Candy Shop

Raphael

"Yo Raf digga, lass' mal noch 'n bisschen was für heute kaufen fahren."

John und ich verlassen nach einem anstrengenden Tag das Studio. Heute Abend wollen wir gemeinsam mit ein paar gemeinsamen Freunden ein bisschen feiert. Einen wirklichen Grund dafür gibt es nicht, aber es ist auch nicht so, dass wir einen bräuchten.

Obwohl es erst kurz nach halb 6 am Abend ist, scheint John darauf zu bestehen, schon jetzt ein paar Kleinigkeiten zu besorgen.

Gemeinsam steigen wir in meinen Wagen und fahren auf John's wunsch hin in den nächstgelegenen Supermarkt.

"Was ist eigentlich mit der kleinen Blonden, ist die auch eingeladen?"

"Du meinst Chiara? Keine Ahnung." Antworte ich meinem Gegenüber - der bereits einige Vodka Flaschen im Einkaufskorb liegen hat - gleichgültig.

"Komm schon, so hässlich ist sie nicht. Zum drüberrutschen reicht's."

John's Worte und auch sein tiefes Lachen ignorierend schlendere ich weiter durch den Laden, auf der Suche nach der Süßigkeitenabteilung.

Auch wenn er recht hat und Chiara  tatsächlich ziemlich ansehnlich ist, interessiert sie mich keineswegs. Leider gehört sie zu den Mädchen, bei denen man von Anfang an merkt auf was sie wirklich aus sind. Statt Zuneigung braucht sie nur jemanden, der ihr teure Schuhe und Designer-Handtaschen bezahlt.

Wie John schon sagte; zum drüberrutschen reicht's, für mehr jedoch nicht.

Erst als wir vor dem Regal mit den verschiedenen Dragées stehen, beendet John seine Story, über unsere kleine Einkaufstour und steckt das Handy - für mal sehen wie lange - in die Hosentasche seiner kurzen Jogginghose, bevor er sich erneut an mich richtet.

"Uh ich vergaß, unser Casanova will ja keine Schlampen mehr ficken."

"Fick..en"

Gleichzeitig drehen John und ich uns um; in die Richtung, aus der die zarte Stimme kommt.

Vor uns steht ein kleines Mädchen - vielleicht 2 oder 3 Jahre alt - und blickt aus ihren großen dunklen zu uns rauf.

"Ficken."

Auch wenn es beim weiten Mal flüssiger klingt, kann es nicht richtig sein, dass ein Kind in diesem Alter dieses Wort lernt.

"Ne Kleene, sowas sagt man nicht, das macht man nur."

Mit zusammengezogenen Augenbrauen schaue ich John, der das ganze für sehr amüsant zu halten scheint, an.

"Ja was, ist doch wahr."

"Das musst du aber keinem kleinen Kind beibringen."

"Ach, die versteht doch sowieso noch nicht, was das ist." Rechtfertigt er sich mit einer wegwerfenden Handbewegung.

Ich gehe in die Hocke und will das Mädchen fragen, wo ihre Eltern seien, doch dazu kommt es nicht, denn plötzlich kommt eine abgehetzte Frau mit rosafarbenen Haaren auf uns zu.

"Laia, da bist du ja, du sollst doch nicht mit fremd.." Eine Pause, in der ich mich wieder erheben und sie mich und John offensichtlich erkennt, entsteht, bevor ihre Augen ganz groß werden.

"Scheiße, ihr seid es wirklich. Ich dachte erst ich hätte zu viel Kaffee intus, aber ha,..wer hätte gedacht, dass ich Raf Camora und Bonez MC in einem Supermarkt begegne. Hey, ich bin Giulia. Wie wär's mit 'nem Foto, schließlich trifft man euch nicht jeden Tag. In einem Supermarkt, ich fasse es ja nicht.." 

Hätte sie nicht erwähnt, dass sie offenbar mehrere Liter Koffein getrunken hat, hätte man es an ihrer völlig überdrehten Art gar nicht mitbekommen.

Noch bevor einer von uns reagieren kann, hat sie ihr Handy herausgeholt und sich neben John gestellt, der jetzt ebenfalls verwundert über diese ziemlich aufgedrehte Art, in die Kamera posiert.

Dass ihr Kind gerade dabei ist, sämtliche Süßigkeiten aus den Regalen zu befördern, scheint ihr egal zu sein.

