Kapitel 8



Gwen hastete aus der U-Bahn und hätte sich dabei beinahe den Knöchel verrenkt. Diese Schuhe brachten sie um. So gut sie konnte, versuchte sie die Gedanken an Marc zu verdrängen. Warum war sie zu seinem Büro gelaufen? Bevor sie ihr Apartment verlassen hatte, war sie wirklich schrecklich nervös gewesen und sie hatte niemanden an den sie sich wenden hätte können, aber Marc war wohl auch nicht die richtige Wahl. Jetzt dachte er wahrscheinlich, dass sie nur dort war, damit er ihr sagte, dass er sie attraktiv fand. Was sie, wenn sie ehrlich war, ohnehin nicht so richtig glaubte. Diese Praktikantin sah er immerhin mit ganz anderen Blicken an, als sie. Schnell streifte sie die Gedanken ab und versuchte sich auf das Projekt zu konzentrieren. Sie konnte es kaum fassen, dass sie sich wirklich auf diese Idee eingelassen hatte. Bisher hatte sie ihren gesamten Erfolg einzig und alleine ihrem Fleiß zu verdanken. Ihr Aussehen hatte sie noch nie benutzt, um an ihr Ziel zu kommen. Mit einer Ausnahme. Die Nacht mit Marc. Aber die zählte sie zu einem ganz anderen Erfolg. Trotzdem hatte sie sich seither jeden Tag Makeup aufgetragen und die Haare gemacht. Es war nicht zu übersehen, wie die Männer plötzlich anders auf sie reagierten und sie genoss es. Zum ersten Mal in ihrem Leben, blickten sie die Menschen nicht an, weil sie ihren Auftritt seltsam fanden. Sie war bereits 28, lange würden diese Blicke wohl nicht mehr andauern. Deshalb beschloss sie, sie zu genießen. Ihr Lebensziel hatte sie schon lange erreicht. Sie hatte genügend essentielle Dinge erfunden. Ganz offensichtlich würde man sich nach ihrem Tod an sie erinnern. Dann könnte sie jetzt doch etwas Spaß haben.

Doch sie wusste einfach nicht, wie man Spaß hatte und das machte sie schrecklich nervös.

Am Restaurant angekommen, stellte sie fest, dass sie es gerade noch pünktlich geschafft hatte. „Ich bin hier mit Mr. White verabredet", erklärte sie der Dame am Empfang und wurde daraufhin von ihr zu einem Tisch geführt. Mr. White war bereits da und erhob sich, als er sie kommen sah. Er streckte die Hand nach ihr aus: „Sie können sich nicht vorstellen wie erleichtert ich bin, dass sie gut aussehen, Mrs. Bennett." Gwen griff nach seiner Hand und betrachtete ihn argwöhnisch. Mason White war ein schmieriger Kerl, Anfang 40 und ihr von Beginn an unsympathisch. Sofort nahm sie sich vor, dieses Treffen so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.

„Mr. White ...", setzte sie an, wurde aber barsch durch ihn unterbrochen: „Mason."

„Na gut, Mason. Digital Solutions ..." Wieder unterbrach er sie: „Wie heißen Sie?"

„Gwendoline Bennett."

„Gwendoline? Was haben sich ihre Eltern denn dabei gedacht?"

Entrüstet blickte sie ihn an. „Das war der Name meiner verstorbenen Großmutter."

„Ich werde Sie so keinesfalls nennen. Wie wäre es mit Sugar?" Vollkommen entsetzt keuchte sie auf. Dann versuchte sie sich aber wieder zu beruhigen. Es war nur ein Name und um ehrlich zu sein hatte ihr noch niemals jemand einen Kosenamen gegeben, abgesehen von Marc natürlich. Aber bei Marc hatte sie es mehr genossen. Schnell ermahnte sie sich selbst. Es war nur ein einziges Treffen und es ging dabei um Marcs und wahrscheinlich auch ihre Karriere. Es wäre wohl nicht so schlimm über ihren Schatten zu springen. Sie würde einfach machen was Mason von ihr verlangte und ihn dann hoffentlich nie wieder sehen.

„Ok, Mason. Können wir jetzt anfangen?" Bevor er antworten konnte, kam der Kellner und nahm ihre Bestellung auf. Sie entschied, dass ein Glas Wein nicht schaden konnte, aber Mason orderte sofort die ganze Flasche. Auch recht. Wahrscheinlich würde sie sowieso mehr als ein Glas brauchen, um es mit ihm auszuhalten.

Wieder setzte sie an zu sprechen: „Digital Solutions ..."

„Ach komm schon, Sugar. Ich habe keine Lust über die Arbeit zu sprechen. Ich werde Ihr Produkt kaufen, wenn Sie mir einen schönen Abend bereiten." Er griff nach ihrer Wange und streichelte darüber. Ihr wurde schlecht.

„Mason, ich ... ich ..., Es tut mir leid, aber ich bin verheiratet", brachte sie hervor.

