Kapitel 36
Lachend beobachtete Marc Gwen dabei, wie sie zum gefühlt hundertsten Mal die Sonnenblende seines Autos herunterklappte, um sich im Schminkspiegel zu betrachten.
„Du siehst großartig aus", sagte er, um ihr die Unsicherheit zu nehmen, aber sie blickte ihn nur ungläubig an. „Ach komm schon, Gweny. Sie sind deine Eltern. Sie haben dir als Baby die Windeln gewechselt, da ist es ihnen doch jetzt bestimmt vollkommen egal, ob dein Make-Up richtig sitzt."
„Weißt du, für gewöhnlich lasse ich mich niemals auf Streitereien mit meinen Eltern ein. Denn ich mag Diskussionen eigentlich nicht. Sie haben mich noch niemals geschminkt gesehen und ich musste gerade daran denken, dass ich jetzt auch eine ganz andere Frau bin, als vor mehreren Wochen. Es ist schon fast zwei Monate her, dass ich sie zuletzt gesehen habe. Das war vor unserer Las Vegas Reise und heute habe ich irgendwie das Gefühl, dass ich mich gegen sie durchsetzen kann. Ich bin nicht mehr das kleine Mädchen, das sich von ihnen unterdrücken lässt. Leider muss ich das manchmal im Spiegel kontrollieren, weil ich es zwischendurch wieder vergesse." Er lachte, doch ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, meinte sie es todernst.
„Da hast du recht. Jetzt bist du meine Frau und du bist wundervoll. Du bist nicht nur unglaublich intelligent, sondern auch wunderschön, selbstbewusst und erfolgreich. Deine Eltern sollten wahnsinnig stolz auf dich sein. Dazu hast du dir so einen gutaussehenden, erfolgreichen Geschäftsmann geangelt. Was wünschen sich Eltern mehr für ihre Tochter." Er schmunzelte und sie fing laut an zu lachen: „Da hast du wohl recht. Die Wahl meines Ehemanns habe ich offensichtlich gut getroffen." Liebevoll lächelte er sie an und sofort sprang ihr Herz wieder gegen ihren Brustkorb. Sie wusste, dass sie Marc bereits vollkommen verfallen war und dass es keine Chance mehr für sie gab aus dieser Lüge unverletzt herauszukommen.
Er parkte das Auto vor einem Blumenladen. „Was machen wir hier, Marc?" „Ich besorge Blumen für deine Mutter. Wir können doch nicht einfach ohne einem Geschenk auftauchen." Gwen bezweifelte, dass ihre Mutter das wertschätzen würde, aber ihr wurde dadurch wieder einmal mehr bewusst, was für ein wundervoller Mensch dieser Mann war. „Kommst du nicht mit rein?", fragte er. Gedankenverloren öffnete sie die Autotür und folgte ihm.
„Weißt du zufällig welche Blumen deine Mutter mag?" Sie schüttelte den Kopf. „Okay würdest du dir dann bitte etwas aussuchen, das dir gefällt? Abrupt fühlte er sich schlecht. Noch niemals hatte er Gwen Blumen mitgebracht. Er war wirklich der schlechteste Ehemann der Welt. Erst dann wurde ihm wieder bewusst, dass er gar nicht wirklich ihr Mann war. Trotzdem würde er ihr zum nächsten Anlass Blumen schenken. „Weißt du Marc, ich mag solche Blumensträuße nicht besonders. Mir gefällt es viel besser, einfach ein paar Veilchen zu pflücken. Wahrscheinlich habe ich also keinen so guten Geschmack was Blumen anbelangt." Er lachte und strich die Idee mit den Blumen aus seinen Gedanken. Sie begutachtete ein paar pinkfarbene Lilien und Marc wies die Verkäuferin an, daraus einen Strauß zu binden.
An der Hand zog er sie wieder zum Auto und öffnete ihr die Beifahrertür. Eine Stunde später standen sie vor einem kleinen Einfamilienhaus am Stadtrand. Aufmunternd blickte Marc Gwen an. Wieder hielt er ihre Hand und spürte wie sie zitterte. Besänftigend streichelte er ihr über die Finger. An der Tür angekommen drückte er ihr einen Kuss auf die Lippen. Als er die Augen wieder öffnete, standen bereits Gwens Eltern im Türrahmen und betrachteten ihn schockiert. Beinahe hätte er die Augen verdreht.
„Lassen Sie die Finger von meiner Tochter", schrie ihr Vater. Gekonnt überhörte Marc diese Aussage und hielt ihm die Hand hin: „Guten Tag, Mr. Bennett. Ich bin Marc Fischer. Der Ehemann ihrer Tochter." Abwertend blickte ihr Dad ihn von oben bis unten an. Als er nach wenigen Sekunden immer noch nicht den Eindruck erweckte, als würde er nach seiner Hand greifen, streckte er sie einfach ihrer Mutter hin. „Sehr erfreut, Mrs. Bennett. Jetzt weiß ich woher ihre Tochter diese unglaubliche Schönheit hat." Mrs. Bennetts Wangen färbten sich rot. Innerlich klopfte er sich auf die Schulter. Die Mutter hatte er bereits für sich gewonnen. Schnell hielt er ihr den Strauß Blumen unter die Nase und sagte: „Vielen Dank für die Einladung."
