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Langsam öffnete Ciel flatternd seine Augen. Er brauchte eine Weile, bis sich seine Pupillen an das Licht gewöhnt hatten. Verwirrt wollte sich der Apotheker aufrichten und sich umsehen, denn er war definitiv nicht in seinem Schlafzimmer, doch sein Körper verweigerte den Dienst. Starke Kopfschmerzen setzten ein und ebenfalls ging ein dumpfes Pochen von seinem linken Halsansatz aus. Langsam bewegte er seine Hand zu dem Ort des Schmerzes, nur um festzustellen, dass sich dort einige Lagen an Verband befand.
Was zur endlosen Wüste war nur Geschehen?!
„Ciel!", lenkte plötzlich eine weibliche Stimme seine Aufmerksamkeit auf sich. „Du bist endlich wach!", schrie sie schon fast und der Schneeleopard erkannte sofort, dass das nur Mira sein konnte. Zu schnell hatte er den Kopf in ihre Richtung gewandt und nun tanzten schwarze Punkte Samba vor seinen Augen.
„...", Ciel wollte Fluchen, fragen was passiert war und warum sie hier war, doch außer einem heißeren Krächzten verließ nichts seine trockene Kehle.
„Warte, warte! Immer mit der Ruhe! Das ist der Blutverlust. Warte, ich helfe dir!" Mira war an die Seite des Gestaltwandlers geeilt und half ihm sich aufzurichten. Anschließend hielt der rothaarige Engel ihm ein Glas Wasser unter die Nase. „Hier, dass wird dir und deiner Kehle guttun."
Ciel leerte das Getränk in einem Zug und drückte es dem Schattenengel gleich wieder in die Hand. „Noch... etwa...", krächzte er, wobei der Schneeleopard merkte, dass sich seine Kehle schon viel besser anfühlte.
Geschlagenen sieben Gläser Wasser später fühlte sich Ciel erheblich besser und langsam kamen seine Erinnerungen wieder zurück. Geschockt fasste sich der Apotheker erneut an den Verband. „Der Rastor... Er hat mein Blut getrunken... Die Apotheke!" Erst jetzt sah sich der Junge das erste Mal richtig um.
Er befand sich im Behandlungsraum. Doch anders als in seiner Erinnerung war alles sauber aufgeräumt. „Wie lange war ich weg?", fragte er deshalb verwundert und ließ seine hellgrünen Augen wieder zurück zu Mira gleiten.
Diese fasste sich unbehaglich an ihren Oberarm und sah zu Boden. „Drei Tage. Ich dachte schon, dass das Gift des Rastors dich ins Koma versetzt hat und du nicht mehr aufwachen würdest."
Ciel konnte ihr deutlich ansehen, dass sie sich große Sorgen um ihn gemacht hatte und um sich abzulenken, hatte der Engel vermutlich dann die Apotheke wieder auf Vordermann gebracht.
Doch etwas gab dem Gestaltwandler ein Rätsel auf: Der Grund weshalb er so lange geschlafen hatte, war, dass er wahrscheinlich sehr viel Blut verloren hatte. Doch wieso war er noch am Leben? Warum ist der Rastor das Risiko eingegangen ihn am Leben zu lassen? Schließlich hatte Ciel sein Gesicht gesehen. Zwar im Halbdunkeln, doch der Schneeleopard war sich sicher, dass er diese Visage überall wiedererkennen würde. Also warum hatte der Schwarzhaarige es nicht beendet? Warte...!
Geschockt glitt sein Blick zu der Frau mit den feuerroten Haaren. „Hast... hast du mich gerettet?!" Verzweifelt suchten seine Augen ihren Körper nach irgendwelchen Anzeichen einer Verletzung ab. Erst das leise Seufzen und eine warme Hand an seiner Schulter richteten Ciels Aufmerksamkeit wieder in das Gesicht von Mira. „Keine Sorge Ciel, mir geht's gut." Dem sanften Lächeln schenkte der Apotheker seinen Glauben und so entspannte sich der Verwundete wieder. Doch die Frage war immer noch unbeantwortet.
„Wer war es dann?", hackte der Braunhaarige deshalb noch einmal mit hochgezogener Augenbraue nach. Sein Gegenüber schien lange zu überlegen, ehe er sich mit einem seufzen auf das Bett neben ihm sinken ließ.
„Ok, aber hör mir bitte zuerst zu, bevor du aus zuckst." Mira konnte deutlich in dem Gesichtsausdruck ihres langjährigen Freundes erkennen, dass dieser nichts Gutes anhand ihrer Worte ahnte. Und vielleicht lag er damit auch nicht Falsch.
Immerhin war dieser Bastard einfach wieder verschwunden. Zum dritten Mal! Er hatte sie einfach mit einem bewusstlosen, pflegebedürftigen Ciel allein gelassen, der nach einem erwachen unzählige Fragen haben würde.
