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"Ciel?!", überrascht und ehrfurchtsvoll blickte der Angesprochene zu Vaith hinauf. Er wusste nicht ganz wieso, aber einerseits hatte er Angst was nun geschehen wird, andererseits verspürte er auch so etwas wie Freude. Freude, dass der Panther ihn entdeckt hatte.

Die vielen stechenden Augenpaare, welche auf ihn gerichtet waren, brachten den Apotheker wieder auf den Boden der Tatsachen. Und zwar, dass er inmitten einer großen Gruppe von Räubern stand, die ihm alle Fremd waren und deren Anführer ihn gerade angesprochen hatte. Die Meute war etwas zur Seite getreten und hatten somit einen keinen Kreis um den Gestaltwandler gebildet. Er konnte zwar ihre Worte nicht verstehen, doch der Halbmensch wusste, dass das leise Gemurmel über ihn war.

Vor Scham und Angst zog Ciel seinen Kopf etwas ein und duckte sich ein wenig. Bitte tut sich jetzt ein Loch unter mir auf und verschlingt mich. Seine Augen waren stur auf den Boden gerichtet, nur hin und wieder huschten sie verstohlen zu Vaith hinauf.


Doch auch der Schwarzhaarige wirkte überrumpelt und etwas überfordert mit der Situation. Er hatte wohl nicht mit dem Besuch des Schneeleoparden gerechnet. Erst nachdem der Anführer bemerkt hatte, dass sich Ciel sichtlich unwohl in der Menge fühlte und dieser auch keine Anstalten machte, sich selbst aus der Situation zu befreien, erhob Vaith erneut seine Stimme: „Pa rehirunz solbe turbakir fiost. Vil nûgar balstal mivû mifas arab. Ra nûle sawati, mal vil bilôr traiste!" Mit einem auffordernden, aber auch leicht finsteren Blick, ließ er seine Augen einmal über die hier versammelten Wesen gleiten. Diese nickten nur kurz und stoben erst einmal wieder auseinander.

Aufgebracht und auch leicht wütend drehte sich Vaith zu den fünf Gestalten hinter sich um und funkelte dabei den ganz linksstehenden böse an. „Das wird noch ein Nachspiel geben! Was bildest du dir ein, dich in meine privaten Angelegenheiten einzumischen!", fauchte der Schwarzhaarige und ohne auf ein weiteres Wort zu warten drehte sich der Panther auf dem Absatz um und stampfte den kleinen grasbewachsenen Hügel hinunter.

Krim zuckte nur, mit einem ziemlich breiten Grinsen, mit seinen Schultern, bei den fragenden Blicken der anderen Krähen. „Ihr werdet die ganze Geschichte schon noch erfahren", gab er schließlich seinen Untergebenen lachend eine Antwort. „Aber wenn ich jetzt noch mehr plaudere bin ich schneller, als ich gagak maot sagen könnte, einen Kopf kürzer.


Mit einem kurzen Handzeichen bedeutete Vaith ihm zu folgen und ohne dies zu hinterfragen, trottete der Schneeleopard dem Schwarzhaarigen wie ein braves Lämpchen hinterher. Dabei machte sich ein mulmiges Gefühl in ihn breit, während er den breiten Rücken seines Vordermannes musterte.

Er schwieg – was für ein Wunder

Anders als sonst, trug der Panther heute nicht seinen abgenutzten schwarzen Ledermantel, sondern ein schlichtes Leinenhemd, jedoch in der gleichen Farbe. Ebenfalls waren dieses Mal nicht all seine Haare in einen Dutt nach oben gebunden, sondern nur ein paar und so viel ein Großteil seiner pechschwarzen Mähne in sanften Wellen etwas über seine Schultern. Dieser Look verlieh dem beinahe ausdruckslosen Gestaltwandler ein ganz anderes auftreten.

Doch es gefiel Ciel, es schenkte ihm in gewisser Weise etwas Kraft. Auch wenn er nicht genau wusste wieso.

„Was tust du hier?! Das hier ist kein Ort für dich", waren die ersten Worte die der dunkel gekleidete Mann zu seinem Gefährten sagte, nachdem dieser bei einem kleinen Lager auf der anderen Seite des Hügels zum Stehen gekommen war und sich zu dem Apotheker umgedreht hatte.

Eigentlich hatte es sich ja Ciel fest vorgenommen, dem Panther alles auf einmal an den Kopf zu werfen. Einfach all seine Emotionen, Gefühle und Gedanken loswerden und sich dabei nicht unterbrechen zu lassen. Und diese Aussage bekräftigte seine Gedanken noch mehr.

