~°~ 11 ~°~
Schüchtern folgte Ciel Vaith den kleinen Hügel hinauf. Sie hatten noch eine Weile im Schlaflager der Krähen über alles Mögliche geredet, ehe der Schwarzhaarige gemeint hatte, dass er die Versammlung wieder aufgreifen müsste.
Die Krähen, so hatte es ihm der Panther erklärt, waren Wesen, die in der Bande hohe Positionen besetzten. In der Alten Sprache hießen sie gagak und so machte jetzt für Ciel einiges Sinn.
Während er also Vaith folgte, musterte er gedankenverloren den großen Baum mit dem roten Blätterdach, zu dem sie unterwegs waren.
Was passiert jetzt? Was erwartet Vaith von ihm? Das waren Fragen, die nun schon die gesamte Zeit durch seinen Kopf geisterten. Er hatte sich schon zwischen der Menge verloren gefühlt und dort hat man ihm nicht wirklich Beachtung geschenkt. Ihm wurden nur abfällige oder belustigte Blicke zugeworfen. Vermutlich Alltag für jedes neue Mitglied.
Doch nun würde die gesamte Aufmerksamkeit der hier versammelten Wesen auf ihm liegen. Denn wegen dem Fiasko von vorhin, war natürlich jeder Neugierig in welcher Beziehung der Schneeleopard zu ihrem Anführer stand. Wer verüb lichtete, dass den ihnen schon?
Trotzdem wollte Ciel nicht, dass er im Mittelpunkt stand. Eigentlich hatte er gehofft, Vaith allein anzutreffen und in Ruhe mit ihm reden zu können. Doch da hatte er wohl vieles nicht mit ein bedacht.
Während also der Panther auf den Rand des Hügels zuhielt, blieb der Apotheker unschlüssig in der Nähe des gewaltigen Stammes des Saruzerahoriz stehen. Stumm musterte er, wie sich wieder die Bande am Fuße des Hügels versammelte. Neugierig ließ der Schneeleopard seinen Blick über die Masse schweifen und bemerkte dabei gar nicht, wie Vaith in der Alten Sprache zu reden begonnen hatte. So viele verschiedene Wesen hatte er noch nie an einem Platz versammelt gesehen.
Da waren Rastoren, Elben, Feen und Elfen, Licht-, Schatten-, Dunkel- und Nebelengel, alle Arten von Zentauren, Dämonen, Zwerge und Menschen. Wobei bei Letzteren vermutlich nur ein kleiner Teil wirklich Menschen waren.
„Du gehörst also zu Vaith..."
Mit einem leisen Aufschrei, sackte sein Herz zum zweiten Mal des heutigen Tages tief in seine Hose. War er so in Gedanken versunken gewesen, dass er nicht einmal bemerkt hatte, wie sich ihm jemand genähert hatte?!
Starr vor Schock drehte sich Ciel langsam um, nur um hinter sich ein windfarbenes Kaltblut vorzufinden. Erleichtert atmete der Junge aus und entspannte sich bei dem Anblick eines halbwegs vertrauten Gesichts. Doch der streng musternde Blick des Zentauren gefiel dem Gestaltwandler überhaupt nicht.
„Ich hatte mir unter dem Gefährten meines Anführers, um ehrlich zu sein, jemanden anderen vorgestellt. Nun ja, Schicksal kann man sich nicht aussuchen", sprach das Kaltblut prompt und und ohne Scheu gerade heraus. Die Augen des Apothekers wurden bei diesen Worten ungläubig groß und hielten Muskeln seine Kinnlade nicht fest, wäre sie vermutlich mit einem dumpfen Aufprall zu Boden gefallen.
„W ... wa ... wo...woher?"
„Oh entschuldige, ich wollte nicht unhöflich klingen. Es ist nur so, dass man dir gleich Ansieht, dass du eigentlich nichts mit dem hier zu tun hast...", mit einer ausladenden Handbewegung deutete der Zentaur auf Vaith und die anderen Wesen am Fuße des Hügels. „Da du aber an den Spähern vorbeigekommen bist und einen goldenen Siegelring bei dir getragen hast, hatte ich mir bei unserem ersten Aufeinander treffen nicht viel gedacht."