Wenn er noch einmal spurlos in so einer Situation verschwindet, werde ich ihn höchst persönlich in die endlose Wüste schicken. Dafür bräuchte ich nicht einmal die Hilfe von Köwar!
„Mira! Sag schon was passiert war, nachdem ich ohnmächtig geworden war!", fuhr Ciel sie leicht gereizt an, als sie immer noch schwieg. Zog jedoch sofort entschuldigend den Kopf ein, nachdem ihm bewusst wurde, wie er gerade mit seiner besten Freundin geredet hatte.
„... Vaith. Es war Vaith der dich gerettet hat. Ich weiß nicht alles, denn ich bin erst gekommen, als der Rastor schon weg war", erzählte sie nachdem sie sich noch einmal Gedanken dazu gemacht hatte, wie sie am besten anfangen sollte und nun konnte sie ziemlich gut erkennen, wie es in dem Kopf des Gestaltwandlers zu rattern anfing.
„Das heißt Vaith war hier?!", kam es schließlich ungläubig von dem jungen Apotheker. „Ist er oben?" Mira war bei seinen Worten aufgesprungen und hinderte ihn wortlos daran aufzustehen und nach dem Panther zu suchen. Während sie langsam den Kopf schüttelte, begegneten sich ihre Blicke. Mitfühlend musste sie mit ansehen wie aus diesen vor Freude funkelnden Augen langsam die Hoffnung und der Glanz verschwanden, als der Schneeleopard zu verstehen begann.
„Er ist also wieder abgehauen", murmelte Ciel gekränkt und sah auf seine Hände die in seinem Schoß lagen. „Mira, was habe ich nur getan, dass er immer verschwindet? Bin ich nicht genug für ihn? Ach, was mache ich mir hier eigentlich vor. Er hat sich als seinen Gefährten bestimmt jemand anderen vorgestellt. Immerhin ist er der Anführer der größten Bande. Ich bin sicher nutzlos für ihn..." „Hey Ciel! Red nicht so einen Scheiß! Natürlich, ist er ein Vollidiot, das steht außerfrage. Aber ich glaube, dass er dich ziemlich mag und wertschätzt und dass er dich einfach nur beschützen will. Wie du schon sagst ist er ein Anführer einer Räuberbande, da haben sicher viele es auf ihn abgesehen", versuchte der Schattenengel beschwichtigend auf den Jungen einzureden und nahm dabei missmutig Vaith in Schutz. Führsorglich zog sie ihn in eine kräftige Umarmung.
„Aber das ganze außerachtlassend, wehe du redest noch einmal davon, dass du nicht genug bist! Ich verbiete dir diesen Gedanken. Du hast schon so vielen geholfen, du bist ganz sicher nicht nutzlos. Du bist ein fröhlicher, liebenswürdiger und hilfsbereiter Gestaltwandler. Niemand der dich kennt und schon gar nicht ich, würden je so etwas behaupten. Wie kommst du nur auf solche Gedanken?!"
Ein leises schniefen ertönte an ihrer Schulter, ehe sich Ciel langsam aus der Umarmung löste und sich die glasigen Augen wegblinzelte. „Danke", hauchte er.
„Streck deine Hand aus", meinte Mira, als ihr plötzlich der kleine Gegenstand in ihrer Hosentasche und die letzten Worte dieses Vollidioten wieder eingefallen waren.
Perplex starrte der Schneeleopard seine Gegenüber kurz an, ehe er zögerlich ihr die Hand, mit der Handinnenfläche nach oben, entgegenstreckte.
Der rothaarige Engel legte einen goldenen Ring in diese und zuckte nur mit den Schultern bei dem fragenden Blick von Seitens des Apothekers. „Keine Ahnung was das ist. Das hat Vaith einfach so zurückgelassen."
Verwundert, aber auch neugierig, besah sich die weiße Raubkatze das Schmuckstück genauer. Er schien aus Gold gefertigt worden zu sein, hatte also einiges an Wert. Die obere Seite war zu einem abgerundeten Viereck verformt auf dem das Seitenprofil einer mit ihren Flügeln schlagenden Krähe abgebildet war. Quer durch diese Fläche zog sich eine Kerbe und bei genauerem Hinsehen konnte man erkennen, dass diese gewollt war.
„Ach ja und ich sollte dir noch etwas von diesem Trottel ausrichten. Zitat: Sag ihm, dass er sich Gagak getih merken soll. Er soll lernen diesen Namen, meinen Namen, zu benützen. Er wird ihn beschützen können. Genauso wie das hier... Zitat ende. Mit das hier, meint er vermutlich den Ring. Ich habe aber in den letzten drei Tagen nicht herausgefunden, was es mit dem Ganzen auf sich hat", meinte Mira etwas niedergeschlagen, denn sie hätte gerne mehr für Ciel tun wollen.
