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Pünktlich um sieben stand ich fertig gekleidet und energiegeladen wie nie vor den Operationssälen. Ich hatte fantastisch geträumt und das verdankte ich nur einer Person. Daria oder besser gesagt Dascha wie sie einige nannten. Sie ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich kannte sie zwar erst seit gestern, doch es kam mir so vor als ob ich sie schon mein ganzes Leben kennen würde besser gesagt schon einmal gesehen hatte. Als ob wir verwandte Seelen wären oder in einem vorherigen Leben liiert gewesen wären. Irgendetwas zwang mich gestern ihren Spint zu suchen und heute schon fast sehnsüchtig auf sie zu warten.

"Guten morgen!", begrüßte sie mich.

Sie lief auf mich zu mit einer Akte in der Hand. Ihre Haare trug sie genauso wie gestern in einem Knoten nur das heute weniger Strähnen raus hingen. Im Allgemeinen sah sie generell fitter aus als gestern. Die Augenringe waren etwas zurückgegangen und auch die Äderchen ihrer blau-grünen Augen waren fast verschwunden. 

"Guten morgen, Daria. Wie ich sehe arbeiten wir heute zusammen"

"Lässt Doktor Chester sie etwa alleine operieren?", fragte sie leicht schmunzelnd.

"Bestimmt", beteuerte ich zuversichtlich.

"Dann müssen sie ihn gestern wohl sehr beeindruckt haben"

"Sie kommen nicht aus Kanada oder?", fragte ich plötzlich.

Sie konnte einfach nicht aus Quebec kommen. Dafür hatte sie einen viel zu starken Akzent. Zumal dieser noch nicht einmal französischer oder kanadischer Natur war. Sie verzog leicht den Mund. Anscheinend mochte sie das Thema nicht besonders.

"Nein. Ich bin nach dem Krieg nach Quebec gezogen"

Ich dachte nach. Laut ihrem Akzent müsste sie irgendwo aus dem Osten kommen.

"Russland", beantwortete sie meine Frage, "Aber sie sind auch nicht von hier und auch nicht aus Frankreich"

Ich lächelte.

"Ich habe eine Zeit lang in Frankreich gewohnt und jetzt wohne ich in Baltimore. Aber eigentlich komme ich aus Litauen"

Verblüfft musterte sie mich. Dann schaute sie schuldbewusst auf ihr Klemmbrett hinab.

"Die Patienten warten"

Sie drehte sich lächelnd um und griff nach der Türklinke. Ich folgte ihr in den Operationssaal. Wir wiederholten die gleiche Prozedur von gestern und standen, dann zehn Minuten später vor dem gleichen silbernen Operationstisch. Daria legte schon einmal alle Instrumente zurecht und desinfizierte die zu operierende Stelle. Der Patient hieß James Armstrong. Er war 43 Jahre alt und würde heute eine neue Leber bekommen. Laut seiner Akte war er seit einem längeren Zeitraum Alkoholiker und hätte früher auch Drogen konsumiert. Das alles hatte seine Spuren auf ihm hinterlassen. Seine Haut war blass und fahl und auch sein Gesicht lies ihn älter wirken als er eigentlich war. Ich atmete tief durch und griff dabei nach dem Skalpell um den ersten Schnitt anzusetzen.

"Doktor Lecter?", rief Mister Chester.

"Ja?", fragte ich leicht verwirrt.

Auch Daria schaute zu der Tür in der Doktor Chester stand. Ihre Haare waren von einem blauen Tuch bedeckt, das in ihrem Nacken mit einem Knoten festgehalten wurde.

"Wollten sie gerade wirklich ohne mich anfangen?", fragte er während er sich seinen Mundschutz über zog.

Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf.

"Natürlich nicht", entgegnete ich.

Doktor Chester stand nun hinter mir, sodass ich nun auf sein Kommando wartete anfangen zu dürfen.

"Worauf warten sie Doktor Lecter? Die Narkose hält nicht ewig!", herrschte er mich an.

Ich setzte den ersten Schnitt oberhalb der Leber auf der Haut an. Daria hatte die Stelle schon markiert, da die Niere des Patienten etwas schief lag und wir nicht unnötig weit schneiden wollten. Sofort quollen auch schon die ersten Bluttropfen aus der Wunde, was Daria durch etwas Watte aufsaugte. Ich klappte die Haut auf und legte somit seine Leber frei. Daria stoppte derweil die Blutung und reicht mir mehrere Klammern und Zangen damit ich die Leber abklemmen und entfernen konnte. Doktor Chester beobachtete uns genau und gab hier und da ein paar Anweisungen. Nach fünfzehn Minuten hatte ich die Leber entfernt und gab an Doktor Chester weiter damit er die andere Niere einsetzen konnte. Daria wurde auch durch Maggie abgelöst. Daria und ich entfernten uns vom Operationstisch und fingen an uns umzuziehen. Danach reichte sie mir eine weitere Akte.

"Wir müssen noch Miss Parker untersuchen. Sie liegt in Zimmer 42", informierte sie mich.

Zusammen fuhren wir mit dem Aufzug in den zweiten Stock. Wir blieben vor einer weißen polierten Tür mit der Nummer 42 stehen. Ich griff nach der Türklinke als Daria meinen Arm packte.

