Lauf!
* Song (Ab der markierten Stelle): Confident - Demi Lovato
Die Agor waren eine Mischung aus Wölfen und Drachen. Sie hatten scharfe Zähne und lange, blutrote Zungen. Ihre Augen waren ebenfalls blutrot und der Rest des schlanken Körpers war so schwarz wie die Nacht. Genau wie Wölfe jagten sie im Rudel und dies nur bei Nacht. Sie waren hier in der Gegend gefürchtet und genau das machte sie so gefährlich. Scheinbar entsprangen sie den Alpträumen und Ängsten der Menschen, die es hier ja zu genüge gab. Zinambra waren sie jedoch nie zu nahe gekommen, was daran lag, dass die Stadt in der Nähe des Meeres lag. Castile hatte ihr erklärt, dass die Agor das Wasser scheuten, da es Wesen wie ihnen schadete.
Nun aber waren die beiden weit weg vom Meer. Nichts dass sie vor diesem Alptraum beschützen konnte. Jetzt war die Diebin doch froh den Engel an ihrer Seite zu haben. Er war ein Arsch, keine Frage, doch er kannte diese Welt. Er wusste, was für Wesen es hier gab und wie man überleben konnte. Eigentlich war es doch unglaublich oder? Amira lebte jetzt seit 18 Jahren in dieser Welt und eigentlich wusste sie gar nichts darüber. Neben dem Engel war sie sich dann fast dumm vorgekommen, weshalb die junge Diebin kurz nach der Erklärung wortlos schlafen gegangen war. Es war ihr peinlich gewesen, wie ungebildet sie war, doch Castile war nicht darauf rumgeritten. Im Gegenteil. Er hatte ihr einfach alles erklärt, ohne sie zu verurteilen. Vielleicht lag das an seinem guten herzen, vielleicht hatte er aber auch einfach keine Lust auf sowas.
Am nächsten morgen bewies Castile ihr jedoch, dass er doch eine Meinung dazu hatte.
"Aufstehen Goldlöckchen. Wir wollen ja nicht, dass das kleine Stadtmädchen sich verläuft, wenn ich sie alleine lasse" weckte er sie mit dunkler Stimme. Er klang förmlich, als wäre er direkt der Hölle entkommen, was nicht verwunderlich war, denn Amira war eigentlich ein Morgenmuffel. Sie liebte die Nacht und lange aufbleiben, doch morgens aufzustehen war schrecklich für sie.
Genau deshalb brummte sie ihm jetzt ein "Arschloch" entgegen, bevor sie sich auf den Rücken drehte. Amira fuhr sich durch das blonde Haar und seufzte einmal. Ihr Leben hatte sich innerhalb eines Tages völlig auf den Kopf gestellt. Sicher, ihr Leben war alles andere als einfach gewesen, doch Amira hatte immer eine gewisse Sicherheit gehabt. Sie wusste, was am nächsten Tag passiere würde. Stehlen, töten, ins Bett gehen. Jeden Tag war es das Gleiche und das war irgendwie gut so. Doch nun zeigte dieser gefallene Engel ihr eine Welt, von der sie immer geglaubt hatte sie zu kennen und nun merkte sie, dass das eigentlich gar nicht der Fall war.
"Ich bevorzuge "Gutaussehend" oder "atemberaubend" aber dass ein einfacher Mensch nicht in der Lage ist sowas zu sehen, ist nicht verwunderlich" meinte Castile mit einem äußerst sarkastischen und provokanten Zwinkern, während er dabei war ihre Sachen wieder einzupacken. Die kleine Feuerstelle hatte er bereits ausgemacht und Thalia schnaubte ebenfalls zufrieden. Verwirrender Typ.
Amira verdrehte einfach nur die Augen, als sie sich aufsetzte und schlussendlich auch aufstand. Sollte er doch Sprüche machen, ihr war das völlig egal. Sie hatte in ihrem Leben wirklich vieles gehört und seine Sprüche waren nicht mal ansatzweise verletzend für sie. Castile ging ihr jedoch durchaus etwas auf die nerven mit seinem Getue. Engel eben.
Nachdem Amira aufgestanden war, alles gepackt hatte und Thalia losgebunden hatte, machten sich die beiden wieder auf den Weg. Es waren noch etwa drei Tage bis sie endlich in der fremden Stadt ankamen, wo sie einen mächtigen Mann töten sollten. Details über dieses Unterfangen hatte sie noch immer nicht, doch die junge Diebin hatte sich fest vorgenommen mehr über Castile und seinen Auftrag herauszufinden.
