17. Bloodlust
Nachdem Misakis Wunden versorgt worden waren, verließen Chuuya und sie das Hauptquartier, um in sein Apartment zurückzukehren. Ihre Kleidung war etwas zerrissen, jedoch kümmerte sie das nicht besonders, da es ohnehin nur Alltagskleidung gewesen war. Die Verletzungen, die Akutagawa ihr zugefügt hatte, hatten genäht werden müssen und schmerzten noch ziemlich. Da Misaki nun Verbände trug, fragte sie sich, wie Dazai das aushalten konnte, denn sie empfand diese eher als störend. Gleichzeitig plagten sie Schuldgefühle, weil sie Chuuya belogen hatte. Er verhielt sich zwar nicht auffallend anders ihr gegenüber, aber sie konnte in seinen Augen und seiner Mimik erkennen, dass er wütend war. Dabei hatte dieser Tag so schön angefangen. Und jetzt? Jetzt ging es einfach nur noch schlagartig bergab. Misaki hoffte bloß, dass es nicht noch schlimmer werden würde, doch sie hatte ein ungutes Gefühl. Wie sagt man so schön, schlimmer geht immer?
Als sie mit dem Motorrad fuhren, hielt sich der Rothaarige zur Abwechslung an die Geschwindigkeitsbegrenzung, da er etwas unkonzentriert war. Doch das war nicht der Grund, weshalb sie die Fahrt nicht genießen konnten.
Chuuya hatte ihre Lüge zwar sofort durchschaut, als Misaki sie letzte Woche ausgesprochen hatte, doch war er erst jetzt richtig wütend und enttäuscht. Deshalb war die Stimmung zwischen ihnen ziemlich angespannt und er konnte ihr ansehen, wie schlecht sie sich fühlte. Der Rothaarige hoffte, dass sie zumindest eine logische Erklärung dafür hatte, auch wenn ihr die Strafe dadurch nicht erspart bleiben würde. Er wollte unbedingt wissen, weshalb sie ihn angelogen hatte.
Chuuya hatte schon allgemein schlechte Laune, aber als sie dann noch in einen Stau gerieten, war das Maß voll. Er hätte gerade nichts lieber getan, als seine Wut einfach rauszulassen und als ihn plötzlich etwas in den Hals stach, fluchte er laut auf. Misaki, die sich dadurch etwas erschrocken hatte, sah etwas, dass wie eine kleine Spritze aussah, in seinem Hals stecken. Ohne zu zögern entfernte sie diese, bevor eine Art Druckwelle sie gegen die Frontscheibe des hinteren Autos schleuderte. Das Glas brach und einige Splitter steckten in ihren Armen, was sie jedoch nicht direkt spürte. Misakis ganzer Körper schmerzte etwas, da der Aufprall ziemlich hart gewesen war. Die Menschen flüchteten aus ihren Autos und liefen schreiend davon, während sie auf der Motorhaube saß und den Rothaarigen schockiert anstarrte. Der Boden unter ihm war gebrochen, über seinen Körper zogen sich seltsame Male und in seinem Gesicht spiegelte sich bloßer Wahnsinn. Das Motorrad war nirgends mehr zu sehen, vermutlich wurde es zerstört oder ebenfalls fortgeschleudert. Als er mit schwarzen Kugeln um sich schoss und verrückt lachte, musste sie schnell ausweichen, um nicht getroffen zu werden. Die Schreie um sie herum wurden immer schriller und panischer, doch wurden diese durch laute Explosionen übertönt. Bei dem Anblick, der sich ihr bot, erinnerte sie sich daran, was er über die eigentliche Form seiner Fähigkeit erzählt hatte.
„Das muss Corruption sein, aber er würde es doch nie ohne Dazai einsetzen, also wie…“, flüsterte sie zu sich selbst.
