Des Drachen Herz
OK, keiner kann sagen er hätte dieses Kapitel gelesen ohne sich das nebenbei stehende Lied angehört zu haben. (Zack Hemsey- Facing Demons)
Eine gelungene Untermalung dessen was folgen wird. Als kleine Überraschung dachte ich, ich mal auch mal wie ich mir Skye vorstelle.
Viel Spaß.
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Ich hatte noch nie in meinem Leben solche schreckliche Angst gehabt. Es war eine völlig neue Erfahrung.
Dieses scheinbar hilflose Gefühl einfach daneben zu stehen, nichts tun zu können, es überwältigte mit unglaublicher Wucht.
Ohnmächtig hörte ich die Gedanken in meinem Kopf pochen, spürte den Druck meines nur so dahin rasenden Bluts durch meine Ohren strömen, spürte meine Beine nicht mehr, während sie nur so durch die Gänge flogen, Meter für Meter überwanden.
Mein Herz setzte mehrere Schläge aus, es verhaspelte sich in seinem stetigen Rhythmus, stolperte, fiel auf die Knie und richtete sich stöhnend und ächzend wieder auf um seinen verzweifelten Lauf weiterzuführen. Ich dachte an all die Toten, all die dahin gemetzelten Wachen, an die geschlachteten Kinder auf dem Innenhof, die niedergeschlagenen Frauen.
Und an Gwen. An alles was ihr wohl passiert sein musste.
Ich dachte an Gaius, daran wo er wohl gerade war und ob ich ihn je wiedersehen würde.
An all die Dinge die ich den beiden noch sagen wollte, sagen musste, die noch nicht gesagt wurden.
Als ich durch die Gänge rannte, kamen sie mir auf einmal so lang vor.
Ich lebte seit Jahren hier in Camelot, kannte inzwischen jede Biegung, jede Ecke und jeden Weg in und auswendig.
Ich konnte mich im Dunklen zurecht finden, konnte zu jeder Tageszeit und egal in welchem Zustand immer den richtigen Weg finden, so gut war mir die Festung vertraut.
Es waren nur wenige Meter bis zur Küche, keine weite Strecke, nicht einmal fünf mal abbiegen und drei Gänge. Doch es war der längste Lauf meines Lebens, jeden Schritt den ich tat, so kam es mir vor, ging in die andere Richtung. Ich hatte das Gefühl mich immer weiter von Gwen zu entfernen, statt ihr näher zu kommen. Arthur rannte atemlos und mit angstverzerrtem Gesicht vor mir, seine Beherrschung hatte er komplett verloren. So hatte ich ihn noch nie erlebt.
Er war völlig außer sich, war nicht mehr Herr über seinen Körper und seinen Verstand. Hatte er vornst noch versucht rational und strategisch zu denken, an all die Menschen die ihn außerdem noch begleiteten, so war er jetzt vollkommen von seinem eigenen Egoismus überwältigt wurden. Alles was ihn leitete war die Sorge um Guinevere, eine Dienerin, die ihm mehr als das Leben selbst bedeutete, mehr als alle verlockenden Schätze dieser doch so wundervollen Welt.
Die Geliebte, die sein Vater niemals akzeptieren würde, die außerhalb seines Standes lag, deren Herkunft eine offene Beziehung zunichte machte und für die er trotzdem bereit war alles zu riskieren. Liebe ist seltsam.
Man kann sich nicht aussuchen wen man liebt. Der eigene Körper entscheidet für wen man Gefühle hegt, wann, zu welcher Zeit und warum. Man selbst hat dabei keinerlei Mitspracherecht, ist in diesem endlosen Kreislauf gefangen.
Alle Widersprüche werden gesteuert vom Herzen vom Gehirn ausgeschaltet, alle Warnungen ignoriert und auf einmal finden wir uns in einer ausweglosen, unbekannten Situation wieder. Wir können uns immer entscheiden. Entweder für die Liebe und unsere tiefen Gefühle zueinander, mit allen Gefahren und Problemen die auf uns zukommen werden, oder wir entscheiden uns dagegen.
Wir können uns das Herz brechen lassen, es uns selbst brechen, indem wir geliebte Menschen gehen lassen, ihnen mit unserem Opfer eine Zukunft bieten. Manchmal ist das die einzig richtige Entscheidung. Lieben ist nie einfach. Es liegt in unserer Hand, wie alles enden wird.
Wir können es beeinflussen, mit jeder auch noch so kleinen Entscheidung, mit jeder kritischen Frage die wir unserem Geliebten stellen, mit jedem Schritt den wir hier auf dieser Welt wandeln. Leben ist wundervoll. Es ist schön, strahlt wie eine sich eben erst entfaltende Blume in den aller hellsten und schimmernsten Farben, vermittelt uns den Geist der Freiheit, den leisen Hauch von grenzenloser Liebe und die Illusion an den verzweifelten Glauben an uns selbst. Aber Leben ist nicht einfach. Das war es nie.
Es gibt so viele Probleme in dieser Welt, so viele aussichtslose Situationen und zu wenige Alternativen. Nur wir selbst können entscheiden was richtig oder falsch ist, wie wir gut und böse definieren. Die Welt ist nicht schwarz- weiß eingefärbt.
Sie ist bunt, besteht aus vielen kleinen und oftmals kaum wahrnehmbaren Details. Nur unser Herz kann entscheiden wie wir unsere Umgebung sehen. Unser Verstand kann uns zwar helfen, uns leiten und uns zu großen Dingen und Leistungen bewegen, doch letztendlich ist es unser Herz was zählt.
Jede Geste des Mitleids, jede gute Tat, jede zweite Chance die wir anderen barmherzig gewähren, macht uns zu jenen Menschen die wir nun mal sind. Unsere Leben gehören nicht uns. Wir sind alle miteinander verbunden, von Geburt bis zu unserem Tod und weit darüber hinaus.
Viele sagen, dass mit dem Tod alles endet, dass das menschliche Wesen wie eine grell aufleuchtende und erlischende Flamme kurzlebig ist, die Vergänglichkeit uns mit ihrem eisigen Atem welken lässt, bis wir uns seufzend zu Tode schlafen. Doch wenn wir wirklich nur ein kleines Licht, ein winziges Feuer in einem unendlichen Kreislauf währen, lohnte es sich nicht dann so hell wie nur irgend möglich zu brennen, zu lodern für all die vielen Menschen die wir lieben, mit denen wir von Geburt bis zur Bahre verbunden sind?
Und wenn wir dann erlischen, dann wird man sich ans uns erinnern.
An unsere Güte, an unsere Lebensfreude, an all die vielen Momente die sie mit uns zusammen waren, all die Schlachten, die wir gemeinsam niedergerungen haben, an die ewig im Herzen lebende Flamme die wir einst waren.
Niemand hat gesagt das das Leben einfach ist, doch wir selbst machen es uns auch unglaublich schwer, indem wir an uralten Konventionen und Richtlinien festhalten, die es einem Prinzen verbieten eine bürgerliche Geliebte zu haben, indem wir uns von anderen beeinflussen und umkrempeln lassen, anstatt zu uns selbst zu stehen.
Genau so ist es mit der Liebe. Wir müssen uns bald alle vor die Wahl stellen. Und oftmals ist der einfache Weg nicht der richtige.
Ich bewunderte Arthur für seine bedingungslose und unvoreingenommene Liebe zu Gwen.
In ihrer Nähe war er glücklich, lockerer, ungebundener und konnte für diese kleine Ewigkeit all die Bürden die auf seinen noch so jungen Schultern drückten, einfach vergessen. Sie war alles, seine Welt, sein Punkt wo das Universum anfing und in endlosen Sternenbahnen ewig weiterkreiste, bis es sich schließlich in der schwarzen Ewigkeit verheißungsvoll verlor.
Der Grund für den es sich zu kämpfen lohnte, die Frau die ihm den Rücken stärkte, ihn zu dem großen König erzog, den ich mir immer erträumt hatte.
Ein Mann, der die Gerechtigkeit walten lassen würde, nicht die Vorurteile, der mit dem Herzen und dem Verstand regierte und nicht mit der Faust.
An all das dachte ich. An alles was verloren wäre sollten wir zu spät kommen, an Arthurs Seele, Gwen meine Freundin und ihr Platz in meinem Herzen, an das Schicksal Albions und die Schuld die ich tragen würde, sollte ich auch bei ihr zu spät kommen.
Graues Tageslicht fiel durch die hohen Fenster, beleuchtete den letzten Gang in fast andächtigen gedimmten Licht, ließ die scharfen Risse in dem grauen, so bodenständigen Stein klar heraustreten und vermittelte uns doch so kleinen Menschen den Eindruck, durch ein riesiges Aderngeflecht zu laufen.
Sie wanden sich überall, ob klein, riesig oder auch nur hauchzart, wo immer man hinsah, sah man Risse wie in einer bröckelnden Fassade, wie die vielen Fäden die unser Leben durchzogen.
Ein kunstvolles Muster unser eigenen Entscheidungen, die uns bis hierhin gebracht hatten. Wir näherten uns dem Herzen allen Übels. Ich hörte den schnellen Atem der Ritter hinter mir im Rücken gehen, sah Gwaine im Augenwinkel neben mir auftauchen und mich überholen. Ich rannte noch schneller.
Mit klopfenden Herzen bogen wie um die letzte Ecke, und erstarrten vor der sperrangelweit aufgerissenen Tür der Küche.
Die Staubkörner standen noch in der Luft, so wie sie vor wenigen Momenten aufgewirbelt wurden. Alles schien so friedlich, alles war gespenstisch still. Zu still. Schon wieder war es diese tödliche Stille, diese Vorbotin für unfassbares Grauen und Schrecken. Diese Mal lagen keine Toten da, kein Tropfen Blut befleckte den Stein.
Die halb in den Angeln hängenden und scharf zerbrochenen Türen schrien uns an.
Sie schienen zu sagen "Lauft! Verschwindet!". Ich schluckte. Es gab kein Zurück mehr.
Nicht für mich.
Von Anfang an war dieser Weg in Stein gemeißelt gewesen. Wir hatten nie eine Wahl gehabt.
Das Schicksal hatte entschieden, der Plan einer höheren Macht hatte uns auf unsere Pfade gebracht und geleitet.
All die Entscheidungen die wie trafen, getroffen hatten, ob aus Liebe, aus Hass oder Freundschaft haben uns bis hierhin gebracht, haben uns den Weg zu diesem Punkt ermöglicht.
Es musste so kommen. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Das Schicksal forderte seinen Preis heraus und nun würde es ihn sich nehmen. Ich war bereit.
Ich hatte keine Angst in diesem Moment.