Langsam nickte Ciel und besah sich das Schmuckstück um seine Hals genauer. „Was ist so besonders an ihm?", fragte er, nachdem er sich beruhigt hatte. „Und woher weißt du, dass ich Vaiths Gefährte bin?!", hackte er etwas skeptisch nach.
„Immer eine Frage nach der Anderen", lachte der Zentaur belustigt, ehe er etwas ernster fortfuhr: „Also das besondere an diesen Ringen ist, dass es nicht viele von seiner Sorte gibt und dass sie nur Führungspersonen der roten Raben besitzen. Hat man also einen solchen Siegelring, heißt das, man steht unter dem Schutz eines hohen Tieres der Bande. Man besitz also einen gewissen frei Brief. Übrigens ist Vaiths Siegelring der Einzige mit einer Kerbe im Symbol."
Fasziniert fuhr der Apotheker mit seinem Daumen die tiefe Kerbe im Ring nach. Die anfängliche Furcht vor dem Kolossal war mittlerweile verflogen, denn eigentlich wirkte der Zentaur ziemlich nett. Er hat nur eine ziemlich direkte Art und es ist gruselig wie unbemerkt er sich and einem ranschleichen konnte.
„Und woher hast du jetzt gewusst wer ich bin? Vaith hat immerhin nichts gesagt... oder?" Ciel musste unbedingt den Panther darum bitten, ihm so schnell wie möglich die Alte Sprache beizubringen, denn er war mittlerweile an einen Punkt angekommen, da nervte es ihm nur noch so unwissend zu sein.
Kurz schien der Halbmensch nicht zu verstehen, doch es dauerte nicht lange, bis ihm ein Licht aufging.
„Ah, nein. Vaith redet gerade nur über allgemeines. Und woher ich gewusst habe, dass du sein Gefährte bist? Nun ja, ich kenne Vaith jetzt schon etliche Jahre und er hatte noch nie einen so – verzeih meinen Ausdruck – naiven und unschuldigen Jungen auf eine so große und wichtige Versammlung mitgenommen. Doch der ausschlaggebendste Punkt war sein Ring bei dir und wie er reagiert hatte, als er dich vorhin in der Menge ausgemacht hatte." Ein wenig wirkte es so, als ob der Pferdezentaur nostalgisch in Erinnerungen hing.
„Ja... äh... also ja. Du hast Recht. Ich bin Ciel. Vaith und ich kennen uns noch nicht lange, darum ist das alles noch ziemlich neu für mich...", murmelte der Schneeleopard leise und sah etwas verlegen zu Boden.
„Das wird schon", sprach der Zentaur mit warmer Stimme und das erste Mal, seit Ciel die Lichtung betreten hatte, fühlte er sich nicht unwohl. Vielleicht würde er sich ja doch in die Bande einleben. Zumindest war der Gedanke nicht mehr allzu unrealistisch.
„Wer bist eigentlich du, wenn ich Fragen darf?"
„Oh entschuldige meine Unhöflichkeit, mein Name ist Sabris", stellte sich der Pferdezentaur erstmalig vor.
„Welche Rolle spielst du in der Bande? Du wirkst irgendwie nicht wie das normale Fußvolk", fragte der Apotheker nun mutiger und neugierig. Er hatte die Chance erkannt, mehr über die Jäger der Nacht zu erfahren und würde sie nun nutzen. Denn Ciel schätzte, dass Vaith ihm nicht viel über die Bande erzählen würde.
„Ich bin einer der Gagak piwûrûks", antwortete Sabris ohne weiteres und fing daraufhin einen leicht gereizten Blick von Ciel ein. „Ich kann die Alte Sprache nicht. Also kannst du es mir bitte so erklären, dass ich es auch verstehe?!" murrte der Schneeleopard leise. Dank dem Zentauren neben sich, fühlte sich der Gestaltwandler nun etwas sicherer in seiner Umgebung und war nicht mehr ganz so nervös. Eher im Gegenteil, er war ziemlich gespannt, was Sabris ihm über die Jäger der Nacht erzählen würde
„Oh, T'schuldige. Ist Angewohnheit. Also gut, ich bin ein Gagak piwûrûk. Übersetzt in die gemeine Sprache bedeutet das, beratende Krähe. Wir sind insgesamt neun die diese Bezeichnung tragen. Wobei unser Stellvertretender Anführer, Krim, einen anderen offiziellen Namen trägt. Gagak handap, die folgende Krähe. Wobei dieser Name so viel mehr bedeutet und deshalb passt diese Bezeichnung besser, als das Wort Stellvertreter aus der gemeinen Sprache. Krim ist momentan auf derselben Stufe der Hierarchie wie wir anderen Gagak piwûrûks. Das Einzige weshalb er eine andere Bezeichnung und somit etwas höhergestellt ist als wir, ist dass er Vaiths Position übernehmen und damit der nächste Anführer wird. Wenn wir schon dabei sind, Vaiths offiziellen Namen kennst du wahrscheinlich schon..."
