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Ein stechender Schmerz, ausgehend von seinem Halsansatz, durchfuhr ihn überraschend und er konnte sich ein leises Zischen nicht verkneifen. Irritiert griff sich der Gestaltwandler an die Stelle, konnte jedoch nichts finden, dass den Schmerz erklären könnte. Nach einem fragenden Blick seitens des Zentauren, wurde ihm schlagartig klar, was hier gerade vor sich ging.

„Ich muss los! Da stimmt etwas nicht!" Mit diesen Worten war der Halbmensch schon aufgesprungen, hatte sich seinen schwarzen Mantel geschnappt und war gerade im begriff auf die leeren Straßen von Trabi zu treten, als ihn der Andere zurückhielt:

„Warte! Brauchst du Hilfe? Soll ich mitkommen?"

Kurz war es Still um die Beiden, ehe der Schwarzhaarige sich nun endgültig umdrehte.

„Nein, kümmre du dich lieber um die andere Angelegenheit Krim", rief der Andere bevor die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.



Als Vaith wenig später bei der Apotheke ankam, war das Erste, dass ihm ins Auge fiel, die sperrangelweit offenstehende Türe. Keinen weiteren Gedanken darauf verschwendend, betrat er die Filiale. Kaum hatte er einen Fuß in diese gesetzt strömte ihm schon ein starker Blutgeruch entgegen.

„Ciel!", rief der Schwarzhaarige erschrocken aus und sah sich besorgt in der finsteren Apotheke um. Wo war er?! War das Blut von ihm?

Ein leises Poltern aus dem Behandlungsraum zog seine Aufmerksamkeit dorthin und ohne zu zögern rannte er in den Raum. Abrupt blieb der Panther mitten im Zimmer stehen, als sich aus dem Schatten vor ihm zwei Gestalten lösten und in das spärliche Licht, welches von der Straße durch das Fenster in den Behandlungsraum fiel, traten.

Ciels schlaffer Körper wurde von zwei Armen umschlungen und eng an den Körper eines fremden Mannes gedrückt. Sein Kopf lehnte an der Schulter des Unbekannten, sodass seine linke Halsseite komplett ungeschützt dargeboten wurde. Blut quoll aus irgendeiner Wunde und tränkte das Hemd des Schneeleoparden mit roter Flüssigkeit.

Er war ohnmächtig, nicht Tod. Zumindest im Moment noch.

Blanker Zorn und Mordlust machten sich bei dieser Erkenntnis schlagartig in Vaith breit. Wie konnte dieser Rastor es nur wagen! Diese orangen schimmernden Augen, die ihn mit einem kalten Ausdruck hinter Ciel musterten, würde der Panther überall erkennen.

„Parzival Kzülyrt", knurrte der Anführer der roten Raben bedrohlich und ballte seine Hände zu Fäuste um nicht sofort auf seinen Gegner zu springen. Vielleicht hätte er Krim doch mitnehmen sollen. Unterstützung wäre auf keinen Fall schlecht gewesen.


„Gagak getih, was für eine Ehre dich hier anzutreffen", säuselte der Rastor mit einem überheblichen und blutigen Grinsen und deutete eine Verbeugung an. Er ließ sich nicht von der starken und furchteinflößenden Präsenz des Panthers beeinflussen. Er hatte keine Angst vor ihm und umgekehrt auch nicht.

Doch anlegen wollte er sich mit diesem Mann wiederum ebenfalls nicht. Schließlich hatte er mit dem Anführer der roten Raben schon einiges erlebt und kannte diesen dementsprechend gut. Ein fairer Kampf wäre zu viel Risiko, gerade wo er seine Wunden geschlossen hatte und dafür in seinen Fähigkeiten eingeschränkt war. Andererseits hielt er gerade in seinen Armen einen lebenden Blutbeutel und solange er dessen rotes Lebenselixier trank, würde jegliche Wunde in Sekunden heilen. Sein überhebliches Grinsen wurde noch breiter. Vielleicht war das Glück heute ja doch auf seiner Seite.