Was auch kommen würde, ich war bereit meinem Schicksal gegenüber zu treten.
Langsam und vorsichtig, einer nach dem anderen betraten wir die Küche.
Es sah aus wie auf einem Schlachtfeld. Die Töpfe lagen auf dem Boden, die Krüge waren zertrümmert und zwischen all den Scherben, den umgekippten Tischen und Tellerresten leuchtete hier und da eine scharlachrote Tomate, eine zerdrückte Gurke und anderes Essen, stach als grelle Farbpunkte aus einer so verlassenen und düsteren Welt der Zerstörung hervor.
Die Scheiben waren eingeschlagen, eine eiskalte Brise vom Innenhof zog schneidend durch den verwüsteten Raum, fuhr mir über die erhitzte und schweißnasse Haut.
Die plötzliche Kälte jagte mir eine Gänsehaut über Arme und Beine, ließ meine Haare zu Berge stehen.Wie der Atem tausender Leichen kroch sie mir unter die Haut, versetzte mich in den Flur mit den Toten zurück.
Doch nirgends ein Zeichen von Gwen. Die Küche war zerstört worden, doch von dem Dienstmädchen fehlte jede Spur. Arthur schien augenblicklich in sich zusammen zu sacken, als er das bemerkte.
Er wandte sich langsam um, sah mich mit unverhohlener Verzweiflung in den Augen an. Seine Unterlippe zitterte, er war ungesund blass.
Seine blonden schweißverklebten Haare hingen in seiner Stirn, sein Atem ging schnell und er war zu aufgewühlt, zu enttäuscht, zu überrascht, zu niedergeschlagen, begraben unter dem tonnenschweren Gewicht der Welt um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, nur ein einziges Wort über seine tauben Lippen zu bringen.
Ich konnte seine ganze Angst aus diesem einen kurzen Blick lesen. Eine Angst die alles lähmte, die sich auf einmal auf dein Herz legt und alles erstickt, eine Angst gegen die man nicht ankämpfen kann. Er stand kurz vor dem Zusammenbrechen, kurz davor aufzugeben.
Und das alles nur weil er jemanden liebte und der Gedanke ohne sie zu sein ihn umbrachte. Er tat mir so leid. Ich hatte mich noch nie in meinem Leben so hilflos gefühlt, ohnmächtig gegenüber all dem Grauen das sich um uns herum abspielte.
Der Schreck traf mich jedes mal wieder aufs neue, jedes Mal mit voller Wucht. Ich wurde zu Boden geschlagen, ächzend stand ich immer wieder auf. Doch wie lange hält ein Mensch das eigentlich aus?Ich senkte die Lider.
Es wurde mir alles zu viel. Irgendwann zerbricht man, irgendwann hat man keine Kraft mehr zu kämpfen, verliert den Glauben an sich selbst. Man sieht auf einmal alles Schlechte und Verdorbene in der Welt, ist blind gegenüber den schönen Dingen, seinen Freunden und ertrinkt in Trauer. Ich kämpfte gegen die Verzweiflung, gegen den Drang an einfach aufzugeben. Doch je mehr Sekunden verstrichen, desto mehr wurde mir klar was alles geschehen war.
Wie weit es doch gekommen war. Was alles schon verloren war. Ich kniff die Augen zusammen, spürte wie die Tränen meine Wangen hinunter rannen und in dem eisigen Luftzug erstarrten.
Meine Haut brannte da wo sie hinab liefen und glänzende Spuren hinterließen. Innerlich war ich leer gefegt, blickte wie von weit her auf die Szene die sich vor mir abspielte. Ein Spiel in dem wir keinerlei Mitspracherecht hatten. Was für eine Ironie des Schicksals das doch war.
Eben hatte ich noch über das Gute in der Welt und die Liebe nach gedacht und nun wurde ich mit all ihrer Dunkelheit die sie zu bieten hatte unbarmherzig konfrontiert, in dem Wissen absolut nichts tun zu können.
Hilflos zu sein.
Meine Beine wurden schwach. Gwaine packte mich an der Schulter.
Ich schlug die Augen auf, sah ihm mitten ins Gesicht und tat es doch nicht. Er war wie Rauch, unfassbar, unbeständig wie alles hier in dieser menschenfeindlichen Welt , ein Wimpernschlag in diesem einfach nicht enden wollenden Alptraum. Auch seine Augen waren aufgerissen und voller Furcht. Doch er ließ sich nicht von ihr übermannen, er versuchte wenigstens einen kühlen Kopf zu bewahren, während wir uns unseren Ängsten und Fantasien so ungehindert und vollständig hingaben, blind der Vernunft gegenüber waren.
"Sie ist noch am Leben", sagte er beharrlich.
Verständnislos sah ich ihn an. Seine Worte erreichten mich erst als er mich kräftig an den Armen packte und mich schüttelte. Auf einmal begannen seine Worte zu mir durch zu dringen, begannen einen Sinn zu ergeben, auf einmal klärte sich mein vernebelter Kopf. Ich konnte wieder klar denken. Gwaine hatte mich aus der Schockstarre gerissen.
Er wandte sich an Arthur und redete beschwörend auf ihn ein. "Gwen ist noch am Leben. Gebt jetzt nicht auf. Ihr könnt jetzt nicht aufgeben. Nicht jetzt, habt Ihr mich verstanden Arthur? Sie ist noch am Leben. Ihr müsst einfach daran glauben. Tut es für Gwen. Reißt Euch zusammen. Bitte", flehte er.
Arthur bewegte sich langsam, wie eine eben erst zum Leben erwachte Statue reagierte er.
Mit großen Augen voller Furcht sah er seinen Ritter an. Dann nickte er betäubt, den Blick hoffnungslos zu Boden gerichtet. "Sie ist noch am Leben", flüsterte er kraftlos, es klang wie die letzten Worte eines Sterbenden, die letzten verzweifelten Worte, der hoffnungslose Versuch sich selbst zu überzeugen.
"Wir müssen sie suchen", sagte ich mit rauer leiser Stimme.
Ich merkte gar nicht das sich meine Stimmbänder bewegten, gedanklich war ich wo ganz anders. Es war mehr ein Krächzen, der niedergeschlagene Versuch meiner Stimme die Töne zu treffen. Doch es reichte.
Arthur sah mich an. Er klammerte sich mit den Augen an mich, suchte meine sonst immer vorhandene Zuversicht und meinen Glauben an ihn und ein gutes Ende.
Es fiel mir schwer, unglaublich lastete das Gewicht der ganzen Welt auf meinen zitternden Schultern.
Doch ich musste daran glauben. Was blieb mir anderes übrig? Ich konnte nicht zulassen, dass die Welt mich zerschmetterte, mein Wesen in tausend Stücke zerbrach. Nicht jetzt, nicht hier. Es ging um mehr als nur um mich.
Es ging um das Leben meiner Freundin, um die Zukunft des Königreichs, um Arthurs Hoffnungen doch eines Tages neben Guinevere auf dem Thron sitzen zu können, um seine Träume sie eines Tages seine Frau und Königin nennen zu dürfen.
Ich konnte ihn nicht enttäuschen. Ich konnte Gwen nicht allein lassen. Ich würde in einer besiegten Welt kämpfen, würde nicht aufgeben, auch wenn alles schon verloren war.
Innerlich war ich zerrissen, zerfetzt von meiner eigenen Dummheit und Hoffnung, doch meine Liebe galt noch immer meinen Freunden.
"Wir werden sie suchen und finden Arthur. Ich weiß es.", sagte ich so überzeugend wie eben unter den Umständen nur möglich. Er sah mich an. Alles war still und wartete auf seine Antwort. Schließlich nickte er.
Ein wenig seiner alten Entschlossenheit war wieder in seinen Blick getreten, verdrängte die alles beherrschende Fassungslosigkeit, die ohnmächtige Wut.
Wir hatten ein Ziel und das allein reichte als Antrieb diesen Tag überleben zu wollen.
Es gab immer noch Dinge für die es sich zu kämpfen und zu sterben lohnte, auch wenn die Welt dunkler geworden war, sich nicht mehr so leichtfüßig drehte wie sonst.
Die Menschen die wir liebten blieben. Sie gingen nie wirklich von uns, sondern verweilen immer in unseren Herzen.
Arthur nickte. Immer wieder als wollte er sich selbst überzeugen, sich selbst bewusst machen, dass es noch lange nicht zu Ende war. Das noch nicht alles verloren war. Das er einfach daran festhalten musste, daran glauben musste.
Immer wieder atmete er tief ein, ließ die kalte Luft langsam in seine Lungen ein und aus strömen.
Er versuchte sich zu beruhigen, sein erhitztes Gemüt abzukühlen und um Gwens Willen einen klaren Kopf zu bewahren.
Ein Nerv in seinem Gesicht zuckte, zeigte offen wie sehr ihn die ganze Sache bewegte und mitnahm.
Der unnahbare Arthur Pendragon, der Mann, dem niemand seine Tränen wert war, stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch.
Doch er riss sich zusammen.
Stellte sein eigenes Befinden hinten an.
Und dafür bewunderte ich ihn mehr als alles andere.
"Du hast recht Merlin", sagte er um Beherrschung bemüht, "wir werden sie finden. Wir werden das jetzt ein für alle Mal beenden."
Er wandte sich zu den drei anderen Rittern und Gwaine um.
Sie hatten bis jetzt nur stumm und betreten auf den verwüsteten Boden der Küche gestarrt, hatten die zerbrochenen Pfannen viel zu eingehend gemustert, unfähig dem Thronfolger in die Augen zu sehen.
Nur Gwaine hatte zu ihm gehalten, nur Gwaine wusste un Arthurs Gefühle zu der hübschen Magd und akzeptierte sie bedingungslos wie eine Selbstverständlichkeit.
Die Enthüllung war für sie neu gewesen, ein Schock und dann noch ihren Prinzen und Erben Camelots in so einem Zustand zu sehen, hatte sie verlegen gemacht.
Es war ja im Prinzip nichts Verwerfliches daran, eine Bürgerliche zu lieben.
Aber alte Traditionen lassen sich nun mal nicht von heute auf morgen vergessen.
Sie würden sich an den Gedanken gewöhnen, doch das brauchte Zeit. Aber die hatten wir nun einmal nicht. Unsere Zeit war abgelaufen.
Und Arthur sah das Problem in dem Moment wo er sie ansprach.
"Wir teilen uns auf", sagte er ernst, um eine ruhige Stimme bemüht.
Er nickte zwei von den Rittern zu. Sein Ton war unmissverständlich. Es handelte sich um einen Befehl.
