11. Soukokus letzte Mission

Schweißgebadet und schwer atmend schreckte Misaki hoch, bevor sie sich panisch umsah und anschließend realisierte, dass sie bloß geträumt hatte. Die Geschehnisse von damals verfolgten sie sogar bis in ihre Träume, in denen sie diesen schrecklichen Tag immer wieder aufs Neue erleben musste. Seufzend sank sie zurück auf das Kissen und starrte an die Decke des dunklen Raumes, der nur durch das Mondlicht schwach beleuchtet wurde. Misaki wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, doch es war definitiv nicht lange genug gewesen. Das verrieten ihr zumindest ihre Kopfschmerzen und die noch andauernde, dunkle Nacht. Und auch wenn ihre Müdigkeit nicht einfach so verfliegen würde, würde sie nicht weiterschlafen wollen, da sie auf weitere Alpträume gut und gerne verzichten konnte.
Schlagartig wurde Misaki bewusst, dass sie gar nicht hier – in diesem Bett – eingeschlafen war. Sie fragte sich, wo die anderen beiden waren und wer von ihnen sie wohl ins Bett gebracht hatte. Noch dazu müsste dies Dazais Bett sein, da sie ja vorerst bei ihm bleiben musste. Schwungvoll stand sie auf und öffnete anschließend vorsichtig die Tür. Ein Blick in Richtung des Wohnzimmers verriet ihr, dass Atsushi und Dazai wohl noch wach sein mussten, da das Licht noch an war. Da an Schlaf sowieso nicht mehr zu denken war, beschloss sie sich wieder zu den beiden zu gesellen. Dies war allemal besser, als alleine in der Dunkelheit zu hocken und nichts zu tun.
Als sie jedoch das Wohnzimmer betrat, fand sie nur Dazai vor, der ein Buch las. Misaki war etwas enttäuscht, dass Atsushi nicht hier war, aber es war auch nicht verwunderlich, da es mitten in der Nacht war. Während sie noch in Gedanken war, hatte der Braunhaarige sie bemerkt und sein Buch beiseite gelegt. Seine Stimme holte sie dann wieder in die Realität zurück.

„Misaki-chan, hast du mich so sehr vermisst oder weshalb bist du schon wieder wach?“, fragte er mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

Angesprochene zischte bloß belustigt, bevor sie sich auf die Couch setzte und die Beine an ihren Oberkörper zog.

„Träum weiter, du Spinner. Ich… ich hatte bloß einen Alptraum und bin nun nicht mehr müde, das ist alles“, sagte sie mürrisch.

Misaki konnte seinen fragenden Blick weiterhin auf sich spüren und seufzte genervt, als sie ihren Blick auf ihn richtete.

„Da ich eure Fragen beantworten musste, wäre es nur fair, wenn du mir auch ein paar beantworten würdest“, wechselte sie das Thema, in der Hoffnung, dass er es darauf beruhen ließ.

Dazai nickte bloß und hatte dabei ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Sie war etwas überrascht, da sie nicht damit gerechnet hatte, dass er einfach so zustimmen würde. Eher hatte sie mit einem seiner blöden Sprüche gerechnet, doch das war mal eine angenehme und willkommene Abwechslung. Denn es gab da wirklich das ein oder andere, was sie wissen wollte.
Misaki erinnerte sich an ein Gespräch mit Chuuya, welcher ihr erzählt hatte, dass Dazai einst sein Partner gewesen war. Doch eines Tages war er einfach verschwunden, ohne eine Erklärung oder ein Wort des Abschieds. Sie hatte sich bis jetzt nicht wirklich damit beschäftigt, doch wenn der Braunhaarige schon zustimmte, ihr ein paar Fragen zu beantworten, dann könnte sie auch damit beginnen. Denn irgendwie würde Misaki gerne seine Beweggründe kennen, die ihn damals dazu veranlasst hatten die Seiten zu wechseln. Sie konnte sich nämlich nicht vorstellen, dass man so eine Entscheidung einfach leichtfertig treffen würde. Schon gar nicht Dazai, dafür schien er ihr zu schlau zu sein. Vor allem, da er sich davor bestimmt der Konsequenzen seines Handelns bewusst gewesen war.

