und schloss die Augen. 
Sein Lächeln in meinen Gedanken sehend, setzte die Verwandlung sanft wie eine Feder ein.
Meine Flügel falteten sich auseinander, meine Gelenke dehnten sich, meine Knochen verschoben sich. 
Ich öffnete die Augen, die Augen eines Drakirs.
Ich wand den Kopf, sah Merlin an.
Er lächelte schief.
"Wir werden uns wiedersehen Skye."
Beklommen nickte ich.
Dann erhob ich mich rauschend in die Lüfte, ließ die Welt und die Vergangenheit weit unter mir zurück. 

Ich sah wie Merlin zu einem kleinen Punkt verblasste und schließlich ganz aus meinem Sichtfeld verschwand. 
Ich blickte nicht zurück, ich drehte nicht um, folgte keiner spontanen Wendung meines kaputten Herzens.
Ich flog weiter.
Die Welt um mich herum verschwamm als ich immer höher stieg, über den Wolken angelangte, die aufgehende Sonne ihre Strahlen auf mein Schuppenkleid warf und mich erleuchtete.
Und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich mich wirklich frei.

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19034 Wörter.
Es kommt noch ein Epilog


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