Da erinnerte Misaki sich an das, was sie aus seinem Hals gezogen hatte. Sie wusste nicht, was der Inhalt dieser kleinen Spritze gewesen war, doch das musste definitiv der Auslöser sein. Es gab zumindest keine andere, logische Erklärung dafür. Doch wieso Chuuya? Wieso genau hier und jetzt? Und wer steckte dahinter? Eigentlich hatte sie keine Zeit, um zu lange nachzudenken, doch sie wusste auch nicht, was sie nun tun sollte. Wenn der Rothaarige zu lange in diesem Zustand blieb, dann würde er… sterben. Doch wie sollte sie ihm helfen? Sie hatte weder ein Mittel, noch war ihre Fähigkeit dazu imstande. Gerade jetzt wünschte sie sich, dass Dazai hier wäre. Er war der Einzige, der Chuuya retten konnte. Sie selbst konnte bloß versuchen dafür zu sorgen, dass die Umgebung und die Menschen keinen allzu großen Schaden nahmen. Doch ob sie das mit ihrer Fähigkeit auch schaffen würde? Misaki blieb keine andere Wahl, als es einfach zu versuchen.
Umgehend zog sie ihre Handschuhe aus und verstaute diese in ihren Jackentaschen, ehe sie, durch die noch vorhandene Schnittwunde, ihr Katana erscheinen ließ. Sie versuchte die schwarzen Kugeln abzuwehren, doch sobald eine davon die Klinge traf, verschwand diese spurlos. Misaki war geschockt, dass ihr Blut, aus welchem ihr Katana bestanden hatte, einfach von dieser schwarzen Kugel aufgesogen worden war. Sie hatte keine Wahl, als mehr von diesem zu benutzen, um ein weiteres Katana zu formen. Doch jedes Mal, wenn eine dieser Kugeln ihre Blutwaffe berührte, verschwand auch diese wieder spurlos. Da sie dadurch schon einiges von ihrem Blut verloren hatte, begann sie leicht zu zittern und schwankte ein wenig. Chuuya wütete immer schlimmer und begann bereits Blut zu spucken, während sie verzweifelt überlegte, was sie nun tun könnte. Die Straße sah aus wie ein Schlachtfeld, alle Autos im Umfeld brannten und waren zerstört. Durch die Explosionen gab es zwar einige Verletzte, doch bislang glücklicherweise noch keine Toten. Auch die Gebäude hatten einiges abbekommen und manche waren sogar eingestürzt. Sie hörte das laute Knistern des Feuers und wie sowohl Glas, als auch Beton brach. Doch Misaki sorgte sich viel mehr um den Rothaarigen, der von Minute zu Minute schlimmer aussah. Sein Gesicht war zum Großteil von Blut bedeckt, welches ihm aus Augen, Nase und Mund tropfte. Es gab nur eines, was ihr einfiel, um Chuuya in dieser Hinsicht zu helfen. Damit konnte sie ihn zwar nicht retten, aber zumindest etwas Zeit schinden. Denn sie hoffte darauf, dass Dazai auftauchen würde, so wie es wohl immer der Fall gewesen war. Er hatte ihn doch immer gerettet und ein besonders gutes Timing gehabt, weswegen sie es zumindest versuchen wollte. Das war für sie selbst zwar eine reine Selbstmordaktion, doch wenn auch nur die kleinste Chance bestand, dass der Rothaarige dadurch gerettet werden konnte, würde sie nicht zögern. Auch nicht dann, wenn sie dafür die Besonderheit ihrer Fähigkeit einsetzen musste. Die Entscheidung war ihr leicht gefallen, da sie dabei ausschließlich an Chuuya und dessen Überleben dachte. Für Misaki stand fest, dass sie alles tun würde, damit er nicht starb. Wirklich alles.
Da sie den Rothaarigen schon lange genug beobachtet hatte, war ihr nicht entgangen, dass selbst seine unkontrolliert wirkenden Bewegungen einem Muster folgten. Auch wenn es etwas unregelmäßig war, gab ihr das dennoch die Chance, die sie brauchte. Diese Erkenntnis würde Misaki nutzen, um ganz nah an ihn ranzukommen. Sie fragte sich unweigerlich, ob Dazai es wohl auch immer so gemacht, oder ob er eine andere Strategie verwendet hatte. Momentan war dies allerdings bedeutungslos, denn sie hatte keine Zeit mehr, um ihren Plan zu ändern. Sie hoffte bloß, dass alles so funktionieren würde, wie sie es sich erhoffte und das Glück ein einziges Mal auf ihrer Seite sein würde.
