#12 Kuchen
Alec startete den Nachtlauf, es war zwei Uhr morgens. Es dauerte ungefähr fünfzehn Minuten bis die Tagesumsätze aus den einzelnen Abteilungen gebucht wurden. Anschließend druckte er die benötigten Listen für den kommenden Tag und verteilte sie in die Fächer der Buchhaltung, F&B und des Housekeepings. Für den Empfang wurde unter anderem auch immer eine Geburtstagsliste gedruckt. Alec traute seinen Augen nicht, als er sah, dass Magnus' Name auf der Liste stand, er hatte heute Geburtstag. Warum hatte er bei ihrem letzten Treffen nichts davon gesagt? Alec erinnerte sich, dass Magnus bei seinem ersten Aufenthalt sein Geburtsdatum auf dem Meldeschein eingetragen hatte, allerdings nicht das Geburtsjahr. Alec kannte folglich nicht Magnus' wahres Alter. Er schätzte ihn auf Ende zwanzig. Magnus würde erst heute Abend wieder im Hotel übernachten, aber Alec konnte nicht solange warten.
Es wäre vermutlich alles einfacher gewesen, wenn Alec seine Handynummer gehabt hätte. Folglich blieb ihm nichts anderes übrig, als Magnus' Architekturbüro im Internet zu googeln. Es war nur eine halbe Stunde vom Dumort entfernt. Allerdings konnte er auch nicht einfach so in Magnus' Büro auftauchen, oder? Vielleicht wollte der das gar nicht, er war ja schließlich nicht sein fester Freund. Was war er für Magnus Bane? Alec schüttelte verwirrt den Kopf, er wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Er beschloss nach seinem Feierabend noch schnell einkaufen zu gehen und Magnus eine Geburtstagstorte zu backen. Was schenkt man schließlich einem Kerl, mit dem man nicht zusammen ist, aber sich körperlich kaum näher sein könnte, bis auf...
Wie es wohl wäre mit Magnus zu schlafen? Wäre er sanft oder genauso dominant wie sonst? Kuchen Alec, der Kuchen, reiß dich zusammen! Welche Glasur sollte Alec überhaupt nehmen, was mochte Magnus? Vielleicht könnte er ihn füttern? Alec dachte an seine weichen, vollen Lippen, die er bisher nur auf seiner Haut hatte spüren dürfen. Beide waren schon so intim miteinander gewesen, aber Küssen war eine ganz andere Sache. Für Alec war ein Kuss viel emotionaler und intimer, Magnus schien es nicht anders zu gehen. Er hatte bisher auch keine Anstalten gemacht, den ersten Schritt zu tun. Vielleicht wäre heute ein guter Anlass, das zu ändern, dachte sich Alec.
Mit einem letzten Schwung vollendete Alec den Schriftzug auf Magnus' Torte. Er hatte sich für eine Limetten-Himbeertorte entschieden und hoffte, die richtige Wahl getroffen zu haben. Er hatte sich von Magdalena noch eine Tortenverpackung geben lassen, um den Kuchen sicher zu transportieren. Sie schmunzelte bei Alecs Antwort auf die Frage, für wen denn der besondere Kuchen sei. Alec errötete und erzählte ihr von Magnus und dass er ihn sehr mochte. "Er muss ja was ganz Besonderes sein, für mich hat noch nie jemand einen Kuchen gebacken." stellte sie lachend fest.
„Das ist er..." antwortete Alec gedankenverloren. Es war bereits elf Uhr Mittags und Alec war bereits seit über zwanzig Stunden auf den Beinen. Er stellte seinen Wecker auf 17.00 Uhr und gönnte sich seinen wohlverdienten Schönheitsschlaf.
Mit zitternden Händen betätigte Alec die Klingel mit der Aufschrift : 'Architekturbüro M. Bane'. Die Tür wurde unverzüglich geöffnet. Das Büro befand sich in der 5. Etage und Alec beschloss, den Fahrstuhl zu nehmen. Am Eingang empfing ihn eine gestresste Sekretärin. Auf ihrem Namensschild auf dem Tisch stand : Camille Belcourt. Sie hatte schwarze lange Haare und sehr blasse Haut, war aber trotzdem sehr attraktiv. Alec hatte ihr Headset zuerst nicht bemerkt und fürchtete schon, dass sie völlig übergeschnappt war und Selbstgespräche führte. Er räusperte sich kurz, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie schaute gar nicht erst hoch, sondern gab Alec nur mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er sich noch gedulden müsste. Diese Geste erinnerte ihn sehr an seinen Vater, dem er seit ihrem Streit erfolgreich aus dem Weg gegangen war. Alec war sehr froh, vorübergehend bei Jace unterzukommen. Bei der Wohnungssuche lief es eher schleppend. Es war einfach noch nicht das Richtige dabei gewesen, wenn er in den aktuellen Wohnungsanzeigen gesucht hatte. Jace machte gegenüber Alec aber auch deutlich, dass er ihn gern als Mitbewohner bei sich hatte. Isabelle dagegen vermisste ihren Bruder sehr. Ohne ihn fühlte sie sich sehr einsam in dem großen Haus. Beide sahen sich zwar ab und zu bei der Arbeit, aber das war nicht das Gleiche. Alec wusste derzeit überhaupt nicht, was in Izzys Leben los war und auch andersrum hatte sie nicht die geringste Ahnung.
