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Noch immer geschockt stand ich vor dem weißen Krankenbett. Ich hatte gar nicht gemerkt wie ich angefangen hatte zu hyperventilieren und dicke Tränen meine Wangen herunter liefen. Hannibal hatte derweil schon den Alarmknopf betätigt und Mrs. Duckson wieder in ihr Bett gehoben.

"Ich sorge dafür, dass sie in die geschlossene Psychiatrie kommt", zischte er kaum hörbar hinter zusammengepressten Zähnen hervor. 

Sein Kiefer kaute angestrengt und auch seine Stirn warf wütende Falten.  Als er merkte, dass ich keine Reaktion zeigte, schien er langsam abzukühlen und näherte sich mir mit langsamen Schritten. Behutsam legte er mir eine Hand auf den Rücken. Ich wusste selbst nicht wie mir geschah, doch allein diese Geste nahm ich als Einladung mich völlig in seine Arme fallen zu lassen. Ich begann laut zu schluchzen und irgendetwas zu wimmern, dass ich ja nur helfen wollte und, dass ich sie ja verstand. Meine innere Gefühlswelt war innerhalb der letzten zwei Minuten wie ein Spielkartenhaus zusammen gebrochen.

Mehrere Krankenschwestern und Pfleger kamen in den Raum gehetzt. Hannibal wies sie an Mrs. Duckson in den psychiatrischen Trakt zu bringen und Doktor Chester von dem Vorfall zu berichten. Ungern ließ ich mich von Hannibals Umarmung lösen und wurde von Jack, einem der Pfleger, in den Aufenthaltsraum gebracht. Diesen wies Hannibal an mir einen Kaffee zu holen und erst einmal nicht von meiner Seite zu weichen. 

"Ich komme gleich nach", versprach er mir aufmunternd als er meinen ängstlichen Blick bemerkte und schon wurde ich von dem starken breitschultrigen Pfleger durch die Tür geschoben. 

"Komischer Mann, dieser neue Doktor", murmelte er geistesabwesend. 

Plötzlich war ich wieder hellwach. Jack und ich kannten uns jetzt zwei Jahre, also wirklich genau so lange wie ich schon in dem Krankenhaus arbeitete. Er hatte mir am Anfang immer mit den Patienten geholfen als ich noch neu war. Mit der Zeit war mir dann aber aufgefallen, dass er mir gegenüber immer etwas komisch war. Deshalb hatte ich seit ein paar Monaten eine Distanz zu ihm aufgebaut. 

"Du meinst Doktor Lecter?", fragte ich möglichst gleichgültig.

"Ja. Findest du nicht, dass er eine sehr eindringliche Art hat? Also so manchmal kommt mir der Mann echt ein bisschen unheimlich vor", murmelte er, "Ich meine welcher Arzt trägt denn immer eine Beruhigungsspritze bei sich? Du kannst mir doch nicht weismachen, dass er das alle aus Gewohnheit tun"

Dieser Satz machte mich stutzig. Irgendwo hatte Jack Recht. Außer natürlich Hannibal hatte schon einmal die Erfahrung gemacht Beruhigungsspritzen lieber immer parat zu haben. Ich versuchte diesem Aspekt daher nicht allzu große Beachtung zu schenken. Es musste bestimmt einen Grund dafür geben. 

Während wir so durch den langen Flur liefen und meine Schritte im ganzen Gebäude wieder hallten, schweiften meine Gedanken immer öfter zu Hannibal. Dieser Mann hatte wirklich etwas geheimnisvolles an sich. Seine ganze Art schien das auszustrahlen. Sogar sein Kleidungsstil: er trug immer perfekt geschnittene Hemden in penibel gebügelten Hosen. Noch nie war mir aufgefallen, dass irgendwo eine falsche Falte war geschweige denn irgendetwas nicht perfekt war. Sogar farblich war er mit seinen Klamotten auch perfekt abgestimmt. 

Ich musste an seine kurzen Erzählungen über seine Kindheit nachdenken. Irgendetwas musste doch bestimmt vorgefallen sein, wenn er in ein Heim musste? War er ein Einzelkind? Und lebte diese sagenumwobene Lady Murasaki noch? 