Als sie zu rennen begann, verschwand das blutrote Katana und Misaki konzentrierte sich voll und ganz darauf, den schwarzen Kugeln auszuweichen. Dies war zwar alles andere als einfach, dennoch gelang es ihr und sie überbrückte den Abstand zwischen ihnen blitzschnell. Sie wollte zwar eigentlich hinter Chuuya gelangen, doch das schien unmöglich zu sein. Misaki wollte gerade nach seinem Arm greifen, als urplötzlich eine weitere Druckwelle von ihm ausging. Sie wurde erneut fortgeschleudert, doch diesmal hatte sie weniger Glück bei ihrer Landung. Aus der auseinanderfallenden Mauer, gegen welche sie geschleudert wurde, ragte eine dünne Stange aus Stahl, welche sie nun auf der Höhe ihres Bauches durchbohrte. Ihr Gesicht verzog sich und sie schrie vor Schmerz laut auf, da auch ihre genähte Wunde nun wieder aufgerissen worden war. Misaki wollte aber dennoch nicht aufgeben; sie durfte einfach nicht aufgeben. Also stand sie auf und entfernte, so schnell sie konnte, unter großen Schmerzen die Stahlstange aus ihrem Bauch.
Obwohl ihr ganzer Körper zitterte, rannte sie erneut los, wobei sie den schwarzen Kugeln diesmal nur ganz knapp ausweichen konnte. Glücklicherweise schwebte Chuuya nur wenige Zentimeter über dem aufgebrochenen Boden, wodurch sie seinen Arm leicht erreichen konnte. Ihr Griff war fest und während sich eine kleine, verhärtete Spitze aus ihrer Handfläche in seinen Arm bohrte, begannen ihre Augen sich erneut rot leuchtend zu verfärben. Misaki ließ ein wenig von ihrem Blut in seines fließen. Die Moleküle vermischten sich, sie übernahm die Kontrolle, bis sie spürte, wie sein Herz das Blut in jeden Winkel seines Körpers – sowie aus Nase, Ohren und Augen – pumpte und dann übernahm sie dessen Aufgabe. Sie schaffte es tatsächlich, seine Blutungen zu stoppen. Im nächsten Augenblick packte der Rothaarige sie mit genau dieser Hand, dessen Arm sie ergriffen hatte, am Hals und hob sie hoch. Dennoch löste sie den Griff um sein Handgelenk nicht, sondern verstärkte ihn sogar. Chuuya drückte ihr die Luft ab und Misakis Augen weiteten sich vor Schock und wenn sie gekonnt hätte, dann hätte sie auch vor Schmerz geschrien. Sie ließ den Arm des Hutträgers dennoch nicht los, denn nur wenn sie ihn direkt berührte, hatte sie eine sichere und präzise Kontrolle. So musste sie keine Angst haben, ihn mit ihrer Fähigkeit ausversehen zu töten. Denn die Kontrolle zu behalten, war bei anderen Personen um einiges komplizierter, als bei ihr selbst. Vor allem, wenn man sie nicht töten wollte. Durch den Sauerstoffmangel wurde ihr allmählich schummrig, doch sie kämpfte mit aller Kraft dagegen an, das Bewusstsein zu verlieren.
Chuuya ließ eine große, schwarze Kugel in seiner Hand erscheinen und Misaki schloss bloß die Augen. Innerlich bereitete sie sich darauf vor, dass sie nun sterben würde. Während einige Tränen über ihre Wangen liefen, schlich sich dennoch ein Lächeln auf ihre Lippen. Sie bereute es keine Sekunde, denn immerhin hatte sie es nur getan, um dem Rothaarigen zu helfen. Außerdem hatte sie von Anfang an gewusst, dass diese Aktion höchstwahrscheinlich mit ihrem Tod enden würde. Auch wenn sie sich gewünscht hätte, dass sie sich zumindest von Chuuya, Atsushi und Dazai hätte verabschieden können.
Als Misaki, durch ihre geschlossenen Augen plötzlich ein grelles Licht blendete und sie kurz darauf wie ein nasser Sack zu Boden fiel, drangen nur dumpf Stimmen an ihr Ohr. Sie hatte nicht mal die Kraft, um ihre Augen zu öffnen, geschweige denn sich irgendwie zu bewegen. Verwirrt versuchte sie die Stimmen zu erkennen und ihnen zu lauschen, doch sie schienen alle so weit entfernt zu sein.
