~°~ 14 ~°~
Nur schwach konnte Ciel den schwarzen Panther in der Dunkelheit und durch das dichte Blätterdach ausmachen. Es war zwar sehr schwer zu erkennen, da die dunkle Raubkatze ein Meister darin war, es zu verbergen, doch dem geschulten Auge des Apothekers entging nicht, dass er seine linke Pfote nach dem letzten Angriff des Riesen vermehrt zu schonen versuchte. Er konnte es nicht genau erkennen, doch er glaubte im Mondschein Blut im Fell des Panthers zu entdecken.
Doch auch der Riese war mittlerweile beträchtlich in seinen Bewegungen eingeschränkt. Der Arm, bei dem die klaffende Wunde an der Schulter lag, hing kraftlos herunter. Ebenfalls war sein Rücken nach vermehrten Angriffen Blutüberströmt und sein Leinenhemd wurde nur noch von vereinzelten Stoffstücken zusammengehalten. Seine Unterschenkel hatten auch einiges abbekommen.
Verwirrt und panisch sah der Schneeleopard auf die Lichtung. Vaith war plötzlich verschwunden und er konnte ihn nicht mehr ausmachen. Was war passiert?! Ängstlich krallte sich die schneeweiße Raubkatze in die weiche Rinde der Birke, auf die er geklettert war um heimlich den Kampf zu verfolgen.
Ihn hatte einfach der Gedanke daran, nicht zu wissen was mit seinem Gefährten geschieht, keine Ruhe gelassen. Und deshalb war Ciel bereits nach einigen hundert Metern wieder umgekehrt und zurück zum Schauplatz des Kampfes geeilt.
Die Worte Vaiths im Hinterkopf immer wieder aufkommend, war er auf eine der wenigen Birken im Umkreis geklettert, um damit zumindest nicht ganz so sehr aus der Dunkelheit herauszustechen.
So versteckt hatte er nun den Großteil des Kampfes mitverfolgt. Doch kaum hatte er den ersten Angriff mit angesehen, war er in eine Art Starre verfallen und hatte sich nicht mehr wirklich bewegen können. Immer wieder tauchten Bruchstücke aus seiner Kindheit auf und ließen seinen Körper erzittern.
Es war wohl doch keine gute Idee gewesen hier her zurück zu kommen...
Dennoch konnte sich Ciel nicht dazu bewegen, wegzusehen oder gar die Situation zu verlassen. Sein Körper wollte sich einfach nicht bewegen. Zu sehr war er um das Wohlergehen des Panthers besorgt, auch wenn er wusste, dass der Anführer stark war. Er wollte den Ausgang dieses Kampfes einfach nicht so leicht dem Schicksal überlassen. Nicht wenn er noch irgendetwas dagegen unternehmen könnte. Auch, wenn dies in seinem jetzigen Zustand nicht sehr wahrscheinlich war.
Ein plötzliches Rascheln von Blättern irgendwo in der Nähe von ihm, ein lautes Fauchen und ein gleichzeitig schmerzerfülltes aber auch fluchendes Brüllen, ließen den Apotheker aus seiner Starre hochschrecken. Mit vor Schock geweiteten Augen suchte der Schneeleopard den Grund dieses Brüllen.
Nachdem er etwas weiter den Ast vorsichtig entlang gekrochen war, erhaschte er einen Blick auf den Riesen direkt unter ihm.
Vaith krallte sich auf den Kopf des Hybriden fest und versuchte auf die Augen seines Gegners zu zielen. Dieser hielt jedoch schützend seine großen Hände vor sein Gesicht und warf sich wild umher, in der Hoffnung den Panther so irgendwie von sich zu schleudern. Doch die Raubkatze blieb hartnäckig und malträtierte stattessen unnachgiebig seine Finger und ungeschützten Ohren.
Der Riese heulte wütend auf und gab seine rechte Gesichtshälfte frei. Der Gestaltwandler nutzte die überraschende Gelegenheit und zog ihm einmal die Krallen von unten nach oben übers ganze Gesicht. Doch weit kam er nicht, denn noch bevor er zu dem großen Knopfauge kam, wurde er plötzlich am Nackenfell gebackt und mit einem lautstarken Brüllen auf den Boden gedonnert.
Ciels Herzschlag setzte für einen Moment aus, als er das mit angesehen hatte. Fassungslos starrte er auf den reglosen Panther und versuchte eine Regung des Älteren ausmachen zu können. Es würde schon das leichte heben des Brustkorbs reichen. Hauptsache ein Lebenszeichen. Doch dafür war es einfach zu dunkel. Vaiths Konturen hoben sich nur sehr schwach von seiner Umgebung ab.
