3. Zug

Die Würfel sind zur Ruhe gekommen und zeigen mir:

Balearen - hochverdient - Kutikula - Jemandem/Etwas eine Sache zum Opfer bringen

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Die Sonne stand über den Ahornbäumen, und malte verspielte Schatten auf das Kopfsteinpflaster der Fußgängerzone. Kaithlyn betrachtete ein kleines Mädchen, welches am Hand ihrer Mutter lief. Freudestrahlend hüpfte es zwischen den Schatten herum.
Kaith selbst war nur mit ihrem Vater aufgewachsen, und sie war nie dermaßen fröhlich draußen herumgehüpft. Ihre Mutter hatte Dad und sie vor fast zehn Jahren verlassen, und wohnte jetzt mit einem reichen Schnösel irgendwo auf den Balearen.

"Kaith! Haaaalloooo, Erde an Kaithlyn!", Yen wedelte vor dem Gesicht des Mädchens herum, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Verwirrt blinzelte die Angesprochene: "Hm?"
"Wir sind da, du kleine Träumerin", Yen lachte und nahm Kaiths Hand, um sie in das Café zu ziehen.
Das große Café trug den Familiennamen von Morton, Dirhams Kumpel, und bereitete Kaith immer wieder Kopfschmerzen. Wie konnte man nur Alukituk heißen? Wenn man davon absah, dass es anders herum Kutikula hieß, was wiederum für zu viele Sachen stehen konnte, war es weder ein amerikanischer Nachname, noch wollte er zu irgendeinem Land passen, und es war allein eine Challenge ihn stotterfrei auszusprechen. Kaithlyn versuchte es erst gar nicht, und auch Yen und Dirham sagten nur: Bei Morton. Was wieder verwirrend war, da Dirham den Typ gerne Monster nannte. Für Kaith hieß er einfach nur M. Aber mit Namen hatte sie es ja bekanntlich nicht so.

"Hi Monster!", Dirham fiel dem Jungen hinterm Tresen um den Hals, wobei er einer älteren Frau fast den Kaffee aus der Hand schlug. Man hätte meinen können sie waren Brüder, zumindest wie sie sich verhielten. Kaith betrachtete M, wie er vor Freude strahlend die Umarmung erwiderte, und den Araber dabei fast über den Tresen zog. Nur noch seine Zehenspitzen berührten den Boden.

"Lass uns hinhocken Kaith, du starrst sie ja an als wärst du eifersüchtig!", Yen zog das blonde Mädchen zu einem Tisch in einer freien Fensternische, und sie setzten sich nebeneinander. "Eifersüchtig?", nahm Kaith das Gespräch wieder auf. "Na sicher! Stehst du nicht auf Yasha?" Yasha war Dirhams wirklicher Name - Kaithlyn schüttelte verwirrt den Kopf. Dirham war ein Freund, ebenso wie Yen und M. Auf wen sie stand? Musste man denn auf jemanden stehen? Sie dachte darüber nach, während ihre Freundin grinsend die Speisekarte durchblätterte. Kaith stand auf niemanden. Sie mochte ein paar Leute und ihre Eltern. Dann gab es da noch ihre Bücher. Kaithlyn liebte ihre Bücher mehr als alles andere. Sie pflegte sie besser als ihren eigenen Körper, und säuberte sie jeden Tag von eventuellem Staub. Währenddessen vergaß sie manchmal zu schlafen, zu essen oder frische Kleidung anzuziehen.
"Tadaa! Das habt ihr euch hochverdient!", Morton stellte einen großen Teller Cookies auf den Tisch, natürlich glutenfrei für Kaith, und setzte sich mit Yasha auf die Bank den Mädchen gegenüber. "Aber wir haben doch gar nichts gemacht...?", Yen sah verwirrt drein, nahm sich aber einen Keks. "Ach was Kaede, ihr habt in letzter Zeit viele Prüfungen gehabt, da kann man euch echt mal loben", Monster glättete sein Hemd. "Danke", Kaith fand es nur höflich sich dafür zu bedanken, und nahm sich auch einen Cookie. Sie waren noch warm. Warum konnte M Yens wirklichen Namen so gut aussprechen? Das war nicht fair.
"Das ist echt nett", Dirham futterte schon seinen zweiten Keks, wobei seine Augen aber eher auf Morton anstatt auf dem Gebäck lagen, "und du machst die so wahnsinnig lecker."
"Ist da wer verliiiiebt?", Yen lachte auf einmal laut los, was Kaith zum Zusammenzucken brachte. Was war los? Hatte sie was verpasst?
Dirham hustete und M schlug ihm lachend auf den Rücken: "Stirb nicht!"
Mit rotem Kopf und vor Husten verzogenem Gesicht, meckerte Dirham: "Gar nicht wahr, du tickst ja nicht mehr richtig Kaede!" "Ich weiß", das Mädchen lehnte sich grinsend an das Sofa und schlug die Beine übereinander, "das ist mein Markenzeichen." Morton schien das alles nicht zu berühren, und so tat Kaith es als komischen Scherz ab. Sie lächelte und tat so als hätte sie ihn verstanden.

Nachdenklich blickte sie aus dem Fenster. Blinzeln hielt sie sich die Hand über die Augen, da die Sonne ihr ins Gesicht schien. Draußen waren viele Leute unterwegs, die meisten waren am Handy, andere liefen lachend mit Freunden oder ihren Lebensgefährten über den Gehweg.
Es war seltsam was das Sonnenlicht für einen Zauber über das alles wob, als könnten nur die friedlichen und schönen Dinge an die Oberfläche kommen. Ich bringe dir mein Leben als Opfer, auf dass du die Welt besser machst, stand auf einem Werbeplakat an der Litfaßsäule. Aber es war zu weit weg, als dass Kaithlyn den Sinn hinter diesem Spruch verstehen konnte.
Sein Leben opfern? Das klang nicht so positiv. Aber es war ja auch längst nicht alles so toll, wie es auf den ersten Blick wirkte. Kaith strengte sich an, auch die schlechten Dinge draußen wahrzunehmen. Die Obdachlosen am Straßenrand, wie sie glücklich über jede Münze waren, die man ihnen zuwarf. Eine junge Frau, die hektisch versuchte sich das von Tränen verschmierte Make-up vom Gesicht zu wischen. Ob sie betrogen worden war? Hatte sie jemand verletzt?
Ein Ohrwurm von humans begann ihre Gedanken in eine andere Welt zu versetzen, und ihr Blick wanderte weiter zu einem jungen Mann, der humpelnd unter den Ahornbäumen entlangschlurfte. Er trug die Hände tief in den Taschen seines langen schwarzen Mantels versenkt, und seine wirren braunen Haare verdeckten sein Gesicht. Er war wohl Ausländer, und Kaith betrachtete ihn weiter. War er verprügelt worden? Hatte man ihn gefeuert?
Niemand beachtete ihn, ebenso wenig wie das Mädchen, welches ihr Fahrrad schob weil es einen Platten hatte. Es war allen egal ob jemand nun drei Kilometer laufen musste um nach Hause zu kommen.
Da hob der Fremde plötzlich sein Gesicht, und ein opalfarbenes Auge blickte Kaith direkt an.

"Warum beobachtest du mich?"

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