Als jemand plötzlich Misakis Hals berührte, um ihren Puls zu überprüfen, stöhnte sie vor Schmerz gequält auf. Daraufhin entfernte sich die Hand ruckartig von ihr und sie konnte fühlen, wie ihre Arme vorsichtig auf ihrem Oberkörper platziert wurden.
„Dazai-san, wir müssen Misaki-chan schnell in die Detektei bringen, damit Yosano-sensei sie retten kann. Sie ist schwer verletzt, aber offenbar noch bei Bewusstsein!“, schrie Atsushi panisch unter Tränen.
Dazai, der sich neben Chuuya hingekniet hatte, stimmte ihm zu und sagte, dass er schon vorgehen solle. Der Weißhaarige verlor keine Zeit, hob Misaki vorsichtig hoch und rannte los. Währenddessen richtete Chuuya sich etwas auf, um den Braunhaarigen direkt ansehen zu können. Der Rothaarige wusste nicht, was genau passiert war. Es war beinahe so gewesen, als ob Corruption sich von alleine aktiviert hatte, doch das war eigentlich nicht möglich. Er selbst hatte allerdings auch nichts damit zu tun gehabt, denn er würde und konnte es nicht ohne Dazai anwenden. Wie war das also möglich gewesen? War eine Fähigkeit dafür verantwortlich gewesen? Und… wo war Misaki? Chuuya sah sich um, doch konnte sie nirgends entdecken. Alles was er durch seine blutverwischte Sicht sah, war das Chaos und die Zerstörung, die er angerichtet hatte.
„Wo ist Misaki-san und geht es ihr gut?“
„Atsushi-kun bringt sie gerade zu unserer Ärztin, denn sie ist ziemlich schwer verletzt und ich bin mir nicht sicher, ob sie das überleben wird. Wir sollten hoffen, dass sie rechtzeitig in der Detektei ankommen, Chibi. Und du kommst auch mit", sagte Dazai monoton.
Chuuyas Augen weiteten sich geschockt, als er das hörte. Denn ihm war klar, dass er es war, der Misaki so schwer verletzt haben musste. Falls sie es tatsächlich nicht überleben würde, dann könnte er sich das niemals verzeihen. Und den unbekannten Schuldigen, der das alles verursacht hatte, würde er ohnehin finden müssen und sobald er ihn hatte, würde dieser dafür büßen. Nicht nur, dass sein Schützling wegen dieser Person in Lebensgefahr schwebte, sondern er wäre auch beinahe selbst gestorben. Der Rothaarige würde ihm zeigen was passierte, wenn man sich mit der Schwerkraft und ihm – Chuuya Nakahara – anlegte. Diese Person würde leiden, bis sie um Erlösung bettelte.
Ehe Chuuya protestieren konnte, hatte Dazai ihn schon hochgehoben und über seine Schulter geworfen. Es war nicht das erste Mal, dass der Braunhaarige ihn, nach der Anwendung von Corruption, tragen musste. Als sie noch Partner gewesen waren, hatte er dies öfter getan, weshalb der Rothaarige es einfach über sich ergehen ließ. Er hatte gerade sowieso nicht die Kraft, sich großartig zu widersetzen. Der Einsatz von Corruption zerrte immer sehr an seinen Kräften, weshalb er nun langsam in die Bewusstlosigkeit abdriftete.
Einige Stunden später kam Chuuya langsam wieder zu sich und als ihm die Geschehnisse von zuvor wieder ins Gedächtnis kamen, setzte er sich ruckartig auf. Er konnte sich noch daran erinnern, dass Dazai ihn mitgenommen hatte, also musste er sich in der Detektei befinden. Auch Misaki sollte hierher gebracht worden sein und er musste unbedingt wissen, ob es ihr gut ging. Abgesehen davon wollte der Rothaarige auch wissen, was genau passiert war und vor allem wie. Die Antworten auf diese Fragen, würde Misaki wohl am ehesten liefern können. Er hoffte bloß, dass sie noch am Leben war. Seufzend fuhr er sich mit beiden Händen über sein Gesicht, während er versuchte, die negativen Gedanken abzuschütteln.
