20. Berührende Momente
„Was sollte die Scheiße, du Bastard?! Du wusstest doch ganz genau, wie sie darauf reagieren würde, wenn jemand aus dem Labor – und dann auch noch genau dieser Mann – mit dem Vorfall in Verbindung steht. Was hast du vor?!“
„Es war nun mal notwendig, Chuuya. Sie musste es wissen, immerhin geht es auch um ihr Leben; ihre Vergangenheit und Zukunft.“
„Natürlich musste sie es erfahren, aber du weißt genau, was ich meine! Es war nicht erforderlich, diese verdammte, rote Feder mitzubringen und sie ihr auch noch zu zeigen!“
Chuuya funkelte Dazai wütend an, während dieser bloß selbstgefällig lächelte. Natürlich hatte das wieder zu einem seiner manipulativen Spielchen gehört, etwas anderes hatte der Rothaarige auch nicht erwartet. Doch was genau wollte er damit bezwecken? Wozu musste er Misaki noch weiter anstacheln, wenn sie ohnehin nach Rache sinnte? Was war sein Plan? Ihm gingen so viele Fragen durch den Kopf, während er verärgert an seinem Wein nippte und den Braunhaarigen dabei nicht aus den Augen ließ. Eigentlich wollte Chuuya seinem ehemaligen Partner alle Fragen an den Kopf werfen, die ihn beschäftigten, doch er wusste es mittlerweile besser. Dazai würde ihm ohnehin keine vernünftige Antwort geben, sondern ihn bloß mit seinen Spielchen in den Wahnsinn treiben. Vielleicht sollte er sie einfach aus ihm rausprügeln – wobei auch das meist keine Wirkung gezeigt hatte. So war es schon immer gewesen und nur selten hatte es der Rothaarige geschafft, dass sie wirklich ein ernstes Gespräch hatten führen können. Der Braunhaarige hatte ihm auch immer vorgeworfen, dass sein Hirn so langsam wie eine Schnecke arbeitete und er deswegen nicht selbst dahinter kommen würde. Höchstwahrscheinlich würde er das auch diesmal wieder zu Chuuya sagen, anstatt ihm einfach seine Fragen zu beantworten.
Schwer seufzend stellte der Rothaarige sein Weinglas zurück auf den Tisch, als ihm plötzlich sein Hut vom Kopf gerissen wurde und dieser anschließend in Richtung Küche davon flog. Es sah beinahe so aus, als würde jemand einen Frisbee werfen. Nur dass dieser Jemand Dazai war und es kein Frisbee, sondern sein geliebter Hut gewesen war, der geworfen wurde. Chuuyas Augen verengten sich zu Schlitzen, während er gerade mit einer seiner Schimpftiraden beginnen wollte. Doch noch bevor er dazu kam, ergriff der Braunhaarige das Wort:
„Weißt du, eigentlich müsstest du jetzt wie ein braver Hund aufstehen und mir den scheußlichen Hut zurückbringen“, säuselte er.
„Hah?! Wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich nicht dein Hund bin, du verfluchte Makrele?!“, knurrte Chuuya.
„Ach, wirklich? Das Halsband, welches ich dir damals geschenkt hatte, trägst du allerdings immer noch“, antwortete Dazai provokant, während er spielerisch einen seiner Finger unter dessen Choker schob und ihn ruckartig näher zu sich zog.
Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, ehe Chuuya – dessen Wangen etwas gerötet waren – die Hand des Braunhaarigen fort schlug und so wieder einen etwas größeren Abstand zwischen sie brachte. Der Rothaarige ballte wütend seine Fäuste, während Dazai nur belustigt kicherte und ihn beobachtete. Der Braunhaarige hatte auch damals, als sie noch Partner gewesen waren, so mit ihm und seinen Gefühlen gespielt. Denn leider wusste er in- und auswendig, wie Chuuya tickte und was er tun musste, um diesen aus dem Konzept zu bringen. So sehr der Rothaarige diesen Fakt auch hasste: sein Körper und seine Emotionen reagierten in seiner Gegenwart oft anders, als er es wollte. Natürlich ließ er sich das nie offensichtlich anmerken, doch Dazai durchschaute es dennoch jedes einzelne Mal und dagegen konnte er nichts tun. Das war eben einer der Nachteile, wenn die Beziehung untereinander tiefgehender gewesen war, als eine bloße Partnerschaft.
„Fass mich nicht an, du verräterischer Heuchler!“, fauchte Chuuya.