„Okay, also… Nakahara-senpai hatte mal erwähnt, dass du eines Tages einfach die Mafia verlassen und sie verraten hast, und das ohne einen Grund zu nennen. Wieso?“

Nachdem Misaki diese Frage gestellt hatte, herrschte eine bedrückende und unangenehme Stille zwischen ihnen. Jedoch wendete keiner den Blick vom anderen ab. Schon bevor sie die Frage ausgesprochen hatte, war sie darauf gefasst gewesen, dass sie vermutlich sowieso keine Antwort erhalten würde. Dennoch hatte sie sich wenigstens eine minimale Reaktion erwartet, aber es passierte einfach gar nichts.
Gerade als sie den Blick abgewendet hatte und aufstehen wollte, hörte sie ein Seufzen von dem Braunhaarigen. Misaki betrachtete Dazai, der offensichtlich nachdachte und sie dabei ebenfalls ansah. Währenddessen war die Sonne gerade dabei aufzugehen und tauchte alles in ein warmes orange-rot, zusätzlich konnte man die Vögel vergnügt singen hören. Die Welt draußen wirkte so friedlich, doch irgendwie fühlte es sich für sie wie die Ruhe vor einem Sturm an.

„Es war der letzte Wunsch meines besten Freundes, bevor er in meinen Armen starb."

Dazai erzählte es ihr, damit ihr Vertrauensverhältnis besser werden würde und weil er wusste, dass sie es für sich behalten würde. Außerdem musste er sich eingestehen, dass es gut tat, jemandem davon zu erzählen, der es verstehen würde. Und nach dem, was gestern vorgefallen war, war er sich absolut sicher, dass sie es verstand. Der Braunhaarige hatte dieses Geständnis bisher noch niemandem geliefert, aber nicht, weil er es nicht wollte, sondern weil er es nicht konnte. Gott weiß, wie oft er es zumindest Chuuya hatte erzählen wollen, bevor er die Mafia verlassen hatte. Doch Dazai war sich sicher, dass der Rothaarige das weder verstanden, noch akzeptiert hätte. Denn der Tod war ein Risiko, welches in der Port Mafia bewusst eingegangen wurde, sobald man dazugehörte.
Gerade als Misaki etwas darauf erwidern wollte, klopfte es plötzlich an der Tür. Als sie aufstand, um eben diese zu öffnen, drehte sie sich nochmal zu Dazai um und schenkte ihm ein verstehendes und freundliches Lächeln. Auch wenn sie ihn weiterhin für einen komischen Spinner halten würde, hatte sich ihre ursprüngliche und grundlegende Meinung über ihn geändert. Sie verstand nun, weshalb er es getan hatte und konnte ihm keine Vorwürfe machen. Immerhin wusste sie selbst nur zu gut, wie wichtig einem sowas war und sie hätte an seiner Stelle genauso gehandelt.
Vor der Tür angekommen, öffnete sie diese und enthüllte Atsushi. Misaki sah ihn erschrocken an, denn er sah schrecklich aus. Der Weißhaarige hatte tiefe Augenringe und wirkte richtig erschöpft, doch als sich ihre Blicke trafen, lächelte er dennoch breit. Als sie im Wohnzimmer angekommen waren und sich auf die Couch setzten, war Dazai gerade in der Kochnische und bereitete Kaffee zu. Den könnten sie alle drei wohl gut gebrauchen.

„Atsushi-kun, du siehst echt schrecklich aus. Ist alles okay?“, fragte Misaki und in ihrer Stimme schwang etwas Sorge mit.

„Ich konnte nicht schlafen, weil ich schlecht geträumt habe. Darum lag ich beinahe die ganze Nacht wach.“

„Dann habt ihr zwei in der Hinsicht etwas gemeinsam, denn Misaki-chan ging es ebenso", sagte Dazai, während er Kaffee und drei Tassen, sowie Milch und Zucker auf den dem Tisch vor ihnen abstellte.

Atsushi sah Misaki voller Mitgefühl an, während sie ihren Blick bloß auf den Boden richtete. Da fiel ihr schlagartig wieder ein, dass sie die letzte Frage des gestrigen Tages unbeantwortet gelassen hatte. Ob sie es wohl jetzt schaffen würde, ihnen zu antworten? Sie wusste es nicht, jedoch wollte sie es zumindest ein letztes Mal versuchen.

„Ich habe eure zuletzt gestellte Frage noch nicht beantwortet und…“, weiter kam sie nicht, da Atsushi sie unterbrach.