"Ihr beide geht mit Gwaine. Durchkämmt den Westflügel, durchsucht jedes Zimmer. Sir Raily, Ihr kommt mit mir und Merlin. Wir gehen zurück Richtung Thronsaal. Sollte einer von uns auf Skye treffen ist sowieso schon alles zu spät. Doch wir müssen es versuchen. Ich zwinge keinen von euch", er blickte nacheinander jedem in die Augen, bannte fest ihren Blick und sah mich schließlich voller Dankbarkeit, Freundschaft, Feuer und Angst an, "aber ich möchte Euch bitten es für mich zu tun. Ich liebe Guinevere. Ich werde mein Leben für sie hingeben wenn nötig, weil ich sie liebe.", er flüsterte die letzten Worte. Man hörte sein gebrochenes Herz aus seinen Worten heraus, das Grauen über die Vorstellung ohne sie existieren zu müssen.
"Ich stehe zu dir Arthur.", sagte ich augenblicklich. Überrascht sah er mich an. Keiner hätte wohl erwartet, das ein Diener zuerst das Wort ergreift, sich zuerst in den Krieg stürzte, über den Abgrund warf.
"Ich auch", unterbrach Gwaine den andächtigen Moment und trat vor.
Die drei Ritter blickten sich untereinander an, dann nickten sie und zogen alle gleichzeitig ihre stählernen Schwerter.
"Wir auch. Das werden wir immer, Sir.", sagte Sir Raily entschlossen. Er war der einzige den ich namentlich kannte.
Er hatte ein markantes Gesicht das schon von vielen Falten durchzogen wurde.
Doch seinen Kampfgeist hatte das Alter noch lange nicht erreicht. Er hatte schon viele Schlachten für Uther geschlagen, er hielt immer noch treu zu seinem König und würde dieselbe Loyalität nun auch dessen Sohn entgegen bringen. Bis zum Tod. Und noch viel weiter.
Sie waren durch einen undurchdringbaren Eid miteinander verbunden, mit einem absoluten Treueschwur der sie alle untereinander zu einer einzigen Familie verband.
Und Blut war nun mal dicker als Wasser.
"Wir werden an Eurer Seite kämpfen oder fallen." Mit geschwellter Brust stand er da, der scharlachrote Umhang mit dem golden glänzenden Wappen der Pendragons umspielte seine angespannten Schultern, seine Züge waren hart und verbissen, als er dem entgegen sah, was ihn nun erwartete.
Mir wurde zum ersten Mal klar, dass ich viele der älteren und konservativen Ritter gar nicht kannte.
Ich hatte sie mit mir kämpfen sehen, hatte sie sterben sehen und Arthur um sie trauern sehen. Doch so richtig hatten sie für mich nie existiert.
Bis jetzt. Bis zu diesem Moment wo Sir Raily dem jungen Prinzen auf ein Himmelfahrtskommando folgte.
Und ich bereute es in diesem Moment.
Ich bereute ihn nie wahrgenommen zu haben, mich nie um die erwachsenen Ritter gesorgt zu haben, sondern immer nur um Arthur.
Dabei hatten sie genauso ihr Leben riskiert, waren durch die Hölle gegangen.
Sie verdienten eben so viel Anerkennung.
Wenn man am Abgrund steht, erkennt man erst wer einen springen lässt und wer einen zurück reißt.
Wer zu einem steht, wer einen fallen lässt.
Die Ritter hatten sich für Arthur entschieden, für ihren bedingungslosen Glauben an ihn.
Auch wenn es in ihren Augen nicht richtig war, auch wenn sie Einwände hatten, sich innerlich nicht mit der möglichen Idee ein Dienstmädchen als Königin zu haben anfreunden konnten.
Nicht weil sie mussten standen sie zu ihm.
Es war ihre eigene freie Wahl gewesen. Sie waren die einzigen denen sich in diesem Kreislauf des stehenden Schicksals eine Entscheidungsfreiheit bot, die es in der Hand hatten wie es für sie enden würde. Doch auch sie hatten Träume.
Sie hatten sich für die Zukunft entschieden, für einen Weg den Uther nie dulden würde, der dem lieblichen Weg des Herzens folgte.
Vielleicht war noch nicht alles verloren.
Vielleicht gab es doch noch etwas Hoffnung das sich nun alles nach so vielen Jahren der Gewalt endlich alles noch zum Guten wenden konnte.
Wenn Arthur auf dem Thron saß, mit einer gütigen und ehrlichen Guinevere an seiner Seite.
Es schien wie ein weit entfernter Traum, der nun nur noch an einem winzigen Faden hing, wo es jetzt, genau hier, um alles oder nichts ging.
Träume waren es wert dafür zu kämpfen, dafür zu sterben, alles zu opfern.
Denn wenn wir nicht mal mehr träumen können, was bleibt uns dann?
Ein Mensch der verlernt zu träumen, verlernt zu hoffen, zu glauben und zu leben.
Sie erstarren, sie altern im Herzen. Auch wenn sie äußerlich noch leben, mitten in ihrer Blüte stehen, sind sie doch innerlich tot.
Es gibt Dinge die schlimmer sind als sterben.
Und das war schlimmer als der Tod.
Die Ritter wussten das, sie wussten das dieser so opferreiche gegen die Zauberei und ihre Ausübung nicht für immer weiter gehen konnte, dass sich die Dinge ändern mussten.
Sie hatten den Glauben an eine Zukunft gewählt, sich offen zu ihren Träumen bekannt.
Die Hoffnung auf eine bessere Welt.
Arthur sah bewegt aus. Selbst er konnte den Anflug von Stolz nicht aus seiner Stimme verbannen, als er die unerschütterliche Treue und Ehrerbietung die ihm nun ehrfürchtig entgegen gebracht wurde spürte.
Er schluckte, umklammerte das Schwert fester als je zuvor und sah uns einem nach dem anderen tief und fest in die Augen.
Es war das Ende. Ich wusste es. Jetzt war es soweit. Den ganzen langen Weg den wir zurückgelegt hatten, all die Toten und unsere Entscheidungen die wir getroffen hatten, hatten uns hierher geführt. In die zerschlagene Schlossküche, an einem eisigen und dunklen Tag in der Geschichte des Königreiches, mit der Qual der letzten Wahl.
Die Würfel waren gefallen.
Jetzt war das verstecken spielen vorbei.
"Dann los."
Leise schlich ich mich an der Wand entlang.
Mein Atem ging schlürfend, ich versuchte mich zu beruhigen auch wenn mein Herz raste, dem Ende entgegen rannte. Das Schloss war wie ausgestorben.
Jeder Gang den wir durchquerten, lag einsam und verlassen da. In diesem Teil der Festung war alles totenstill, unberührt.
Nirgendwo sahen wir Spuren auf einen Angriff, die Zerstörung und all die Toten die wir bis jetzt gesehen hatten, die unseren schicksalhaften Weg gekreuzt hatten, schienen in dieser Einsamkeit vergessen.
Man hätte denken können, alles sei beim Alten, nichts hätte sich verändert. Doch etwas fehlte in den langen Fluren der Zitadelle. Egal zu welcher Jahreszeit man hier durch Camelot ging, man hatte nie ganz das Gefühl gehabt vollständig allein und von Gott und der Welt verlassen zu sein. Doch heute war es anders.
Das Licht das durch die Scheiben fiel war klirrend kalt, färbte die hellen Steine in einem trübseligen Ton, stimmte einen missmutig.
Es war als hätte jemand eine Tür aufgestoßen die in einen kühlen Keller führte, ich spürte den kalten Luftzug in meinem Nacken, fühlte die Beklommenheit die in meinem Herzen heranwuchs, der Kloß der sich in meinem Hals bildete.
Meine Brust schmerzte, die Enge schnürte mir den Atem ab.
Ich spürte die Bedrohung die von diesen Gängen ausging, die unsichtbare Kraft die mich immer weiter zu sich zog, in ein unerwartetes Terrain, die mich auf diesem viel zu schmal gewordenen Grad der Vernunft und Sturheit tänzeln ließ. Schritt für Schritt schlichen wir durch die ausgestorbenen Gänge, sahen immer misstrauisch über die Schulter, erwarteten hinter jeden Biegung einen Feind.
Doch es kam niemand. Wir waren die letzten Menschen in einer aufgegebenen Welt. Man spannte uns auf die Folter, spielte mit unseren Nerven und sah belustigt dabei zu wie wir versuchten weiter zu machen, nicht mehr als nötig über das Geschehene nach zu denken.
Doch es klappte nicht. Die Gedanken echoten in meinem Kopf, rasten in meinem Unterbewusstsein, pulsierten mit meinem Blut scharlachrot und spottend durch meine Adern.
Die Bilder wollten nicht weichen. Immer wieder sah ich die Toten auf dem Innenhof, immer wieder überkam mich die alte Hilflosigkeit, die ohnmächtige Wut einfach nur daneben stehen zu können.
Ich sah Gwen und Gaius vor mir, sah sie lächeln, hörte ihre Stimmen in meinem Ohr. Es war die reinste Folter.
Die Ungewissheit über ihr Schicksal, ihr Verbleiben brachte mich sehr nahe an die Grenze zum Wahnsinn.
Immer wieder sah ich sie tot und blutend vor mir liegen. Doch wenn das hier alles enden konnte, wenn wir es beenden konnten, dann wären ihre vielen Tode vielleicht nicht umsonst gewesen.
Sie wären nicht zwecklos gestorben, sie hätten ihr Leben nicht ohne Grund ausgehaucht und all die trauernden Angehörigen, Geliebten und Waisen hinterlassen.
Sie hätten einem höheren Ziel gedient, hätten ihr Leben für den Glauben an eine bessere Welt und Zukunft gelassen, hätten für ihre Träume gekämpft.
Ich blickte zu Arthur, der mit angespannte Muskeln und verkrampftem Rücken vor mir her lief.
Excalibur blitzte in seiner Hand und er sah sich wachsam und gleichzeitig zutiefst besorgt um. Ich kannte seine Angst. Ich konnte sie selber nachvollziehen, wusste wie er sich fühlte. Mit jedem Meter den wir überwanden, schwand die Chance Gwen retten zu können. Wir wussten nichts. Nicht wo sie war, ob sie überhaupt noch lebte. Doch wir mussten daran glauben. Es war das Einzige was wir noch für sie tun konnten.
Und wir sollten sie finden.
Es war ein Parallelgang zum Thronsaal, nichts rührte sich, niemand tauchte auf, alles war in graues Dämmerlicht getaucht, die Risse in den Wänden knackten, ließen die Kälte des uralten Steins ungehindert herausfließen.
Doch auf einmal wurde die Grabesstille durch ein herzzerreißendes, zitterndes, gedämpftes Schluchzen durchbrochen.