Erst als der Apotheker erleichtert ausatmete, nachdem sich die schwarze Raubkatze keuchend, leise fauchend und schwankend wieder aufgerappelt hatte, wurde Ciel bewusst, dass er die gesamte Zeit die Luft angehalten hatte.
Angespannt musterte er den Körper seines Gefährten. Denn dieser machte sich nicht mehr die Mühe, seine Schmerzen zu verstecken. Nun konnte der weiße Leopard deutlich erkennen, wie sehr die andere Raubkatze bereits von dem Kampf mitgenommen war. Und dieser war noch nicht entschieden. Ciel brauchte nicht zweimal hinzusehen um zu erkennen, dass der Panther mühen hatte, sich überhaupt noch zu Bewegen. Der letzte Aufprall war allem Anschein nach zu viel für seinen Körper gewesen, noch so ein Treffer und er würde ganz bestimmt nicht mehr aufstehen können.
Wie aus dem nichts drehte Vaith plötzlich seinen Kopf in seine Richtung und starrte ihm direkt in die Augen. Irritiert und überrascht, wich Ciel einige Schritte auf seinem Ast zurück und machte sich ertappt kleiner, unterbrach den Augenkontakt jedoch nicht.
Woher wusste Vaith wo er war?!
Pure Mordlust und kalte Entschlossenheit sprangen ihm regelrecht aus dem Lapislazuli blauen Augen entgegen und jagten dem Gestaltwandler einen kalten Schauer über den Rücken. Ciel musste schwer Schlucken, er hatte diesen Ausdruck erst zwei Mal in seinem Leben gesehen und es war nie etwas Gutes damit einher gegangen.
Ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit, als sich der Panther abwandte und wieder auf den Riesen zustürmte. Vaith hörte nicht auf die Hilfeschreie seines eigenen Körpers. Er blendete sie komplett aus. Eine Tatsache die verheerende folgen haben kann, den der Körper der schwarzen Raubkatze machte nicht mehr lange mit. Hoffentlich war sich das der Anführer der Jäger der Nacht selbst bewusst.
Denn dem Apotheker blieb nichts anderes übrig, als stillschweigend und versteckt auf dem Ast zu hocken und das Geschehen von außen zu beobachten. Der Hybrid sollte auf gar keinen Fall bemerken, dass hier noch jemand war. Das würde nur alles verkomplizieren.
Mit einem lauten Kriegsschrei donnerte die Axt gen Erde und blieb tief im Boden stecken. Vaith starrte währenddessen perplex die Waffe neben sich an, die ihn nur um Haaresbreite verfehlt hatte. Offenbar war er gerade nicht mit den Gedanken beim Kampf gewesen. Beunruhigend, wenn man wusste, dass der Panther nie unaufmerksam war und ihm nicht das kleinste Detail entging.
Plötzlich ging ein Rück durch den Körper der schwarzen Raubkatze und Ciel vermutete das ihm eine Strategie zum Sieg in den Sinn gekommen war. Denn keinen Augenblick später preschte er noch einmal auf seinen Gegner zu, tauchte unter seinem Arm unter und sprang an seiner Seite hinauf. Noch einmal vergrub er seine äußerst spitzen Krallen in die dicke Haut des Riesen.
Dieser fasst sich mit einem lauten Ausruf des Schmerzes an die Wunde und fegte mit der anderen Vaith wieder von sich. Dieses Mal konnte der Gestaltwandler etwas den Aufprall mindern, in dem er ziemlich wackelig auf seinen eigenen Pfoten landete.
Doch statt, wie bis jetzt üblich, einen erneuten Angriff zu starten, drehte sich der Panther um und verschwand leicht humpelnd im dichten Unterholz.
Der Zauberer zögerte keine Minute und rannte seiner Beute ebenfalls humpelnd hinterher. Immerhin war auf Vaith ein sehr hohes Kopfgeld ausgesetzt, dass würde sich keiner so schnell durch die Finger gleiten lassen. Noch dazu wo man deutlich erkennen konnte, dass die Beute schon ziemlich am Ende war.
Verwirrt, besorgt und mit Furcht hockte Ciel immer noch auf seinem Ast. Er wusste mittlerweile nicht mehr wie viel Zeit vergangen war, seit die zwei Kämpfenden die kleine Lichtung verlassen hatten. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren, dass einzige das der Apotheker wusste, war, dass Vaith bereits zu lange verschwunden war. Einmal hatte er wieder diese blauen Blitze zwischen den Bäumen aufflammen sehen und ein unnatürlich starker Wind war kurz aufgekommen, doch weiter war nichts geschehen. Die Sorge um den Panther ließ ihn noch verrückt werden.