„Das musst du auch nicht, wir haben doch gesehen, wie schlecht es dir dadurch ging", sagte er und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

„Ist schon okay. Ich will es euch erzählen, also lass mich bitte aussprechen, Atsushi-kun“, sagte sie und atmete tief durch.
„Es gab tatsächlich noch zwei andere Kinder. Einer wurde mitgenommen und ich habe ihn danach nie wieder gesehen. Und der andere… wir wurden dazu gezwungen, gegeneinander zu kämpfen. E-Es war ein Kampf auf Leben und Tod. Damals verstand ich nicht, weshalb er dabei einfach mitgemacht hatte, ganz ohne zu zögern. Erst viel später wurde mir der Grund dahinter klar und zwar, weil der Ausgang dieses Kampfes für ihn schon feststand. Er… er hat mich absichtlich angegriffen, damit ich mich verteidige und ihn dadurch…“, danach brach sie in Tränen aus. „Ich habe ihn umgebracht! Sein Blut klebt an meinen Händen, es war meine Schuld! Es war meine verfluchte Fähigkeit, durch die er sein Leben verlor!“, schrie sie und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen, während sie vergeblich versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken. Verdammt, dabei wollte sie doch eigentlich versuchen, sich zusammenreißen.

Atsushi begann ebenfalls zu weinen. Bei diesem Anblick zog sich ein stechender Schmerz durch seine Brust. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte; wie er sie trösten könnte. Ihm fehlten einfach die Worte und er war wie paralysiert vor Schock. Selbst Dazai, der eigentlich nie seine Fassung verlor, entglitten kurzzeitig seine Gesichtszüge. Als er sich wieder gefasst hatte, kniete er sich vor Misaki und legte ihr sanft eine Hand auf den Kopf.

„Er hat dich definitiv sehr geliebt.“

Mehr sagte Dazai nicht und mehr brauchte er auch nicht sagen, denn das war offensichtlich genau das, was sie hören musste. Misaki schluchzte so sehr, dass er sie beinahe nicht verstanden hätte. Es war nur ein Wort, doch darin steckten so viele Gefühle.

„Danke.“

<><><><><><><><><><><><><><><><><><><>

Nachdem Chuuya ein wenig geschlafen hatte, war er nun auf dem Weg zu einem Gebäude, welches sich gegenüber von Dazais Wohnung befand. Während er sich ein wenig ausgeruht hatte, waren zwei seiner Untergebenen dort geblieben, um auf Misaki aufzupassen. Sie hatten sich in einer unbewohnten Wohnung breit gemacht, um einen besseren Blick durch Dazais Fenster und auf die Eingangstür zu haben. So ungern er dies anderen überlassen hatte, musste er dennoch auch ab und zu schlafen, um voll funktionsfähig zu sein. Da der Rothaarige keinen Anruf bekommen hatte, konnte nichts gravierendes vorgefallen sein. Dennoch passte es ihm überhaupt nicht, dass Misaki ausgerechnet bei Dazai zu Hause sein musste. Er selbst wusste wohl am besten, wie anstrengend, unsagbar nervig und manipulativ sein ehemaliger Partner sein konnte. Und das auch ohne seine ständigen Selbstmordversuche und das dauernde Gerede darüber, welche Methode er als nächstes versuchen könnte. Wenn der Braunhaarige sich Misaki gegenüber so verhalten würde, wie bei ihm selbst, dann tat sie Chuuya schrecklich leid.
Als der Rothaarige zu seinen beiden Untergebenen gestoßen war, erzählten sie ihm, was er versäumt hatte. Er war von den Erzählungen größtenteils nicht begeistert, doch dass Misaki Tassen nach Dazai geworfen hatte, fand er amüsant. Danach warf er, mithilfe des Fernglases, selbst einen Blick durch das Fenster und knirschte mit den Zähnen. Nicht nur, dass Misaki scheinbar weinte, sondern der Braunhaarige kniete auch noch vor ihr und hatte seine Hand auf ihren Kopf gelegt. Und wieder verfluchte Chuuya, dass er weder etwas hören konnte, noch wusste, was genau vor sich gegangen war. Obwohl einem in Dazais Gesellschaft durchaus schon mal zum weinen zumute sein konnte. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand wegen dem Braunhaarigen Tränen vergoss. Ob vor Wut, Trauer oder Schmerzen – als Dazai noch bei der Mafia gewesen war, war dies beinahe etwas Alltägliches gewesen.