Als sie auch mit mir das gewünschte Foto bekommen hat, klickt sie die Bilder sichtlich zufrieden noch einmal durch.

"Ich glaube, du solltest deine Tochter von den Gummibärchen wegnehmen."

Vielleicht hätte ich früher was sagen sollen. Vielleicht ist sie aber auch selbst schuld, immerhin war ihr ein Foto mit uns wichtiger als sich darum zu kümmern was ihr Kind macht.

"Mamaaaaaaaaaa."

Etwas verwundert beobachte ich die Situation, welche sich vor uns abspielt.

Das kleine Mädchen erhebt sich vom Boden und läuft freudestrahlend auf eine Person zu, die gerade mit einem vollen Einkaufswagen in unsere Richtung gelaufen kommt.

Als ich realisiere wie schön diese Frau ist, muss ich hart schlucken, weil mein Kehle plötzlich ganz trocken wird. Es ist als würde ihre Präsenz mir die Luft zum Atmen nehmen. 

Das weiße Kleid zeichnet sich von ihrer etwas dunkleren Haut und den langen braunen Haaren ab und lässt es so noch strahlender wirken.

Unmissverständlich muss es sich bei ihr um die Mutter des Kindes handeln, denn auch wenn das Mädchen nicht auf sie zugegangen wäre, ist es unübersehbar.

"Kannst du mir mal verraten, wie es passieren konnte, dass Laia die Regale ausräumt, obwohl du daneben stehst, Giulia?"

Durch mein starren, habe ich weder  mitbekommen, wie diese Naturschönheit vor uns zum stehen kam, noch, dass John mich bereits zum gehen aufgefordert hat.

"Digga, mach was du willst, aber ich geh' jetzt bezahlen."

Da John ein Mann seiner Worte ist, packt er noch etliche Chipstüten ein und verschwindet dann tatsächlich hinter dem nächsten Regal.

Während die zwei Frauen scheinbar anfangen miteinander zu diskutieren, stehe ich nur wie ein Volltrottel daneben und mustere das Gesicht von der Person vor mir.

Jetzt wo sie ihre Tochter auf dem Arm hält, sieht man, dass sie sich wie aus dem Gesicht geschnitten sind. Beide haben die Gleichen goldbraunen Augen, die von schwarzen, dichten Wimpern umrandet werden. Auch die Nase ähnelt sich stark, lediglich der Schönheitsfleck auf der linken Wange, fehlt der jüngeren Version der beiden.

Ich würde behaupten schon viele schöne Frauen gesehen zu haben, aber diese spielt in einer ganz anderen Liga.

"Solly, jetzt mach kein Drama, das räumen wir gleich weg, zuerst muss ich dir Raf Camora und..ähm.."

Erst als die etwas kleinere von ihnen meinen Namen erwähnt und sich dann suchend umblickt, erwache ich aus einer art Trance.

Als sie feststellt, dass nur noch ich anwesend bin, fährt sie unbeirrt mit ihrer Vorstellung fort.

"Nur Raf Camora vorstellen. Du weißt schon 'Ohne mein Team' und so. Raf, das ist meine beste Freundin Solly."

So als würde sie erst jetzt Notiz von mir nehmen, schaut sie mir in die Augen. Unter ihrem Blick scheint mir immer wärmer zu werden und ich bin froh, dass sie es ist, die zuerst etwas sagt, denn ich bin mir nicht sicher, dass ich einen Ton rausbekommen hätte.

Bei dieser Frau verschlägt es mir wortwörtlich die Sprache.

"Hey, ich heiße Solea, nur sie nennt mich Solly. Und die junge Dame, die für dieses Chaos verantwortlich ist, heißt Laia." 

Um sicherzugehen, dass meine Stimme auch so klingt, wie sie klingen soll, räuspere ich mich, bevor ich ihre dargebotene Hand entgegen nehme und mich ebenfalls noch einmal selbst vorstelle.

"Raphael, freut mich."

Für einen kurzen Moment, indem sie mir ein Lächeln, welches kleine Grübchen entstehen lässt, scheint die Zeit stehen zu bleiben und erst dann weiterzulaufen, als sie sich von mir abwendet, um die am Boden liegenden Verpackungen zurück in die Regale zu verräumen.

"Laia, mi querida hija, hilf mir bitte."

Ich lag also mit meiner Vermutung, dass ich es hier mit einer spanischen Schönheit zu tun habe richtig.