Gagak!
Damit konnte er etwas anfangen. Vaith hatte dieses Wort schon einmal in Verbindung mit Krim benützt.
„Aber ich", stieß der Apotheker aufgeregt aus. Endlich hatte er einen Anhaltspunkt. „Ich weiß jetzt endlich wo ich Anfangen kann nach ihm zu suchen!", erzählte er mit einem breiten Grinsen weiter, nachdem ihn der Engel nur perplex angestarrt hatte.
„Danke Mira, aber bitte halte mich jetzt nicht von meinem Vorhaben ab! Ich muss es einfach versuchen!" Mit diesen Worten war Ciel schneller aufgesprungen, als die Frau auch nur realisieren konnte. Kurz stolperte er, als schwarze Punkte kurzzeitig seine Sicht behinderten, fing sich jedoch gleich wieder und lief einen Stock höher. Dank seiner schnellen Regenerationsfähigkeit waren diese die einzigen Symptome nach einem großen Blutverlust, wenn er sich zu schnell bewegte. Doch dass würde sich auch im laufe des Tages noch legen.
Als der Apotheker in frischen Klamotten wieder im Erdgeschoss erschien, musste er feststellen, dass ihn seine Freundin skeptisch musterte, sich ihm aber nicht in den Weg stellte. Man sah ihr deutlich an, dass sie mit dem Ausgang des Gesprächs nicht zufrieden war und sie sich eigentlich etwas anderes erhofft hatte.
„Keine Sorge, ich muss nur kurz mit jemanden reden. Bin gleich wieder da", versicherte er dem Engel noch einmal, ehe er die Apotheke verließ.
„Ich weiß wirklich nicht, ob das so eine gute Idee ist", konnte er noch von Mira vernehmen.
Der Siegelring baumelte an einer dünnen Kette um seinen Hals. Ciel wusste zwar nicht wieso, aber er hatte den drang verspürt, den Ring dicht bei seinem Herzen zu tragen.
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„Krim!", scharf durchquerte Ciels Stimme den Raum, als er gerade noch so mitbekam, wie der Zentaur um die Ecke verschwunden war. Er wollte sich also wieder hinter seinem Lehrling verstecken, aber dieses Mal nicht mit ihm!
„Gagak handap!", rief er dem Hirsch noch nach und blieb außer Atem in der Mitte des Raumes stehen. Eine Weile war es Still in der Schneiderei, ehe die tiefe Stimme des Bärtigen aus dem hinteren Teil ertönte. „Komm."
Nun doch verunsichert kam er der Aufforderung des Zentauren nach. So weit so gut. Er hatte endlich die Aufmerksamkeit Krims. Doch jetzt?
Ciel hatte sich noch keine Gedanken darüber gemacht, was er jetzt tun sollte, denn er hatte nicht gedacht, dass sein Plan so leicht und auch so schnell aufging. Naja, er wird schon irgendwie das bekommen, nach dem er suchte.
Im hinteren Teil der Schneiderei, befanden sich viele Tische und Stühle, auf denen sich Stoffe, Leder und allerlei andere Gerätschaften und Dinge stapelten. Hier könnte er definitiv nicht arbeiten, es wäre ihm zu unordentlich.
Der Schneeleopard sah gerade noch wie Krim in ein durch hohe Kästen abgetrenntes Areal des großen Raumes ging und so folgte er dem Anderen einfach. Das Areal stellte sich als Büro heraus. Ciel blieb unschlüssig auf dem durchaus weichen Teppich stehen und sah den Zentauren, welcher hinter einem großen und massiven Schreibtisch platzgenommen hatte, ungeniert an.
„Also was willst du?", fragte er schließlich, nachdem der Halbmensch den Gestaltwandler ebenfalls eine Weile stumm gemustert hatte. „Ich frage gar nicht nach woher du dieses Wort kennst, aber wieso bist du damit zu mir gekommen?" Krims Stimme klang zwar ein wenig distanziert und herablassend, jedoch schwang auch deutlich die alte Freundlichkeit mit, die der Apotheker bereits kannte.
„Weil Vaith wieder einmal ohne ein Wort zu sagen verschwunden ist und ich hoffe, dass du mir jetzt endlich sagen kannst, wo er ist, damit ich ihm einmal ordentlich meine Meinung geigen kann!" Ciel war sauer, frustriert und auch enttäuscht.
Kurz war es wieder einmal Still im Raum. Wie die Raubkatze diese Stille mittlerweile hasste. Doch anscheinend war sie unter den Mitgliedern der Jäger sehr beliebt.
„Ich kann dir zwar leider nicht sagen wo sich Vaith im Moment aufhält, denn das weiß ich selber nicht. Doch ich weiß, wann und wo er sein wird."
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