„Aber anderes Thema, was tust du hier? Du willst mir doch jetzt nicht erzählen, dass du plötzlich den guten Samariter spielst", scherzte der Schwarzhaarige und musterte den Gestaltwandler. „Oder..." Seine schwarzen Augen mit dem orangen Schimmer wanderten verblüfft von dem Panther zu dem Jungen in den Armen. „Oh man, sag mir jetzt nicht, dass ich von all diesen Bewohner, ausgerechnet den als mein Heilmittel auserwählt habe, an dem dir etwas liegt." Parzivals überhebliches Grinsen war augenblicklich aus seinem Gesicht verschwunden, als ihn diese Erkenntnis getroffen hatte.

Mit dem Panther war echt nicht zu spaßen, wenn es um Leute ging, die dem Schwarzhaarigen wichtig waren, dass hatte er selbst schon einige Male selbst miterleben dürfen.


Und die Reaktion von Vaith bewies dies einmal mehr. Jeder Muskel des Gestaltwandlers war bis zum äußersten angespannt, seine Aufmerksamkeit lag einzig und allein auf den Rastor und Ciel, bereit jeder Zeit zu reagieren. Gefasst auf alles.

„Richtig erfasst", seine Worte waren ein tiefes und kratziges Knurren, das erste Anzeichen, dass er von einer Verwandlung in sein Seelentier nicht mehr weit entfernt war. „Also lass den Jungen jetzt auf der Stelle runter. Such dir einen anderen Blutbeutel, mach meinetwegen was du willst. Aufgrund unserer Vergangenheit lass ich dich noch einmal unbeschadet ziehen, aber nur wenn du jetzt auf der Stelle aus meinen Augen verschwindest!", drohte Vaith mit kalter Stimme und starrte den Rastor sich gegenüber mahnend direkt in diese tiefschwarzen Augen mit dem orangenen Schimmer, welcher sich immer nur in der Nacht zeigte.

„Du bist weich geworden..."

„Nein, nur schlauer und erfahrener", entgegnete der Panther und ging ein paar Schritte auf den Mann zu und bleckte die mittlerweile spitzen Eckzähne.

„Na gut, ein Kampf zwischen uns beide wäre sowieso für keinen von uns gut ausgegangen." Nostalgie schwang ein wenig in seiner Stimme mit, ehe sich seine Lippen zu einem provokativen Lächeln verformte. „Na dann, lebe wohl Gagak getih, man sieht sich." Mit diesen Worten leckte der Rastor noch ein letztes Mal genüsslich über das mittlerweile halbgetrocknete Blut von dem ohnmächtigen Ciel und sah dabei Vaith lasziv in dessen Augen.

Noch im letzten Moment hatte sich Parzival vor dem haarscharf vorbeifliegenden Dolch geduckt, den Jungen in seinen Armen los gelassen und sich gleichzeitig in die kleine flauschige Fledermaus verwandelt. So schnell es ihm seine ledernen Flügel erlaubten, machte er sich auf den gleichen Weg aus dem Staub, wie er auch die Apotheke betreten hatte. Durch die Vordertür direkt an dem Panther vorbei.

Doch dieser kümmerte sich nicht weiter um den Rastor. Denn kaum hatte Parzival den Schneeleoparden losgelassen, war Vaith auf diesen zugestürmt und hatte ihn noch im letzten Moment aufgefangen.

Leblos hing der schlaffe Körper Ciels in seinen Armen. Nur das leichte Heben und Senken des Brustkorbes verriet, dass der Gestaltwandler noch am Leben war. Sanft strich der Schwarzhaarige dem Jüngeren ein paar Strähnen aus der Stirn. Im Schlaf wirkte er noch Schöner.

Warte! Andere Prioritäten! Ganz andere Prioritäten!

Seine Augen glitten weiter hinab zu der Wunde an dem Hals des Braunhaarigen. Skeptisch begutachtete er diese, doch konnte unter all dem halbgetrocknetem Blut und in dem schlechten Licht nicht wirklich viel erkennen.

Sanft legte der Panther seinen Gefährten deshalb auf das Mittlere der drei Betten und zündete ein paar Kerzen an, um dadurch den Raum zu erhellen. Erst jetzt bemerkte Vaith das volle Ausmaß an Verwüstung, welche Parzival angestellt hatte. Zum Glück für ihn, denn so fand er um einiges Leichter die Gegenstände die er benötigte.

