4. Ungeplante Ereignisse

Es war ein ruhiger und sonniger Nachmittag in Yokohama, als Misaki auf dem Dach eines hohen Gebäudes saß und ihre Beine dabei über dem Abgrund hängen ließ. Der kühle Wind wehte ihr schneeweißes Haar durcheinander und die wärmenden Sonnenstrahlen kribbelten angenehm auf ihrer blassen Haut, während sie gedankenverloren in die Ferne starrte und den Geräuschen der Stadt lauschte. Das Rauschen des Windes, der Lärm des Verkehrs, schreiende Kinder, bellende Hunde, klingelnde Handys, streitende Pärchen, genervte und auch fröhliche Menschen. Misaki konnte zwar alles überdeutlich hören, aber es drang nicht vollends zu ihr durch. Sie war viel zu sehr in ihren Gedanken versunken, die sich um Atsushi und die Männer, die mit Befähigten handelten, drehten. Seitdem war nun bereits eine Woche vergangen, doch sie war noch immer voller Trauer und Zorn. Und es machte ihr ebenso zu schaffen, dass das Verhältnis zwischen ihr und Chuuya sich bloß minimal gebessert hatte. Sie sprachen zwar wieder relativ normal mit einander, aber... der zuvor entstandene Riss konnte eben nicht so einfach und schnell repariert werden. Jedoch gab Misaki sich die allergrößte Mühe, da sie nicht zulassen würde, dass diese Sache einen Keil zwischen sie treiben und sie entzweien würde. Denn letztendlich war Chuuya der wichtigste Mensch in ihrem Leben, daran konnte nichts und niemand etwas ändern.
Kurze Zeit später landete Keigo auf dem Dach, ging langsam auf Misaki zu und setzte sich schließlich neben sie. Er war zuvor schon bei ihr gewesen, doch hatte sie kurz allein gelassen, um Getränke zu besorgen. Denn er hatte bemerkt, dass ihre Stimmung ziemlich betrübt war und hoffte, dass ein Bier sie etwas auflockern würde. Gleichzeitig erhoffte er sich dadurch auch, dass sie zumindest irgendetwas sagen würde, da sie, seitdem er sie abgeholt hatte, kein einziges Wort von sich gegeben hatte. Keigo fragte sich, ob es eventuell daran lag, dass er zu ihrem Aufpasser geworden war oder ob sie gerade allgemein mit niemandem sprechen wollte. Nichtsdestotrotz würde er Misaki aufmuntern und nicht aufgeben, bis er es geschafft hatte – das nahm er sich fest vor. Doch zuvor würde er sie zum Reden bringen und herausfinden, was sie so sehr bedrückte.
»Misaki, was ist los?«, fragte er ruhig, während er ihr eine der Bierflaschen, die er geöffnet hatte, reichte.
Sie sah ihn aus dem Augenwinkel an und griff seufzend nach der Flasche, aus der sie zwar sogleich einen großen Schluck trank, aber dennoch nicht antwortete. Jedoch hatte Keigo auch nicht erwartet, dass es so einfach werden würde, da er mit dieser Art von Verhalten ziemlich vertraut war. Denn in dieser Hinsicht ähnelte sie seinem Partner, Touya. Beide schwiegen wohl lieber, als einfach über ihre Probleme zu sprechen. Allerdings kannte er eine Methode, wie man solche Menschen zum Reden brachte. Zumindest funktionierte es bei Touya beinahe jedes Mal, also würde er sein Glück auch bei Misaki versuchen und hoffen, dass es klappt. Doch dazu musste Keigo sie provozieren, und zwar so sehr, dass sie sich nicht mehr beherrschen konnte und alles einfach aus ihr herausplatzte. Schlimmstenfalls würde sie - so wie Touya es schon einmal getan hatte - ihre Fähigkeit gegen ihn einsetzten, aber das war nichts, womit er nicht fertig werden würde. Und im Nachhinein würde er sich selbstverständlich für die Vorgehensweise entschuldigen, weil er dafür gezielt einen wunden Punkt anvisieren und Salz in die Wunde streuen würde. Das war zwar die einfachste Methode, um sein Ziel zu erreichen, aber mit Gewissheit nicht die feinfühligste. Jedoch ging es viel schneller, als immer wieder nachzufragen, bis er irgendwann eine Antwort erhielt. Keigo war eben – genauso wie Chuuya – keine besonders geduldige Person.
