Kapitel 14
Frustriert stieg Marc aus dem Bett, in dem Melissa immer noch schlief. Es hatte ihn tatsächlich noch einiges an Überzeugungsarbeit gekostet, sie hier zu behalten, obwohl sie doch diejenige war, die zugestimmt hatte, noch mit ihm hinaufzukommen. Im Nachhinein gesehen, war das eine blöde Idee. Sie hatte unaufhaltsam davon geschwafelt, wie sie ab sofort der Tratsch, der Jennings Inc. sein würde und warum sie sich nie wieder im Firmengebäude sehen lassen konnte. Marc bezweifelte aber, dass Gwen wirklich irgendwelche Gerüchte in die Welt setzen würde. Die Frau war viel zu intelligent, um sich das Maul über ihre Kollegen zu zerreißen. Er war verwundert, dass sich Melissa und Gwen überhaupt kannten, hatte er Gwen doch nur ein einziges Mal auf der Chefetage gesehen und dabei hatte Melissa wohl nicht den Eindruck gemacht, als wäre sie die Praktikantin. Aber scheinbar wurde Melissa von Isabella darum gebeten, Botendienste in die Computerräume zu unternehmen, in denen Gwen ihr Büro hatte.
Nachdem Melissa endlich zugestimmt hatte, die Nacht trotz des Aufeinandertreffens mit Gwendoline hier zu verbringen, war Marc die Lust vergangen. Diese Zickereien gingen ihm gehörig auf die Nerven. Waren denn alle Frauen so? Oder hatte er sich wirklich ein besonders schlimmes Exemplar herausgesucht. Warum musste er auch so versessen darauf sein, sich endlich zu binden. Es wäre doch ganz egal, wenn er noch ein bisschen warten würde, bis er sich zu einer festen Beziehung hinreißen ließ. Eigentlich ging es nur darum, dass Melissa rein optisch seine Traumfrau war. Im Bett würde es ganz bestimmt keine Probleme zwischen den beiden geben. Ja klar, er hatte auch andere schöne Frauen in New York kennengelernt, wahrscheinlich liefen sogar einige in seinem Firmengebäude herum, aber keine hatte ihm so zugesagt, wie Melissa.
Leise schlich er sich unter die Dusche. Als er wieder zurückkam, küsste er sie vorsichtig auf die Lippen: „Morgen, Süße. Wir müssen zur Arbeit."
„Was? Wie spät ist es? Ich habe doch gar keine Klamotten hier", rief sie entsetzt. Und das fällt dir jetzt ein, wollte Marc schreien. Stattdessen blieb er ruhig und überlegte, was er jetzt am besten machen sollte. „Geh doch schon mal ins Bad. Dort findest du unbenutzte Zahnbürsten und kannst dich ein wenig frisch machen", damit drehte er sich um. Tonlos ging er zu Tür und trat auf den Gang. Er war gerade mal wenige Minuten wach und schon bereute er es, überhaupt aufgestanden zu sein. Leise klopfte er an dem Zimmer neben seinem. Als nach wenigen Augenblicken immer noch niemand öffnete, hätte er es beinahe aufgegeben. Doch plötzlich riss Gwen die Tür auf. Sie war nur mit einem weißen T-Shirt bekleidet, dass ihr nur knapp über die Taille reichte, ihre Haare lagen wild durcheinander auf ihrem Kopf und sie sah noch ziemlich verschlafen aus. Verdammt, die Vogelscheuche war megaheiß am Morgen.
„Guten Morgen, Gwen. Hast du gut geschlafen?" Sie nickte und blickte ihn fragend an.
„Würde es dich stören, wenn ich kurz mit dir reinkomme? Ich möchte dich etwas fragen und dich nicht halbnackt am Gang stehen lassen. Zaghaft blickte Gwen an sich herunter und probierte dann hastig ihre Blöße zu verdecken. Jedoch sah sie dabei eher aus, als würde sie auf heißen Kohlen tanzen. Instinktiv griff Marc nach ihrem Kinn und drückte es leicht nach oben: „Vor wem willst du dich verstecken, Gwen? Es gibt nichts an deinem Körper, was ich noch nicht gesehen hätte." Als sie beschämt wegblickte, fügte er hinzu: „Und es gibt auch nichts, was mir daran nicht gefallen hat."
Gwen hob ihren Blick leicht an: „Was willst du hier?"
Der unschuldige Gesichtsausdruck den sie aufgelegt hatte, ließ ihn für eine Sekunde vergessen, warum er eigentlich hier war: „Es riecht nach Kaffee, hast du etwa Kaffee gekocht?"