Ein kurzes Nicken seitens Ciels: „Ja, Gagak getih. Doch ich weiß die Bedeutung davon leider nicht." Hoffnungsvoll sah der Apotheker Sabris an und dieser wusste genau was von ihm erwartet wurde. „Tut mit Leid, aber das solltest du Vaith besser selbst fragen." Die Enttäuschung stand dem Schneeleoparden sichtlich ins Gesicht geschrieben.
„Also weiter im Kontext...", versuchte der Zentaur Ciels Stimmung wieder zu heben. „Ich bin zwar ein Gagak piwûrûk, unterscheide mich aber Grundlegend von den anderen. Denn die anderen Sieben leiten jeweils die Bande in einem der anderen Königreiche..."
„Was bist du jetzt also?!" unterbrach ihn der Braunhaarige neugierig. Sabris schüttelte nur leicht belustigt den Kopf, ehe er fortfuhr: „Ich bin der Oberste Schmiedemeister bei den roten Raben. Eigentlich bin ich im Hauptlager sässig, wandere aber als freier Schmied durch ganz Prära und fertige gegen Geld Waffen an. Hauptsächlich aber für die Bande. Da ich sehr viel herumkomme, auch in die entlegensten Gebiete, sammle ich jedes Mal sehr viele und wertvolle Informationen."
„Also ist deine eigentliche Aufgabe Informationen zu sammeln und Schmied ist nur deine Deckung", schloss Ciel und ein leichtes Grinsen stahl sich auf die Lippen des Gestaltwandlers, als der Halbmensch zustimmend nickte. „Sehr gut kombiniert..." „Aber wahrscheinlich bist du auch mit Leib und Seele Krieger", fiel ihm der Kleinere ins Wort. Er konnte sich gut vorstellen, wie der große Zentaur sich ins Kampfgetümmel warf und dort mit seinem massigen Körper Eindruck hinterließ. Wieder überlief ihn ein Schauer. Nicht an Waffen denken!
„Oh und wie das zutrifft." Sabris bemerkt, dass Ciel es zwar gut überspielen konnte, doch es war eindeutig, dass sich der Gefährte seines Anführers nicht wohl bei diesem Thema fühlte. Aus diesem Grund wechselte der Zentaur nach einem musternden Blick gekonnt das Thema: „Ich glaube zu dir würde das ebenfalls passen. Das Informationen sammeln."
Der Schneeleopard nickte langsam. „Ja, ich besitze eine Apotheke, da kommen tagtäglich die verschiedensten Wesen vorbei und während ich sie behandle reden sie über alles Mögliche. Also ja, an Informationen mangelt es mir nicht."
Er verabscheute immer noch Gewalt und Brutalität, aber wenn er dazu beitragen konnte, dass es wenigstens die richtigen Wesen traf, dann würde er Vaith gerne helfen. Und wenn er so mit den richtigen Leuten oder Mitgliedern der Jäger verkehrte und tief grub, ja vielleicht fand er dann etwas über den Mord seiner Familie heraus. Das war es ihm schon wert.
Ein plötzlicher Gedankenstoß ließ Ciel wieder zu dem Pferdezentauren Aufsehen. „Wer ist die neunte Person? Du sprachst von neun Gagak piwûrûks. Sieben sind in den Königreichen verteilt, du wanderst umher. Aber wer ist der Neunte?", Neugierde funkelte in den hellblauen Augen mit dem kleinen Pigmentfleck im linken.
