27. Die Falle
Nachdem die Schlafzimmertür seines ehemaligen Partners zugeschlagen wurde, beschloss Dazai kurz nach Misaki zu sehen und mit ihr zu sprechen. Denn nach all dem, was heute vorgefallen war, konnte sie definitiv positiven Zuspruch gebrauchen. Doch zuvor teilte er Atsushi mit, dass er vor dem Gebäude auf ihn warten solle. Der Weißhaarige protestierte anfangs, da er ebenfalls nach ihr sehen wollte, gab aber schlussendlich doch frustriert nach. Mit diesem Mann zu diskutieren war nun mal sinnlos. Außerdem war er sich ohnehin nicht sicher, ob Misaki ihn jetzt sehen wollen würde. Der Streit mit Chuuya war zwar eindeutig schlimmer gewesen, aber sie war auch auf ihn ziemlich wütend. Das hatte Atsushi deutlich in ihren Augen gesehen, als sie ihn angeschrien hatte. Und auch, wenn er sich bloß Sorgen machte und ihr Bestes wollte, tat es ihm dennoch leid. Denn er wusste ganz genau, wie wichtig A für sie war und dass sie nicht zur Ruhe kommen könnte, ehe sie nicht die Wahrheit wusste.
Der Braunhaarige spazierte anschließend nonchalant und ohne anzuklopfen in Misakis Zimmer. Dort fand er sie, wie erwartet, auf dem Bett sitzend und den Brief lesend vor. Wie oft sie diesen wohl mittlerweile gelesen hatte? Bestimmt dutzende Male. Und auch jetzt war sie so darauf fokussiert, dass sie Dazai keinerlei Beachtung schenkte. Zumindest nicht, bis er sich neben sie gesetzt hatte. Erst dann hob Misaki ihren Kopf, betrachtete ihn aus dem Augenwinkel und seufzte schließlich langgezogen.
„Was willst du? Bist du gekommen, um mir ebenfalls zu sagen, wie dumm und riskant mein Plan ist? Falls ja, dann verschwinde einfach…“, sagte sie mürrisch und legte den Brief zur Seite.
„Aber aber, Misaki-chan. Ganz im Gegenteil, denn ich unterstütze deine Idee. Allerdings muss man sie erst etwas taktischer ausarbeiten, um es einen Plan nennen zu können. Das übernehme selbstverständlich ich und dann werden wir ihn umsetzen.“
„Was? Wirklich? Aber was ist mit Chuuya-senpai und Atsushi-kun?“, fragte Misaki überrascht und skeptisch.
„Das kannst du auch mir überlassen, denn ich bin sehr überzeugend und kann mich bei den beiden mit Leichtigkeit durchsetzen“, antwortete er mit einem selbstgefälligen Grinsen.
Misaki war unglaublich froh, dass der Braunhaarige auf ihrer Seite war und den Plan unterstützte. Durch die überwältigende Freude und Dankbarkeit, die dadurch in ihr aufkam, fiel sie Dazai im nächsten Moment lächelnd um den Hals und drückte ihn fest an sich. Etwas perplex und zögerlich erwiderte er die Umarmung, ehe sie diese kurz darauf wieder löste. Es war ungewohnt für den Braunhaarigen, dass ihn jemand einfach umarmte. Zumindest ohne die Intention, ihn dabei töten oder verletzen zu wollen, denn das war tatsächlich schon das ein oder andere Mal vorgekommen. Die letzte Person, die ihn ohne Hintergedanken umarmt hatte, war damals Chuuya gewesen – bevor er die Port Mafia verlassen hatte. Seit dem 17. Geburtstag des Rothaarigen, war ihre Bindung viel stärker und tiefgehender gewesen. Auch wenn sich dem äußeren Anschein nach nichts verändert hatte, so hatten sie doch meist die Nächte zusammen verbracht und sich anders verhalten, wenn sie alleine gewesen waren. Sie hatten dem jeweils anderen eine Seite von ihnen offenbart, die sonst niemand kannte und die sie auch keinem anderen jemals zeigen würden. Dazai und Chuuya waren Partner gewesen und das in jeglicher Hinsicht, zumindest bis zu dem Tag, als ersterer spurlos verschwunden war.
„Dazai-san, ist alles okay? Du bist so still und wirkst so abwesend“, sagte Misaki und musterte ihr Gegenüber fragend.