[Circa vier Jahre zuvor]

Dazai und Chuuya waren gerade auf dem Weg, um einen ihrer üblichen Aufträge zu erledigen. Sie waren zu dem Versteck einer feindlichen Organisation unterwegs, welche der Mafia Schaden zugefügt hatte, um sie auszuschalten. Nicht nur, dass diese Leute einige ihrer Lagerhallen zerstört hatten, sie hatten ebenfalls einige niedrige Mitglieder entführt. Manche von ihnen hatte man Tage später tot in einer Gasse oder im Meer aufgefunden, doch einige waren noch immer verschwunden. Natürlich konnte sich der Boss der Port Mafia so etwas nicht bieten lassen und schickte deshalb seine zwei besten und verlässlichsten Leute los, um sich der Sache anzunehmen. Sie hatten nicht besonders viele Informationen über diese Organisation in Erfahrung bringen können, doch das hatte Dazai und Chuuya noch nie aufgehalten. Die Gruppe nannte sich > Kisaragi < und ihr Versteck lag ein paar Stunden von Yokohama entfernt. Dies sagte ihnen zumindest einer der Männer, den sie gefangen genommen und gefoltert hatten, bevor er ein weiteres ihrer Mitglieder entführen konnte. Dabei waren sie nur zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Manchmal hatte man eben auch einfach Glück. Während der Kleinere am Steuer des Autos saß und die karge Landschaft an ihnen vorbeizog, sah sich der Braunhaarige die Akte an, welche er von einem seiner Untergebenen für sich hatte zusammenstellen lassen. Darin waren alle Informationen, die sie bisher über ihre Feinde in Erfahrung hatten bringen können, ein genauer Bericht über die Verstorbenen, sowie eine Liste mit den Namen der noch verschwundenen Mafiamitglieder. Jedoch überflog er die Liste bloß kurz, da er die Namen mittlerweile fast auswendig kannte und widmete sich stattdessen den spärlichen Informationen und dem Bericht, die er sich gedanklich durchlas.

>Kisaragi ist der zweite Monat im japanischen Lunisolarkalender, steht heute auch für den Februar. Außerdem trug ein Zerstörer der Kaiserlich Japanischen Marine von 1925 bis 1941 ebenfalls diesen Namen. Das hilft uns kein Bisschen weiter und…<

„Chibi, hör dir das mal an. Es gibt eine Urbane Legende – wobei ich es eher als Gruselgeschichte betiteln würde – über einen Bahnhof, der ebenfalls Kisaragi heißt. Die Leute streiten sich darüber, ob er wirklich existiert oder nicht.“

„Wie soll uns das weiterhelfen und was hat das mit unserem Auftrag zutun?! Und hör auf mich so zu nennen, du verdammte Makrele!“, knurrte Chuuya genervt.

„Dazu komme ich jetzt, also pass auf. Der Name dieser Zugstation wird mit dem Kanji für Dämon geschrieben, jedoch Kisaragi ausgesprochen. Und eben dieses Kanji wurde in die Leichen unserer Mitglieder eingebrannt, also wurden sie nicht bloß gefoltert, sondern auch noch mit einem Brandmal versehen. Zusätzlich waren die meisten von ihnen Menschen, mit denen wir beide oft zu tun hatten. Sieh dir die Liste mit den Namen an. Das ist definitiv kein Zufall und ich bin mir sicher, dass sie diese Brandmale absichtlich hinterlassen haben, damit wir sie finden. Wahrscheinlich wussten sie sogar, dass der Boss uns schicken würde.“

„Hah?! Also haben diese Bastarde es eigentlich auf UNS abgesehen und töten deswegen unsere Leute? Warum? Und woher sollten sie wissen, dass Mori uns schicken würde?“, fragte der Rothaarige, voller Wut in seiner Stimme.

Doch er stellte sich die richtigen Fragen. Denn egal wie oft Dazai die Fakten durchging, er kam immer wieder zu demselben Schluss. Sie mussten einen Verräter in ihren eigenen Reihen haben, der mit dem Feind zusammenarbeitete. Der Braunhaarige sah sich dieses Mal alles in der Akte nochmal ganz genau an, denn irgendwo musste es einen Hinweis geben, der ihm bisher entgangen war. Doch er fand nichts, was er nicht schon längst wusste.

„Dazai? Dazai! Hör auf mich zu ignorieren, du Bastard!“, fauchte Chuuya.