Gleich darauf wurde die Tür zu seiner Rechten geöffnet und Dazai trat breit lächelnd herein. Als dieser sah, dass Chuuya schon aufgewacht war, setzte er sich sogleich auf dessen Bett.
„Dornröschen ist also endlich aus ihrem Schönheitsschlaf erwacht, wie schön!“, säuselte er.
„Halt die Klappe, Makrele! Sag mir lieber, ob es Misaki-san gut geht!?“, fauchte der Hutträger.
„Beruhige dich, Chibi. Sie hat es überlebt, auch wenn es ziemlich knapp war. Du solltest übrigens leiser sein, denn sie schläft direkt in dem Bett links von dir.“
Als Chuuya Misaki zu seiner Linken schlafend sah, seufzte er erleichtert. Er war wirklich froh, dass sie noch lebte und es ihr offensichtlich soweit gut ging. Sobald sie wach war, musste er sie unbedingt fragen, was genau passiert war. Der Rothaarige hoffte, dass ihnen das helfen würde, den Verantwortlichen zu finden. Misaki war die Einzige, die etwas gesehen haben konnte und jeder Hinweis könnte wichtig sein. Immerhin konnte Chuuya niemanden ungeschoren davonkommen lassen, der sie einfach angriff. Er war schließlich ein Unterboss der Port Mafia und musste deutlich zeigen, dass so etwas Konsequenzen haben würde und man sich mit ihnen besser nicht anlegen sollte.
Bis Misaki aufwachen würde, wollte er sich eigentlich noch ein wenig ausruhen, doch Dazai schien andere Pläne zu haben.
„Also, wie genau konnte das passieren? Immerhin weiß ich, dass du nicht so dumm wärst, Corruption einfach einzusetzen. Also wie kann es sein, dass ich zu deiner Rettung eilen musste? Hat etwa jemand den kleinen Hutständer überwältigt?“, fragte er mit einem süffisanten Lächeln.
„DAZAI, HALT DEINE KLAPPE ODER ICH WERDE DICH AUF DER STELLE UMBRINGEN!“, schrie Chuuya wütend.
„Es war nicht die Schuld von Chuuya-senpai!“, mischte sich Misaki plötzlich mit leiser Stimme ein.
Misaki war vor einigen Minuten aufgewacht und hatte die Konversation der beiden mitangehört, bevor sie sich langsam aufgesetzt hatte. Die beiden Männer richteten ihren fragenden Blick sogleich auf die noch verschlafen aussehende Frau neben ihnen. Sie erwiderte diese Blicke mit einem müden, aber dennoch fröhlichen Lächeln und einigen Tränen, die über ihre Wangen flossen. Dies lag allerdings daran, dass sie unglaublich glücklich war, Chuuya lebend zu sehen. Sie war froh und erleichtert, dass das Glück offensichtlich ein Mal auf ihrer Seite gewesen und ihre Hoffnung nicht enttäuscht worden war.
Atsushi, der soeben den Raum betreten hatte, ging sofort auf Misaki zu, als er sah, dass sie endlich wach war. Als er jedoch ihre Tränen bemerkte, musterte er sie besorgt, ehe er sie ansprach.
„Misaki-chan, ist alles okay? Hast du Schmerzen oder brauchst du irgendetwas?“, fragte er etwas unruhig.
„Nein, es ist alles okay. Mach dir keine Sorgen Atsushi-kun. Ich bin einfach nur glücklich, dass Chuuya-senpai noch lebt. Ihr habt sowohl sein, als auch mein Leben gerettet und dafür bin ich euch sehr dankbar. Ich selbst konnte seinen Tod nur hinauszögern, da ich Corruption nicht beenden kann, aber ich habe gehofft, dass Dazai-san kommen würde.“
„Was meinst du mit, du konntest seinen Tod hinauszögern? Wie?“, fragte Atsushi sichtlich verwirrt.