Mit einem Schnauben trat ihr Vater einen Schritt zur Seite und ließ die beiden eintreten.
Marc sah sich schnell um. Das Haus war ziemlich altmodisch eingerichtet. „Kommen Sie, Mr. Fischer. Ich habe etwas für sie beide gekocht." Sofort wich Gwen jegliche Farbe aus dem Gesicht und er fragte sich was nun los war. „Mrs. Bennett, bitte nennen Sie mich doch Marc. Immerhin bin ich jetzt ihr Schwiegersohn." „Wie konntest du nur heiraten ohne auch nur einen Ton zu sagen", schrie ihr Vater Gwen an und griff zu seinem Entsetzten nach ihrer Schulter, um sie zu schütteln. Sofort machte er einen Schritt zwischen die beiden und legte dann die Hand um Gwens Taille, um sie fest an sich zu ziehen. Jetzt war ihm klar, woher die Angst vor ihrem Vater kam. Marc durchzuckte eine unglaubliche Wut. Mehrmals atmete er tief durch und zählte in Gedanken bis zehn, damit er sich wieder beruhigte. Denn sonst hätte er wohl für nichts garantieren können.
Ein letztes Mal schnappte er nach Luft, bevor er sich wieder darauf konzentrierte, so höflich wie möglich aufzutreten. „Mr. Bennett, wir sind bisher nur vor dem Gesetz verheiratet. Ich konnte einfach nicht damit warten ihre Tochter vom Markt zu nehmen, ich hatte viel zu viel Angst davor, dass sie sich auf irgendeinen Vollidioten einlassen könnte. Wenn wir uns jedoch das Ja-Wort vor Gott geben, sind sie selbstverständlich eingeladen", Marc grinste ihn an.
Abwertend schnaubte der Mann: „Sie sind überhaupt nicht verheiratet, wenn sie es nicht vor Gott gemacht haben. Lassen Sie also die Finger von meiner Tochter."
Gwen hatte bisher noch keinen einzigen Ton gesagt und Marc hatte das Gefühl, das würde sie auch nicht. Ganz offensichtlich war sie nun doch wahnsinnig eingeschüchtert. Trotz der Warnung ihres Vaters, griff er nach ihrer Hand, um sie wissen zu lassen, dass er sich ganz bestimmt nicht vor ihrem Vater fürchtete.
„Mr. Bennett, verzeihen Sie bitte die Frage, aber was haben Sie eigentlich gegen mich? Ich bin ein erfolgreicher Geschäftsmann. Ich liebe ihre Tochter." Er brach ab, weil sich Gwen in eine Hand bohrte, erst dann wurde ihm bewusst was er da gerade gesagt hatte, entschuldigend blickte er zu Gwen hinüber, die seinen Blick aber nicht wahrnahm, weil sie auf die Tischplatte starrte. „Ich kann ihnen versichern, ich behandle Gweny großartig und dazu denke ich, sehe ich auch nicht ganz so schlecht aus. Was wollen Sie denn noch mehr für ihre Tochter?"
Mr. Bennett lachte abwertend: „Das ist doch genau das Problem, Sie Schönling. Mit wie vielen Frauen betrügen Sie meine Tochter wohl." „Das würde ich niemals machen", unterbrach er seine Ausführung, wahrscheinlich etwas zu energisch, denn erst dann wurde ihm wieder klar, dass das ihr Scheidungsgrund werden würde. Ihr Vater ließ sich davon ohnehin nicht beeindrucken und sprach einfach weiter: „Alleine schon wie sie mit ihr sprechen. Gweny. Tzz. Wir wissen beide, das Gwendoline nicht unbedingt schön ist. Sie werden sie doch schneller gegen eine attraktivere Frau austauschen, als sie ihren Namen aussprechen kann."
Vollkommen entrüstet sprang Marc auf, setzte sich aber sofort wieder und ermahnte sich ruhig zu bleiben. Wie konnte dieser Mann seine Tochter als hässlich bezeichnen. Zärtlich streichelte er Gwens Finger weiter und warf einen Seitenblick auf sie. Sogar aus dieser Perspektive konnte er sehen, dass sie Tränen in den Augen hatten. „Ich habe keine Ahnung, ob sie möglicherweise ein Problem mit ihren Augen haben, Mr. Bennett. Aber sie haben eine wunderschöne Tochter, dazu ist sie noch wahnsinnig intelligent und unglaublich humorvoll. Ich kann mich glücklich schätzen sie an meiner Seite zu haben." Er meinte jedes Wort das er da sagte. Es war ihm vollkommen schleierhaft, wie ihr Vater das nicht sehen konnte.
Ihre Mutter trat mit zwei Tellern in das Zimmer und stellte sie vor ihrer Tochter und ihm ab, bevor sie wieder hinausging, um ihr eigenes und den Teller von Mr. Bennett zu servieren. Gwen hatte gar nicht mitgekommen, dass ihre Mutter in den Raum gekommen war, so tief schien sie in Gedanken versunken zu sein.