Er verstand nicht viel von Medizin und Pharmazie, doch wie man eine Wunde versorgte, dass wusste er. Zumindest so viel, dass man nicht an ihr verreckte.

Mit einer Schüssel Wasser, einem Tuch, Watte und einem Verband bewaffnet kehrte der Anführer schließlich wieder zu Ciel zurück. Er setzte sich an die Bettkante, atmete noch einmal tief durch und begann anschließend vorsichtig das ganze Blut von dem Apotheker zu entfernen. Dabei achtete er sehr sorgsam darauf, die Kruste direkt auf der Wunde nicht zu entfernen. Immerhin sollte sie nicht wieder aufgehen. Der Gestaltwandler hatte schon genug Blut verloren.

Danach wickelte er die Watte mit Verband ein, sodass ein saugfähiges Patt entstand, sollte die Wunde doch wieder aufgehen. Dieses befestigte der Schwarzhaarige unbeholfen mit dem Verband, denn Vaith wusste nicht genau wie er diesen um Ciel wickeln sollte. Warum musste die Wunde auch ausgerechnet an so einer blöden Stelle liegen?!

Gerade als Vaith fertig war und den anderen Gestaltwandler hochheben wollte, um diesen in sein Bett einen Stock höher zu tragen, da stürmte ein feuerroter Engel in den Behandlungsraum. Sie brauchte etwas um sich einen Überblick von dem Szenario zu verschaffen.

„Um Paradies' Willen, was ist denn hier passiert!", stieß sie erschrocken aus, ehe ihre goldbraunen Augen ihren Weg zu dem Panther fanden. „Natürlich, wie kann es auch anders sein", zischte sie schnippisch, ehe ihr Blick auf Ciel landete. „Was...!" Augenblicklich stürmte sie auf den leblosen Apotheker und stieß dabei grob den Schwarzhaarigen zur Seite.

„Ein Rastor hatte ihn angegriffen, ich war nicht schnell genug hier vor Ort", obwohl es sich Vaith nicht anmerken lassen wollte, klang er niedergeschlagen. Er machte sich Vorwürfe, denn genau so etwas hatte er verhindern wollen.

Mira richtete sich seufzend auf, nachdem sie sich versichert hatte, dass Ciel ordentlich versorgt worden war. So schlecht hatte das dieser Stümper gar nicht gemacht, dass musste der Schattenengel schon zugeben. Doch nun besah sie Vaith mit einem gehässigen Blick. „Immer, wenn du auftauchst, bringst du Ciel nur Schmerz und Leid. Du kannst dir nicht vorstellen wie Schlimm das für Ciel ist, wenn du einfach ohne ein Wort verschwindest. Er wird langsam aber sicher daran zerbrechen! Und als seine beste Freundin kann und werde ich das nicht zulassen! Ich weiß zwar nicht wie das mit diesem gesamten Gefährtenbund zwischen euch zwei abläuft, aber du musst etwas ändern. Entweder verschwindest du komplett aus Ciels leben und nimmst all die Schwierigkeiten, den Kummer und das Leid mit dir, oder du bleibst an seiner Seite und beschütz ihn... Er braucht jemanden, der ihn vor all den Gefahren dort draußen beschützt, vor allem aber vor seiner Vergangenheit." Der letzte Satz war nicht mehr als ein Flüstern.

Es war eine Standpauke, welche der Anführer schon lange nicht mehr zu hören bekommen hatte. Doch Mira sprach die Wahrheit. Mit besorgtem Blick musterte er den ohnmächtigen Ciel. Was passiert wäre, wenn er nur ein paar Saris später gekommen wäre. Das möchte sich der Panther gar nicht erst ausmalen.

„Du hast Recht. Kümmere dich bitte um ihn und bitte sag ihm..."

„Ja klar, aber was ist jetzt deine Entscheidung?", überraschte drehte sich die Rothaarige um, nur um Leere vor zu finden.

„Dieser verfluchte Bastard! Also wählt er doch den einfachen Weg", seufzend sah sie den Schneeleoparden mitleidig an. Das würde nicht so einfach werden, dass dem Apotheker beizubringen.

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