„Ah du meinst Sahira. Sie ist unsere Oberste Ramarik. Sie hat das beste Heiler Wissen in der gesamten Bande und durch ihre Magie, kann sie fast jeden heilen. Sie lebt mit ihrem Team im Hauptlager. Ein Glück das Krim in seiner Truppe ebenfalls gute Ramariks hat, ansonsten würde ich bei diesem Raubzug nicht mitmachen," erklärte Sabris und kratzte sich leicht verlegen am Hinterkopf. „Warum?" hackte Ciel nun noch interessierter nach.
„Wenn du sie kennenlernst wirst du es wissen, denn sie ist der Teufel in Person. Sie ist die reinste Sklaventreiberin, nicht einmal Vaith kommt gegen sie an." Es klang fast so, als habe der Zentaur Angst vor dieser Sahira. Sein Mund verzog sich zu einem sadistischen Grinsen, als sich der Apotheker vorstellte, wie Vaith vollbeladen mit allem möglichem Zeug durch einen Raum gescheucht wurde. Ja, er musste unbedingt diese Frau kennenlernen, denn er würde in vielerlei Hinsichten viel von ihr lernen können.
„Ahm entschuldige, wenn ich Frage, aber Vaith würde mir diese Frage vermutlich nie beantworten", erhob Ciel nun doch wieder schüchtern die Stimme. „Du hast vorher erwähnt, dass Vaith noch nie jemanden wie mich mitgenommen hatte. Heißt das, er hatte schon andere... nun ja... Partner... vor mir gehabt?" Schamesröte schoss dem Apotheker ins Gesicht und er vermied bewusst den Augenkontakt mit Sabris.
Ein raues Lachen ertönte aus der Kehle des Zentauren, doch es klang keinesfalls höhnend. „Diese Frage beantworte ich dir nur allzu gut. Doch bitte erzähl Vaith davon nichts. Ansonsten bin ich vermutlich schneller als mir lieb ist einen Kopf kürzer." Sanft klopfte er dem Schneeleoparden mit einem Schmunzeln auf die Schulter und Ciel musste bei seinen Worten ebenfalls leise lachen.
„Also so weit ich weiß, hatte Vaith drei Liebesaffären vor dir. Wobei ich von der Ersten nur weiß, dass dieser ein Elbe namens Tulip war und dass dieser in derselben Einheit von Vaith war, als dieser noch keinen besonderen Rang besaß. Risé war ein Dunkelengel und gehörte den Ramariks im Hauptlager an. Sie war wunderschön und jeder beneidete Vaith um sie..."
„War?"
„Ja, Sie ist vor einigen Jahren bei einem Raubzug ums Leben gekommen"
„Mein Beileid" Ciel hatte das Gefühl, dass Sabris dieser Risé enger gestanden hatte, als dieser zugeben möchte.
„Danke, aber halb so wild. Vergangenheit ist Vergangenheit. Nun der letzte im Bunde war Parzival Kzülyrt. Vielleicht kennst du ihn ja. Er ist ein bekannter Schwerverbrecher hier in Ramura."
Der Apotheker musste bei diesen Namen schwer Schlucken. Natürlich kannte er diesen Namen. Wer nicht? Und mit so einem Wesen hatte Vaith verkehrt?! Obwohl... Vaith war ja auch nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt. Immerhin war er schließlich der Anführer der größten Bande. Doch mit diesem Thema wollte sich der Schneeleopard nicht auseinandersetzen. Zumindest noch nicht. Doch irgendwann schon. Denn er musste, wenn auch widerwillig, zugeben, dass er ziemlich neugierig war, welche von den vielen Geschichten um den schwarzen Panther nun Wahr waren und welche nicht.
„So viel ich weiß, hatte ihre Affäre am längsten gehalten und Vaith kannte ihn schon vor seinem Beitritt in die Bande, aus der Zeit in der er auf der Straße gelebt hatte", endete Sabris seinen kleinen Vortrag.
„Das ist eine ziemlich lange Zeit...", murmelte Ciel leise vor sich hin und sein Blick war dabei zu Vaith geschweift. Könnte er mit ihnen Mithalten?
Stopp! Denk nicht einmal daran, dich mit irgendwelchen dahergelaufenen Wesen zu vergleichen! Du bist sein Gefährte!
Verstohlen sah er bei diesen Gedanken zu Vaith. Plötzlich trafen sich ihre Blicke und ein winziges Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Panthers. Kleine Schmetterlinge breiteten ihre zarten Flügel im Bauch von Ciel aus.
Ja, sie waren Gefährten.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top