„Aber aber, Chibi. Ich sehe doch, dass es dir noch genauso sehr gefällt, wie damals. Außerdem hast du auch noch das Foto von diesem einen, speziellen Tag", erwiderte er amüsiert.
Das war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Nicht nur, dass Dazai abermals mit ihm spielte, sondern er war auch noch in seinem Schlafzimmer gewesen und hatte offensichtlich seine Schubladen durchsucht. Und dann besaß er auch noch die Dreistigkeit, es gegenüber Chuuya einfach nonchalant zu erwähnen, als ob es das Normalste auf dieser Welt wäre. Nun kochten auch all die aufgestauten Gefühle wieder hoch, welche der Rothaarige immerzu unterdrückt hatte. All die Wut – gemischt mit Trauer und Schmerz – bahnte sich langsam ihren Weg nach draußen und er wollte sie auch nicht länger verbergen. Dieser bandagierte Bastard würde nun zu spüren bekommen, was er ihm angetan hatte und endlich dafür büßen.
Als Chuuya zu einem Schlag ansetzte, packte Dazai ihn allerdings an seinem Handgelenk und beförderte ihn – mit einer geschickten hundertachtzig Grad Drehung – unter sich. Die Arme des Rothaarigen fixierte er mit einer seiner Hände über dessen Kopf, während er mit einem selbstgefälligen Lächeln über ihn gebeugt war. Seine freie Hand führte der Braunhaarige zu Chuuyas Hals, wo er erneut einen seiner Finger unter dessen Choker schob und spielerisch an diesem zog. Indessen beugte er sich langsam etwas weiter herab, sodass ihre Gesichter erneut nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Der Rothaarige schnaubte zwar verächtlich, aber er wehrte sich nicht. Sowohl er, als auch Dazai wussten, dass sie es eigentlich beide wollten – doch keiner von ihnen würde es laut aussprechen. Da der Braunhaarige ihn jedoch einfach zu gut kannte, war das auch nicht nötig. Denn im nächsten Augenblick überbrückte er die Distanz zwischen ihnen und schmiegte seine Lippen gegen Chuuyas. Der Rothaarige erwiderte und intensivierte den Kuss sogar, indem er an der Unterlippe des Anderen knabberte. Viel zu lange hatte sich sein Herz danach gesehnt, auch wenn sein Verstand wusste, dass es ein Fehler war. Immer wieder hatte er sich eingeredet, dass er Dazai aus tiefstem Herzen hasste und all die anderen Gefühle mit aller Macht unterdrückt. Doch in diesem Moment hatte nichts davon eine Bedeutung. Chuuya dachte an nichts, er fühlte bloß und ließ sich dieses eine Mal fallen – so wie damals.
Nach einer Weile – die sich zwar wie eine Ewigkeit angefühlt hatte, aber dennoch viel zu kurz gewesen war – löste Dazai schwer atmend den Kuss. Er betrachtete Chuuya lächelnd, der mit geröteten Wangen und stockendem Atem unter ihm lag. Das letzte Mal, dass sie sich so nahe gewesen waren und ihre Zuneigung gezeigt hatten, war kurz vor ihrer letzten gemeinsamen Mission gewesen. Nachdem er die Port Mafia verlassen hatte, hatte er den Rothaarigen das ein oder andere Mal aus dem Schatten beobachtet. Immer nur flüchtig, um zu sehen, wie es ihm ging und ob er auch nicht auf die Idee kam, Corruption ohne ihn einzusetzen. Doch glücklicherweise war nie etwas passiert, weshalb er sich ernsthaft hätte sorgen müssen. Der Braunhaarige hatte an dem Tag seines Verschwindens, als Chuuya betrunken war und nach ihm suchen wollte, sogar dessen Auto mit einer Bombe gesprengt. Das alles bloß, damit der Rothaarige ihm nicht folgen konnte und ebenfalls gejagt werden würde. Denn sonst hätte es so ausgesehen, als ob er etwas mit Dazais Verrat zu tun gehabt hätte oder gar dasselbe vor hatte. Er wollte den Hutträger auf keinen Fall mit in seine persönliche Scheiße hineinziehen und aus dem Ort reißen, zudem er sich zugehörig fühlte und welchen er sein Zuhause nannte. Vor allem nicht nach all dem, was damals mit den Sheeps passiert war. Doch im Endeffekt hatte er ihm dasselbe angetan, wie sie damals – zumindest sah Chuuya dies so.