»Okay, dann sprechen wir eben über etwas anderes. Du könntest mir doch stattdessen erzählen, weshalb Chuuya-san dich nirgends alleine hingehen lässt und aus welchem Grund du einen Babysitter benötigst«, sagte er gespielt amüsiert und trank einen Schluck von seinem Bier.
Misaki zischte bloß genervt, doch Keigo bemerkte sofort, dass sich ihr Griff um die Bierflasche dabei etwas verkrampfte. Er hatte offenbar einen wunden Punkt gefunden, den er jetzt nur noch gezielt reizen musste. Und so temperamentvoll, wie sie eben war, würde es bestimmt nicht lange dauern, bis sie die Beherrschung verlor.
»Hast du etwas Wichtiges vermasselt? Einen Befehl missachtet, wodurch sein Vertrauen erschüttert wurde? Hast du eine der drei Regeln gebrochen? Hat er durch dich ärger mit dem Boss?«, fragte Keigo und hielt kurz inne, »Oder hat es doch etwas mit diesem Tigerjungen zu tun, zu dem du keinen Kontakt haben darfst?«
Der Griff ihrer zitternden Hand wurde immer fester, bis die Bierflasche schließlich zerbrach und die Scherben in die Tiefe fielen. Misaki atmete tief durch, ehe sie ihren Blick auf Keigo richtete. Ihre Augen funkelten ihn voller Wut an, während sie sich mit aller Kraft darum bemühte, ruhig zu bleiben. Allerdings hätte jeder Blinde erkannt, dass nur noch ein Tropfen fehlte, der das Fass zum Überlaufen bringen würde. Und natürlich war dieser Fakt Keigo ebenso nicht entgangen, wodurch er wusste, dass er es gleich geschafft hatte. Nur noch ein einziger, provozierender Kommentar und sie würde die Beherrschung verlieren, da war er sich sicher. Doch noch bevor er etwas sagen konnte, packte Misaki ihn plötzlich am Kragen und ergriff selbst das Wort.
»Wieso provozierst du mich absichtlich? Macht es dir etwa Spaß, mich zu quälen?«
»Nein, aber wie soll ich dir helfen, wenn du mir nicht sagst, was los ist?«, erwiderte Keigo mit ernster Stimme, »Die Vorgehensweise tut mir zwar leid, aber immerhin sprichst du endlich wieder mit mir.«
Misaki musterte ihn noch einige Momente, ehe sie genervt zischte und ruckartig seinen Kragen losließ. Sie hätte nicht erwartet, dass Keigo so weit gehen würde, nur um das Schweigen zwischen ihnen zu brechen. Einerseits wollte sie ihn dafür verprügeln, doch andererseits war sie überrascht, dass er sich für ihre Probleme interessierte und ihr sogar helfen wollte. Sie verstanden sich zwar an sich recht gut, aber damit hatte Misaki nicht gerechnet. Seufzend wandte sie ihren Blick wieder von ihm ab und starrte erneut in die Ferne.
»Na schön, gib mir ein Bier und dann erzähle ich dir, was los ist.«
Keigo nickte bloß und öffnete grinsend eine der Flaschen, die er ihr anschließend reichte und schweigend abwartete. Sie trank ein paar Schlucke, ehe sie damit begann, ihm zuerst alles über die Situation mit Atsushi zu erzählen. Die Erzählung startete damit, wie sie sich kennengelernt hatten und endete mit dem Vorfall, der sich letzte Woche zugetragen hatte. Danach erklärte Misaki, was das alles mit Chuuya zu tun hatte und weshalb Keigo nun ihr Aufpasser war. Und zum Schluss sprach sie über die beiden Männer, die mit Befähigten handelten und einen davon gegen sie eintauschen wollten.