Wie konnte es hier gefährlicher sein, als bei ihm zu Hause. Schließlich hatte ihn dort vor nicht allzu langer Zeit ein gewisser Rastor angegriffen. Und hier war immerhin Vaith. Er würde ihn doch beschützen. Oder nicht?

Doch dieser unerwartete kurze Weg in vollkommendem Schweigen, hatte sein komplettes Konzept über den Haufen geworfen.

Zweifel und auch Wut spiegelten sich in seinen Augen wieder und Ciel musste sehr mit sich zu kämpfen, nicht einfach aufzugeben, sich umzudrehen und zu verschwinden. Er hatte sich dieses aufeinander treffen ganz anders vorgestellt und es überforderte ihn einfach zu vieles.

Denn kaum befand sich Vaith in unmittelbarer Nähe, war sein Kopf wie leergefegt. Er hatte nur noch das Bedürfnis, alles zu vergessen und zu verzeihen, darauf zu vertrauen, dass der Panther schon alles Regeln würde und sich einfach in diese starke Arme zu begeben.

Anscheinend war es sein Körper und seine Seele leid, ständig von deren Seelenverwandten getrennt zu sein.

Scheiß drauf!

Stolpernd lief Ciel auf den Schwarzhaarigen zu und ohne lange Nachzudenken oder auch nur auf seinem Gegenüber zu achten, holte der Schneeleopard einmal weit mit seinem Arm aus. Mit einem lauten Klatschen landete seine flache Hand auf der Haut des anderen Gestaltwandlers und erteilte diesem somit eine Backpfeife die sich gewaschen hatte.

Noch bevor Vaith darauf reagieren konnte, warf sich der Braunhaarige in die Arme des Panthers und drückte sich fest an ihn. Tief zog er mit geschlossenen Augen den Geruch von verregnetem Wald, altem Leder und Blut in die Nase.

Ängste, dass der Größere ihn von sich stoßen könnte, ließen den Apotheker seine pochenden Finger in das schwarze Leinenhemd krallen. Zögernd legten sich zwei starke Arme um den Gestaltwandler und zogen ihn noch etwas fester an den Anderen heran.

„Danke, dass du mich gerettet hast", murmelte der Jüngere leise an die breite Brust des Schwarzhaarigen und eine einzelne Träne stahl sich aus seinem linken Auge. Schnell wischte er sich diese an seiner Schulter weg und sammelte noch einmal all seinen Mut zusammen, ehe er sich langsam aus der Umarmung löste.

Perplex und Irritiert von dem plötzlichen Stimmungswechsel der weißen Raubkatze, rieb sich Vaith die leicht pochende Wange. Erst jetzt fiel sein Blick auf seinen Siegelring um den Hals des anderen Gestaltwandlers. „Wie ich sehe, hat Mira meine Nachricht überbracht", meinte er monoton und deutete mit einem kleinen Nicken auf das goldene Schmuckstück.

Augenblicklich schoss Ciels Hand zu dem Ring und umfasste diesen. Während der Schneeleopard bejahend nickte, ließ sich der Panther seufzend auf einen der Baumstämme rund um ein kleines Lagerfeuer nieder und bedeutete dem Braunhaarigen mit einem Nicken, dass sich dieser ebenfalls setzen konnte.

Stille

Der Apotheker spielte nervös mit seinen Fingern und schien darauf zu warten, dass Vaith anfing zu reden. Und dieser suchte noch nach den passenden Worten.

„Warum bist du hergekommen? Du musst doch die Geschichten rund um mich und meiner Bande kennen?", sprach der Anführer der Räuberbande schließlich. Ciel war sich nicht sicher, doch er meine, etwas wie Traurigkeit heraus gehört zu haben.

Unsicher sah er auf und musterte seinen Gegenüber. Überraschend stellte er fest, obwohl der Panther immer noch diesen starken und unantastbaren Präsenz ausstrahlte, dass er doch auch etwas verunsichert wirkte.

„Ja, ich kenne sie. Und ich weiß auch nicht, woher ich diesen Mut genommen habe und hergekommen bin. Um ehrlich zu sein, habe ich eine Heiden Angst vor den ganzen Wesen dort drüben. Und ohne deinen Siegelring, wüsste ich nicht, was passiert wäre, als ich auf diesen Elben und den Pferdezentauren getroffen bin... Aber wir müssen reden. Und da du dich vermutlich erst wieder in ein – zwei Monaten bei mir blicken lassen würdest, habe ich mich entschlossen, dass selbst in die Hand zu nehmen!"