*
"Wie heißt die Stadt, in der deine Zielperson lebt?" fragte die Blondine beiläufig, als sie neben Castile durch den Wald ritt. Sie waren nun seit circa einer Stunde unterwegs und mussten erneut durch einen Wald. Hier in der Gegend schien es von Wäldern nur zu wimmeln, was Amira jedoch nicht im geringsten störte, denn sie liebte die Ruhe des Waldes. Trotzdem wollte die junge Diebin, dem Engel jetzt lieber einige Informationen entlocken.
"Veniza" gab Castile knapp zurück, bevor er seinen Blick, wie auch die letzte halbe Stunde, durch den Wald schweifen ließ. War er einfach nur vorsichtig? Hatte er Angst vor möglichen Gefahren, von denen er wusste und sie nicht? Oder vermied der Engel einfach ein Gespräch mit ihr?
"Wie heißt deine Zielperson?" bohrte sie weiter nach und betrachtete ihn. Sein markantes Gesicht war völlig emotionslos und Castile schien keineswegs daran interessiert ihr viel zu verraten. Dennoch würde er das müssen, denn Amira würde sicherlich nicht auf eine Mission gehen, von der sie nicht mal genau wusste, wer sie veranlasst hatte.
"Ist das wichtig? Du kennst ihn doch sowieso nicht ti vòlè" gab er zurück. Guter punkt, doch das ließ sie nicht auf sich sitzen. "Ach ja? Und das weißt du woher?" fragte Amira mit herausfordernder Stimme. Die Antwort war klar und dennoch sprach er sie mit solch einer Provokation aus, dass sie ihn am liebsten geköpft hätte. "Weil du eine kleine Diebin, aus einer zwei-Tage entfernten Stadt ist, die noch nie südlich des eigenen Waldes war." Punkt für ihn, doch gewonnen hatte Castile noch lange nicht.
"Na und? Du vergisst, dass ich nicht freiwillig hier bin Engelchen. Entweder du erzählst mir endlich ein bisschen was über deine Zielp-" gerade wollte sie ihre Forderung zu ende sprechen, da unterbrach er sie einfach. "Unsere Zielperson kleines" warf Castile mit ruhiger Stimme ein, doch dabei klang er so bestimmend, dass es Amira tatsächlich für einige Sekunden aus dem Konzept brachte. Dieser Typ hatte ja wirklich gar keinen Respekt vor ihr. Tja, das würde sich gleich ändern.
Ohne Vorwarnung glitt sie von Thalias Rücken hinunter und blieb vor dem verwunderten Castile stehen. Dieser wollte gerade einen dummen Spruch von sich geben, da hatte sie schon einen Dolch gezogen und ihm an die Kehle gedrückt. Ihre blauen Augen waren kein ruhiger See mehr, sondern eine Meterhohe Welle, die alles was ihr im Weg stand umreißen konnte. Er war sicher stärker als sie, doch für nichts dieser Welt würde sie ihre hart erkämpfte Freiheit aufgeben, geschweige denn sich so behandeln lassen.
"Unterbrich mich noch ein einziges Mal und dieser Dolch schlitzt dir nochmal deinen hübschen Flügel auf kapiert? Ich sagte, dass du mir endlich mal etwas über "deine" Zielperson erzählen sollst, denn weißt du was ich sonst mache? Ich gehe mit dir in diese Stadt, fülle dich so lange ab, bis du auf dem Boden einschläfst und warne jede mächtige Person in dieser Stadt vor dem gefallenen Engel, der sie erledigen will. Ich bin vielleicht kein strahlender Engel aber immerhin weiß ich was Respekt bedeutet" knurrte sie ihm entgegen und statt ihn loszulassen, spuckte sie ihm einfach ins Gesicht. Amira war selbst von dieser plötzlichen Reaktion geschockt, doch es fühlte sich gut an. Ja, sie war nur ein einfacher Mensch, doch sie konnte für sich selbst kämpfen und das würde sie auch. Amira hatte keine Mutter gehabt, die ihr gesagt hatte, wie wichtig Respekt vor sich selbst war und dass man nur denen Respekt zollen sollte,, die es verdienten, doch sie hatte diese Lektion trotzdem gelernt. Ganz alleine und darauf war sie stolz.
Egal wie stolz sie war, es half ihr jetzt nicht weiter, denn die junge Diebin hatte gerade einem gefallenen Engel ins Gesicht gespuckt. Ins. Gesicht. Gespuckt. Sie war Tod. Ganz sicher.