Ein plötzliches Knacken und Rascheln im Unterholz ließen den Schneeleoparden aufschrecken. Da er leider im Wind saß, half selbst sein äußerst gut ausgeprägter Geruchsinn nicht um die Person zu erkennen, die gleich aus dem Dickicht heraustreten würde.
Angespannt und hoffnungsvoll hielt er seinen Atem an und fixierte mit seinen hellgrünen Augen die Stelle, an der der Besucher aus dem Wald und auf die Lichtung treten würde.
Erleichtert stieß der Jüngere einen Seufzer aus, als sich eine schwarze Raubkatze aus der Dunkelheit löste. Nach einigen Momenten des Wartens, versicherte sich Ciel, dass der Hybrid Vaith nicht mehr folgte. Mit einem leisen Aufschrei der Freude kletterte er in Rekord Geschwindigkeit den Stamm hinunter und raste auf Vaith zu.
Bei ihm angekommen rieb die Großkatze mit dem überaus flauschigen Fell seinen Kopf an den des Panthers und vergrub, befreit von den Sorgen, seine Nase in dem dunklen Fell seines Gefährten. Wäre Ciel in seiner menschlichen Form, so hätte er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Tränen in den Augen gehabt.
//Bist du schlimm verletzt? //, fragte der Kleinere besorgt. Wie zu erwarten, keine Antwort. Er wusste, dass Vaith einiges Einstecken musste, doch wegen des spärlichen Lichts des Halbmondes konnte er nicht viel erkennen. Noch dazu, wo die schwarze Raubkatze wieder einmal meisterhaft ihren Schmerz vor ihm verbarg und es ihm gegenüber auch nicht zugeben wird, dass er schlimm verletzt war. Doch nicht mit ihm! Ciel konnte er nicht mehr so leicht etwas vormachen und eine flüchtige Ausrede würde der Apotheker auch nicht mehr gelten lassen.
Wem wollte Vaith etwas vormachen? Glaubt er ernsthaft, dass wenn er auf stark und unberührt macht, dass sich der Jüngere weniger Sorgen macht? Manchmal konnte der berüchtigtste Räuber wirklich ein Narr sein.
Nachdem sich der Schneeleopard etwas von seiner Aufregung beruhigt hatte, trat er einen Schritt zurück um sein Gegenüber besser mustern zu können.
Das sonst so seidige Fell war von Blut und Schmutz verklebt. Doch leider konnte er nicht erkennen, ob es das seines Gefährten oder dessen Gegners war. Ebenfalls, so wie er die Pfote entlastete, musste er sich entweder seine Rippen, die Schulter oder die Pfote verstaucht oder gebrochen haben. Genaueres könnte er aber erst sagen, wenn er sich die Verletzung in seiner Apotheke angeschaut hatte.
//Du bist schwer verletzt! Wir sollten schnellstmöglich zurück zu meiner Apotheke. Kannst du selber laufen? //, gab er mit strenger Stimme von sich und sah den Panther fest in dessen dunkelblauen Augen. Lange herrschte Stille zwischen den Beiden, ehe der Größere nun das Wort erfasste.
//Warum bist du nicht, wie ich es dir gesagt habe, zu deiner Apotheke gelaufen?! Dir hätte sonst etwas passieren können! Was hättest du getan, wenn dich Râthaer entdeckt hätte?! // Vaiths Stimme klang zwar fest und klar, doch wenn man genau hingehört hatte, war ebenso Besorgnis und Schmerz aus ihr herauszuhören gewesen.
Der Schneeleopard schüttelte daraufhin nur energisch den Kopf: //Darüber diskutiere ich jetzt nicht mit dir! Wechsle nicht das Thema! Wir sollten jetzt, solange das Adrenalin noch durch deinen Körper gepumpt wird, so viel Weg wie möglich zurücklegen. Du kämpfst jetzt schon dich zu bewegen, wie wird das dann, wenn der volle Schmerz auf dich einwirkt. Und nein, ich dulde jetzt keine Wiederrede. Du bist zwar gut darin, dein körperliches Leiden vor anderen zu verbergen, aber mir kannst du nichts vormachen! //
//Du klingst schon fast wie Sahira. Aber keine Sorge, ich schaffe das schon. So ein kleiner Kampf nockt mich schon nicht so leicht aus //, murrte der Panther etwas abweisend und wie als würde er beweisen wollen, dass es ihm einigermaßen gut ging, schritt Vaith mit wachsam erhobenem Haupte voran. Doch irgendwie umhüllte den Panther eine bedrückte Aura, so als würde er etwas verheimlichen.