Der Pfleger wies mir einen Platz auf dem dunkelgrünen Sofa zu. Um diese Uhrzeit war der Aufenthaltsraum noch komplett leer. 

"Kaffee mit oder ohne Milch?", fragte er leicht lächelnd. 

"Mit Milch und Zucker", antwortete ich immer noch in Gedanken. 

Ich hörte seine sich entfernenden Schritte und ließ mich müde in die weichen Kissen der Couch sinken. Wie lange war ich heute schon wach? Erst ein paar Stunden? Ich schielte zu der weißen Uhr die an der gekachelten Wand hing. Es war schon fast zwölf dachte ich seufzend. Wieder näherten sich hallende Schritte dem Raum und jemand ließ sich sanft neben mir nieder. 

"Mrs. Duckson ist jetzt auf der Geschlossenen", flüsterte Hannibal mit seinen Lippen an mein Ohr. 

Ein kalter Schauer durchfuhr meinen Körper als seine Lippen noch kurz wie zufällig über mein Ohr und meine Wange strichen. Ich öffnete meine Augen und schaute direkt in seine braunen mit roten Sprenkeln umrahmten Augen. Er lächelte mich charmant an und hielt mir eine Tasse hin. 

"Trink", wies er mich schlicht an.

Ich nahm ihm dankend die Tasse ab und umfasste sie mit beiden Händen. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte sich eine Tasse Kaffee so gut angefühlt. Und irgendwie wunderte es mich auch nicht, dass er wusste, dass wie ich meinen Kaffee trank. Ich spürte Hannibals Hand auf meinem Knie, die wie zufällig darüber strich. 

"Doktor Chester meinte ich solle dich noch ein paar Tage psychologisch betreuen", erklärte er mir ruhig. 

Ich verschluckte mich fast an dem heißen Getränk. Psychologisch betreuen? War das denn wirklich nötig? Ich blickte Hannibal verstört an und begann wieder unruhig auf meinem Platz zu rutschen. 

"Ist das denn wirklich nötig?", fragte ich möglichst ruhig wirkend, "Ich meine, es war nur ein kleiner Zusammenbruch. Das... das ist doch völlig normal, oder?"

Ich hatte gar nicht bemerkt wie ich zum Ende hin immer höher und vielleicht auch hysterischer wurde. Hannibal strich mir beruhigend über die Schulter. Er schien mich mit jeder seiner Gesten beruhigen zu wollen. Gleichzeitig fühlte ich mich aber auch penibel analysiert von ihm.

"Es ist nur für kurze Zeit. Außerdem bin ich selbst Psychologe und wir können die Zeit einfach so nutzen wie bisher um uns näher kennen zu lernen. Es werden keine  Aufzeichnungen oder Notizen von mir angefertigt, Dascha", erklärte er sanft. 

Er lächelte mir aufmunternd zu. 

"Den Rest des Tages hast du frei. Doktor Chester hat schon James Bescheid gesagt, er fährt dich dann heim. Ich hätte dich gerne begleitet, Kleines, aber ich habe noch drei Operationen bekommen"

Wieder durchlief mich ein kalter Schauer bei dem Wort Kleines. Ich nickte einfach stumm. Ein freier Tag würde mich jetzt auch nicht umbringen. Er strich mir nochmals über die Wange und stand dann in einer geschmeidigen Bewegung auf. 

"Bis morgen, Kleines", verabschiedete er sich augenzwinkernd von mir. 

Hannibal ließ mich verdutzt und immer noch sprachlos in dem mir plötzlich so großen Aufenthaltsraum alleine. Als er durch die Tür trat, kam auch schon der Pfleger mit einer dampfenden Tasse vor sich tragend wieder. Kopfschüttelnd setzte er sich neben mich.

"Was findet ihr Frauen, denn alle an ihm?", fragte er mürrisch, "Es sieht ja echt so aus als wärt ihr nach seiner Ankunft alle hypnotisiert"

Da musste etwas Wahres dran sein dachte ich.



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