Es war nur ganz leise gewesen, ein zartes Geräusch in einer erstarrten Welt. Ich wandte mich vorsichtig um. Arthur und Sir Raily hatten es auch gehört, ihre Mienen waren verspannt und entschlossen, als sie sahen woher dieses Geräusch kam. Ohne mir einen zweiten Blick zu zu werfen bogen sie in einen dunklen Gang zu unserer Linken ab. Seufzend und mit klopfendem Herzen folgte ich ihnen.
Ich hatte kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache. Die Anspannung die die ganze Zeit in lauernd in meinem Rücken gesessen hatte, schien sich jetzt mit aller Kraft entladen zu wollen.
Ich spürte die Angst die immer mehr zu nahm, wie meine Finger taub wurden, mir die Gänsehaut die Wirbelsäule hinunter kroch. Es war unheimlich.
Ich atmete schneller, versuchte all die Gedanken an die Geschehnisse auszublenden, mich voll und ganz auf unsere vor uns liegende Aufgabe zu fokussieren.
Doch die Toten kamen auf leisen Sohlen, schlichen sich auf den geheimsten Wegen wieder in mein Blickfeld und hauchten mich mit ihrem eisigen Atem an.
Mir standen die Haare zu Berge, ich hatte das Gefühl das meine Lunge jeden Moment platzen würde, dem Druck des Bestehens, des Nicht Aufgebens einfach nicht mehr gewachsen war, sondern vor ihrer ihr auferlegten Bürde kapitulierte.
Ich musste mich zusammen reißen. Ich durfte nicht schwach werden. Nicht jetzt.
Bald sah ich nur noch ihre Schemen, denn es war düster hier. Es war ein Versorgungstunnel.
Keine Fenster, dafür gab es keinen Bedarf.
Nur Besenkammern gingen links und rechts ab und ein paar Dienerkammern lagen am Ende dieses Ganges. Das Schluchzen war lauter geworden. Es war unverkennbar die Stimme einer jungen Frau mit unheimlicher Angst.
Ich kannte diese Stimme. Und Arthur auch. Mit zusammengebissenen Zähnen lief er immer schneller, scherte sich anfangs noch um die Umgebung, doch bald war er zu abgelenkt um auf das zu achten was vor und hinter und lag.
Ich lief hinter ihm, beschleunigte meine Schritte um nicht hinter ihm zurück zu fallen. Ich hörte Sir Railys rasselnden Atem in meinem Ohr, seine leise schleifenden Schritte hinter mir.
Ich wandte mich nicht um, konzentrierte mich voll und ganz auf das was nun vor mir lag, hier im gespenstischen Halbdunkeln. Ich hörte Gwen weinen, ihre Stimme klang nun so nah, nicht mehr weit entfernt und hohl, sondern klar und schrecklich.
Ihre Laute wurden durch die dicken Wände fast geschluckt, doch es war unverkennbar sie. Und sie hatte fürchterliche Angst. Das Trommeln meiner Schritte beschleunigte sich, mir schlug dicke stickige Luft entgegen.
Es war warme Luft. Nicht wie im Rest des Schlosses, wo nur eine abwesende Kälte herrschte, als habe jemand eine Tür aufgestoßen die in einen dunklen kühlen Keller führte und ließe nun den Luftstrom gnadenlos und ungehindert über all die Toten strömen, um die grausige Geschichte die sich hier zu trug zu untermalen.
Zum ersten Mal spürte ich wieder Wärme, spürte nahezu Hitze je näher wir kamen, je näher wir zu Gwen vordrangen.
Meine Nervenenden streckten sich, begannen sich aus ihrer Starre zu lösen und begrüßten den plötzlichen Temperaturumschwung mit weit geöffneten Armen.
Zu spät wurde mir klar was das eigentlich bedeutete. Arthur bog um eine Ecke, im Laufschritt, das Schwert gesenkt.
Unvorbereitet.
Die Biegung lag im Schatten, Arthur bemerkte sie nicht, war blind der plötzlichen Hitze gegenüber. Ich öffnete den Mund, doch der Schrei verließ in dem Moment meine Lippen als es geschah.
Skye sprang aus dem Schatten heraus, eine Furie aus gold und rot und stürzte sich kreischend und mit ausgefahrenen Klauen auf Arthur.
Der Schreck stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er fiel zu langsam die Augen aufriss und das Schwert hob. Doch es war zu spät. Skyes Augen verzerrten sich hämisch, als sie sah das der Prinz keine Chance hatte.
In vollem Sprung krachte sie in ihn hinein, es gab ein knirschendes Geräusch, einen verzweifelten Aufschrei Arthurs der sich in meiner Stimme wiederholte, sich wiederhallend von den Wänden durch den Gang verbreitete und noch sekundenlang in meinen Gedanken echote.
Ich hörte das Rauschen des Blutes in meinen Ohren, sah wie Arthur zu Boden ging, das Schwert rutschte ihm aus der zitternden und getroffenen Hand, er hielt sich die Brust wo Skyes Klauen sein Ketttenhemd durchschlagen hatten, ihm unter die Rüstung gefahren waren und ihm den Brustkorb aufgerissen hatten. Fauchend lag Skye auf ihm, ihre Krallen kratzten über den Steinboden, hinterließen tiefe, graue Striemen, Funken stoben auf, vereinigten sich mit meinen und Arthurs Schreien.
Da löste sich meine Schockstarre, ich konnte mich wieder bewegen, spürte auf einmal wieder meine Arme, meine Beine und registrierte was dort vor mir vor sich ging.
"ARTHUR!!!", schrie ich und stürzte mich ohne zu überlegen auf Skye.
Mein Körper prallte auf harte Schuppen, sie waren wie blanker Fels in der Brandung und ich war die Welle die gegen ihn geschmettert wurde.
Meine Kleidung riss, die Fäden platzten bei dem Aufprall an den Nähten auf und meine nackte Haut streifte ihr Schuppenkleid.
Es brannte wie Feuer als die oberste Schicht abgeschürft wurde, meine Schulter laut knackte als ich mit dem Gelenk direkt auf ihren Rücken nieder krachte.
Ihre Flügel schlugen mir ins Gesicht, sie ließ einen markerschütternden Schrei aus und wurde zur Seite geworfen. Arthur stöhnt als sie mit vollem Gewicht über seinen verletzten Brustkorb glitt und hinter ihm auf die Fliesen traf und mich unter sich begrub. Der Atem wurde mir aus der Lunge gepresst, röchelnd schnappte ich nach Luft als ihr schwerer Körper vollkommen auf mir lastete.
Ihr Arm bohrte sich tief in meine Magengrube, ließ mich vor unvorstellbaren Schmerzen keuchen als sie sich um sich schlagend auf mir wand.
Ich dachte nicht mehr daran, dass das hier Skye war, hatte nie darüber nachgedacht. Ich sah sie nicht, nur noch diesen undurchdringlichen Wall an ziegelroten Schuppen verschwommen vor meinen Augen, dachte nur noch an die Luft die ich so dringend benötigte, die mir immer weiter entglitt, wie ich verzweifelt zappelte, mich mit aller Kraft gegen sie stemmte, mir die Hände an ihren scharfkantigen Schuppen aufriss.
Ein scharfer Schmerz betäubte meine Wange, klebriges Blut strömte mein Kinn hinab, der Eisengeschmack ließ mich würgen. Ich schlug auf sie ein, hörte ein unmenschliches Fauchen, von irgendwoher kommende Schreie die ich nicht einordnen konnte, hörte wie eine Tür zuschlug, wie ein Mädchen in hohen, schrillen Tönen schrie, fühlte immer wieder Krallen auf mich nieder gehen, spürte wie mir mein Bewusstsein zu entgleiten drohte, wie die Welt um mich herum verblasste, ich meinen eigenen Atem in den Ohren pochen hörte, meine vergeblichen Versuche an Luft zu kommen immer weiter erstarben. Mein Sichtfeld verschwamm, auf einmal tauchten funkelnd grüne Augen vor mir auf, durchbohrten mich mit feurigen Blicken, die geschlitzten Pupillen schienen jeden meiner Gedanken zu erraten, mich zu löchern, die tiefsten Geheimnisse von mir zu kennen. Da wurde es mir bewusst. Doch ich konnte den Gedanken nicht mehr zusammenbringen, die Fetzten entglitten mir, schwirrten wie unsichtbarer, drückender Nebel durch meine Adern.
Ein Wort klang in meinen Ohren, neben dem stärker werdenden Klingeln, der Taubheit die sich in meinem ganzen Körper breit zu machen begann, und stand auf einmal über allen anderen Dingen. Skye...Skye...Skye........................Skye............................................................Skye................................Sk
Meine Lider klappten wie Buchseiten zu, meine Brust brannte wie Feuer, die Flammen züngelten in meiner Lunge, verschafften mir unvorstellbare Qualen.
Doch ich bäumte mich nicht mehr auf, hatte keine Kraft mehr zu kämpfen.
Die Welt um mich herum begann zu verblassen, eine seltsame Leichtigkeit ergriff Besitz von mir , eine ungekannte Gleichgültigkeit legte sich über mein Bewusstsein. Der Druck wurde schlimmer.
Und dann war er auf einmal weg. Das seltsame Hochgefühl verschwand, ich spürte auf einmal wieder meinen Körper vom Kopf bis in die Zehen, die Schmerzen in meiner Brust, die Rippen die scharf in meine Lungenflügel stachen. Ich krümmte mich mit schmerzverzerrtem Gesicht schützend zusammen, röchelte, krächzte, untergrub den Drang mich zu übergeben, während Schmerzenswellen über mich hereinbrachen, mich unter sich begruben und räderten.
Mein Hals fühlte sich zermatscht an, meine Brust seltsam taub und nicht vorhanden.
Das Klingeln aus meinen Ohren verschwand, ich hörte Schreie, Fauchen, Kreischen und das Treffen von Metall auf Stein.
Ich hörte wie ich meinen eigenen Atem in kurzen und rasselnden Stößen ausstieß, wie er durch meine Luftröhre pfiff.
Mein Blick klärte sich, ich blinzelte die vielen Tränen weg, versuchte mich auf zu setzten, doch ich brach unter dem plötzlichen Schwindelgefühl würgend zusammen.
Ich krümmte und wand mich auf dem Boden. Silberne Schemen zuckten über mir. Dann schlug mir unglaubliche Hitze ins Gesicht, ich hörte einen grellen gellenden Schrei, sah ein grelles Licht, ein Brennen welches die Dunkelheit für einen Moment in ein höllisches Inferno verwandelte.
Ich sah einen Menschen um sich schlagen, sein ganzer Körper stand in Flammen die gierig über seinen roten Umhang leckten, das Drachenwappen paradoxerweise verschlangen und verzehrten, während er wie am Spieß schrie, als Sir Raily bei lebendigem Leib brannte.