„Beruhig dich, Chuuya. Ich habe bloß nachgedacht. Einer von uns muss das schließlich tun, oder?“, neckte er ihn spielerisch.

Chuuya wollte gerade eine seiner Schimpftiraden loslassen, als sie plötzlich Schüsse hörten und das Auto zu schleudern begann. Der Rothaarige legte eine Vollbremsung hin, auch wenn das mit ihren 250 km/h keine besonders gute Idee war. Dennoch war es immer noch besser, als sich eventuell mit dem Auto zu überschlagen, da offensichtlich ihre Reifen zerschossen worden waren. Glücklicherweise waren die Scheiben des Autos aus kugelsicherem Glas, weshalb sie sich erstmal unbesorgt umsehen konnten. Denn sie wussten weder, woher die Schüsse kamen, noch wie viele es waren. Es war weit und breit nichts und niemand zu sehen, außer vertrocknetes Gras und ein paar Baumstümpfe. Die Landschaft schien so trostlos und… irgendwie tot.

„Uns hat vermutlich ein verdammter Sniper im Visier und du hast nichts besseres zu tun, als mich zu ignorieren und Gedankenexperimenten nachzugehen?! Sag mir jetzt verdammt nochmal, was du herausgefunden hast!“, schrie Chuuya seinen Partner an.

Dazai erklärte ihm kurz und knapp, was für Erkenntnisse er vorhin gehabt hatte und was der aktuelle Stand der Dinge war. Der Rothaarige schlug wütend gegen das Lenkrad und legte den Kopf anschließend in den Nacken.

„Und du hast keine Ahnung, wer der Verräter sein könnte? Verdammt, wir müssen den Boss anrufen und ihn sofort informieren. Wieso hast du mir das nicht gleich gesagt, du Bandagenverschwendung?!“, keifte Chuuya, während er sein Handy aus der Manteltasche zog.

Doch bevor einer der beiden etwas tun oder sagen konnte, wurde das Auto plötzlich hochgehoben und verkehrt herum auf den Boden geworfen. Dazai hing kopfüber in seinem Sitz, während Chuuya, der sich zuvor schon abgeschnallt hatte, auf dem Rücken lag und sein Gesicht, durch die Schmerzen des Aufpralls, verzog. Der Braunhaarige seufzte amüsiert, bevor er das Wort an seinen Partner richtete.

„Das kommt davon, wenn man immer vorschnell und überstürzt handelt, Chuuya", sagte er, während er lächelnd den Kopf schüttelte.

„Halt die Klappe, du Bastard! Was zur Hölle war das?! Es war doch niemand zu sehen, sind die unsichtbar oder was?!“, knurrte der Rothaarige.

Nun ging Dazai ein Licht auf und er erzählte seinem Gegenüber sofort von seinen Gedanken, während er seinen Gurt öffnete.

„Das ist es, Chibi! Einer von den Angreifern muss die Fähigkeit haben, sich und andere unsichtbar zu machen. Es müssen mindestens zwei sein, denn er kann theoretisch gesehen keine zweite Fähigkeit haben, mit der er das Auto so einfach hätte hochheben können. Also muss der andere eine verstärkende Fähigkeit besitzen, oder sowas ähnliches. Wir müssen aus dem Auto raus, aber sei wachsam. Ich habe eine Idee, vertrau mir, Partner“, sagte Dazai gelassen und mit einem Lächeln auf den Lippen.