Selbst als sich ihr beider Atem wieder normalisiert hatte, verharrten sie noch immer in der selben Position. Trübes Braun traf auf strahlendes Blau, als sich ihre Blicke begegneten. Doch ihr Blickkontakt hielt nur wenige Momente an, ehe Chuuya den seinen abwandte und leise seufzte.
„Geh jetzt von mir runter und hör auf mit mir zu spielen. Das reicht jetzt, Dazai", sagte der Rothaarige ruhig, aber mit ernster Stimme.
Es kam äußerst selten vor, dass Chuuya so ruhig mit Dazai sprach und ihn dabei auch noch bei seinem Namen nannte. Wenn er es tat, dann war dies ein eindeutiges Zeichen dafür, wie ernst es ihm war und das wusste auch sein ehemaliger Partner. Der Rothaarige war zwar allgemein ziemlich temperamentvoll und hitzköpfig, doch er war ebenso ein ziemlich vernünftiger Mensch – solange man ihn nicht provozierte. Normalerweise hätte der Braunhaarige seine Aufforderung ignoriert und ihn freudig geärgert, doch diesmal hörte er ausnahmsweise auf seine Worte.
Sobald sich Dazai nicht mehr über ihm befand, stand Chuuya wortlos auf, um sich seinen Hut zu holen und diesen wieder auf seinem Kopf zu platzieren. Anschließend setzte er sich – mit genügend Abstand zu seinem ehemaligen Partner – wieder auf die Sitzlandschaft und leerte sein Weinglas in einem Zug. Eigentlich eine Schande, da dies ein sehr guter und hochwertiger Wein war, doch gerade jetzt war es dem Rothaarigen gleichgültig. Er wollte bloß all die Gefühle, die der Braunhaarige aufgewühlt hatte, etwas betäuben und wieder tief in sich vergraben. Denn Chuuya wollte sich nicht erneut darauf einlassen, nur um anschließend wieder verraten und verlassen zu werden – so wie es damals der Fall gewesen war.
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Als Atsushi in das Zimmer eingetreten war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, fand er Misaki auf ihrem Bett sitzend vor. Sie lehnte mit dem Rücken an der Wand, während ihr Kopf auf ihren angewinkelten Knien ruhte, um die sie ihre Arme geschlungen hatte. Der Weißhaarige ging langsam auf sie zu, während er überlegte, wie er sie aufmuntern könnte. Denn es schmerzte ihn sehr, sie so niedergeschlagen zu sehen und er wollte unbedingt, dass Misaki wieder lächelte. Doch zuvor wollte er mit ihr darüber sprechen, was sie so sehr bedrückte. Atsushi wollte ihr zeigen, dass sie ihm alles sagen und anvertrauen konnte. Er wollte einfach für sie da sein und ihr helfen, so gut es ging und er hoffte, dass sie dies auch zulassen würde.
Atsushi kletterte vorsichtig – ohne den Wein zu verschütten – zu ihr auf das Bett und setzte sich neben sie. Misaki zeigte allerdings keine Reaktion. Nicht mal, als der Weißhaarige ihr das Weinglas überreichen wollte. Sie sprach nicht, gab keinen Ton von sich und hob nicht mal ihren Kopf. Er hatte sie so noch nie gesehen und es bereitete ihm Sorgen, dass sie bloß regungslos dasaß. Das war der Zeitpunkt, in dem er sich dazu entschloss, Misaki deutlich zu zeigen, dass sie nicht alleine war. Denn er hatte das Gefühl, dass sie dies gerade brauchen würde. Atsushi stellte das Weinglas auf den Boden, ehe er sich neben ihr niederließ und sie einfach – ohne ein Wort zu verlieren – umarmte. So saßen die beiden eine ganzen Weile stillschweigend da, bis der Weißhaarige ein leises Schluchzen vernahm. Er löste sich gerade von ihr – mit der Intention sie zu fragen, was los sei – als sie es plötzlich war, die ihn in eine Umarmung zog. Weinend vergrub Misaki ihr Gesicht an seiner Schulter, während sie Atsushi immer fester an sich drückte. Sein Herz zog sich in diesem Moment schmerzhaft zusammen und er schloss sie unverzüglich wieder in seine Arme. Eine seiner Hände platzierte er auf ihrem Rücken, indessen die andere ihr sanft über den Kopf streichelte. Sie wirkte in diesem Augenblick so zerbrechlich, während sie sich zitternd und weinend an ihm festhielt. Als ob sie Angst hätte, dass er ansonsten im nächsten Moment aus ihrem Leben verschwinden würde.