Ertappt sah Vaith zu Boden und der Schneeleopard, fasste dies so auf, dass er weiterreden sollte: „Warum bist du immer verschwunden? Hat es etwas mit mir zu tun...? Ich meine, du hast dir unter deinem Gefährten sicher etwas anderes vorgestellt, immerhin bist du ein berühmt berüchtigter Räuber. Aber wenn du nichts von mir willst, warum hast du mir dann erzählt, dass wir Gefährten sind? Oder warum hast du mir erzählt wer du bist und hast mich vor dem Rastor gerettet? Spielst du einfach nur mit mir? Bin ich ein Zeitvertreib für d...?"

„Ciel!", scharf unterbrach ihn die tiefe Stimme des Panthers direkt vor ihm. Verwundert und mit hysterisch weit aufgerissenen Augen blickte Ciel von seinen Händen auf. Der Gestaltwandler hockte vor ihm und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.

Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, blickten ihm aus diesem sonst so gefassten und beherrschten Gesicht zwei warme Augen entgegen. Ebenfalls erkannte Ciel Reue in ihnen.

Langsam beruhigte sich der Schneeleopard, während er sich in diesen Lapislazuli blauen Augen verlor. Er hatte gar nicht gemerkt, dass sich eine Träne auf seine Wange verirrt hatte, erst als Vaith sie sanft mit dem Daumen wegstrich.

„Nein." Seine Stimme war sanft und leise. Langsam schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf und sah dabei seinen Gefährten mit festem Blick an, so als würde er seine Aussage unterstreichen. „Ich habe nie mit dir gespeilt und werde es auch nie. Wie kommst du nur auf so einen Scheiß?! Ich habe mich aus einem einzigen Grund von dir ferngehalten. Und zwar, weil es an meiner Seite gefährlich ist. Ich wollte nie, dass du in Kontakt mit der Bande kommst. Du solltest dein normales Leben weiterführen können. Dass wissen, dass der Anführer der Roten Raben dein Gefährte ist, ist eh schon eine schwere Last, die du zu tragen hast. Außerdem brauchte ich Zeit, um herauszufinden, ob das mit uns überhaupt funktionieren konnte. Ich wollte dir keine voreiligen Hoffnungen machen. Doch anscheinend, hast du das alles falsch verstanden... Es tut mir leid", versuchte der Panther seine Taten rechtzufertigen.

Du hättest reden können, schoss es trocken durch Ciels Kopf, doch er sagte nichts. Zu sehr hatte er mit einem bevorstehenden Tränenausbruch zu kämpfen. Es überforderte ihn gerade alles. Am liebsten würde er sich jetzt einfach unter seiner Bettdecke verkriechen.

Er würde gerade nur allzu gerne mit „Ich kann selbst auf mich aufpassen" kontern, doch der Schneeleopard wusste nur zu gut, dass der Schwarzhaarige, dann die Ist-das-dein-Ernst Blick Karte ausspielen würde. Und dem hätte die Raubkatze nichts entgegenzusetzen, da es ja auch wahr war. Er konnte nicht wirklich Kämpfen und bei dem Anblick von Waffen, bekam er meistens eine Panikattacke.

„Das heißt, du möchtest den Gefährten Bund mit mir immer noch eingehen?", fragte Ciel vorsichtig. Ein leichtes, bestätigendes Nicken von Seitens der schwarzen Großkatze folgte als Antwort. „Ja, ich hatte mir zwar nie erträumt meinen Gefährten je zu finden, doch ich würde alles für dich tun. Außer meine Bande zu verlassen. Du musst verstehen, sie ist wie eine große Familie für mich. Sie zählen auf mich und ich kann sie nicht im Stich lassen. Gerade jetzt, wo es die Königreiche vereint auf uns abgesehen haben. Sie brauchen mich."

„Ich verstehe das und ich hätte das auch nie von dir verlangt. Wir kommen einfach aus zwei komplett verschiedenen Welten. Doch auch wenn wir uns noch nicht wirklich kennen, möchte ich, dass das hier irgendwie funktioniert. Ich habe das Gefühl, dass ich noch eine Trennung von dir, mental nicht überlebe... Bitte komm nach der Versammlung mit zu mir. Gemeinsam werden wir schon einen Weg finden!", der Schneeleopard klang zuversichtlich und hoffnungsvoll. Irgendwie werden sie es schon schaffen, ihre beiden Leben zu vereinen. 

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