Der Schneeleopard wollte sich jetzt darüber jedoch nicht den Kopf zerbrechen. Das hatte noch Zeit. Erst einmal mussten sie von hier verschwinden. Resigniert mit dem Kopf schüttelnd folgte er seinem Gefährten. //Willst du dich an meiner Schulter anlehnen, sodass ich dich etwas stützen kann? //, fragte Ciel, als er zu dem anderen Gestaltwandler aufgeholt hatte.
Dieser schüttelte nur entschlossen seinen Kopf und lief unbeirrt weiter. Frustriert fauchte der Apotheker leise auf. //Was bist du nur für ein stolzer Sturkopf! //
Kein Kommentar
Auch gut
~~~~~~~
Mittlerweile waren sie schon ziemlich nahe an der Apotheke. Erstaunlicherweise waren sie schnell vorangekommen. Jedoch so wie Ciel es vorausgesagt hatte, hatte das Adrenalin schon nach kurzer Zeit seine schmerzhemmende Wirkung verloren. Zunächst hatte Vaith einfach die Zähne zusammengebissen und versucht den Schmerz auszublenden. Das hatte am Anfang gut geklappt, doch mit jedem Mal, bei dem er falsch mit seinem Fuß aufgetreten war, hatte sich der Schmerz durch seinen gesamten Köper gezogen und ihn leise auf zischen lassen.
Schließlich war Ciel an seine Seite geeilt und irgendwann hatte der Panther begonnen Stück für Stück etwas Gewicht an den Apotheker anzulehnen. Ganz konnte er sich war mit dieser Situation nicht anfreunden, doch ihm blieb nichts anderes übrig. Immerhin würde es spätestens bei Morgengrauen nur so vor Soldaten in diesem Wald wimmeln. Und das konnte er Ciel wahrlich nicht zumuten.
//Du bist wieder so angespannt //, murmelte der Schneeleopard nervös und sah sich ebenfalls unruhig um.
//Weil jetzt gerade nicht der Zeitpunkt ist, um unachtsam zu werden, nur weil man einen Gegner ausgeschaltet hat. Außerdem kann man Angewohnheiten nicht so einfach ablegen //, antwortete er ihm kurz angebunden.
Noch bevor die ersten Häuser in ihr Sichtfeld traten, blieb Vaith abrupt stehen. Verwirrt sah ihn sein Gefährte mit fragend schiefgelegtem Kopf an. // Was ist los? //
//Geh du vor. Ich bin gleich hinter dir. Ich will nur nicht, dass wir zusammen die Stadt betreten. Es könnte uns jemand sehen. //
Ciel nickte zögerlich. //Geht das? // Ganz überzeugt war er zwar nicht, doch er würde den Panther eh nicht mehr umstimmen können. Was das angeht, waren sie ziemlich gleich. Hatte sich einer etwas in den Kopf gesetzt, so war er nur schwer davon abzuhalten.
Nachdem der Ältere ihm zum Gefühlt hundertsten Mal versichert hatte, dass er das schaffen würde, blieb dem Apotheker nichts anderes übrig, als resigniert zu seufzen und sich ohne seinen Gefährten in die Stadt aufzumachen.
Vaith hatte schon recht. Das Risiko entdeckt zu werden und damit vermutlich sein Leben so wie er es bis jetzt kannte zu verlieren, war einfach zu groß.
Nachdem Ciel zwischen den Häusern verschwunden war, setzte sich die schwarze Raubkatze ebenfalls in Bewegung. Zähne knirschten als er sie vor Schmerz zusammenbiss.
Inständig hoffte der Panther nicht entdeckt zu werden. Noch ein Kampf würde kritisch werden. Denn Ciel hatte Recht damit, dass er ziemlich erledigt war. So viel hatte er schon lange nicht mehr einstecken müssen. Doch wer hatte es sich denn auch ausmalen können, dass sie ausgerechnet auf den Kopfgeldjäger, Râthaer der Rabenhenker treffen würden.
Vaith hoffte einfach inständig, dass er bei seinem Gefährten für die nächsten Tage untertauchen und in Ruhe wieder zu Kräften kommen könnte. Vielleicht würden sie sich beide auch etwas öffnen und sich besser kennenlernen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top