Thunderclouds

Solea

Ich ignoriere den Kloß in meinem Hals, denn jetzt zu weinen kommt mir nicht richtig vor. Ich habe kein recht in dieser Situation Tränen zu vergießen, denn ich bin selbst schuld daran dass es so lief.

Vielleicht hätte ich von Anfang an ehrlich sein sollen. Vielleicht hätte ich Raphael die Wahrheit sagen sollen, als er nachgefragt hat. Vielleicht hätte ich aber auch ganz die Finger von ihm lassen sollen. Aber diese ganzen Vielleichts bringen mich auch nicht weiter.

Dass Raphael von meinem Beruf als Prostituierte erfahren hat, bevor ich ihm selbst davon erzählen konnte, hat mich ganz schön aus der Bahn geworfen und das obwohl ich damit hätte rechnen müssen. Dennoch gefällt wir die Art und Weise wie er davon erfuhr nicht und genau deshalb fühle ich neben diesem seltsamen Gefühl etwas verloren zu haben, auch Wut.

Ich weiß nicht wie lange ich schon in meinem Auto vor der Haustür meiner besten Freundin sitze. Vielleicht eine halbe Stunde. Vielleicht aber auch eine Ganze.

Es fühlt sich so absurd an. Ich kenne diesen Mann nicht einmal richtig und trotzdem fühle ich mich, als wäre mein Kartenhaus, welches gerade dabei war zu wachsen zusammengefallen. Einfach so. Und ich konnte nichts dagegen tun, außer hilflos dabei zuzusehen.

Beim Blick in den Rückspiegel könnt ich mich übergeben. Es ist als würde mir mein Spiegelbild höhnisch ins Gesicht grinsen.

Schnaubend wende ich mich ab und öffne die Autotür, um auf den Hauseingang vor mir zuzugehen.

Schluss mit dem Selbstmitleid, ich habe wahrlich schon schlimmeres überstanden. Dinge, die mich stärker gemacht haben, so wie mich auch diese Sache stärker machen wird.

An der Tür angekommen, betätige ich die Klingel nur kurz. Es ist schon spät, Laia wird längst schlafen und ich will sie nicht, nur weil ich nichts gebacken bekomme und jetzt jemandem zum Reden brauche, aufwecken.

Es knackt bevor Layla's Stimme in der Sprechanlage ertönt. Nachdem ich mich mit einem 'ich bin's' gemeldet habe, lässt sich die Tür mit einem Surren öffnen.

Lay steht in einem rosa/grauen Schlafrock an ihrer Tür. Es scheint als hätte auch sie so schon geschlafen. Sofort überfällt mich das schlechtes Gefühl. Ich hätte einfach nachhause fahren sollen und das Problem, welches ich ohnehin selbst verzapft habe, mit mir selber ausmachen sollen.

Mit einer kurzen Umarmung begrüße ich meine beste Freundin, ehe ich ihr ins Wohnzimmer folge. Der Fernseher läuft noch, also war sie doch noch wach. Trotzdem wäre es wohlmöglich besser gewesen mich Zuhause mit einem guten Glas Wein auf's Sofa zu setzen und morgen so zu tun als wäre nie etwas gewesen. Einfach weiter machen wie zuvor.

"Was ist passiert, solltest du nicht bei Raphael sein?"

Auch den Stich in meiner Brust, der mit der Erwähnung seines Namens einhergeht ignoriere ich.

"Das hat sich erledigt."

Mit geschlossenen Augen lass ich mich seufzend tiefer in die Polster fallen. Lay lässt sich neben mir nieder.

"Was meinst du damit?"

Flashback

"Darüber, dass du dich für Sex mit fremden Männern bezahlen lässt?"

Diese Frage - die viel mehr eine Festellung ist - zieht mir den Boden unter den Füßen weg. Mein Herz fängt wie wild an zu klopfen und das Gefühl erwischt worden zu sein macht sich in mir breit.

Noch bevor ich mir die Frage, woher er überhaupt davon weiß stellen kann, beantwortet sich diese, als eine weitere Person hinter ihm erscheint.

"Was soll das, was macht ER hier?"

"Freut mich auch dich zu sehen Nayra. Oder Solea?"

Gleichgültig zuckt dieser Mistkerl mit den Schultern.

"Ist ja auch egal. Jedenfalls bin ich hier, weil ich dem Bruder hier mal ein paar Takte von dir erzählt habe. Du weißt schon, von deinem Beruf als Nutte."

Es widert mich an, wie er mit mir redet und dabei brüderlich seinen Arm um Raphael legt. Ja und dieser steht nur da und blickt mich an.

Wie kam er überhaupt in Kontakt mit  Enis? Wir haben ihn zufällig getroffen. Einen Kerl der Aussieht wie gefühlt jeder Zweite. Abrasierte Haarseiten und Vollbart. Davon laufen so viele hier in Berlin rum.