Nachdem Misaki über alles, was ihr auf dem Herzen lag, gesprochen hatte, atmete sie tief durch und richtete ihren Blick auf Keigo. Sie konnte schon an seinem Gesichtsausdruck erkennen, dass er ebenfalls ratlos war und nicht wusste, was er dazu sagen sollte. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass sie so viele und ebenso komplizierte Probleme zur selben Zeit hatte. Doch auch, wenn ihm die Worte fehlten, wusste er zumindest, was er in diesem Augenblick für Misaki tun konnte. Keigo trug ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen, während er einen seiner Flügel um sie legte, sie damit gleichzeitig näher an sich zog und einfach stillschweigend dasaß. Im ersten Moment war sie ziemlich überrascht gewesen, doch dann entspannte sie sich und lehnte sogar ihren Kopf an seine Schulter. Es tat Misaki gut, dass Keigo für sie da war und ihr Halt gab, denn genau das brauchte sie gerade. Sie verstand jedoch nicht, weshalb genau er das tat, denn eigentlich standen sie sich nicht sonderlich nah und hatten kaum Zeit miteinander verbracht.
»Wieso tust du das? Wir kennen uns nicht besonders lange oder gut, und es verschafft dir auch keinen Vorteil, wenn du für mich da bist und mir bei meinen Problemen helfen willst...«, nuschelte sie leise, dabei konnte man die Skepsis in ihrer Stimme deutlich hören.
»Das stimmt nur teilweise, denn strenggenommen kenne ich dich viel länger, als du mich«, erwiderte Keigo belustigt und seufzte, »Ich habe dich immer beobachtet, auch damals im Labor. Es war meine Aufgabe und ich habe sie gehasst... Nicht, weil du es warst, sondern weil ich mitansehen musste, was sie dir angetan haben. Sie haben Touya und mir zwar auch schlimme Dinge angetan, aber das kann man kaum miteinander vergleichen. Und vielleicht will ich dir jetzt irgendwie helfen, weil ich es damals nicht konnte, obwohl ich wollte.«
»Du... wolltest mir damals helfen?«
»Ja, denn ich fand es grausam, was sie dir alles angetan haben. All die Tests und Experimente, die Kämpfe auf Leben und Tod... Das alles bloß, um eine künstliche Fähigkeit zu erschaffen und dich zu einer kaltblütigen, menschlichen Waffe zu machen. Und... dazu möchte ich dir noch etwas erzählen«, sagte Keigo ruhig, »Das ist nur meine Vermutung, aber wenn man genau darüber nachdenkt, würde es Sinn ergeben. Ich denke, dass es damals, bei deinem Kampf gegen C2579, so geplant war, dass er stirbt. Er war mental der Schwächste von euch und ebenso dein letzter Halt, dein letzter Schwachpunkt. Wenn man rational darüber nachdenkt, war dieser Kampf die einzige Möglichkeit, dich zu brechen und gleichzeitig das schwächste Glied zu beseitigen.«
Misaki hob ruckartig ihren Kopf und starrte Keigo schockiert an, während sich Tränen in ihren Augen sammelten und anschließend über ihre Wangen flossen. Sie hatte nie so genau über die Hintergründe dieses Kampfes nachgedacht, doch die Vermutung des Blondhaarigen war tatsächlich die einzig logische Erklärung, die ihr nun in den Sinn kam. Dieser eine Tag, der auch jetzt noch der bisher Schlimmste ihres Lebens war, war zwar ohnehin schon ein heikles Thema, welches man nicht ansprechen sollte, aber diese neue Erkenntnis verschlimmerte es maßgeblich.