„Es ist alles gut, Misaki-chan. Ich habe bloß nachgedacht und sollte wohl langsam gehen, denn Atsushi-kun wartet unten auf mich.“
Als der Braunhaarige das Zimmer verlassen hatte und gerade gemächlich den Flur entlang schlenderte, hörte er, wie sich eine Tür hinter ihm öffnete. Wissend, wer nun hinter ihm stand, drehte Dazai sich schwungvoll um und grinste schief. Der Rothaarige hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihn verärgert an.
Zuvor hatte Chuuya sich noch an die Nacht seines 17. Geburtstages erinnert, was ihn ohnehin ziemlich aufwühlte und jetzt stand sein ehemaliger Partner auch noch direkt vor ihm. Er war in einer solch schwierigen Gefühlslage, dass er momentan nicht wusste, ob er diesen nun schlagen oder doch küssen wollte – irgendwie verlangte es ihm nach beidem. Stattdessen zischte Chuuya aber bloß genervt, während er an dem Braunhaarigen vorbeigehen wollte. Jedoch legte dieser ihm eine seiner Hände auf die Schulter und dirigierte ihn mit sanftem Druck in Richtung Wand. Der Kleinere seufzte, ließ sich aber bereitwillig führen und sah zu seinem Gegenüber auf. Dazai stützte seine linke Hand an der Wand ab, während die Rechte sich auf Chuuyas Wange legte. Sanft strich er mit dem Daumen über dessen Unterlippe, während ihre Blicke sich trafen. Auch die Gefühlslage des Braunhaarigen war durch die Erinnerungen etwas schwieriger geworden. Denn er wusste einerseits, dass er es lassen sollte, doch andererseits fühlte er diese tiefe Sehnsucht, welcher er sich nicht ewig entziehen konnte, noch wollte. Dem Rothaarigen erging es ebenso, denn bei dieser zärtlichen Berührung begann sein Herz schneller zu schlagen und ihn durchfuhr ein wohliger Schauer. Beide haderten mit sich selbst, ihren Gefühlen, Sehnsüchten und dem Verlangen. Schlussendlich war es jedoch Chuuya, der über seinen Schatten sprang und den Stolz beiseiteschob. Er packte Dazai am Kragen, zog ihn näher zu sich und verband ihre Lippen zu einem Kuss, welchen dieser schmunzelnd erwiderte. Die Hände des Braunhaarigen waren gerade dabei abwärts zu gleiten, während der Kleinere spielerisch an dessen Unterlippe knabberte und zog. Auffordernd leckte Dazai über die Lippen seines ehemaligen Partners, woraufhin dieser sie bereitwillig öffnete. Seine Zunge drang langsam in den Mund des Rothaarigen ein, welcher ihm mit der seinen bereits entgegenkam. Ihre Zungen streiften sanft aneinander und begannen schließlich miteinander zu spielen. Währenddessen schob der Braunhaarige seine Hände unter Chuuyas Hemd, als neben ihnen plötzlich die Tür geöffnet wurde und Misaki sie überrascht ansah. Sie entschuldigte sich stotternd, während sie zurück in ihr Zimmer stolperte und dabei beinahe gegen die Tür rannte. Der Rothaarige fluchte leise und stieß Dazai anschließend von sich, weil dieser bloß kicherte.
„Fuck… Das ist nicht witzig, du Bandagenverschwendung!“, zischte Chuuya.
„Jetzt, wo sie uns gesehen hat, müsstest du dich immerhin nicht mehr so anstrengen leise zu sein", neckte der Braunhaarige ihn schulterzuckend.
„Spinnst du?! Verschwinde endlich, du Bastard!“
„Okay, dann führen wir das eben ein anderes Mal fort, Chibi", flötete er vergnügt.
Nachdem Dazai das Apartment verlassen hatte, schlug der Rothaarige wütend gegen die Wand und atmete anschließend tief durch. Er hatte seinem Verlangen einfach nachgegeben und wer weiß, wie weit sie gegangen wären, wenn Misaki sie nicht unterbrochen hätte. Und jetzt würde er auch noch mit ihr darüber sprechen müssen, da das niemand erfahren durfte und sie nicht denken sollte, dass etwas derartiges in Ordnung wäre. Chuuya könnte sich selbst dafür schlagen, dass er so unbedacht gewesen war. Doch ändern konnte er es jetzt auch nicht und es grämte ihn umso mehr, dass er es so sehr genossen hatte. Dabei wollte der Rothaarige sich, nach allem was passiert war, nie wieder auf seinen ehemaligen Partner einlassen.
