Prolog

Die Tür des Gasthauses quietschte leise, als sie sich öffnete und der Erzähler eintrat. Vereinzelte Schneeflocken und kalter Wind begleiteten ihn in die warme schützende Stube. Er brauchte nur einen Fuß in das Innere setzen, da verstummten sofort die Gespräche der Menschen und alle Blicke richteten sich auf ihn.

Außer dem Erzähler wagte es niemand in diesem Schneesturm nach draußen zu gehen. Jeder andere wäre bei diesem Wetter binnen weniger Sekunden erfroren.

Der Schnee in seiner violetten Robe schmolz schnell und tropfte auf die Holzdielen. Das Feuer, das in einem Kamin vor sich hin prasselte, erwärmte den Raum kaum genug, dass die Menschen ihre dicken Pelzmäntel ablegen konnten.

Aber der Erzähler hatte kein Interesse daran, die Menschen weiter zu beachten. Auch auf den Elfen, der sich in eine Ecke zurückgezogen hatte, warf er keinen zweiten Blick.

Doch als er einen Jungen entdeckte, zogen sich seine Mundwinkel nach oben. Er hatte schon eine Weile nach seinem Schützling gesucht. Der Junge bemerkte ihn auch, wich aber seinem Blick aus.

„Heute werde ich Euch eine Geschichte erzählen", begann der Erzähler. Er trat in die Mitte des Gasthauses. Bei jedem seiner Schritte stießen Ketten an seinen Stiefeln mit einem Klirren zusammen.

„Es ist eine Geschichte von Helden, die keine Heldentaten vollbringen. Von Liebe, die stets im Keim erstickt wird. Und von Hochmut ... und wie man ihm immer und immer wieder verfällt."

Er warf einen Blick auf seinen Schützling und musste sehen, dass dieser ihm immer noch keine Aufmerksamkeit schenkte.

Der Erzähler schürzte die Lippen und wandte sich wieder den anderen zu. „In dieser Welt ist der Dunkle König der berüchtigtste unter allen Herrschern. Seit seinem Auftreten werden Gruselgeschichten über seine Taten erzählt und seine Gestalt soll so schaurig sein, dass niemand es wagt, ihn lange anzusehen. Vernarbt ist seine Haut, schwarz seine Adern. Mehr als einmal tropfte das Blut seiner Feinde von seinen Kleidern und färbte die Erde unter seinen Füßen rot."

Ein leises Seufzen schwebte durch den Raum. Es barg einen Hauch von Missfallen, aber der Erzähler achtete nicht darauf. Und ebenso ignorierte er den vorwurfsvollen Blick seines Schützlings, der versuchte ihm den Rücken zu durchbohren.

Der Mund des Erzählers verzog sich zu einem Lächeln. „Lange Zeit wurde sein Handeln geheim gehalten. Denn Menschen wie auch Elfen hatten geschworen, kein Wort über das Grauen der entscheidenden Schlacht zu verlieren. Die Geschehnisse von damals sollten vergessen werden. Aber noch viel wichtiger: Der König selbst sollte vergessen werden.

Niemand sollte mehr in Angst leben, dass der König erneut Krieg über das Land bringen würde.

Niemand sollte glauben, dass der König jemals wieder zurückkehren könnte.

Aber je öfter uns in den letzten Jahren die Nachricht von seinem Tod ereilt hatte, desto mehr Zweifel säte dieses Gerücht in dem Verstand derjenigen, die auch heute noch auf der Suche nach dem König sind. Die Gruppe, die ihn für seine Taten von damals zur Rechenschaft ziehen möchte, wächst mit jedem Tag.

Aber in jeder Nacht, sobald das Dunkel die Welt umhüllt, kauern sie sich zusammen, mutlos, ängstlich. Denn sie – ungeachtet, ob es seine Feinde oder seine damaligen Freunde sind – fürchten sich vor seiner Rückkehr, da er in der Vergangenheit stets in Begleitung von Krankheit, Hunger und Tod auftrat."

Mit federnden, fast hüpfenden Schritten ging der Erzähler durch den Raum. Das Klirren der feingliedrigen Ketten an seinen Stiefeln begleitete jede seiner Bewegungen. Auf der anderen Seite des Gasthauses ließ er sich auf einen Stuhl fallen und überschlug seine Beine, ehe er weitersprach: „Doch bevor er ein verhasster und gefürchteter König war. Bevor jeder erschauerte, sobald er sich zeigte. Davor war er ein Prinz, den sein Volk abgöttisch liebte. Er war der ganze Stolz der Elfen, Thronfolger deren Reiches.

Seine Schönheit wurde in Liedern besungen, denn neben der kalten Eleganz seines Vaters zeigte sich in ihm zugleich die Güte und Wärme seiner Mutter.

Seine Augen ..." Der Erzähler lächelte kopfschüttelnd. „Jeder, der den Fehler macht, zu lange in sie zu blicken, legt dem König, ohne zu zögern, die eigene Welt vor die Füße. Und selbst wenn er ihr nur einen Blick schenkt und danach unter seinem Stiefel zermahlt, freut man sich über dieses Fünkchen Aufmerksamkeit, das man von ihm erhaschen kann. Obwohl es den eigenen Untergang bedeutet."

Unter seiner Robe holte der Erzähler ein Buch hervor. Kurz strich er über den dunklen Ledereinband, ehe er ihn aufschlug und auf die erste Seite blickte.

„Dies ist die Geschichte eines Mannes, vor dem sich einst Licht und Schatten verneigten, doch heute, verbannt aus seiner Heimat, betrogen von seinen Untergebenen und verlassen von seinen Liebsten, fristet er sein Dasein, bis das Schicksal ihm endlich Erlösung gewährt." Der Erzähler seufzte. „Beginnen soll es am Wendepunkt, als der Dunkle König noch ein Prinz war. Damals war er unter dem Namen ‚Lloyd' bekannt. Ein Auftrag sollte sein Leben für immer verändern. Ein Auftrag leitete seinen Fall ein.

Doch nun ... Lasst uns beginnen:

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