Wie paralysiert saß Misaki einfach da, weinte stumm und zitterte am ganzen Körper. All die Erinnerungen, die sie immer wieder bestmöglich in den Untiefen ihres Gedächtnisses verschlossen hatte, stiegen nun auf einen Schlag wieder empor und überrollten sie, wie eine große Welle aus Leid und Schmerz. Keigo, der es in ihren geröteten Augen sehen konnte, zögerte nicht lange und umarmte sie fest, während es um sie herum allmählich dunkel wurde, da die Nacht langsam hereinbrach.

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Als Chuuya nach einem anstrengenden Tag in seinem Apartment angekommen war, ließ er sich, mit geschlossenen Augen, achtlos auf die Sitzlandschaft fallen und seufzte langgezogen. Seine Mission war zwar erfolgreich gewesen, aber es war dennoch so einiges schiefgelaufen und zusätzlich beschäftigte ihn die andauernde Spannung, die Distanz, die zwischen Misaki und ihm herrschte. Er dachte oft darüber nach, ob seine Entscheidung wohl wirklich richtig gewesen war, da diese zwischen ihnen eine Kluft geschaffen und sie etwas voneinander entfremdet hatte. Dabei tat Chuuya das alles bloß, um sie zu beschützen und weil er Angst hatte, sie zu verlieren. Denn er hatte in seinem Leben bereits genug Menschen verloren, die ihm wichtig gewesen waren und wollte um jeden Preis verhindern, dass Misaki ebenfalls dazu gehörte. Sogar, wenn das zur Folge haben könnte, dass sie ihn hasste. Das war ein Risiko, das er bereit war einzugehen, wenn sie dadurch sicher wäre. Was jedoch nicht hieß, dass die Spannung, Distanz und der Riss in ihrem Verhältnis spurlos an ihm vorbeizogen. Ganz im Gegenteil, denn es machte ihm ziemlich zu schaffen, auch wenn er es nicht offen zugab.
Chuuya atmete noch einmal tief durch und seufzte beim Ausatmen betrübt, ehe er aufstand und in die Küche ging, um sich ein Glas Wein zu holen. Vielleicht könnte er sich so wenigstens ein bisschen entspannen, wenn in seinem Kopf schon ein unruhiges Chaos herrschen musste. Und wenn er schon dabei war, dann konnte er sich ebenso die ganze Weinflasche mit ins Wohnzimmer nehmen. Das Schlimmste, was dabei passieren könnte, war, dass Chuuya betrunken einschlafen und am nächsten Morgen einen Kater haben würde. Also nichts, worüber er sich großartig Gedanken machen musste. Nichtsdestotrotz hatte er nicht die Absicht, sich einfach sinnlos zu betrinken und schon gar nicht, solange Misaki noch unterwegs war. Immerhin trug er eine große Verantwortung und musste noch zurechnungsfähig sein, falls etwas passieren sollte.
Mit einer Flasche seines liebsten Weins und einem bereits gefüllten, langstieligen Glas, begab sich Chuuya wieder in das Wohnzimmer und setzte sich auf die Sitzlandschaft. Er stellte erst die Weinflasche auf dem vor ihm liegenden Glastisch ab, ehe er sich genüsslich einen Schluck der herben, roten Flüssigkeit genehmigte.
Während er gedankenverloren das Weinglas schwenkte, konnte er hören, dass die Eingangstür vorsichtig geöffnet wurde. An den näherkommenden Schritten erkannte Chuuya allerdings sofort, dass es nicht Misaki war, die soeben den Eingangsbereich durchquerte. Dennoch musste er sich nicht erst umdrehen, um zu wissen, wer sich unerlaubt Zutritt verschafft hatte und nun unweit hinter ihm stand.