Chuuya klopfte an die Tür und wartete kurz, ehe er eintrat. Die Stimmung zwischen ihnen war aufgrund des Streits noch ziemlich unbehaglich, was man an ihrer angespannten und abweisenden Haltung erkannte. Misaki hatte nicht einmal ihren Blick gehoben, sondern starrte einfach weiterhin emotionslos auf ihre Hände und all die Narben, die diese zierten. Erst als der Rothaarige näherkam und sie direkt ansprach, richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf ihn.
„Was du da gerade gesehen hast… das bleibt unter uns, verstanden?“
„Natürlich. Ich hatte auch nicht vor, es jemandem zu erzählen“, erwiderte sie gleichgültig.
„Gut und da gibt es noch etwas, was ich dir bei dieser Gelegenheit gleich sagen muss. Mir ist aufgefallen, wie nahe du und dieser Menschentiger euch seid. Dir ist klar, dass er nur kurzzeitig unser Verbündeter ist und danach wieder ein Feind, oder? Du solltest dich also nicht zu sehr an den freundlichen und vertrauten Umgang mit ihm gewöhnen“, sagte Chuuya ernst.
„Du meinst so vertraut und freundlich, wie der Umgang zwischen dir und Dazai-san vorhin war? Wo liegt da der Unterschied?“, fragte Misaki skeptisch.
„Tss… Das mit dieser Makrele hatte schon begonnen, bevor er die Mafia verraten hatte und es wird nicht wieder vorkommen – da liegt der Unterschied. Abgesehen davon war das keine Bitte und kein Ratschlag, sondern ein Befehl!“
Nach dieser Aussage verließ der Rothaarige einfach das Zimmer und ließ sie alleine zurück. Eigentlich wollte er nicht so harsch zu ihr sein, doch er hatte in dieser Hinsicht keine Wahl. Denn sollte Mori das jemals herausfinden, dann wollte er gar nicht wissen, wie dieser mit Misaki verfahren würde. Den letzten Untergebenen, der etwas ähnliches getan hatte, hatte er danach nämlich nie wieder gesehen. Genau genommen kam es sogar einem Verrat gleich und Chuuya wusste nur zu gut, was die Mafia mit Verrätern anstellte. Deswegen musste er das unverzüglich unterbinden, bei Misaki und bei sich selbst – so schwer es ihm auch fiel. Selbst wenn sie ihn dafür hassen sollte, war das immer noch um ein Vielfaches besser, als die Alternative.
[Drei Tage später]
Die letzten Tage waren nicht sonderlich ereignisreich gewesen, abgesehen davon, dass sie den Plan zusammen durchgegangen waren und Vorbereitungen getroffen hatten. Anfangs hatten sich Chuuya und Atsushi noch strikt geweigert diesem zuzustimmen, jedoch hatte Dazai sie dann – wie erwartet – doch umgestimmt. Ihre Meinung hatte sich allerdings dennoch nicht großartig geändert, auch nicht dann, als sie den gesamten und taktisch ausgearbeiteten Plan gehört hatten. Denn das Risiko war ihrer Ansicht nach trotzdem zu hoch und wenn sie gewusst hätten, was der Braunhaarige und Misaki zuvor alleine besprochen hatten, dann hätten sie dem niemals zugestimmt. Das war auch der Grund, weshalb sie und Dazai es für sich behalten hatten.