Alec kam sich ziemlich albern vor, wie er da mit dem Kuchen im Eingangsbereich hilflos herumstand. Nach einer gefühlten Ewigkeit schenkte ihm die Sekretärin dann doch ihre Aufmerksamkeit. "Guten Tag, was kann ich für Sie tun?"
„Guten Tag, mein Name ist Alec, Alexander Lightwood, ist Mr. Bane vielleicht zu sprechen?"
"Haben Sie einen Termin?"
„Nein, habe ich nicht, ich wollte ihm nur kurz etwas vorbei bringen."
„Tut mir leid, Mr. Lightwood, aber Mr. Bane ist heute den ganzen Tag in wichtigen Meetings. Soll ich ihm etwas ausrichten?" Alec zögerte kurz und stellte die Tortenverpackung auf ihren Tisch. "Äh, ja, wenn sie ihm einfach das hier geben würden, es ist eine Torte und müsste kalt gestellt werden." Camille sah Alec verwirrt an, nahm dann aber die Torte kommentarlos entgegen. Alec bedankte sich verlegen und verließ das Gebäude. Er kam sich irgendwie dumm vor, Magnus an seinem Arbeitsplatz aufzusuchen und zu belästigen. Am Anfang hatte er das alles für eine tolle Idee gehalten, aber jetzt fand er es nur noch kitschig. Vermutlich würde Magnus den Kuchen gar nicht bekommen und die Sekretärin entweder alles allein aufessen oder die Torte wegwerfen. So dünn wie sie war, ging er vom Zweiten aus.
Frustriert schlenderte Alec durch die Stadt und hing seinen Gedanken nach. Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken. Auf dem Display stand 'Unbekannter Anrufer'.
Magnus versank förmlich im Chaos und sein Papierknöllchenberg hatte enorm an Größe gewonnen. Kein Entwurf schien ihn zufrieden zu stellen. Wie konnte er seinem Kunden Entwürfe vorlegen und verkaufen, wenn er selbst nicht davon überzeugt war? Irgendwie konnte er sich heute nicht konzentrieren. Er beschloss, sich noch einen Espresso zu gönnen, obwohl er bereits drei intus hatte. Normalerweise brachte ihm Camille seinen Kaffee, aber er musste sich dringend die Beine vertreten.
Camille schien ebenfalls in ihrem eigenen Chaos zu versinken, aber das war ihr Problem. Sie schaute erstaunt auf, als sie Magnus an der Kaffeestation sah. "Mr. Bane!" rief sie, "Ich hätte Ihnen doch ihren Kaffee gebracht?!" "Schon gut, ich glaube, Sie haben genug mit sich zu tun."
„Es wurde übrigens ein Kuchen für sie abgegeben." Magnus drehte sich verblüfft um. "Was für ein Kuchen?"
„Ich weiß nicht, ein junger Mann kam vorbei und wollte Ihnen den Kuchen überreichen, ich habe ihn aber abgewimmelt."
„Was für ein junger Mann?"
„Sein Name war Lightwood, glaube ich. Ja, Alexander Lightwood." Magnus fiel fast seine Espressotasse aus der Hand. "Alexander," murmelte er vor sich hin, in seinem Bauch machte sich ein kleines Kribbeln breit. "Mr. Bane, ist alles in Ordnung?"
„Wann?" kam es von Magnus eindringlich. "Wann was?"
„Wann war er hier, Camille?!"
„Vor ungefähr einer halben Stunde." stotterte sie hilflos.
„Verdammt, warum haben Sie mir nicht Bescheid gesagt?" Camille antwortete verblüfft: "Weil sie immer sagen, ich soll Sie nicht stören und niemanden zu Ihnen lassen, der keinen Termin hat."