»Verschwinde, und zwar sofort.«
»Aber Chibi, behandelt man so einen Gast?«
»Gast?«, erwiderte Chuuya spöttisch, »Du bist eher eine Plage, eine immer wiederkehrende Krankheit, ein unerwünschter Verräter.«
»Ja, ja. Können wir das abkürzen? Ich bin eigentlich hier, um mit Misaki-chan zu sprechen.«
»Das kannst du vergessen. Weder du, noch der Menschentiger dürfen in ihre Nähe. Und jetzt verschwinde endlich, so wie du es immer tust.«
Chuuyas Tonfall klang bitter und gleichzeitig verachtend, als er das sagte. Doch nichts davon störte Dazai, immerhin kannte er seinen ehemaligen Partner gut genug und hatte ausreichend Informationen, um zu wissen, was los war. Er ging nonchalant um die Sitzlandschaft und setzte sich dann, mit geringem Abstand zu Chuuya, einfach neben ihn. Der Rothaarige kommentierte dies bloß mit einem genervten Seufzen, da er genau wusste, dass Dazai auch all seine weiteren Aufforderungen einfach ignorieren würde. So war es schon immer gewesen.
»Misaki ist nicht hier und sie wird auch nicht mit dir sprechen. Und ich kann auf deine Gesellschaft verzichten...«
»Du bist ja noch kaltherziger als sonst, Chibi. Welche Laus ist dir über die Leber gelaufen?«, fragte Dazai belustigt, obwohl er den Grund bereits kannte.
»Das geht dich nichts an!«, zischte Chuuya in einem scharfen Ton.
»Mit mir kannst du über alles sprechen... Ich kenne dich doch besser, als du dich selbst.«
»Träum weiter, du Idiot...«
Kopfschüttelnd entriss Dazai Chuuya das Weinglas, bloß um es in einem Zug zu leeren. Dabei verzog er gespielt angewidert sein Gesicht, ehe er das Glas erneut füllte und seinem Nebenmann reichte.
»Ich weiß, dass du dir bloß Sorgen um Misaki machst, weil das Risiko so groß ist. Aber denkst du nicht, dass du ihr zumindest etwas mehr Freiheit lassen solltest, bevor sie sich wie ein Vogel im Käfig fühlt? Sie wird dich deswegen zwar nicht verlassen, weil du alles bist, was sie noch hat, aber das bedeutet nicht, dass du sie dadurch nicht früher oder später verlieren wirst... Denk darüber nach.«
»Du... Wieso muss ich mir das von einem manipulativen Verräter, der mich immer nur benutzt und schlussendlich verlassen hat, anhören? Dir sind die Gefühle der Anderen doch egal, also was zum Teufel willst du von mir? Das gehört doch bestimmt wieder zu einem deiner perfiden Pläne! Verschon mich damit und verschwinde endlich, denn das kannst du am besten, du verdammter-«
Noch bevor Chuuya zu Ende gesprochen hatte, hatte Dazai sich ihm zugewandt und eine Hand auf seine Wange gelegt. Er strich mit dem Daumen sanft über seine Unterlippe, während er schwach lächelnd den Blickkontakt hielt. Und für einen Moment war Chuuya tatsächlich wie erstarrt, als er in dessen braune Seelenspiegel, die ihn zu durchdringen schienen, blickte. Wie lange war es her, dass Dazai ihn mit dieser Sanftheit und Wärme angesehen hatte? Es war beinahe so, als würde ihn allein dieser Blick zurück in die Vergangenheit katapultieren, in die Zeit, in der sie noch auf derselben Seite standen und mehr waren, als bloß Partner. Allerdings war dieser Abschnitt ihres Lebens - ihre Verbindung zueinander - zu Ende gewesen, als sich ihre Wege getrennt hatten. Zumindest sollte es, in Anbetracht ihrer allgemeinen Lage, so sein. Und obwohl sie beide genau wussten, dass dies nicht der Fall war, würde es keiner von ihnen je laut aussprechen oder gar zugeben. Denn dann müssten sie auch einsehen und akzeptieren, dass sie das, was sie sich eigentlich tief in ihrem Inneren immer gewünscht hatten, nicht haben können: eine gemeinsame Zukunft.