Misaki war gerade auf dem Weg zum Labor, nachdem sie von einem Taxi in der Nähe abgesetzt worden war. Eigentlich hatte Chuuya sie wenigstens hinfahren wollen, doch für den Fall, dass sie beobachtet wurde, war es nun einmal besser, wenn sie alleine ging. Alles andere könnte nämlich verdächtig wirken, und somit den Plan und sie selbst in Gefahr bringen. Dieser war ohnehin schon gefährlich genug, daher wollten sie ein zusätzliches Risiko unbedingt vermeiden. Und auch wenn dieser Plan ursprünglich ihre Idee gewesen war, fühlte sie sich zunehmend unwohler. Auch Misakis Nervosität stieg, weil sie dem Labor immer näherkam und völlig alleine war. Zusätzlich kamen nun auch wieder all die Erinnerungen und Geschehnisse der Vergangenheit hoch, welche sie wohl ewig verfolgen würden. All die Experimente und Tests, die man an ihr durchgeführt hatte. Sie erinnerte sich noch deutlich an die Nadeln, Skalpelle und kleinen Laser, die ihren Körper und ihre Haut immer wieder aufs Neue durchdrungen und verletzt hatten. Die meisten ihrer Narben stammten daher und immer dann, wenn sie diese sah, war es beinahe so, als ob sie es erneut durchleben würde. Dazu kam noch noch der Holzstuhl, der mit Metallplatten bestückt gewesen war. Auf diesen war Misaki immer gefesselt worden, bevor man Strom durch ihren Körper geschickt hatte. Zusätzlich noch all die Knochenbrüche, die ihr absichtlich zugefügt worden waren, nur um diese mit speziellen Injektionen umgehend zu heilen und sie dadurch zu stärken. Selbst Strahlung war sie mehrmals ausgesetzt gewesen, welche anfangs noch schlimme Nebenwirkungen hervorgerufen hatte. Erst als sie ihre Fähigkeit erhalten hatte, verringerte sich die Anzahl der die Experimente und Tests – doch vollkommen erspart war es ihr dennoch nicht geblieben. Sie waren bloß verringert worden, damit das Kampftraining zwischenzeitlich durchgeführt werden konnte. Es war die Hölle gewesen und auch C, der zu diesem Zeitpunkt noch gelebt hatte, hatte dasselbe erleiden müssen. Doch da hatten sie immerhin einander gehabt, was ihnen ein wenig Hoffnung und Freude gegeben hatte. Allerdings hatte sich das an diesem einen, schrecklichen Tag plötzlich geändert. Danach war Misaki ganz alleine gewesen und hatte damit leben müssen, dass er durch ihre Hände und Fähigkeit gestorben war. Auch wenn sie es nicht gewollt hatte und förmlich dazu gezwungen worden war, würde sie sich dennoch immer selbst die Schuld dafür geben. Sie hatte in all der Zeit immer wieder daran gedacht, dass es besser gewesen wäre, wenn nicht er, sondern sie damals gestorben wäre. Ob er mit dem Verlust wohl besser klargekommen wäre, als sie? Vermutlich nicht, denn C war schon immer der Sensibelste von ihnen gewesen. In manchen Momenten war Misaki sogar wütend auf ihn gewesen, da er einfach für sie entschieden und sie deshalb verlassen hatte. Doch bei diesem Gedanken hatte sie sich dann jedes Mal noch schlechter gefühlt, denn immerhin hatte er es aus Liebe getan und weil er ihr niemals etwas hätte antun können.
Als Misaki schon beinahe vor dem hohen Drahtzaun stand, der das große, verlassen aussehende Gebäude umgab, wurde sie von einigen bewaffneten Männern aufgehalten. Diese stellten sich um sie herum auf und zielten auf sie, woraufhin sie ihre Arme beschwichtigend hob und anschließend langsam zur Seite streckte. Denn sie wusste genau, dass man sie zuvor durchsuchen würde und wollte sich die Nervosität auch nicht anmerken lassen. Indessen einer der Männer sie vorsichtig abtastete, sah Misaki sich argwöhnisch um. Sie konnte weder den geflügelten, noch den tätowierten Mann irgendwo sehen. Die beiden mussten sich wohl im Innern des Gebäudes befinden, was für den Plan sogar von Vorteil wäre. Doch selbst wenn sie sich außerhalb aufhalten würden, würde das für Chuuya, Atsushi und Dazai kein großes Problem darstellen. Denn solange der Rothaarige dabei war, standen ihre Chancen gut und das wusste sie.
Nachdem Misaki abgetastet worden war, verband man ihr die Hände hinter dem Rücken. Das Material war zwar robust, aber auch weich genug, dass sie sich damit nicht einfach verletzen konnte. Natürlich waren diese Männer gut vorbereitet, immerhin kannten sie ihre Fähigkeit und wollten vermeiden, dass sie sie benutzen konnte. Was diese jedoch nicht wussten, war, dass sie etwas derartiges vorausgesehen hatte und deshalb vorsorglich einen Schnitt auf ihrer Handfläche platziert hatte. Damit würde Misaki zwar einen ihrer Handschuhe zerstören, aber das war immer noch besser, als ihnen ohne ihre Fähigkeit entgegentreten zu müssen. Denn sie waren in der Überzahl und zusätzlich mit Schusswaffen ausgestattet.