Genau wie erwartet packte Castile sie und schon in der nächsten Sekunde wurde sie durch die Luft geschleudert. Ihr Herz begann zu rasen und sie konnte das Blut in ihren Ohren rauschen hören, als sie für einige Sekunden nur das wütende Gesicht des Engels sah, bevor Amira dann mit dem Rücken gegen einen Baum prallte. Die spitzen Äste bohrten sich in ihr Fleisch und sie quiekte auf vor Schmerz. Shit. War das jetzt das Ende? Hätte sie das nicht tun sollen? Nein. Nein, nein, nein. Wenn die junge Diebin hier sterben würde, dann mit Stolz und erhobenem Kinn.
Plötzlich spürte sie dann Castiles kräftige Hand, die sich um ihren Hals schloss und Amira somit die Luft zum atmen nahm. Genau wie in der Burg, doch diesmal konnte sie nicht mehr so leicht entkommen. Ihr Rücken versuchte sich durchzudrücken, damit sie den spitzen des Baumes entkam, doch Castile drückte sie direkt dagegen. Als wüsste er genau, welche Schmerzen er damit verursachte. Oh scheisse. Sie würde sterben, ganz sicher.
"Hast du mir grade ins Gesicht gespuckt ti vòlè?" fragte er Amira mit bedrohlich leiser Stimme. Sie kannte diese Stimmlage. Das bedeutete, dass er sauer war. Sehr sauer. Spätestens durch sein wuterfülltes Knurren bestätigte sich das, als er ihr in die Augen sah. Sein Blick war ganz klar der, eines Mannes, dessen Ego verletzt war.
"Ich hab gesagt respektier mich, doch dir ist dein Respekt mir gegenüber doch scheiß egal. Warum sollte ich dich respektieren hm? Weil du stärker bist? Mir doch schnuppe, wie viel Macht du hast. Ich bin kein kleines dummes Mädchen, dass du herumschubsen kannst. Entweder du sagst mir was Sache ist oder ich bin raus" bellte sie ihm förmlich entgegen. War provozieren die beste Taktik? Vermutlich nicht. Doch wenn Amira es schaffte, dass er sie als Partnerin und nicht als dummen Menschen ansah, dann konnte sie ihren Tod vielleicht etwas herauszögern.
"Du bist raus? Kleine, entweder du tust endlich, was ich dir sage oder du bist verdammt nochmal Tod. Das war der Deal und der wird sich nicht ändern." konterte er mit ernstem Ausdruck. Es war offensichtlich, dass der Engel keinerlei Interesse daran hatte, sie einfach gehen zu lassen, doch dann ließ Castile sie einfach los. Sein Blick war völlig kalt und er schien darüber nachzudenken, was sie gesagt hatte, auch wenn er es nicht zeigen wollte. Ohne etwas zu sagen, drehte sich der braunhaarige dann um und ging zurück auf den Weg. Das Amira verletzt war, schien ihm total egal, denn plötzlich breitete er seine dunklen Flügel aus. Es sah aus, als wären das die Federn eines Raben, Kreaturen, die als unheilvoll und Botschafter des Todes angesehen wurden. War Castile so jemand? War er ein Botschafter des Todes oder war er einfach missverstanden?
Der brennende Schmerz an ihren Rücken erinnerte Amira daran, dass er es definitiv nicht war. Er war nicht so unschuldig wie man glauben könnte. Dann realisierte sie es. Versuchte er etwa wegzufliegen? Vor ihr wegzufliegen?
"Wag es nicht jetzt abzuhauen!" schrie Amira ihn an. Der Schmerz sorgte dafür, dass ihr ganzer Rücken brannte und sie konnte das Blut ihren Rücken hinunterlaufen spüren, als sie sich mit einem Ruck von dem Baum befreite. Verdammt tat das weh. Castile hatte ihr das angetan und jetzt wollte er einfach wegfliegen? Sich einfach aus dem Staub machen?
Amiras Satz schien ihn für eine Sekunde wieder in die Realität zurückkehren zu lassen, doch das hielt nicht an. Gerade wollte sie ihn erneut anschreien, da hörte sie ein Geräusch, dass ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es war ein bestialisches Kreischen, dass unmöglich von einem Mensch stammen konnte. Nein. Sie hatte davon schon gehört. Es waren nur alte Legenden, doch dort war von Wesen die rede, die ähnlich wie Sirenen waren. Nur dass sie statt einer Schwanzflosse einen Raubtierkörper hatten und die Sinne der Menschen durch ihr Geschrei betäubten. War es das?
Dann hörte sie Castiles Stimme, die ihr etwas zurief. Ein Wort, dass dafür sorgte, dass sofort sämtliches Adrenalin in ihrem Körper ausgeschüttet wurde und ihre Beine begannen zu kribbelten. Ihr Herz begann zu rasen und alle ihre Sinne waren scharf.
"Lauf!"
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top