Er taumelte in die Dunkelheit, verschwand hinter der Biegung, nahm die Fackel die er selbst auf dem Körper geschrieben trug mit, und damit auch das letzte Licht. Ich sah blitzende Augen, hörte Gwen hinter mir aufschreien. Gwen.
Ja.
Gwen.
Wegen ihr waren wir hier, wegen ihr standen wir hier in diesem Gang wo die Hölle tobte.
Es war eine Falle gewesen. Wie dumm waren wir doch gewesen. Ich richtete mich auf, stützte mich schwer auf meinen Ellenbogen, unterdrückte das wieder aufkeimende Gefühl der Übelkeit und sah mich um.
Meine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit, offenbarten was hinter der undurchdringlichen Schwärze lag. Gwen stand mit tränenverschmiertem Gesicht an die Wand gepresst, ihr Kleid war zerrissen, mit getrocknetem Blut beschmutzt und auf ihrer dunklen Haut prangten viele blaue Flecke und Schnitte.
Ihr Blick war voller Furcht auf die Kulisse hinter meinem Rücken gerichtet.
Ich wandte mich um. Arthur stand zwischen mir und Skye. Beziehungsweise er lag zwischen mir und Skye. Sein Kettenhemd war zerfetzt, sein Gesicht blass und angstverzerrt.
Ich sah mich um. Ich war nicht anwesend, sah die Szene wie von weit oben, und doch wieder nicht. Aber ich erkannte eins. Arthur hatte keine Chance.
Excalibur war aus seiner Hand geglitten, lag wenige Meter neben mir auf der anderen Seite des Ganges. Dort wo Skye mit wutverzerrtem Gesicht drohend aufragte. Arthur kroch von ihr weg, während sie immer näher hervortrat, sich ihre Nüstern genüsslich weiteten, sich ihr mächtiger Brustkorb vorfreudig weitete.
Es war keine Gefühlsregung in ihren Augen abzulesen, sie schien vollkommen fremd, ein Monster zu sein. Da war keine Spur mehr von Liebe, Mitgefühl,Güte oder Warmherzigkeit in ihrem Blick, sie waren ausgelöscht worden und ein unbändigender Hass hatte ihren Platz eingenommen, hatte ihr ganzes einst so friedliches Wesen verändert.
Zum ersten Mal sah ich sie seit ihrer Verurteilung, sah was aus ihr geworden war, aus dem Mädchen das ich einst geküsst hatte, mit dem ich gelacht hatte, das ich geliebt hatte.
Und nun stand sie hier, mit blutverschmierten Klauen, mit weit geöffnetem feurigem Rachen, bereit meinen besten Freund und mein Schicksal zu vernichten.
Sie war kein Mensch mehr. Sie war ein Monster. Arthurs Hände kratzten über den Boden, seine Rüstung klirrte, Blut befleckte das sonst so polierte Silber über seiner Brust. Auf einmal stand ich, ich wusste nicht wie ich das geschafft hatte, aber ich stand mit zitternden Beinen und zugeschnürtem Hals an die Wand gepresst und begegnete Arthurs verzweifeltem Blick.
Sein Mund bewegte sich:
"LAUF DU NARR!!! VERSCHWINDE VON HIER!! BRING GWEN HIER WEG!!!", schrie er mich panisch an. Skye fauchte aggressiv auf, untermalte seine Worte.
Ich sah Gwen an. Ihr Ausdruck war klar und deutlich als sie den Kopf leicht benommen schüttelte. Vereint stehen wir, getrennt fallen wir.
Sie wusste was ich vorhatte. Ihre Entscheidung stand ebenso fest. Wir würden nie von Arthurs Seite weichen, ihn nie allein lassen, sondern mit ihm kämpfen oder dabei sterben.
Ich schluckte.
Sammelte mich. Dann stürzte ich mich auf die andere Seite, ging in die Knie als ich fiel, spürte wie die Haut aufplatzte als sie hart auf den Steinboden trafen und sich mein Griff um das Heft von Excalibur schloss.
Ich dachte nicht nach, spürte nur noch meinen rasenden Herzschlag, das Trommeln in meinen Ohren. Ich fuhr herum, das Schwert fest in der Hand, mein Unterarm begann zu kribbeln, wie Nadeln stach die Macht dieser Klinge durch meine Nerven, und stellte mich Skye.
Sie fauchte mich an, ließ von Arthur ab, ihre funkelndgrünen Augen weiteten sich und sie riss das Maul mit den perlweißen und scharfen Zähnen zornig auf.
Ich sah Arthur im Augenwinkel ungläubig das Gesicht verzerren, hörte Gwen aufkeuchen, die Klinge durch die Luft sausen.
Sie zerschnitt die Luft in einem klingenden Geräusch, funkelte in gold und silber, ließ die eingebrannte Inschrift leuchten als sie ihren Weg durch die Luft vollführte.
Skye sah mir direkt in die Augen , Augen die mich nicht erkannten, die sich nicht an mich erinnerten und mir doch so vertraut waren. Die Augen in denen ich damals hätte versinken können, der Mittelpunkt meiner damaligen Welt.
Wie viel ich doch verloren hatte, wie viele Menschen gestorben waren, wie viel zwischen uns stand.
Doch ich spürte eine Erinnerung in meinem Kopf aufzucken, sich unbarmherzig an die Oberfläche graben, sich geltend machen.
Ich spürte wieder ihre sanften Lippen auf meinen, roch ihren verheißungsvollen Duft noch Zypresse und Feuer, vermischt mit Wald und dem herben Geruch von getrocknetem Rosmarin, ich sah wieder ihre Augen vor mir, ihre menschlichen, warmen, liebenden Augen, hörte ihr Lachen in meinen Ohren klingen, hielt sie wieder in den Armen wie damals als sie die Alpträume nach ihrer Flucht gehabt hatte.
Ich hatte so viel falsch gemacht, hatte ihr gegenüber versagt, sie allein mit ihren Problemen fertig werden lassen.
Und ich hatte mich nie von ihr verabschieden können, ihr nie wirklich zeigen können, wie tief doch meine Gefühle für sie gingen. All das wurde mir klar.
Das Schwert traf auf stahlharte Schuppen.
Der Stoß der durch meine Arme zuckte, ließ mich fast das Heft loslassen.
Im ersten Moment war es, als wäre nichts passiert, als wäre die Waffe genauso wirkungslos wie alle anderen. Doch das war Excalibur nicht. Genau so wenig wie man eine wilde, stark duftende rote Rose mit einer Brennnessel vergleichen konnte, so wenig war es ein gewöhnliches Schwert.
Die Schuppen begannen sich zu bewegen, wie Wellen in einer stürmischen See, wichen sie zurück, zerbrachen unter dem Schlag, offenbarten die von feurigen Adern durchzogene orange pulsierende Haut.
Wie Butter durchschnitt sie sie, drang tief unter den schützenden Schuppenpanzer.
Skye schrie so schmerzerfüllt und gequält auf, so menschlich und gleichzeitig wieder nicht, so gefoltert, dass ich mir die Ohren zu halten wollte, doch dieser eine Schrei brannte sich tief in mein Gedächtnis.
Sie schrie als ihr die Seite von der Schulter bis zur Hüfte aufgeschlitzt wurde, dunkles Blut rann augenblicklich aus der Wunde.
Es hatte nicht die schöne vollkommene Farbe menschliches Blutes, nicht diese warme Temperatur gut gereiften Weines, nein, ihr Blut ging ins Orangene. Ins Feurige.
Es schien wörtlich zu brennen, als rinne flüssiges Feuer durch ihre Adern. Die Wunde war nicht tödlich, es war nur eine relativ leichte Verletzung, nicht einmal im Ansatz lebensbedrohlich.
Blut tropfte auf die Fliesen, zerbarst in schillernden Tropfen. Skye sah überrascht aus, ihre Züge verzerrten sich ungläubig als sie auf die Klinge starrte und dann in mein Gesicht.
Für einen winzigen Moment hatte ich das leise Gefühl in Skyes Augen zu starren, nicht in die des Monsters zu dem sie gezwungen worden war.
Dann war dieser kurze, sanfte Hauch der trübseligen Vergangenheit vorüber.
Und Skye wandte sich mit einem letzten verächtlichen Fauchen in meine Richtung ab und verschwand genauso schnell wieder wie sie gekommen war. Nur ihr Blut auf dem Boden und dem Schwert blieb.
Ich blickte auf die Klinge hinab. Und da wurden mir zwei fatale Sachen bewusst.
Ich hätte sie gerade töten können, ich hätte gerade all dem ein Ende machen können, sie von ihrem Unheil erlösen können, doch ich war schwach geworden, hatte mich nicht behaupten können gegen mein verräterisches Herz. Was auch immer ich noch vor wenigen Stunden gedacht hatte, dieser brennende Gedanke Skye töten zu wollen war verschwunden.
An seine Stelle war eine grausame Leere getreten.
Und das zweite was mir bewusst wurde war, dass ich sie noch immer liebte.
"Was machst du denn?", schrie Arthur als er sich ächzend aufrichtete.
Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerzen, als seine verletzte Brust sich anspannte. Blut rann aus einem großen Loch in seinem Kettenhemd.
Rot und Silber.
Seine Augen waren fassungslos als er mich anschrie, ich sah die Angst, die letzte Spur der eben zerschlagenen Hoffnung, die Hoffnung das alles nun vorbei wäre, wir doch noch eine Chance hatten, war zunichte gemacht wurden.
Betreten sah ich zu Boden, Tränen rannen mein Gesicht hinunter, mein Herz weinte all seinen Kummer raus.
Ich hätte es beenden können, ich hatte die Macht gehabt, ich war bereit gewesen.
Noch vor wenigen Momenten hatte ich Skye eigenhändig töten wollen, sie für das bezahlen lassen wollen was sie getan hatte, was ich ihr angetan hatte.
Aber ich hatte versagt.
Ich hatte versagt weil ich sie liebte. Nach all der Zeit, nach allem was passiert war.
Immer.
Zu jeder Sekunde, in jedem noch so kleinen Moment liebte ich sie. Ich würde sie nie loslassen können, würde ihr immer nachtrauern, sie nie aus meinen Gedanken verbannen können.
Es war eine pure Verzweiflungstat zu versuchen sie zu hassen.
Ich konnte es nicht.
Mein Herz ließ es einfach nicht zu. Denn es war nicht Skye gewesen die für all das hier verantwortlich war, es war nicht das Mädchen gewesen das ich liebe.
Und doch musste sie es sein. Monster und Mensch lagen so nah beieinander.