Langsam führten die Männer Misaki durch das Tor des Zauns hindurch, welcher offensichtlich unter Strom zu stehen schien. Sie konnte das elektrische Summen hören und der Geruch von verbrannter Haut lag deutlich in der Luft. Das war damals, als sie geflüchtet war, noch nicht so gewesen. Ob sie das wohl direkt nach ihrer Flucht geändert hatten? Oder war dies doch schon immer so gewesen und der Strom war an dem Tag ihrer Flucht kurzzeitig ausgefallen? Letzteres war jedoch viel zu unwahrscheinlich und unlogisch, als dass es wahr sein könnte. Dennoch hatte Misaki das ungute Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Dass der Brief eine Falle war, war ihr von Anfang an klar gewesen. Doch sie begann allmählich zu glauben, dass sie dennoch etwas ganz Wichtiges und Ausschlaggebendes übersehen hatte. Sie hoffte bloß, dass sie sich dabei irrte.
„Ich sagte doch, dass du bald von alleine zu uns kommen wirst. Willkommen zu Hause, kleine B1511“, sagte eine ihr bekannte Stimme und riss sie damit aus ihren Gedanken.
„So sieht man sich wieder, Spatzenhirn. Wo ist denn dein Partner, Mister Streichholz?“, fragte sie in einem kühlen Ton.
„Da scheint wohl jemand ziemlich erfreut zu sein, mich zu sehen. Du kannst ihn übrigens Dabi und mich Hawks nennen, denn für Spitznamen sind wir noch nicht vertraut genug, aber das wird sich bestimmt bald ändern", antwortete er provokant lächelnd.
Misaki schnaubte bloß und würdigte Hawks keines Blickes, während sie das Gebäude betraten und die Tür hinter ihnen geschlossen wurde. Vor ihnen lag ein langer und hell erleuchteter Flur, dessen Wände kahl und weiß waren. Zumindest war nirgends eine Tür oder etwas dergleichen zu sehen, obwohl das Gebäude eigentlich viel größer war. Es musste also mehrere Eingänge geben, von denen vermutlich ausschließlich dieser nach unten in das Labor führte. Am Ende des Flurs konnte Misaki einen Fahrstuhl erkennen, an den sie sich noch gut erinnern konnte. Allerdings war sie damals nicht mit diesem gefahren, sondern die Leiter des Schachts hinaufgeklettert. Immerhin hatte sie sich beeilen müssen, da einige Männer hinter ihr her gewesen waren. Leider waren ihre Erinnerungen, die diesen Tag betrafen, ziemlich verschwommen und so konnte sie sich nicht hundertprozentig an alles erinnern. Sie wusste beispielsweise nicht mehr, wie weit sie den Fahrstuhlschacht damals hatte hinaufklettern müssen und wie viele Wachen sie insgesamt getötet hatte. Doch nun hatte Misaki wichtigeres zu tun, als darüber nachzudenken. Denn sie musste zumindest die Wachen, die hinter ihr gingen, ausschalten. Je weniger es waren, desto besser. Auch wenn sie wusste, dass sie dafür bloß einen kurzen Moment hatte und danach von dem Blondhaarigen überwältigt werden würde. Also verlor sie keine Zeit mehr und ließ zuerst ein kleines, blutrotes Messer in ihrer Hand erscheinen – wodurch ihr Handschuh zerstört wurde. Damit schnitt sie ihre Fessel blitzschnell durch, doch noch bevor sie einen weiteren Schritt ausführen konnte, spürte sie einen kurzen und stechenden Schmerz in ihrem Nacken. Einer der Männer hatte ihr eine kleine Spritze verabreicht, worauf sie natürlich nicht gefasst gewesen war. Misaki wurde langsam immer schwindliger und ihre Sicht begann zu verschwimmen, während sie mit aller Kraft versuchte, ihr Gleichgewicht zu halten. Schwankend stützte sie sich an der Wand des Flurs ab, ehe ihr schwarz vor Augen wurde und sie bewusstlos in Hawks’ Armen landete. Dieser hatte zumindest ihren Sturz verhindern wollen, wenn es schon nötig gewesen war, sie zu betäuben.