"Magda hat mich vorgewarnt. Sie scheint wohl noch etwas verwirrt von gestern zu sein, deswegen sollen wir sehr vorsichtig mit ihr umgehen", erklärte sie mit einem eindringlichen Blick ihrer wunderschönen Augen.

"In Ordnung",meinte ich während ich ihr die Akte aus der Hand nahm und die Tür öffnete.

Ellen Parker war wirklich sehr gut betucht. Sie hatte sich extra ein Einzelzimmer gemietet und auch dies besaß alles was man brauchte. Auf der linken Seite wo sich die Stühle und ein Tisch für die Besucher standen, befanden sich mehrere große Fenster, die eine wunderschöne Sicht auf den nahe gelegenen Wald boten. Ellen Parker selbst lag auf der rechten Seite in einem typischen Metall-Krankenhausbett. Im Gegensatz zu gestern hatte sie heute mehr Farbe im Gesicht und schien auch sonst viel ruhiger zu sein. Ich ging zu dem Bett und hielt ihr lächelnd meine Hand hin.

"Guten morgen, Miss Parker. Ich bin Doktor Hannibal Lecter, ihr behandelnder Arzt", stellte ich mich vor.

Misstrauisch beäugte mich die Grauhaarige und nahm, dann etwas wiederwillig meine Hand an.

"Meinen Namen kennen sie ja schon", zischte sie leise.

Daria fing an sich etwas unwohl zu fühlen. Ich spürte es. Unwissend was sie tun sollte, stellte sie sich neben mich und lächelte Ellen warmherzig an.

"Ich bin ihre behandelnde Assistenzärztin Daria Barker"

Ellen nahm dies nur mit einem Nicken zur Kenntnis. Ihre Art missfiel mir jetzt schon. Ich hasste es, wenn Menschen unfreundlich waren. Mit einer geschmeidigen Bewegung nahm ich auf dem Stuhl neben ihrem Bett Platz.

"Wie fühlen sie sich?", fragte ich.

"Schlecht"

"Haben sie Schmerzen?"

"Naja, bei ihren vortrefflichen Medikamenten wäre es wohl ein Wunder, wenn ich noch welche hätte, nicht wahr?"

"Miss Parker-", fing Daria an, doch ich brachte sie mit einem leichten Kopfschütteln zum Verstummen.

"In Ordnung, dann müssen wir sie hier wohl länger als geplant behalten"

"Das geht nicht!", rief Ellen.

"Wie?"

"Ich habe eine Firma zu leiten! Ohne mich bekommen diese Nichtsnutze von Arbeitern, doch nichts gebacken! Sie müssen mich wie geplant, gehen lassen!"

"Wenn sie, aber jetzt noch Schmerzen haben-"

"Ich habe keine Schmerzen! Vielleicht ein bisschen, aber damit kann ich leben! Können sie mich jetzt wie geplant ausschreiben?"

"Natürlich, sobald die Visite morgen fertig ist", entgegnete ich mit einem charmanten Schmunzeln, "Guten Tag, Miss Parker", verabschiedete ich mich.

"Auf Wiedersehen", grummelte sie.

Daria und ich verließen den Raum.

"Du kannst sie doch nicht einfach so gehen lassen! Sie ist doch krank! In ein paar Wochen wird sie wieder hier landen!", flüsterte Daria vorwurfsvoll.

Vor uns verabschiedete sich gerade eine Familie von einem der Patienten. Ich packte sanft ihre Schulter und zog sie mit mir weiter den Gang entlang.

"Du kannst einen Menschen nicht zwingen gesund zu werden", bemerkte ich jetzt ruhig.

Daria schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Wir zwingen die Menschen nicht! Es ist unsere Aufgabe kranke Menschen zu heilen!", empörte sie sich.

"Daria, nicht jeder Mensch kann geheilt werden"

Diese Ansicht schien so gar nicht in ihre Welt zu passen. Ich hatte schon bemerkt, dass für sie jeder Patient heilbar war und er in ihrer Welt auf der höchsten Stelle stand.

"Tu mir bitte einen Gefallen und sei nicht eingeschnappt", bat ich sie sanft.

Sie schaute noch immer mit verschränkten Armen in die entgegengesetzte Richtung. Ich seufzte und kam ihr näher. Sie war einen ganzen Kopf kleiner als ich.

"Bitte", versuchte ich es ein weiteres mal sanft, was ihre Wangen sich leicht rot färben lies.

"In Ordnung", warnte sie mich peinlich berührt.

"Hast du Lust morgen einen Kaffee zu trinken?", fragte ich dann um die Stimmung wieder etwas zu lockern.

Sie schaute mich etwas misstrauisch und gleichzeitig verwirrt an.

"Ist das eine Art Erpressung oder Wiedergutmachung?", fragte sie leicht schmunzelnd.

"Beides", erwiderte ich mit einem charmanten Lächeln.

"Das wäre schön. Morgen um 4 vor der Klinik?"

Ich nickte lächelnd.

"Bis morgen, Dascha"

Sie würde mir schon verfallen. Spätestens nächste Woche könnte sie nicht genug von mir bekommen.



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