„Dann erhalten Sie heute eine neue Anweisung: Mr. Lightwood darf jederzeit zu mir durchgestellt werden, er braucht keinen Termin!" fauchte Magnus. Camille nickte überfordert und reichte Magnus die Torte, die Alec für ihn gebacken hatte. Vorsichtig nahm er sie an sich und funkelte seine Sekretärin noch einmal wütend an. Dann verschwand er in sein Büro und knallte theatralisch die Tür zu. So kannte ihn Camille, aber sie wusste, tief im Inneren hatte er ein großes Herz, das allerdings noch erobert werden musste. Vielleicht war dieser geheimnisvolle junge Mann derjenige, der es für sich gewinnen würde?
Woher wusste Alexander, dass Magnus heute Geburtstag hatte? Niemand wusste davon, er hatte ihn in den letzten fünf Jahren nicht gefeiert. Es war für Magnus ein Tag wie jeder andere. Zudem gab es niemanden, der ihm wichtig genug war, um diesen Tag mit ihm zu feiern. Doch Alec hatte sich extra auf den Weg hierher gemacht und diese wundervolle Torte für ihn gebacken. Magnus' Blick wurde wässrig als er die Verpackung öffnete. In blauer Schrift stand dort : Happy Birthday Magnus und darunter Alecs Handynummer. Magnus brachte ein herzhaftes Lachen hervor, gleichzeitig liefen ihm auch einige Tränen über's Gesicht, er konnte sie nicht zurückhalten. Dieser Junge hatte sich bereits heimlich in Magnus' Herz geschlichen, das wusste er. Magnus atmete tief durch und wählte schließlich die Nummer. Wieso war er plötzlich so aufgeregt?
Alec betätigte unsicher die grüne Taste auf seinem Handy. "Hallo?"
„Selber Hallo, Alexander.", hauchte Magnus ins Telefon.
„Magnus, du hast den Kuchen bekommen." stellte Alec fest und gab sich Mühe, neutral zu klingen. Er kam sich noch immer schrecklich dumm vor. "Habe ich, leider zu spät. Bitte entschuldige, meine Sekretärin ist nicht gerade die Schnellste. Wie komme ich zu der Ehre, dass du den weiten Weg auf dich nimmst und mir eine Geburtstagstorte vorbei bringst?"
„Ich wollte dir eine Freude machen, wenn du schon an deinem Geburtstag arbeiten musst." "Nun, das ist dir auf jeden Fall gelungen. Wo bist du?"
„Noch in der Stadt, warum?"
„Ich brauche noch jemanden, der die Torte für mich anschneidet, außerdem schaffe ich die niemals allein. Möchtest du mir Gesellschaft leisten?" Alecs Herz machte einen Satz. Magnus wollte seinen Geburtstag mit ihm verbringen? "Gern, ich könnte in fünfzehn Minuten da sein, ich habe heute Abend allerdings Nachtdienst, deshalb kann ich nicht solange bleiben."
„Kein Problem und wenn es nur eine Minute wäre, sie wäre nicht verschwendet... bis gleich." Magnus legte auf. Was war das denn? Alec konnte keinen klaren Gedanken fassen. So emotional kannte er Magnus gar nicht. Grinsend machte sich Alec zurück auf den Weg zu Magnus' Büro. Er musste den Drang unterdrücken, zu rennen, so aufgeregt war er.
Völlig außer Atem kam Alec im Bürogebäude an, die letzten Meter war er doch gerannt. Dieses Mal begrüßte ihn die Sekretärin mit einem strahlendem Lächeln. "Mr. Lightwood, schön Sie wiederzusehen, Mr. Bane erwartet sie in seinem Büro. Wenn Sie mir bitte folgen würden?" Alec konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, Magnus hatte ihr bestimmt eine ordentliche Szene gemacht. So hatte er ihn schließlich auch kennengelernt. Camille führte Alec durch einen langen Gang mit schönen Illustrationen von berühmten Gebäuden. Alec blieb abrupt stehen, als Camille auf Magnus' Büro deutete. "So, da wären wir."
„Danke," brachte Alec nur stotternd hervor, wieso war er nur so aufgeregt? Er wartete bis die Sekretärin aus Alec's Blickfeld verschwand und klopfte an die Bürotür.
"Alexander." begrüßte ihn Magnus freudestrahlend, "komm' rein." Alec trat schüchtern ins Büro und schaute sich aufmerksam um. Magnus' Büro war riesig, es hatte sogar einen kleinen Kamin. Riesige Fenster mit Blick auf die Stadt, eine große Couch mit vielen Kissen, alles war sehr gemütlich eingerichtet. "Wow," brachte Alec nur hervor.
„Gefällt es dir?"