Sie nickte: „Normalerweise wäre ich um die Zeit schon fertig für die Arbeit, aber ich bin gestern noch lange im Büro gesessen und habe heute tatsächlich meinen Wecker überhört. Deswegen brauche ich jetzt schnell, viel Kaffee. Willst du auch eine Tasse?"
„Das wäre wirklich sehr lieb." Er nickte grinsend und überlegte dann abermals, warum er noch gleich hierhergekommen war. „Um zum Thema zurückzukommen. Du hast mich doch gestern mit Melissa gesehen ..." Plötzlich wurde er von Gwen unterbrochen: „Es tut mir sehr leid. Mit dieser Aussage habe ich mich wirklich stumpfsinnig verhalten. Ich bin keine dieser Tratschtanten. Es geht mich gar nichts an, was ihr in eurer Freizeit macht und ich freue mich für dich, wenn du mit ihr glücklich bist."
„Naja, glücklich würde ich nicht gerade sagen. Was ich dich eigentlich fragen wollte, glaubst du, du könntest ihr etwas zu anziehen leihen? Sie scheint nicht gerade viel mitzudenken und ihr ist erst jetzt eingefallen, dass sie gar keine frischen Klamotten mithat."
„Du willst, dass ich ihr Klamotten leihe? Die passen ihr doch gar nicht."
„Ich bin ziemlich sicher, dass ihr die gleiche Größe habt."
„Du musst es ja wissen", nuschelte Gwen.
Marc blickte sie abwartend an. Er suchte in ihrem Gesicht nach einer Antwort auf die Frage, warum sie sich gerade so seltsam verhielt. Als er aber keine finden konnte, fragte er: „Gwen gibt es irgendein Problem zwischen uns?"
Sie wusste doch selbst nicht, wo diese komischen Gefühlsregungen herkamen. Aber sie reagierte irgendwie allergisch auf Melissa. Diese kleine, naive Praktikantin ging ihr gehörig gegen den Strich. Möglicherweise weil sie jung und wunderschön war. Dazu schlief sie ganz offensichtlich mit Marc. „Es ist noch so früh, ich bin einfach noch nicht richtig ausgeschlafen, entschuldige bitte. Ich werde gleich mal sehen, was sich so in meinem Schrank befindet. Jedoch kann ich dir jetzt schon sagen, dass ich ihren Geschmack sicher nicht treffen werde." Abgesehen von ihrem Männergeschmack, fügte sie in Gedanken hinzu und ermahnte sich sogleich selbst.
Gwen verließ den Raum und als sie zurückkam, überreichte sie ihm einen schwarzen Bleistiftrock und eine weiße Seidenbluse. „Vielen Dank!", sagte er, während sie sich zu ihm an den Tisch setzte. „Musst du nicht zurück zu deiner Freundin?", fragte sie.
„Sie ist nicht meine Freundin", rief er und sofort wies er sich an, sich ein wenig zurückzuhalten. Viel zu energisch war ihm dieser Satz über die Lippen gekommen.
„Ähm, ok ... Musst du dann nicht zurück zu der Frau, mit der du körperliche Liebe ausübst?"
„Körperliche Liebe?", er wiederholte nur diese Worte und fragte sich warum sie nun auch noch so komisch sprach.
„Du weißt schon, Koitus."
Marc fing lauthals an zu lachen: „Nein, ganz ehrlich, ich hab sie nicht gevögelt."
„Was noch nie?", Gwen schlug sich die Hand vor den Mund und wurde knallrot, aber Marc schien diese Frage nicht im Geringsten zu stören.
„Doch schon, aber nicht gestern."
„Hatte sie ihre Menstruation?" Wieder war ihr eine Frage vollkommen unbedacht über die Lippen gehuscht und langsam fragte sie sich, was heute mit ihr los war. Falls das überhaupt möglich war, verfärbte sich ihr Gesicht noch ein bisschen mehr.
„Nein, das glaube ich nicht", sagte er belustigt. „Ich hatte einfach keine Lust mehr. Weißt du, sie ist ziemlich anstrengend."
„Warum hast du sie dann überhaupt mit nach Hause genommen?", wollte Gwen wissen. „Entschuldigung, das geht mich wirklich nichts an", fügte sie schnell hinzu, aber er ignorierte diesen Einwand vollkommen.