Obwohl ich weiß, dass John sicher schon ungeduldig an der Kasse steht und auf mich wartet, kann und will ich noch nicht gehen. Stattdessen schnappe ich mir auch ein paar der Tüten und sortiere sie in das Regal ein.

"Danke." Erneut entblößt sie ihre weißen Zähne durch ihr warmes Lächeln.

Beinahe bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht verhindern kann mir vorzustellen, wie sie ihre perfekt geschwungenen Lippen um meinen..

"Scheint so als müsste ich die hier bezahlen."

Solea hält grinsend eine aufgerissen Fruchtgummi-Verpackung nach oben.

Auch ich kann mir deshalb kein Grinsen verkneifen. 

"Mama, ich will die haben.".

Nachdem wir zu dritt - Giulia ist mit ihrem Handy beschäftigt - das Chaos beseitigt haben, zeigt die kleine Laia mit ihrem Finger auf eine noch ungeöffnete bunte Tüte mit Gummibärchen.

"Es heißt 'ich möchte bitte' und nein, wir kaufen diese, weil du die schon geöffnet hast, das verstehst du, oder?"

Zwar ist ein Nicken ihre Antwort, doch ihr Schmollmund sagt etwas anderes.

"Oh man, ich hab schon 54 neue Follower wegen den Bildern hinzubekommen, unglaublich."

Es wirkt, als würde Giulia diese Worte eher zu sich selbst, als zu einem von uns sagen, denn während ihrer Auskunft hat sie nicht einmal vom Bildschirm ihres Handys aufgesehen. Und wohl auch deshalb bekommt sie keine Antwort.

"Ja also dann, danke nochmal für's helfen, auch wenn das nicht nötig gewesen wäre, immerhin.." – "Wo ist ficken?"

Solea wird von ihrer Tochter, die diese Frage an mich stellte unterbrochen und nicht nur sie schaut das kleine Mädchen fassungslos an, auch ihre Freundin hat nun endlich wieder in die reale Welt zurückgefunden.

"¡Qué demonios! Laia, sowas sagt man nicht. Tut mir leid, ich weiß echt nicht woher sie dieses Wort hat, eigentlich spricht sie nicht so."

Aber ich weiß es.

Mir nichts anmerken lassend und hoffend, dass die Kleine nichts verrät solange ich noch da bin, verabschiede ich mich damit, dass mein Kollege draußen auf mich wartet.

"Alter, was hat da solange gedauert, hast du die Olle zwischen den Regalen weggeballert oder was? Wenn ja, hoffe ich nicht vor den Augen ihres Kindes."

Tatsächlich stand John bereits schon vor dem Laden und genehmigte sich einen Joint.

"Es war nicht ihr Kind. Die Mutter kam kurz bevor du gegangen bist. Das hättest du vielleicht mitbekommen, wenn du nicht wieder mit deinem Handy beschäftigt gewesen wärst."

"Dann hast du also beide.." –"Ich habe mich vorgestellt und ihr dabei geholfen die Süßigkeiten aufzuräumen."

John's amüsiertes lachen weicht einem skeptischen Gesichtsausdruck.

"Warum, war doch nicht deine Schuld, dass.."

Er bricht seine Worte ab und seine Skepsis macht Platz für ein wissendes Grinsen.

"Sie gefiel dir!"

Wegen seiner überzeugten Feststellung, kann auch ich mir ein Grinsen nicht mehr verkneifen.

"Hast du sie dir wenigstens klar gemacht?"

"Ne man, Solea ist nicht so eine."

Am Auto angekommen, packen wir unseren Einkauf in den Kofferraum und steigen kurz darauf ein.

"Sagen das nicht alle Weiber, und am Ende hängen sie dir trotzdem am Sibbi."

Auch wenn John wegen seiner Worte lacht, wissen wir beide, dass da was wahres dran ist, doch bei Solea bin ich mir sicher. 

Sie ist anders.

__

Hey ihr Lieben! (:

Weil die Resonanz zum ersten Kapitel echt gut ausfiel, kommt hier schneller als gedacht schon das nächste Kapitel. Ich hoffe, ihr freut euch. (:

Wie auch bei meinen anderen Geschichten, dienen die Bilder nur zur Vorstellung. 

Ich habe ein paar Fragen an euch; Wie ist euer erster Eindruck von den Charakteren und wie fandet ihr das erste Aufeinandertreffen der beiden?

Das würde mich ja echt mal interessieren, deshalb lasst mir sehr sehr gern eure Meinung da. (:

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top