„Es ist wunderschön, es fehlt nur noch die Küche, dann könnte man hier wohnen."
„Die haben wir auch, am anderen Ende des Ganges. Wenn du mehr Zeit bei der Arbeit statt zu Hause verbringst, musst du dafür sorgen, dass du es wenigstens gemütlich hast." Etwas Trauriges lag in seiner Stimme, es war sicher hart, immer zwischen Heimat und Job zu pendeln. Ist alles okay?" fragte Magnus Alec besorgt, der ungewöhnlich lange geschwiegen hatte.
„Ja, alles bestens."
„Komm', ich will dir was zeigen," kam es von Magnus und er hielt Alec seine Hand hin. Dieser errötete sofort, nahm dann aber verlegen Magnus' Hand. Sie war so weich und warm, Alec hätte sie am liebsten nie wieder losgelassen. Magnus führte ihn zum größten Fenster des Büros, es war rundlich und zeigte die lichtdurchflutete Stadt. "Siehst du das große Gebäude mit der leuchtend roten Aufschrift?" Alec ließ seinen Blick über die Skyline schweifen und stoppte schließlich bei dem besagten Gebäude. "Das Dumort?" brachte Alec erstaunt hervor.
„Ja, so habe ich immer ein Auge auf dich." witzelte Magnus und zwinkerte Alec zu. Dieser errötete wieder schlagartig und biss sich auf die Unterlippe.
„Weißt du eigentlich, wie unglaublich süß es ist, dass du in meiner Gegenwart immer noch rot wirst?" Alec wusste nicht was er erwidern sollte, sein Blick huschte immer wieder abwechselnd zu Magnus' Lippen und seinen wunderschönen karamelfarbenen Augen.
"Komm' endlich her und küss mich." flüsterte Magnus. Mehr brauchte Alec nicht, er packte Magnus am Kragen und zog ihn zu sich. Kurz bevor sich ihre Lippen berührten hielt Alec inne und sah Magnus tief in die Augen. Er hatte so lange auf diesen Moment gewartet. Alec schloss sehnsüchtig die Augen und presste seine Lippen auf Magnus', dieser stimmte sanft mit ein. Ein kleiner elektrischer Impuls durchfuhr ihre Lippen. Magnus' Lippen waren so weich, seine Bewegungen voller Gefühl, keine Gier oder Hektik. Alec entkam ein genussvoller Seufzer und Magnus unterbrach kurz den Kuss um zu Grinsen. "Warum haben wir damit solange gewartet?" wisperte er an Alecs Lippen.
„Keine Ahnung." antwortete Alec verträumt und schnappte wieder nach Magnus' Lippen, er konnte nicht genug davon bekommen. Der Kuss wurde intensiver, Magnus zog sanft mit seinen Zähnen an Alecs Oberlippe. Alec zog sich kurz zurück. "Wie alt bist du eigentlich geworden?"
„Keine Sorge, ich bin schon volljährig," scherzte Magnus. "Na gut, achtundzwanzig, wenn du es unbedingt wissen willst." Damit hatte Alec gerechnet und es störte ihn nicht im geringsten. "Kannst du damit leben?"
„Damit kann ich sehr gut leben," antwortete Alec verschmitzt, krallte seine Hände in Magnus Hüfte und zog ihn noch näher heran. "Wie steht's mit dir? Muss ich mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen?" war nun Magnus' Frage.
„Das fragst du jetzt?"
„Besser spät als nie." Alec zögerte kurz.
„Einundzwanzig, ist das okay?"
„Mehr als okay und jetzt komm' wieder her." Damit überbrückte Magnus die letzten Zentimeter und verwickelte Alec wieder in einen leidenschaftlichen Kuss. Er streichelte sanft mit seiner Zunge über Alecs Oberlippe und bat um Einlass. Dieser gewährte ihm Zugang und begrüßte Magnus' heiße Zunge willig. Ihre Lippen verschmolzen ineinander, ihre Zungen tanzten einen zärtlichen Tanz und dieser Moment gehörte nur ihnen beiden. Der Raum war erfüllt von erregtem Stöhnen, genüsslichen Seufzern und keuchenden Atemgeräuschen. Nach einer gefühlten Ewigkeit löste sich Magnus von Alec. Er sah ihm verträumt in die Augen. Das hier war wohl das schönste Geburtstagsgeschenk. "Happy Birthday, Magnus." lächelte Alec. Dieser legte seine Hand an Alecs Wange. "Danke, Alexander. Hast du Lust auf was Süßes? Ich hätte da noch eine Torte, die nur darauf wartet, vernascht zu werden?" Alec lachte herzhaft. "Unbedingt."
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