Misakis Blick richtete sich auf Chuuya und dessen Arm, den sie zuvor fest umklammert hatte. Sie wusste, dass sie es nicht mehr länger verheimlichen konnte. Dafür war es bereits viel zu spät und zu offensichtlich. Abgesehen davon hatten die drei es verdient, die Wahrheit zu kennen. Misaki wollte auch ihre Schuldgefühle, die sie immer noch plagten, endlich loswerden. Sie atmete tief durch, ehe sie zu sprechen begann:
„Es gibt eine Besonderheit an meiner Fähigkeit, die ich euch bis jetzt verschwiegen habe. Die Wissenschaftler nannten sie > Bloodlust < und sie ist eigentlich ziemlich gefährlich. Wenn ich sie aktiviere, dann verfärben sich meine Augen in ein leuchtendes Rot. Sobald sich etwas von meinem Blut daraufhin mit dem eines anderen vermischt, kann ich dessen Blut genauso kontrollieren, wie mein eigenes. Jedoch ist das mit der Kontrolle bei anderen bei Weitem nicht so einfach, wie bei mir selbst. Um dies präzise tun zu können, muss ich die besagte Person dauerhaft berühren und die Verbindung unseres Blutes aufrechterhalten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass es außer Kontrolle gerät und besagter Mensch stirbt. Deshalb habe ich es, obwohl es eigentlich eine Selbstmordaktion war, dennoch bei Chuuya-senpai angewendet. Ich konnte dadurch seine Blutungen stillen und somit etwas mehr Zeit gewinnen, in der Hoffnung, dass Dazai-san rechtzeitig kommen würde. Es war das Einzige, was ich tun konnte, um zu helfen. Und auch wenn ich beinahe gestorben wäre, bereue ich es nicht!“
Die drei Männer starrten sie geschockt an, doch am deutlichsten sah man den Schock in Chuuyas Gesicht. Er konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich so ein hohes Risiko eingegangen war, obwohl die Chancen so schlecht gestanden hatten. Es war leichtsinnig und dumm gewesen, dennoch war er auch beeindruckt und… gerührt, dass Misaki so weit gegangen war, um ihm zu helfen. Chuuya wusste weder was er sagen, noch wie er damit umgehen sollte. Er würde, sobald sie Zuhause waren, mit ihr darüber sprechen. Denn vor Dazai würde er sich bestimmt keine Blöße geben, nur damit dieser ihm es immer wieder vorhalten konnte. Der Rothaarige merkte, dass diese Stille langsam unangenehm für Misaki wurde und doch war sie es, die diese unterbrach.
„Oh! Aber bevor das alles passiert ist, hattest du plötzlich eine kleine Spritze im Hals stecken und ich bin mir sicher, dass das die Ursache war. Zumindest gibt es meiner Meinung nach keine andere logische Erklärung für diesen Vorfall. Ich hatte sie aus deinem Hals gezogen, doch als ich fortgeschleudert wurde, habe ich sie leider verloren", sagte sie an Chuuya gerichtet.
Diese Information warf mehr Fragen auf, als sie beantwortete. Einerseits konnte sich niemand, nicht mal Dazai, recht erklären, wie das möglich sein konnte. Doch andererseits überraschte es auch niemanden, da sie wussten, was damals alles mit Misaki in diesem Labor geschehen war. Doch wer hatte das getan und weshalb?
Chuuya würde morgen erstmal mit Mori darüber sprechen und auf dessen Anweisungen warten. Doch jetzt wollte er nur eins: So schnell wie möglich nach Hause und einen entspannenden Wein trinken – möglichst weit weg von Dazai. Sie waren ohnehin schon länger bei den Detektiven geblieben, als nötig. Misaki, die schon geahnt hatte, dass der Rothaarige gehen wollte, stand auf und wartete auf ihn. Dies hatte er natürlich bemerkt und war froh, dass sie es auch ohne Worte verstanden hatte. Dazai wollte ihnen noch etwas mitteilen, doch Chuuya ignorierte ihn bloß und ging ohne ein Wort zu verlieren. Misaki winkte den beiden zum Abschied lächelnd zu und bedankte sich nochmals, ehe sie dem Hutträger schnellen Schrittes folgte. Die beiden hatten eigentlich mit Widerstand gerechnet, doch seltsamerweise versuchte niemand sie aufzuhalten oder sagte auch nur ein Wort.
„Wieso hast du es ihnen nicht einfach gesagt, Dazai-san?“, fragte Atsushi neugierig.
„Ach, das wird Mori ihnen morgen schon mitteilen. Es ist bloß schade, dass ich Chuuyas Gesicht dabei nicht sehen kann", antwortete er vergnügt.
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