„Atsushi-kun, k-kannst du mir bitte versprechen, dass du m-mich nie verlässt?“, fragte sie mit bebender und belegter Stimme.
Diese Bitte, die Misaki an den Weißhaarigen gerichtet hatte, gab ihm endgültig den Rest und nun flossen auch über seine Wangen vereinzelte Tränen. Er hatte gewusst, dass sie – genau wie er selbst – viel Leid, Schmerz und Angst in sich verschlossen hatte. Doch allmählich begann die Mauer, welche sie ihr Leben lang um sich herum aufgebaut hatte, offensichtlich immer mehr und mehr einzustürzen. Misaki öffnete sich, langsam und Stück für Stück.
„Ich verspreche es dir!“, antwortete Atsushi flüsternd.
Eine Weile später, als ihre Tränen versiegt und getrocknet waren, löste sie sich langsam von Atsushi. Misaki bedankte sich sowohl für seinen Trost, als auch für sein Versprechen, während sie ihren Kopf senkte. Im Nachhinein war den beiden die Situation etwas unangenehm, da sie sich über einen längeren Zeitraum sehr nahe gewesen waren. Nicht, dass die Nähe an sich unangenehm gewesen wäre, doch bei dem Gedanken daran, schoss beiden unbemerkt die Röte ins Gesicht.
Misaki entschuldigte sich anschließend dafür, dass sein Hemd durch all ihre Tränen so feucht geworden war, doch der Weißhaarige winkte dies bloß mit einem sanften Lächeln auf den Lippen ab. Es störte ihn nicht im geringsten und offensichtlich hatte Misaki das dringend nötig gehabt. Doch er fragte sich noch immer, was genau ihr so schwer auf dem Herzen lag, dass sie sich zuvor so seltsam still verhalten hatte und anschließend in Tränen ausgebrochen war. Sie hatte seinen fragenden Blick bemerkt und begann zu sprechen, noch bevor Atsushi sie fragen konnte. Denn nach all dem, was gerade passiert war, wollte sie ihm gegenüber vollkommen ehrlich sein. Also begann Misaki mit ihrer Erzählung zuerst bei dem Mann, dessen Feder er mitgebracht und ihr übergeben hatte. Sie erzählte dem Weißhaarigen, dass er zum Labor gehörte und sie auch deswegen so ausgerastet war, weil diese Leute nun wohl ganz offensichtlich ebenfalls jeden in ihrer Nähe angreifen würden, bloß um an sie heranzukommen. Und dass sie deswegen Angst hatte, Chuuya, ihn selbst oder auch Dazai in Gefahr zu bringen und dadurch zu verlieren. Danach begann sie Atsushi von dem Trainingskampf gegen Akutagawa zu erzählen, wie sie sich bekämpft und beinahe getötet hatten und auch über all seine Bemerkungen, die er ihr gegenüber geäußert hatte. Und anschließend sprach sie noch darüber, was an diesem Tag in Moris Büro passiert war oder eher, wozu sie gezwungen worden war. Dass sie sich dabei schrecklich gefühlt und es sie angewidert hatte, was ihr Boss zu seinem Vergnügungen von ihr verlangt hatte.
Atsushis Blick war schockiert und voller Wut, doch man sah darin auch einen Hauch von Verwirrung. Der Weißhaarige war zutiefst entsetzt über all das, was allein in den letzten paar Tagen geschehen war und es betrübte ihn, dass sie all das durchmachen musste. Immerhin hatte Misaki bis jetzt schon genug gelitten, doch es schien einfach kein Ende nehmen zu wollen und immer schlimmer zu werden. Atsushi hatte auch bemerkt, dass Misaki ihre Grenzen diesbezüglich schon längst überschritten hatte und sie dennoch weiterkämpfte. Dafür bewunderte er sie sehr und dennoch verstand er nicht, weshalb sie bei der Port Mafia blieb, obwohl Mori ihr so zusetzte und sie dadurch bloß noch mehr Leid ertragen musste. Doch als der Weißhaarige sie genau dies fragte, bekam er eine sehr ernste und entschlossene Antwort zu hören:
„Weil ich Chuuya-senpai nicht verraten oder im Stich lassen werde – niemals!“
Das konnte Atsushi durchaus nachvollziehen, da seine Loyalität Dazai und der Armed Detective Agency gehörte. Er würde sie ebenfalls nie hintergehen oder verlassen, weshalb er dazu keine weiteren Fragen stellen wollte. Obwohl er Misaki dennoch lieber aus der Mafia geholt hätte, so wie es bei Kyouka damals der Fall gewesen war. Doch der Weißhaarige wusste, dass in dieser Hinsicht jedes Argument bei ihr zwecklos sein würde. Denn er hatte in ihren Augen gesehen, wie unumstößlich ihre Entscheidung war.