Sie waren untrennbar miteinander verknüpft. Und ich war einfach nicht in der Lage das zu trennen. Deswegen hatte ich
damals Morgana gerettet, obwohl ich wusste was aus ihr werden würde, deswegen konnte ich Skye nicht töten.
Weil sie beide immer noch in meinem Herzen wohnten und sie zu töten wäre wie es mir bei lebendigem Leibe herauszureißen und zu verbrennen.
Ich war schwach, weil ich immer noch an das Gute in den Menschen glaubte, naiv weil ich der Wahrheit einfach nicht in die Augen sehen konnte.
"Ich kann es nicht Arthur", flüsterte ich schwach, mein Hals schmerzte, meine Kontrolle über meinen Körper entglitt mir, ich sank stöhnend in die Knie.
Ich fühlte auf einmal die ganze Welt.
All meine Verletzungen, die Kratzer die wie Peitschenhiebe brannten, die zerquetschten Rippen und meine Schuld auf den Schultern.
So viele Menschen waren tot, so viel Grauen war über das Königreich hereingebrochen und ich hatte mich dagegen entschieden es zu beenden.
Herz über Kopf.
Keine gute Wahl.
Ich fühlte eine Hand sanft auf meiner Schulter, erst da wurde mir bewusst, das ich schluchzend den Kopf in den Knien vergraben hatte, Excalibur blutbesudelt neben mir lag. Ich sah auf.
Es war Gwen. Sie sah genauso fertig aus wie ich mich fühlte, ihre Augen spiegelten den erfahrenen Schrecken wider über das was eben passiert war.
Und doch war da noch etwas anderes.
Mitgefühl und Verständnis.
Sie kniete sich neben mich und zog mich in eine feste Umarmung.
Ich keuchte auf als meine verletzten Rippen schmerzhaft aufeinander gepresst wurden, doch es war mir egal als ich mich an sie drückte, an ihrer Schulter um alles schon so lange verlorene weinte, meiner Trauer freien Lauf ließ.
Es war eine Falle gewesen. Skye hatte gewusst, das Arthur kommen würde um Gwen zu retten und wir waren blind in die Schlangengrube getappt, wie dumme Kaninchen hatten wir uns an der Nase herumführen lassen, hatten das Denken vergessen.
Liebe und Verzweiflung liegen auch sehr nah beieinander.
Es geht nicht das man sich eins aussucht.
Man bekommt beide Gefühle immer nur zusammen.
Genau wie das Leben und den Tod.
"Merlin?", fragte Arthur vorsichtig. Gwen ließ mich los.
Ich sah voller Furcht auf, doch fand keinen Vorwurf mehr in seinem Blick, nur Trauer.
Er nickte mir zu.
Die Ereignisse konnte man einfach nicht in Worte fassen, all die Gefühle waren zu viel, sie sprengten den Rahmen des Möglichen, so unerwartet, schrecklich und wunderschön zugleich ging es hier zu.
Wir alle bereuen eines Tages unsere Entscheidungen, fragen uns immer wieder, was wäre gewesen wenn.
Doch so war es nicht.
Wir konnten unsere Vergangenheit nicht ändern, die Fußspuren waren geschrieben wurden, unauslöschbar für alle Zeit.
Wir durften nicht in der Vergangenheit verweilen, durften uns einfach nicht mit all den Problemen fertig machen, wir mussten einen Weg finden weiter zu machen, irgendwie wieder unseren Zielen nach zu gehen. Doch so etwas sagt sich leichter als es ist.
Arthur wusste es, Gwen auch. Doch ich wollte es partout nicht begreifen.
Und genau da lag das Problem.
"Wir müssen hier weg", sagte ich langsam, leise, so als hätte ich Angst das die Geister all der Toten die auf mir lasteten, wieder zurück kommen würden.
Arthur nickte niedergeschlagen, Gwen sah erst ihn und dann mich an.
Sie tat mir so leid. Alle Entscheidungen die ich getroffen hatte, waren falsch gewesen, hatten uns hierhin in diesen dunklen, einsamen Gang geführt. Und nun bluteten wir alle.
Langsam und bedächtig stand ich auf, sah mich um.
Doch ich sah weder die Wand, noch den Boden, noch Arthur oder Gwen. Ich sah nur noch das was vor mir lag. Ein Schloss voller Leichen, eine noch gefährlichere Skye und immer noch kein Zeichen von Morgana.
Arthur schluckte, dann bückte er sich, hob Excalibur auf, drückte mir das Schwert mit dem Blatt an die Brust.
"Hör zu. Du bringst Gwen hier weg. Bringt euch in Sicherheit, verlasst die Stadt, geht in die Wälder.", sagte er ernst, seine Augen funkelten entschlossen. Perplex starrte ich ihn an, ich brauchte mehrere Sekunden um zu begreifen.
Gwen fuhr herum.
"Ich gehe auf keinen Fall ohne dich", schrie sie. Arthur packte sie an den Unterarmen, zwang sie ihm in die Augen zu sehen, hielt sie eisern fest.
"Hör mir zu.", sie wand sich in seinem Griff, starrte ihn mit feuchten Wangen an, "Wir müssen hier weg. Wir hatten nur eine Chance. Wir haben verloren. Wir werden sterben wenn wir jetzt nicht gehen. Ich kann dich nicht verlieren, nicht jetzt, nicht nach alldem was gerade passiert ist. Wir haben keine Wahl mehr.", redete er drängend auf sie ein.
Da begriff ich. Ich sollte mit Gwen verschwinden, für ihre Sicherheit sorgen.
Ohne Arthur.
"Ich bleibe bei Euch", sagte ich entschlossen.
"Nein tust du verdammt noch mal nicht.", schrie er verzweifelt.
"Ihr müsst hier weg. Bitte, bring Gwen hier weg!"
Ich sah die Angst in seinen Augen, die tiefe Liebe und Zuneigung zu Gwen, Entschlossenheit alles in seiner Macht stehende zu tun, damit ihr nichts passierte.
Und das Schlimmste war, wir hatten keine Wahl mehr.
Er hatte Recht. Uns blieb keine andere Möglichkeit mehr außer der Flucht, der letzten Alternative die wir zum Tod noch hatten.
Was einen nicht umbringt, macht einen stärker, hieß es immer. Doch je mehr dieser Tag auf den Sonnenuntergang zu schritt, desto schwächer wurde ich, desto mehr fürchtete ich mich um meine Freunde, um unsere an seidenem Faden hängende Zukunft.
"Was habt Ihr vor?", fragte ich leise. Er schluckte, sah zu Boden, dann hob er mein Schwert auf, mein normales was ich beim Sprung auf Skye verloren hatte und balancierte es prüfend in seiner Hand.
Sein Rücken straffte sich und er biss die Zähne zusammen.
"Ich suche meinen Vater und Gaius, bringe sie hier raus. Das Schloss ist verloren, aber ich kann sie nicht zurücklassen."
Ich nickte. Nichts anderes hatte ich erwartet. Er dachte halt selbst in den dunkelsten Stunden nicht nur an sich selbst. Ich musste darauf vertrauen, dass er Gaius finden würde, ihn sicher hier raus bringen würde, jetzt wo ich es nicht mehr konnte.
Es fühlte sich an wie Verrat, doch ich hatte keine Wahl mehr.
Arthur würde es schaffen, er musste es schaffen.
Er sah zu Gwen, die sich ängstlich auf die Lippe biss, hoffnungslos nach einer anderen Möglichkeit suchte. Doch es war aussichtslos. "Versprich mir das du auf dich aufpasst. Versprich mir das dir nichts passiert. Versprich es mir!", klagte sie mit schriller Stimme.
Liebevoll sah Arthur sie an, fuhr mit der Hand über ihre vom Blut dunkel gefärbte Wange und strich ihr sanft und bedächtig eine Locke aus der Stirn hinters Ohr.
"Ich versprech es dir."
Sie schluckte die Tränen hinunter, dann warf sie sich an seine Brust. Arthur legte schützend die Arme um sie, barg das Gesicht mit geschlossenen Augen in ihrem Nacken.
"Ich liebe dich", flüsterte er trocken, zu bewegt von seinen Gefühlen.
"Ich dich auch", wisperte Gwen an seiner Brust, "Von ganzem Herzen." Ich sah zur Seite, ich konnte den Schmerz in Arthurs Augen nicht sehen, konnte ihren letzten verzweifelten Kuss nicht mit ansehen, ohne von Schuldgefühlen überwältigt zu werden.
Gwen löste sich von Arthur, trat mit ausdruckslosem Gesicht zu mir. Ich spürte das Gewicht von Excalibur in meinen Händen.
Es gab nur einen Grund warum Arthur mir das Schwert überlassen hatte. Er wollte, dass ich Gwen mit meinem Leben beschützte.
Und das würde ich. Arthur trat zu mir, legte mir die Hand schwer auf die Schulter, sah mich mit reuevollen Augen an.
"Pass auf dich auf Merlin", er zögerte kurz, "Und du bist kein Idiot. Das wollte ich dir immer schon mal sagen."
Überrascht und bewegt sah ich ihm in die Augen.
"Meint Ihr das ernst?" Er überlegte kurz.
"Ja, das tue ich. Mir liegt mehr an dir, als ich jemals zugeben wollte. Und nun los" Mit einem letzten Blick auf Gwen und mich verschwand er in der Dunkelheit.
Wir rannten durch das Schloss. Excalibur schwang in meiner einen Hand, die andere klammerte sich an die eiskalte Hand von Gwen. Wir rannten als wäre der Teufel hinter uns her.
Das Schloss war verlassen, im wahrsten Sinne des Wortes ausgestorben.
Wir bogen um Ecken, sprangen über zusammengesunkene Wachen, hinterließen rote Fußspuren in den heimischen Gängen. Mein Atem ging schnell, meine Augen waren auf das Ende des Gand fixiert, huschten wachsam von einer Seite zur anderen, erwarteten jeder Zeit auf Feinde zu treffen.
Doch es kam niemand. Die ganze Zeit waren wir alleine in einem Schloss voller Toten.
Wer noch nicht gefallen war, war entweder gflohen oder kämpfte vor dem Schloss und im Hof erbittert gegen die schiere Übermacht der Feinde.
Wir waren verloren. Morgana hatte gewonnen.
Ich vermied an Arthur zu denken, an das was ihm wohl gerade passieren mochte. Es lenkte mich von meiner Aufgabe ab, ließ mich in Mutmaßungen versinken und das durfte ich nicht.
Nicht nur mein Leben lag in diesem Moment in meiner Hand. Der Teil des Schlosses, den wir gerade durchquerten, war am meisten beschädigt worden, hatte die zahlreichen Kämpfe am schlimmsten zu spüren bekommen.