„Das ist eine berechtigte Frage, aber um ehrlich zu sein, weiß ich das selbst nicht so genau. Wahrscheinlich hätte ich sie nach Hause fahren sollen, nachdem sie diesen riesen Zirkus in der Bar veranstaltet hatte." Marc schien nicht den Eindruck zu machen, als würde er sich an den Fragen von Gwen stören, doch dieses Mal hatte sie sich besser unter Kontrolle, auch wenn sie zu gerne gewusst hätte, wie sich Melissa in der Bar verhalten hatte.
Als könnte er ihre Gedanken lesen, seufzte er laut: „Sie hat wirklich eine riesen Eifersuchtsszene hingelegt. Dabei will sie ja noch nicht mal mit mir zusammen sein. Außerdem waren wir nur aus einem Grund dort: Um ihren Ex-Freund eifersüchtig zu machen. Wenn jemand einen Grund gehabt hätte so durchzudrehen, wäre es wohl Eric gewesen. Aber um ehrlich zu sein, scheint sie sowieso mehr an ihm zu hängen, als an mir."
„Was?", schrie Gwen entsetzt. „Ist dieser Eric etwa auch so attraktiv?" Sofort biss sie sich auf die Lippe und ließ ihre Stirn auf die Tischplatte knallen.
Marc brach in schallendes Gelächter aus und versuchte sie dazu zu bringen ihren Kopf wieder zu heben. Unter keinen Umständen hätte sie das jedoch gemacht. Sie wollte im Erdboden versinken und zwar sofort.
„Ach komm schon Gwen, ich finde dich auch ziemlich heiß, so wie du jetzt vor mir sitzt. Das muss dir doch nicht peinlich sein", lachte er.
„Würdest du jetzt bitte gehen?", wisperte sie, gegen das Holz des Tisches.
„Ganz bestimmt nicht. Zuerst siehst du mich an."
Als sie ihm nicht antwortete, ging er zu ihr hinüber, stellte sich hinter sie und griff unter ihre Arme. So hob er sie hoch. Dabei zog er ihr Shirt ein wenig höher und für eine Sekunde konnte er tatsächlich ihren Po, nur in ihrem Slip bekleidet betrachten. Schnell drehte er sie in seine Richtung. Gwen behielt den Blick abwärts auf seinen Bauch gerichtet, doch Marc fuhr mit den Fingern unter ihr Kinn. „Weißt du, solche Komplimente kann ich im Moment wirklich gut gebrauchen. Ich fühle mich gerade wahnsinnig alt und befürchte, das könnte der Anfang einer Midlife-Crisis sein. Er grinste und auch sie zog die Mundwinkel leicht nach oben: „Du bist 33, Marc. Eine Midlife-Crisis bei Männern beginnt, wie der Name schon sagt, in der Mitte des Lebens. Naja durchschnittlich mit 45. Was bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung eines Mannes von 78,2 Jahren nicht ganz die Mitte des Lebens ist." Kurz schien sie zu überlegen. „Wie auch immer ... was ich eigentlich damit sagen will, das ist noch keine Midlife-Crisis. Noch hast du keinen Grund Torschlusspanik zu schieben." Die besserwisserische Gwen war zurück. Unwillkürlich drückte er sie fester an sich, irgendwie hatte er das Gefühl, sie so zum Schweigen zu bringen. Doch plötzlich ging Marc ein Licht auf. Womöglich war das einfach nur eine hartantrainierte Maske. Er fühlte sich, als hätte sie ihn, in den zwei Wochen die er hier war, den einen oder anderen Blick dahinter werfen lassen. Vielleicht war sie gar nicht so schrecklich und diese Verhaltensweise nur dazu einstudiert, um unangenehmen Situationen aus dem Weg zu gehen. Schüchtern blickte sie zu ihm auf und erst jetzt wurde ihm klar, wie nahe er ihr gekommen war. Gwen stand vor ihm, nur in einem T-Shirt bekleidet. Er konnte ihren gesamten Oberkörper an seiner Brust spüren. Eines seiner Beine stand zwischen ihren nackten Schenkeln und hätte er sie nur ein wenig näher an sich herangezogen, könnte er wohl ihre Mitte an seinem Oberschenkel spüren. Für einen kurzen Moment musste er gegen den Drang ankämpfen genau das zu tun. Widerwillig ließ er ein wenig lockerer und trat einen kleinen Schritt von ihr weg.
„Du kannst diese Komplimente schon mal üben, ab heute Abend wirst du immerhin meine Ehefrau sein, Gwen", lachte er und auch sie grinste.
Er drückte einen Kuss auf ihre Stirn und ließ dann von ihr ab. „Ich erwarte dich um 18 Uhr in meinem Büro." Mit diesen Worten trat er aus ihrem Zimmer und ließ eine vollkommen verwirrte Gwen zurück.
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