Enis gehört erst seit einigen Monaten zu meinen Freiern und obwohl ich seinen merkwürdigen Wunsch mich als lebendiges Möbelstück für ihn herzugeben abgelehnt habe, kam er regelmäßig zu mir. Er war mir schon von Anfang an suspekt, aber er zahlte gut und das war das Einzige was für mich wichtig war.

Meine Augen treffen auf die von Raphael. Enttäuschung und Wut ist in ihnen zu erkennen.

"Raphael, ich wollte dir davon erzählen, aber.." Sein abfälliges Schnauben lässt mich verstummen. Seine Augenbrauen haben sich inzwischen zornig zusammengezogen.

"Es stimmt also?"

Unser Blickkontakt bricht ab, als sich mein Kopf Richtung Boden senkt. Enis' Stimme lässt mich wieder aufblicken.

"Klar stimmt das. Die Kleine lutscht Schwänze für bisschen Schotter."

Ohne noch etwas zu sagen, drehe ich mich um und verlasse den Flur des Studios.

Noch nie habe ich mich so gedemütigt gefühlt.

Nach meiner Erzählung von dieser schrecklichen Begegnung zieh ich ein Taschentuch aus der Box die auf dem Couchtisch steht und putze mir die Nase. Noch immer fällt es mir schwer nicht zu weinen. Sein enttäuschter Blick tat mir weh.

"Was glaubst du wie Raphael auf Enis kam?"

Diese Frage stell ich mir auch seitdem ich ihn dort sah. Zu einer Antwort kam ich jedoch nicht.

"Ich weiß es nicht. Spielt aber auch keine Rolle mehr."

"Ach Mensch Süße, das tut mir leid."

Anklagend blicke ich in das Gesicht meines Gegenübers. Layla weiß wie sehr ich es hasse bemitleidet zu werden. Das scheint ihr jetzt auch  wieder einzufallen, weshalb sie entschuldigend die Hände hebt.

"Ich hatte das Gefühl, dass es zwischen euch ganz gut passt. Ich habe dich lange nicht so ausgelassen gesehen. Deine Augen haben immer so süß geklitzert, wenn sein Name fiel."

Seufzend fahr ich mir mit den Händen durch's Haar. Ich will sowas nicht hören.

"Hat mit Laia alles geklappt?"

Meine beste Freundin gibt wegen meines Themawechsels ein genervten Stöhnen von sich. Trotzdem geht sie auf meine Frage ein.

"Mit dem kleinen Sonnenschein war alles super. Wieso fragst du?"

Zwar klingen ihre Worte ehrlich, jedoch lässt mich ihre plötzliche Nervosität und die Gegenfrage stutzen. Mit erhobener Augenbraue sehe ich sie auffordernd an.

"Ley, was ist passiert?"

Resigniert lässt diese ihre Schultern sinken und stößt geräuschvoll die Luft aus. 

"Nach dem Abendessen wollte sie Eis. Jetzt schau nicht so, du weißt, dass ich bei ihren braunen Kulleraugen nicht nein sagen kann. Aber darum geht es auch gar nicht. Als ich ihr eine kleine Schale mit Eis gab, erzählte sie mir von dem Ausflug mit Raphael. Sie hat ihn gern, Solea."

Jetzt kann ich nicht verhindern, dass mir ein paar warme Tränen entweichen. Obgleich ich bereits wusste, dass meine Tochter Raphael mag, ist es etwas anderes diese Tatsache von jemand anderes gesagt zu bekommen, vor allem in Anbetracht der jetzigen Situation.

Raphael will nichts mehr mit mir zu tun haben und das kann ich sogar verstehen. Mir wird klar, dass ich egoistisch gehandelt habe, indem ich schwieg und keine Silbe über meinen eigentlichen Job verloren habe. Es war nicht nur Raphael gegenüber unfair, sondern auch Laia.

Das Piepen meines Telefons reißt mich aus meinen Gedanken. Schnell ziehe ich das Smartphone aus meiner Handtasche und entsperre es.

"Was ist los?"

Anstatt Layla zu antworten halte ich ihr mein Handy mit der geöffneten Nachricht entgegen.

"Scheint als wäre das mit euch beiden doch nicht durch."

Nocheinmal blicke ich auf die Buchstaben, um auch sicher zu gehen, mich nicht verlesen zu haben, doch egal wie oft ich blinzeln mag, die Worte auf den Display bleiben die Gleichen.

"Wir müssen darüber reden. Schreib mir wann's bei dir passt." 

__

Hey ihr Schönen! (:

Wieder habe ich es nicht geschafft vor null Uhr hochzuladen. Egal, wie hat euch dieses Kapitel gefallen?

Von wem die Nachricht ist dürfte klar sein, aber was glaubt ihr könnte er wollen? Wird Solea überhaupt darauf eingehen?

Schreibt mir das sehr gern (:

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