Dicke Risse durchwanderten den Stein, durchzogen jeden Zentimeter und knirschten gefährlich.
Dieser Flügel stand kurz vor dem Einsturz. Wir liefen und liefen. Gwen schluchzte leise, ich drückte immer wieder ihre schweißnasse aber kühle Hand.
Doch mit jedem Meter mit dem wir uns weiter von Arthur entfernten, den Thronsaal hinter uns zurückließen wurde mir immer banger. Er war mein Schicksal, ich sollte ihn beschützten, auf ihn acht geben, damit er der größte König aller Zeiten werden konnte.
Er war mein Freund, meine Aufgabe, meine Berufung, mein Herr, mein tägliches Arschloch, die Person die mich zum Lachen und Verzweifeln brachte, die mich mit ihrem riesigen Egotrip wahnsinnig machte.
Doch er war auch mein Prinz, der einzige König dem ich je die Treue geschworen hatte und würde. Ich blieb stehen, mein Atem ging schnell, abgehackt und schwer lag er auf meinen schmerzendem Brustkorb, wie tausend Nadeln stach mein geschundener Körper, doch ich durfte mich nicht ablenken lassen.
"Was ist los?", fragte Gwen. Ich hörte sie nur halb.
Es gab immer noch keine Spur von Morgana, sie blieb verschwunden, ihre Pläne lagen immer noch im Nebel.
Wo zur Hölle steckte sie? "Verdammt nochmal Merlin was ist los?", fuhr Gwen mich besorgter als zuvor an.
Ich starrte auf das Schwert in meiner Hand, das Schwert das eigentlich Arthur führen sollte, das er für Camelots Rettung aus dem Stein gezogen hatte.
Dieses Schwert war die Hoffnung selbst, es konnte alles beenden. Doch nicht in den Wäldern, nicht auf der Flucht.
Nein, wir mussten im Kampf siegen, hier in Camelot musste es entschieden werden.
Noch war nicht alles verloren, noch gab es Excalibur und damit Hoffnung. Doch auch diese würde sterben, wenn wir weiter liefen, wenn den letzten Wink des Schicksals ignorierten.
Und Arthur würde sterben.
"Ich muss zurück", sagte ich unvermittelt, mein Blick noch immer auf das Schwert geheftet. Ich spürte wie Gwen die Luft einsog, einen Moment war es still. "Ich wusste das du das sagst.", meinte sie nach einem Moment der wie eine kleine Ewigkeit schien.
Überrascht sah ich auf. Sie versuchte nicht mich zu hindern, hatte keine Angst vor dem was jetzt kommen würde?
Denn Gwen kannte mich zu gut. Nach jahrelanger Freundschaft weiß man was der andere gerade denkt, was in seinem Kopf vorgeht. Sie wusste das ich sie niemals mitkommen lassen würde, dass ich alleine gehen würde.
"Jetzt guck nicht so perplex. Jeder kann sehen wie viel Arthur dir bedeutet und du ihm. Selbst ich werde manchmal auf dich eifersüchtig obwohl das natürlich Quatsch ist. Es hätte mich ehrlich gesagt sogar enttäuscht wenn du nicht stehen geblieben wärst."
"Gwen", setzte ich eindringlich an und sah ihr tief in die schönen braunen von schwerer Sorge überschatteten Augen,
"Du weißt das ich keine Wahl habe. Ich muss gehen. Ohne dich.", sagte ich mit Nachdruck.
Sie nickte.
Verständnis schimmerte in ihrem Blick.
"Ich weiß." Ich schluckte und packte sie an den Unterarmen, zog sie an die Wand.
"Hör zu, findest du allein hier raus?" Empört starrte sie mich an. "Jetzt hör mir mal zu, ich habe über zehn Jahre hier im Schloss gearbeitet.
Natürlich finde ich den Weg hier raus du Idiot!" Ich musste grinsen. Ihre Entrüstung war einfach selbst in dieser Zeit zu lustig.
"Gut. Geh in den Wald. Versteck dich. Komm erst raus, wenn entweder Arthur oder ich dich holen kommen. Kehr nicht um, sieh nicht zurück. Wenn wir heute Abend nicht bei dir sind, verlässt du das Königreich und gehst nach Ealdor. Sag meiner Mutter was passiert ist und das es mir leid tut. Sie wird sich um dich kümmern. Hast du mich verstanden? Du kommst nicht zurück ins Schloss, was auch immer geschehen mag, du bringst dich in Sicherheit. Um Arthurs und meinetwillen.", erklärte ich ihr ernst.
Ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich, sie war wild entschlossen genau das Gegenteil zu tun, doch sie wusste das ich das niemals zulassen würde. Schließlich nickte sie.
"Gut. Wenn ihr heute Abend nicht kommt, geh ich nach Ealdor."Ich zog sie in die Arme. schon wieder ein Abschied, der sein musste aber so sehr schmerzte. Wann würde das endlich enden? Gwen legte die Arme um meinen Hals und vergrub das Gesicht an meiner Schulter.
Ich strich ihr über den Rücken. "Pass auf dich auf", sagte ich leise. "Du auch Merlin", flüsterte sie.
Sie löste sich von mir. Ich sah die Tränen in ihren Augen glänzen, die Angst die sie so tapfer zu schlucken versuchte.
"Hey", versuchte ich sie aufzuheitern. Ich konnte es nicht ertragen sie so gebrochen zu sehen.
"Sieh es doch mal positiv. Du wirst hier vielleicht nie wieder sauber machen müssen"
Sie lachte kurz und hoch auf. "Das ist nicht komisch Merlin.", meinte sie grinsend.
Mir ging das Herz auf. "Aber du hast gelacht."Es war ein Abschied der ganz eigenen Art, unsere Art und Weise Lebewohl zu sagen, wenn die Zukunft ungewiss war. Ich blickte auf das Schwert in meiner Hand.
Ich hätte Arthur nie allein lassen dürfen, hätte bei ihm bleiben sollen, ihn beschützen sollen
Ich hatte versagt. Wie bei Morgana, wie bei Freya, wie bei Skye. Und nun musste ich auch noch Gwen gehen lassen, ohne das Wissen ob ich sie je wieder sehen würde.
Doch Träume waren es wert dafür zu kämpfen, dafür alles zu riskieren.
Und wir beide hatten den gleichen Traum, die gleichen Hoffnungen für die Zukunft. Aber dafür musste Arthur leben.
"Du schaffst das Merlin", sagte sie unvermittelt.
"Bring ihn mir zurück."
Ich nickte und umklammerte das Schwert so fest wie ich konnte.
"Das versprech ich dir. Ich schwöre es bei meinem Leben."
Schon wieder rannte ich durch das Schloss, wieder flogen meine Füße über Fliesen, legten Meter für Meter zurück.
Doch diesmal rannte ich nicht vor dem Tod und Verderben davon, dieses Mal floh ich nicht vor dem Schrecken, dieses Mal rannte ich bewusst darauf zu. Entschlossenheit pulsierte durch meine Adern, Glauben an mich selbst und meine Kräfte und Fähigkeiten durchströmte.
Zum ersten Mal an diesem Tag war ich optimistisch.
Da prallte ich mit Skye zusammen.
Sie kam aus dem Nichts, warf sich auf mich, warf mich zu Boden. Völlig unerwartet schlug ich um mich, spürte wie meine Knöchel auf stahlharte Schuppen trafen, ohne Schaden darüber schrammten.
Vor Schreck ließ ich Excalibur los, das Schwert fiel hell klirrend zu Boden, ihr Schwanz schlug es peitschend aus meiner Reichweite,bevor ihr Körper auf meinem aufkam.
Mir blieb die Luft weg, ich schrie als meine ohnehin schon verletzten Rippen wieder gequetscht wurden, als ihre messerscharfen Krallen wenige Zentimeter neben meinem Kopf mit einem Funkenregen auf die Fliesen niedergingen, rollte verkeilt mit ihren Flügeln über den Boden, spürte den explodierenden Schmerz in meiner Schulter.
Erst da merkte ich was hier gerade passierte, das das hier das Ende sein würde. Sie fauchte mich an, geronnenes Blut blätterte von ihren zerschlagenen Schuppen, verteilte sich wie funkelnde Edelsteine auf dem Boden.
Ich war vor Schreck erstarrt. Ich lag auf dem Rücken, ihr Kopf nur Zentimeter von meinem entfernt, ihr Rachen weit aufgerissen.
Ich sah den Funken in ihrem Inneren, spürte das Blähen ihrer Lungen die unglaubliche Hitze die mir vor dem Sturm entgegen schlug.
Ihre grünen Augen waren der blanke Hass, purer Rachedurst stand darin geschrieben.
Sie schnappte nach meiner Kehle, schnell drehte ich den Hals weg, hörte das knirschende Geräusch als ihre Kiefer aufeinander trafen und ins Leere schnappten.
Ich stöhnte als unvorstellbare Qualen durch meine Schulter zuckten, spürte wie mein Arm taub wurde. Mit aller Kraft trat ich ihr in die Seite.
In die verletzte Seite.
Sie schrie wie am Spieß, gab mir kurz Freiraum den ich sofort nutzte um mich aus meiner verkeilten Lage zu befreien, mein Knöchel schmerzte nach dem Stoß, ihre krallenbewehrte Hand fuhr auf meinen Kopf hinab.
Ich drehte mich weg, kroch zurück, duckte mich.
Doch sie traf mich mit dem Handrücken an der Schläfe.
Ich ging zu Boden, spürte wie mein Kopf hart aufprallte, wie ich für einen Moment komplett die Orientierung verlor.
Der Schlag ließ mich Sternchen sehen.
Mein Bewusstsein verschwamm, ich sah nur noch Schemen aus gold und rot, die Welt verlor ihre Konturen.
Instinktiv duckte ich mich, als ihre Flügel an mir vorbei zischten und sich hinter ihrem Rücken zu voller Größe aufrichteten. Meine Hände wetzten über den steinernen Boden, als ich vor ihr davon kroch. Mein Schädel dröhnte als hätte ihn jemand mit einer Axt gespalten. Hilflos und nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen, bewegte ich mich immer schneller. Da sah ich das Schwert.
Es lag am anderen Ende des Ganges.
Meilenweit entfernt.
Der Drache hatte sich zu seiner vollen Größe aufgerichtet, kam mit leise schleifenden Schritten bedrohlich auf mich zugeschritten. Ihre Nüstern dampften, ihr Zorn pulsierte.
Sie fauchte mich unmenschlich an, ihre gewaltige Kraft ging in Wellen von Skye aus, frisches Blut befleckte ihre Seite, machte sie rasend.
Panisch kroch ich rückwärts. Ich wollte mich übergeben, mein Magen spielte verrückt, mein Herz flatterte in meiner eingedellten Brust.