„Das ist aber zu schade, aber das ändert doch nichts daran, dass wir beide ein bisschen Spaß haben können. Soll ich dir ein Geheimnis verraten, Sugar? Ich bin ebenfalls verheiratet", flüsterte er. Plötzlich fröstelte sie. Was war er nur für ein schmieriger Typ. Am liebsten wäre sie davongelaufen. Aber den Kindern, die sie damit retten würde, zuliebe, hielt sie noch ein bisschen durch. Sie zückte ihr Handy unter dem Tisch und textete eine Nachricht:

An: Marc Fischer 19:37

Das haben Sie mit Absicht gemacht. Wie können Sie mich nur mit diesem arroganten Typen ganz alleine lassen?

Schnell steckte sie das Handy weg und das Essen wurde vor ihr abgestellt.

„Erzähl mir doch etwas über dich, Sugar", hörte sie Mason sagen.

„Ich habe an der NYU ...", weiter kam sie nicht, denn sie wurde schon wieder von Mr. White unterbrochen. „Langweile mich nicht. Erzähl mir lieber, wie du gerne hättest, dass ich es dir besorge, nachdem wir hier fertig sind."

„Mason, ich werde meinen Ehemann bestimmt nicht betrügen, es tut mir leid." Sie griff nach ihrem Weinglas und trank es aus.

„Würdest du mir dann wenigstens erzählen, wie ich es dir besorgen sollte, wenn du nicht verheiratet wärst?" Er blickte sie ungeduldig an. In Gedanken erinnerte sich Gwen immer wieder daran, dass es hier einzig und allein um einen guten Zweck ging. Sie dachte kurz an Marc. Daran was er mit ihr gemacht hatte und sagte dann mit der verruchtesten Stimme, die sie zustande brachte: „Ich würde wollen, dass du mich ganz langsam ausziehst, während du mich zärtlich küsst. Deine Finger möchte ich dabei an meinem Körper spüren. Zuerst vielleicht etwas zaghaft an meiner Taille und anschließend fordernder, wie sie meine Brüste kneten, während du mich sanft am Hals neckst. Langsam solltest du dann mit deinem Mund über meinen Körper nach unten wandern und wenn du in meinem Schritt angekommen wärst, würde ich dir ganz genau zeigen, wie ich dort gerne berührt werden würde." Es hatte sich ausgezahlt, diese Dirty Talk Sketche anzuhören, mit denen sie sich auf das Treffen mit Marc vorbereitet hatte. Da sie das Gefühl hatte, Mason nach Abschluss des Geschäftes nie wieder sehen zu müssen, war es ihr auch nicht peinlich so zu sprechen.

Mit dem Geld würden Schulen und Krankenhäuser gebaut werden, dafür würde sie ihm sagen, was auch immer er hören wollte. So lange sie nicht mit ihm schlafen musste.

„Du bist wahnsinnig heiß, Sugar. Bist du sicher, dass du es dir nicht nochmal anders überlegst? Dein Mann würde doch niemals davon erfahren und ich würde mir größtmögliche Mühe geben, dich zu verwöhnen, versprochen." Er zwinkerte und wieder überkam sie die Übelkeit. Dieser Mann war wirklich äußerst unerotisch. Sie fragte sich, wie viele Frauen er wohl mit dieser Masche herumkriegte, konnte sich jedoch nicht vorstellen, dass es viele waren.

„Danke, Mason. Trotzdem habe ich meinem Mann vor dem Traualtar etwas geschworen und das werde ich auch einhalten." Sie zwang sich zu einem Lächeln und fügte hinzu: „Ich bin nämlich sehr religiös, weißt du?" Auch das war eine Lüge, sie war Wissenschaftlerin, sie glaubte an nichts, was sich nicht zu hundert Prozent nachweisen ließ, aber das musste er doch nicht wissen.

Er lehnte sich weiter in den Stuhl zurück und blickte sie an: „Gott, möchte bestimmt auch, dass du deinen Spaß hast, Sugar." Damit winkte er den Kellner herbei und beglich die Rechnung.

„Was sagst du nun zu unserem Projekt?", wollte Gwen wissen.

„Wir sprechen auf dem Nachhauseweg nochmal darüber. Komm, Sugar."

Er hielt ihr den Arm hin. Widerwillig griff sie danach und hakte sich unter.

„Ich muss zur U-Bahn, Mason", sagte sie gerade, als sie aus dem Restaurant kamen.

„Natürlich werde ich dich fahren."

„Das ist wirklich nicht nötig." Fest entschlossen blickte sie ihn an.

„Ich bestehe aber darauf", erwiderte er.

Resignierend zuckte sie mit den Schultern: „Könntest du einen kurzen Moment hier warten? Ich muss noch schnell zur Toilette." Schon auf dem Weg zurück ins Restaurant zückte sie ihr Handy um ihre Nachrichten zu checken, fand aber nichts. Sie stürmte in eine leere Kabine und wählte Marcs Nummer. Nach mehreren Freizeichen meldete sich seine Mailbox. Panisch überlegte sie was sie jetzt machen sollte.

„Mr. Fischer, hier ist Gwendoline. Bitte ... bitte melden Sie sich bei mir. Es scheint hier irgendwie alles etwas aus dem Ruder zu laufen."

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