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Atsushi beobachtete währenddessen alles aus sicherer Entfernung mit seinen Tigeraugen und berichtete seinen Nebenmännern, was er sah. Ihm war nicht wohl dabei, Misaki bloß aus der Ferne zu beobachten, während diese ganz allein den Feinden gegenüberstand. Und sein ungutes Gefühl verschlimmerte sich zusätzlich, als er den geflügelten Mann erblickte, der gerade lächelnd aus dem Gebäude kam. Die Möglichkeit hatte zwar von Anfang an bestanden, dass dieser anwesend sein könnte, aber er hatte dennoch gehofft, dass dem nicht so wäre. Denn das würde Misaki definitiv Probleme bereiten, da sie bloß ein kurzes Überraschungsmoment hätte, um einige der Wachen auszuschalten. Abgesehen davon, dass sie definitiv geschnappt werden würde. Das war einer der Gründe, weshalb der Weißhaarige und Chuuya so strikt dagegen gewesen waren. Doch sie hatte darauf bestanden den Plan trotzdem durchzuführen und versichert, dass sie sich nicht leichtfertig in Gefahr bringen würde. Zumindest hatte sie ihnen das glaubhaft gemacht, doch sie und Dazai wussten es besser. Immerhin war das, was sie alleine besprochen und ihnen verschwiegen hatten, definitiv nicht ungefährlich und auch ziemlich riskant. Wenn der Braunhaarige jedoch Recht behielt, dann hatten sie keine andere Wahl.
Nachdem Misaki in dem Gebäude verschwunden war, warteten Atsushi und Chuuya noch ein paar Minuten, ehe sie sich aufteilten, um die Wachen außerhalb auszuschalten. Der Rothaarige versuchte nicht einmal unauffällig zu sein und begab sich einfach in die Luft, da er von dort aus auch eine bessere Übersicht hatte. Kurz darauf waren auch schon die ersten Schüsse zu hören, welche ihn allerdings nicht sonderlich beeindruckten. Denn die Pistolenkugeln stoppten wenige Millimeter vor seinem Körper, glühten daraufhin in demselben rötlichen Schein wie er selbst und wurden sofort auf die Angreifer zurückgeschleudert. Als Chuuya schließlich all die Feinde, die sich in seinem Umkreis befunden hatten, eliminiert hatte, landete er vor dem Eingang des Gebäudes. Auch der Weißhaarige kam kurze Zeit später vor diesem an, nachdem er die übrigen Wachen bewusstlos geschlagen und gefesselt hatte. Sie zu töten wäre zwar effizienter gewesen, aber das wollte Atsushi nicht tun, solange es sich vermeiden ließ. Währenddessen war Dazai einfach gemächlich einen Weg entlanggeschlendert und hatte vor allem den Rothaarigen bei seiner Arbeit beobachtet.
Als sie schließlich zu dritt vor dem Eingang standen, trat Chuuya die schwere Metalltür einfach ein, woraufhin diese einige Meter weit flog und eine der Wände beschädigte. Keiner der anderen sagte etwas dazu und so betraten sie direkt nach ihm ebenfalls den langen Flur. Sie hatten schon erwartet Misaki dort nicht vorzufinden, deshalb war dies nicht der Grund, weshalb sie kurz vor dem Fahrstuhl so plötzlich stehengeblieben waren. Denn es befand sich zwar nicht einmal eine einzige Leiche auf dem gesamten Weg, aber dennoch war auf dem Boden eine kleine Blutpfütze zu sehen. Keiner von ihnen musste auch nur ein Wort sagen, denn sie wussten sofort, von wem diese stammen musste. Denn wenn Misaki eine Waffe aus ihrem Blut formte und nicht mehr dazu kam, ihre Fähigkeit aufzulösen, dann hinterließ das genau diese Art von Spur. Sie musste also überwältigt worden sein, noch bevor sie hatte reagieren können. Hatten diese Männer etwa gewusst, was sie vorhatte? Oder hatten sie das ohnehin vorgehabt, um sicher zu gehen, dass sie auf keine dummen Gedanken kam? Welchen Grund es auch immer hatte, ihre oberste Priorität war es nun, Misaki zu finden und sicherzustellen, dass es ihr soweit gut ging.
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