Ich würgte, schmeckte mein eigenes Blut als ich mir auf die Lippen biss.
Skye trat näher, ihre Brust weitete sich endgültig.
Ich riss die Hand hoch.
"Aquarisa", schrie ich panisch.
Ein riesiger Wasserschild bildete sich vor mir in der Luft, stand schimmernd zwischen uns, genau in dem Moment wo Skye den Mund aufriss. Feuer traf auf Wasser.
Ich schloss die Augen, hörte das laute Zischen, fühlte den kondensierten Dampf meine Haut benetzten und hörte Skyes frustriertes Schnauben.
Ich schlug die Lider auf.
Ihre Schuppen schimmerten golden wie das Feuer in ihren Adern, die unermessliche Glut in ihrem Herzen und wie die nicht in Worte fassbare Stärke in ihren Augen.
Doch es war Skye. Ihr Atem war für einen Moment erlahmt, das Monster brauchte erst wieder frisches Feuer.
"Wer wirst du sein wenn die Welt auseinander bricht?!", schrie ich sie an.
Ich wusste nicht warum ich es tat, doch da war dieser Drang, dieser Instinkt in mir es einfach noch ein letztes Mal versuchen zu müssen. "Ein Mensch oder ein Monster?!", sie verharrte mitten in der Bewegung, musterte mich verächtlich.
Dann verzog sich ihr Mund zu einem grausamen, seltsam menschlichen Lächeln.
Schauer liefen meinen Rücken hinunter, mir wurde eiskalt.
Es hatte keinen Sinn. Mein Leben würde hier enden.
Nichts konnte ich dem Drakir entgegen setzten.
Kein Zauber konnte ihren Panzer durchdringen und Excalibur lag weit außer Reichweite.
Mein Leben war verwirkt.
Das Mädchen mit dem Herz eines Drachen würde mich in Fetzen reißen, mein Blut würde über die Steine spritzen, meine Seele in diesem trostlosen Gang freilassen. Ich hatte mich immer gefragt wie es wohl war zu sterben.
Ich kannte schon die Gleichgültigkeit und die plötzliche Leichtigkeit von vornst, wo ich fast erstickt wäre.
Aber dieses Mal war alles anders. Auf einmal waren alle meine Sinne bis aufs äußerste gespannt, funktionierten besser als je zuvor. Tausend Gedanken und Wortfetzen wirbelten durch meinen Kopf, verdichteten sich zu einem einzigen klar hervorstechenden Gedanken, zu einem Funken der in meinen Adern zu brennen begann.
Die Erleuchtung kam im Moment der Erlösung.
Das Herz eines Drachen.
Der Körper eines Drachen.
Der Legende nach war Skyes Herz ein Teil eines Drachenherzes.
Ein Teil ihres Herzens, ihres Kopfes gehörte einem Drachen. Einem feuerspeienden Ungetüm, einem Monster und gleichzeitig einer wunderschönen magischen Kreatur.
Und da begriff ich.
Ich sah warum alles so gekommen war, warum es hier enden musste. Es war mir bestimmt.
Ich hatte die Macht.
Wie lange war ich blind gewesen, hatte die einfachste Lösung von allen übersehen, das Naheliegenste ausgeschlagen.
Ich sah ihre verzerrten Augen, ihren nun wieder glühenden Rachen, hörte die tiefe Stimme in ihrem Brustkorb fauchend dröhnen.
Und dieses Mal verstand ich sie. Die Luft erwärmte sich, ihre Krallen blitzten funkelnd auf als sie durch die Luft zischten.
Die Welt hielt den Atem an, die Zeit verlangsamte sich, alles gefror in diesem einen Moment der Erkenntnis.
Und dann spürte ich sie. Die tiefe Stimme, aus den entlegensten Winkeln meines Geistes die mich mit Skye, dem Drachen in ihr vereinte, die mich über sie herrschen ließ.
Stechend verließen die Worte meine Lippen, Worte einer fremden züngelnden Sprache.
"Oh drakon e male so ftengometta tesd'hup'anankes. Erkheo!", schrie die dunkle Stimme aus meinem Körper, die Stimme tausender Generationen von Drachen und ihren Bändigern.
Ich spürte die Macht in meinen Worten sah wie die Luft selbst vibrierte, die Erde erzitterte unter der fesselnden Kraft der uralten Worte.
Ein Ruck ging durch das Schloss, ließ den morschen Stein schwingen, strömte durch meinen Körper mein Rückgrat hinauf, verwandelte sich zu einem einzigem Strom reinster, körperloser Macht.
Ich ging zu Boden, als mein Brustkorb bebte, ich das Feuer in meinen eigenen Lungen zischen hörte, spürte sich mein Herz löste, aus mir heraus drang und sich auf die Suche nach seinesgleichen machte.
Ich sog die Luft in riesigen Stößen ein, versuchte die plötzliche Hitze niederzuringen, als auf einmal ein Zucken durch meine Glieder ging. Mein Herz hatte sein Gegenstück gefunden.
Ich riss die Augen auf. Sah wie Skyes Krallen immer noch auf mich zuflogen, wie sie in der Bewegung wieder menschlich wurden, wie sich Spuren von Nägeln abzuzeichnen begannen, wie sich Haut bildete, wie menschliche Knöchel erneut wuchsen.
Skye schrie aus vollem Leibe. Ihr Körper zuckte unkontrolliert, ihr gewaltiges Gewicht zwang sie nieder, sie ging in die Knie. Ratschend scharrten ihre Krallen über den Boden, ihre Fingerkuppen rissen auf, sie schrie und schrie, warf den Kopf zurück und ließ all ihre Qualen hinaus fließen.
Ich hielt mir die Ohren zu, Tränen rannen über meine Wangen als mein Herz zerriss, sich der kreischende Ton ihrer gefolterten Stimme tief in mein Gedächtnis bohrte.
Sie bäumte sich auf, sie führte einen innerlichen Kampf, kratzte sich über die langsam abfallenden Schuppen, versuchte sie zu lösen wie eine zweite Haut.
Skye riss den Mund auf, ihr Kiefer verformte sich, nahm menschliche Züge an, ihr Schädel wurde wieder kleiner und elegant.
Schweiß verklebte ihre rabenschwarzen Haare während sie sich krümmte, Schmerzenswellen durch ihren Körper liefen, in jeden Winkel vordrangen. Sie musste mir gehorchen.
Ein Drache konnte seinem Meister nicht widerstehen, er musste ihm gehorchen.
Sie kreischte als sich die Fesseln um ihren Geist zu lösen begannen, als sie sich auf meinen Wunsch hin von ihnen befreite, sich gegen Morgana und die geballte Zauberkraft des Amuletts aufbäumte.
Ihr Körper verschwamm, die glänzenden, brennenden Schuppen verschwanden, verblassten zu einer sehr blassen, geschundenen Haut.
Ihre Augen rissen auf, wurden riesengroß als sich die Schlitze weiteten, immer größer wurden bis sie wieder runde Pupillen waren.
Die unermessliche Qual, die Folter ihres Geistes stand glasklar ablesbar darin geschrieben. Sie schluchzte herzzerreißend auf, kratzte sich mit ihren Nägeln über die bloße Haut, hinterließ blutrote Striemen auf weißer Haut.
Sie warf sich auf dem Boden herum, krümmte sich immer wieder zusammen, schnappte verzweifelt nach Luft.
Ich hielt es nicht mehr aus.
Es tat so weh. Meine Seele litt Höllenqualen, es folterte mein Herz sie so auf dem Boden liegend und windend zu sehen.
Ich kroch zu ihr, packte sie an der nackten Schulter.
Meine Finger trafen auf weiche Haut, keine stahlharten Schuppen, zogen das nackte Mädchen in meinen Schoß während sie kämpfte.
Tränen verschleierten meine Sicht. Sie kämpfte, focht ununterbrochen gegen das Monster an, duellierte sich mit Morganas Geist in ihrer Seele.
Ihre Bewegungen wurden langsamer.
Verzweifelt drückte ich ihren bebenden Körper an meine Brust, vergrub meinen Kopf an ihrer samtenen nach Rauch duftenden Schulter.
Ich betete für sie. Betete es möge vorbei sein, sie würde erlöst werden.
Ihre Bewegungen erlahmten, ihre Brust hob und senkte sich langsamer, bedächtiger. Sie schlug nicht mehr um sich, sie lag ganz still in meinen Armen.
Ich zog sie näher heran, hob den Kopf und starrte auf ein rein menschliches Gesicht nieder.
Mit Nase, wunderschön geschwungenen Lippen, langen, träumerisch geschlossenen Wimpern die die Wangen so zart wie eine Meerbrise liebkosten, blasser Haut wie aus Porzellan gehauen.
Ich schluchzte auf und meine ganze Fassade brach zusammen. Meine Mauer aus Eis, mein hoffnungslos aufgebauter Wall aus Lügen fiel von mir ab, die Welt stürzte auf mich nieder, zerbrach in tausend Splitter um sich wieder zu all ihrer Herrlichkeit zusammen zu setzten, ihre ganze alte, schon lange vergessen geglaubte Schönheit erneut zu offenbaren. Und dann schlug Skye die Augen auf.
Ihre Lider zuckten leicht, wie nach einem schlechten Traum, öffneten sich Winzigkeit für Winzigkeit, ließen Licht in die darunter liegende Iris strömen, sie erstrahlen.
Waldgrün traf auf Meerblau.
Ich versank in ihren wunderschönen Augen, den Augen von denen ich glaubte sie nie wieder sehen zu dürfen, den Augen in denen ich mich heillos verlor, in diesem Blick in den ich mich einst verliebt hatte.
Mein Herz begann zu tanzen, alt gestorbene Schmetterlinge erwachten wieder zum Leben, umschwirrten meine Gedanken. Ich schluchzte haltlos und hemmungslos auf als dieser unermessliche Schmerz endlich von mir abfiel, ich mich wieder der Hoffnung und Freiheit hingeben konnte.
Tränen fielen in glänzenden Tropfen auf ihr Gesicht, zerstoben in hunderte Tropfen.
Skye musterte mich. Denn es war Skye.
Es war der Mensch Skye, das Mädchen das ich liebte, das mich nicht wieder losgelassen hatte, für das ich heillos verfallen war. Die Erkenntnis erschien in ihren grünen Augen, erst langsam und zart wie ein sanfter Sommerregen, dann verdichtete sie sich zu einem dröhnenden, alles umfassenden Schauer als ihre Erinnerungen zurückkehrten, aus der Dunkelheit emporstiegen.
Als sie mich erkannte.
"Merlin", wisperte sie leise.
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11682 Wörter
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