Entsetzt blickte Marc auf Gwens Teller. Erst jetzt schien sie es auch zu bemerken. „Das esse ich nicht", schrie sie. Auf allen Tellern befand sich ein großes Stück Fleisch in Sauce, dazu Kartoffeln und Reis.
„Du wirst das ganz bestimmt essen", herrschte ihr Vater sie an. „Wir stehen an der Spitze der Nahrungskette, also benimm dich nicht wie ein scheiß Pflanzenfresser." Gwen schnitt ein winzig kleines Stückchen Fleisch ab und führte es zu ihrem Mund. Bevor sie es jedoch essen konnte, stahl Marc das Stückchen von ihrer Gabel. Dann griff er nach ihrem Teller, nahm sich ihr Stück Fleisch und lud dafür ein paar seiner Kartoffel auf ihrem ab. Dankbar blickte sie ihn an und er drückte ihre Hand wieder leicht.
Gwens Vater schnaubte verachtend. Ihre Mutter schien wohl zu bemerken, dass die Situation kurz davor war zu eskalieren, weswegen sie fragte: „Gwendoline, Schatz. Wie heißt du jetzt eigentlich."
Sofort wollte Marc antworten, bevor er das jedoch tun konnte schrie sie: „Gwendoline Fischer." Er riss die Augen auf und sah sie fragend an, aber sie wandte den Blick einfach ab. Gut, dann war sie vor ihren Eltern also Mrs. Fischer.
„Ihr habt doch nicht etwa vor Kinder zu bekommen", fauchte ihr Vater. Sofort wurde Gwen wieder kreidebleich. Ihre Eltern wussten also tatsächlich nicht Bescheid. Nicht mal mit ihnen konnte sie darüber reden. Am liebsten hätte Marc sie auf seinen Schoß gezogen. Er sah ihr jedoch an, dass sie nicht im Stande war etwas zu antworten, weswegen er sagte: „Wir hätten sehr gerne Kinder, Mr. Bennett. Jedoch werde ich mir nochmal überlegen, ob ich es zulassen werde, dass unsere Kinder ihre Großeltern besuchen." Er wandte sich an Gwen, die traurig in ihrem Essen herumstocherte. „Komm Gweny. Wir gehen." An der Hand zog er sie aus dem Haus.
Kaum hatte sie die Autotür geschlossen brauste er los und stoppte eine Querstraße entfernt. „Es tut mir wahnsinnig leid, Gwen. Geht es dir gut? Warum fährst du denn überhaupt noch zu deinen Eltern? Ich meine, deine Mom scheint ja ganz nett zu sein, aber dein Vater legt doch wirklich keinen Wert auf deine Anwesenheit."
„Marc, es gibt nichts wofür du dich entschuldigen müsstest. Du warst wirklich großartig, vielen Dank. Mir tut es leid, dass ich dich nicht viel mehr unterstützt habe, aber ich habe einfach wahnsinnige Angst vor meinem Vater. Du hast recht, ich sollte ihn nicht mehr besuchen, aber ich hab doch niemand anderen."
„Du hast doch mich", warf er ein.
„Danke", flüsterte sie.
Den Weg zurück zum Jennings Inc. Gebäude schmiegte sie sich fest an Marcs Schulter und schloss die Augen. Für einen Moment vergaß sie sogar ihre Angst, die ihr sein Fahrstil für gewöhnlich bescherte, denn sie konnte sich auf nichts anderes konzentrieren, als auf die Gefühle die sie für ihn hegte. Beinahe hätte sie es herausgeschrien. Sie liebte Marc. Bedingungslos. Und es würde ganz bestimmt nie wieder jemand in ihr Leben treten, der es mit ihm aufnehmen konnte. Er war perfekt. Kurz öffnete sie die Augen: „Danke Marc. Du bist der Beste." Er warf ihr einen liebevollen Blick zu.
Kaum waren sie wieder an ihrem Apartment angekommen, fiel Gwen auf, dass unter der Tür des Nebenzimmers ein Brief steckte. Schnell griff sie danach. Der Umschlag war an sie adressiert.
„Was ist das?", fragte Marc.
Sie zuckte mit den Schultern und öffnete das Kuvert.
Freudestrahlend blickte sie ihn an: „Ich werde mit einem Forschungspreis ausgezeichnet." Sie hüpfte in seine Arme. „Herzlichen Glückwunsch, Gweny." Er hob sie hoch legte ihre Beine um seinen Rücken und trug sie so in ihre Wohnung.
„Marc!", sagte sie vorsichtig. „Was ist?" „Ich müsste eine Woche freinehmen, um den Preis entgegenzunehmen. Es handelt sich bei der Veranstaltung um eine Wissenschaftsmesse und sie findet in Texas statt. Wäre das denn in Ordnung, wenn ich in drei Wochen eine Woche freinehme."
Entgeistert blickte er sie an: „Ich komme natürlich mit. Wenn meine Frau ausgezeichnet wird, kann ich doch nicht fehlen." Er zwinkerte ihr zu.
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