Chuuya seufzte genervt, denn er wusste, was folgen würde. Jedes Mal, wenn Dazai sagte > Vertrau mir, Partner <, musste er auf ein Zeichen hin Corruption benutzen. So hatten sie es abgesprochen, damit es nicht auffiel. Das Problem war nur, dass es ihm so gar nicht gefiel.
Während der Braunhaarige die Autotür auf seiner Seite vorsichtig öffnete, trat der Hutträger diese einfach auf, sodass sie einige Meter weit weg flog. Gerade als er ausgestiegen war, fühlte er einen Schlag im Gesicht und flog über das Auto, direkt auf Dazai. Die beiden sahen sich kurz in die Augen und der Braunhaarige nickte bloß, da wusste Chuuya, was er zu tun hatte. Während der Rothaarige sich zur Seite rollte und seine Handschuhe auszog, sprang Dazai schnell auf und ging auf Abstand. Und das keine Sekunde zu früh, denn schon breiteten sich die Male über dem Körper des Hutträgers aus und der Boden unter ihm brach. Kurz darauf flog das Auto quer durch die Luft und er begann mit schwarzen Kugeln verrückt lachend um sich zu schießen.
Während Chuuya wütete, beobachtete Dazai die Umgebung ganz genau, um jede noch so kleine Veränderung sofort zu bemerken. Jedoch konnte er dem Messer, welches sich nun in seinen Bauch rammte, nicht schnell genug ausweichen. Als er auf die Knie sank, griff er in die Luft und als er dann gegen etwas unsichtbares stieß, hielt er sich daran fest. Das mussten ihre Feinde sein, welche sich wohl gerade in Richtung des Rothaarigen, der sich genau in diesem Moment umgedreht hatte, begeben wollten. Der Braunhaarige verlor viel Blut, bemühte sich aber dennoch bei Bewusstsein zu bleiben, denn ohne ihn würde Chuuya sterben. Er war der Einzige, der ihn aus diesem Zustand befreien konnte. Genau deswegen hatten sie es auch zuerst auf ihn abgesehen und würden sich dem Hutträger nicht ohne weiteres nähern, sobald dieser Corruption benutzte. Doch auch das gehörte zu seinem riskanten Plan. Denn nun kannte Dazai den Aufenthaltsort ihrer Feinde, hatte sie wortwörtlich schon an der Gurgel, um im nächsten Moment Chuuyas Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, damit er ihnen den Rest geben konnte. Der nächste Schritt musste jetzt jedoch ganz schnell gehen, denn er musste blitzschnell ausweichen, sonst wäre das ihr beider Ende. Denn Chuuya stürmte unverzüglich auf ihn zu und er hatte nur den Bruchteil einer Sekunde, um auszuweichen. Er fiel wie ein blutender Sack zu Boden und Chuuya verfehlte ihn nur um Haaresbreite. Dennoch bildete sich neben ihm eine Blutlache auf dem Boden, welche von der trockenen Erde aufgesogen wurde. Er hatte es geschafft; sie hatten es geschafft. Jetzt musste der Braunhaarige den kleinen Hutträger nur noch berühren, um ihn aus diesem Zustand zu befreien. Dies war in seiner Verfassung jedoch leichter gesagt, als getan. Doch er musste es einfach schaffen, denn Chuuya sah schon ziemlich schlimm aus, also hatte er nicht mehr viel Zeit. Trotz seines Schwindels stand er mit letzter Kraft auf und schleppte sich zu seinem Partner, dessen Knöchel er schnell ergriff, nachdem er erneut zu Boden gefallen war.
Als Chuuya wieder er selbst war, tat ihm alles weh und er stöhnte gequält. Irgendetwas war jedoch anders als sonst, das bemerkte er sofort. Angestrengt richtete er sich auf und seine Augen suchten nach Dazai, der normalerweise immer direkt in seinem Sichtfeld gewesen war, nachdem er ihn zurückgeholt hatte. Die Augen des Rothaarigen weiteten sich, als er Dazai hinter sich liegen sah, umringt von Blut. Schnell hielt er seine Finger an dessen Halsschlagader, um seinen Puls zu fühlen. Er war schwach, aber er lebte noch.

„Verdammt, Dazai! Du wirst hier nicht einfach sterben, das kannst du mir nicht antun. Du bist doch schwerer loszuwerden, als jede Krankheit. Also wage es nicht, hier einfach zu verrecken!“, sagte er wütend und mit Tränen in den Augen.

Bevor Chuuya die allumfassende Dunkelheit der Ohnmacht erreicht hatte, konnte er gerade noch so Dazais Handy aus dessen Manteltasche ziehen und die Nummer ihres Bosses wählen. Er konnte noch Moris Stimme hören und dann wurde alles schwarz.

Als Chuuya wieder zu sich kam, befand er sich in einem weißen, hell erleuchteten Raum. Er wandte seinen Blick nach links, wo Mori auf einem Stuhl saß und ihn ansah. Schade, er hätte jetzt viel lieber eine schöne Weinflasche gegen seine stechenden Kopfschmerzen erblickt.

„Chuuya-kun, ich dachte schon, dass du gar nicht mehr aufwachst. Immerhin warst du beinahe eine Woche nicht bei Bewusstsein“, sagte Mori, bevor er von Chuuya unterbrochen wurde.