Da die Stimmung zwischen ihnen nun ein wenig angespannt war, wollte Atsushi diese eigentlich wieder auflockern. Doch ihm fiel in diesem Moment nichts ein, wodurch er dies so einfach erreichen könnte. Der Weißhaarige dachte angestrengt nach, denn er wollte auch unbedingt, dass Misaki nach all dem wieder lächelte. Sie hatte so ein schönes und herzerwärmendes Lächeln, welches Atsushi jedes Mal aufs Neue verzauberte. Er konnte es sich selbst nicht erklären, doch er war immer um einiges glücklicher, wenn sie in seiner Nähe war. Sein Herz schlug schneller und ein merkwürdiges Kribbeln breitete sich in seinem Bauch aus, wenn er bloß an sie dachte. Solche Gefühle hatte der Weißhaarige zuvor noch nie verspürt und er fragte sich, ob Dazai womöglich recht gehabt hatte. Denn der Braunhaarige hatte erst heute beiläufig erwähnt, dass Atsushi sich in ihrer Gegenwart wie ein verliebter Teenager verhielt. Dies hatte der Weißhaarige sofort abgestritten, jedoch war er sich nun nicht mehr so sicher. Könnte es denn tatsächlich wahr sein, dass er sich in sie verliebt hatte? Fühlte es sich etwa so an, wenn man verliebt war? Je mehr er darüber nachdachte, desto verwirrter war er und so versank Atsushi auch immer tiefer in seinen Gedanken. Doch als Misaki plötzlich zu sprechen begann, holte sie ihn damit wieder zurück in das Hier und Jetzt.
„Weißt du, Atsushi-kun… du erinnerst mich manchmal ein wenig an C. Er hatte auch ein großes Herz, war hilfsbereit, gutmütig und sehr mitfühlend – wie du. Wenn es mir schlecht ging, dann nahm er mich auch immer in den Arm und streichelte sanft meinen Kopf – so wie du es vorhin getan hast. Es ist ein schönes Gefühl, welches ich sehr vermisst und gebraucht habe. Danke, dass ich es durch dich erneut fühlen konnte", sagte sie und schmunzelte dabei traurig.
Ihre Worte rührten Atsushi sehr, denn noch nie hatte sich jemand auf diese Art und Weise bei ihm bedankt. Ein breites Lächeln zierte seine Lippen, während er Misaki erneut in seine Arme schloss und sie seine Umarmung sogleich erwiderte. In diesem Augenblick begann auch sein Herz wieder schneller zu schlagen und das Kribbeln, welches er sonst bloß in seinem Bauch spürte, breitete sich in seinem gesamten Körper aus. Der Weißhaarige wusste zwar nicht, was es war; ob er nun wirklich verliebt war oder nicht, aber eines wusste er ganz genau: Er wollte nicht, dass diese Gefühle jemals verschwanden. Es machte ihn einfach glücklich und er wollte dieses Glück niemals verlieren. Dazu war es viel zu kostbar.
Als Misaki die Umarmung löste, fielen ihr einige Haarsträhnen ins Gesicht. Einem inneren Impuls folgend, strich Atsushi ihr diese hinter ihr Ohr, bevor er einen sanften und flüchtigen Kuss auf ihrer Stirn platzierte. Der Weißhaarige realisierte erst danach, was er soeben getan hatte und wich etwas perplex zurück. Eigentlich wollte er sich sofort dafür entschuldigen, doch als er das sanfte Lächeln in ihrem geröteten Gesicht sah, verschlug es ihm die Sprache. Atsushi war unheimlich froh, dass er offensichtlich keinen Fehler begangen und sie damit verschreckt hatte. Im Gegenteil, Misaki schien nun sogar entspannter und… fröhlicher zu sein. Könnte es etwa sein, dass es ihr genauso erging? Fühlte sie vielleicht dasselbe? Sollte er… mit ihr darüber sprechen?
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