„Eine Woche?! Was ist mit den Angreifern und der feindlichen Organisation passiert, Boss? Und was ist mit Dazai?“

„Als wir euch gefunden hatten, saht ihr richtig schlimm aus. Bei dir hat es mich nicht großartig überrascht, aber bei Dazai-kun kommt das doch eher selten vor. Trotz seiner Verletzungen, war er aber recht schnell wieder auf den Beinen. Er hat mir außerdem alles erzählt, was an diesem Tag vorgefallen war. Die Fähigkeit eures Gegners war sehr praktisch, um euch plötzlich anzugreifen. Dennoch hat es ihnen im Endeffekt nicht viel genützt, da ihr sie getötet habt. Das Versteck dieser Bande haben wir auch aufgesucht und alle Störenfriede aus dem Weg geräumt. Leider waren all unsere bis dato noch verschwundenen Leute bereits tot, aber immerhin haben wir die Wurzel des Übels beseitigt. Oh und Dazai-kun war in dieser Woche auch öfter hier, um nach dir zu sehen.“

Perplex starrte der Rothaarige seinen Boss an, während die Gedanken in seinem Kopf um das eben Gesagte kreisten. Auch wenn sie Partner waren, hätte er nicht gedacht, dass Dazai sowas tun würde.
Langsam setzte er sich auf und fragte Mori, wo Dazai gerade war. Denn er wollte mit ihm sprechen und ihn auch fragen, was an diesem Tag passiert war, nachdem er Corruption aktiviert hatte. Da sein Boss ihm sagte, dass der Braunhaarige sich in seinem Büro befinden sollte, wollte er sich sofort auf den Weg machen. Doch als er versuchte aufzustehen, gaben seine Beine für einen Moment nach und er fiel der Länge nach hin. Als Mori ihn dafür tadelte und ihm dazu riet, noch eine Weile im Bett zu bleiben, um sich auszuruhen, schüttelte dieser bloß den Kopf. Er hatte schon lange genug in diesem Bett gelegen und hielt es keine Sekunde länger aus. Mühsam richtete Chuuya sich auf und machte sich, stark schwankend und unter Widerworten des Arztes, auf den Weg zu Dazais Büro.
Vor der Bürotür angekommen, klopfte er mehrmals, doch niemand reagierte. Allerdings roch es verbrannt, darum beschloss Chuuya, einfach einzutreten. Der Raum sah so unordentlich aus, wie er es immer tat, jedoch mit einer Ausnahme – aus dem Mülleimer stieg Rauch auf. VERDAMMTER MISTKERL, wenn das seine Zigaretten gewesen waren, dann konnte sich dieses Arschloch auf ein Donnerwetter gefasst machen! Als er hineinblickte, um die Ursache des Rauches ausfindig zu machen, sah er die Überreste eines schwarzen Mantels. Er hätte ihn unter Tausenden wiedererkannt. Es war der Mantel, den Dazai vom Boss geschenkt bekommen hatte und der damit beinahe so wichtig war, wie Chuuyas Hut. Chuuya wusste instinktiv, was diese Geste zu bedeuten hatte. Dazai hatte ihnen den Rücken gekehrt. Er war gegangen; hatte ihn einfach verlassen und das ohne ein Wort zu verlieren.

[zurück in der Gegenwart]

Chuuya erinnerte sich noch daran, als ob es erst gestern gewesen war. Zuerst war Dazai einfach verschwunden und das jahrelang. Er hatte geglaubt, dass der Braunhaarige sich seinen Wunsch vom Suizid endlich erfüllt hätte. Doch dann war er plötzlich wieder aufgetaucht und hatte mit einem mal zur A.D.A. gehört, dieser Verräter. Irgendwann würde Chuuya ihn für den Verrat an der Mafia – dem Verrat an ihm – eigenhändig töten. Und sollte er seinem Schützling, der kleinen Misaki, zu nahe kommen, dann sogar noch heute.

------------------------------------------------------------------------

Falls euch die Urbane Legend/Gruselgeschichte zu dem Bahnhof Kisaragi interessiert, dann ist hier ein Link, wo ihr einiges darüber lesen könnt. Ich persönlich fand die ganze Story sehr interessant und mysteriös. ^^

https://theghostinmymachine.com/2018/02/28/encyclopaedia-impossible-kisaragi-station-train-japan-urban-legend-2chan/

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top