Als Chuuya schließlich den Blickkontakt beendete und Dazais Hand seufzend aus seinem Gesicht entfernen wollte, wanderte diese in seinen Nacken und vergrub sich anschließend in seinen Haaren. Der Braunhaarige überbrückte die Distanz zwischen ihnen und verband ihre Lippen zu einem sanften, innigen Kuss, während sich sein anderer Arm um Chuuyas Hüfte schlang und ihn ruckartig auf seinen Schoß zog. Dabei fiel das Glas, welches der Rothaarige in seiner Hand gehalten hatte, auf den flauschigen Teppich und der darin enthaltene Wein wurde von dem feinen Material aufgesogen.
Kurzzeitig versuchte Chuuya noch, sich aus Dazais Armen zu befreien, doch schlussendlich ließ er sich darauf ein und gab sich seinem Verlangen hin. Seine Arme, die bis eben noch versucht hatten, den Braunhaarigen von ihm zu drücken, verschränkten sich nun hinter dessen Nacken und zogen ihn noch näher an sich. Dazai grinste, während der Kuss immer verlangender und intensiver wurde. Er leckte auffordernd über Chuuyas Unterlippe, woraufhin dieser bereitwillig seinen Mund öffnete. Ihre Zungen schmiegten sich spielerisch aneinander, indessen Dazai aufstand und dabei seine Hände unter den Oberschenkeln des Rothaarigen platzierte, damit er ihn ins Schlafzimmer tragen konnte. Langsam und etwas wankend setzte er einen Fuß vor den anderen, bis er schließlich die angesteuerte Tür, die bloß angelehnt war, erreicht hatte. Diese öffnete er durch einen leichten Stoß, mit einem seiner Füße. Schritt für Schritt kamen sie dem Bett näher, bis sie es erreicht hatten, den Kuss schwer atmend lösten und Chuuya darauf abgelegt wurde. Dazai kniete sich zwischen seine Beine und beugte sich grinsend zu ihm herab, wobei er seine linke Hand neben dem Kopf des Rothaarigen platzierte, während die rechte zum Kragen seines Hemdes wanderte. Er begann langsam damit, einen Knopf nach dem anderen zu öffnen und zog Chuuya anschließend wieder in eine aufrecht sitzende Position, damit das Hemd von seinen Schultern gleiten konnte. Doch als Dazai danach in seine Augen blickte, konnte er die Zweifel und den inneren Konflikt, die Chuuya plagten, deutlich erkennen.
»Chuuya, hör endlich auf nachzudenken und dich gegen deine Sehnsüchte aufzulehnen. Lass dich endgültig fallen, so wie damals.«
»Wie kannst du das von mir verlangen, nach all dem, was du getan hast?«, fauchte der Rothaarige.
»Weil wir beide genau wissen, dass sich auch dadurch nichts zwischen uns geändert hat.«
Chuuya knabberte einen Moment lang nachdenklich an seiner Unterlippe, bis er leise fluchte. Er packte Dazai am Kragen und zog ihn näher zu sich, sodass ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren und sie sich direkt in die Augen sahen.
»Denk bloß nicht, dass sich zwischen uns überhaupt nichts geändert hat, du verdammte Makrele.«
»Wie du meinst, Chibi«, erwiderte er säuselnd.
Daraufhin schnalzte Chuuya genervt mit seiner Zunge, sein Griff um den Kragen löste sich und er drückte Dazai mit beiden Händen bestimmend auf die Matratze. Er setzte sich auf ihn, vergrub die Finger seiner rechten Hand in den braunen Locken und grinste. Dieses dreckige, überhebliche Grinsen und dazu der hungrige Ausdruck in seinen Augen... Es bereitete dem Braunhaarigen eine angenehme Gänsehaut; es gefiel ihm, sogar sehr. Normalerweise hatte Dazai immer die Führung übernommen und nicht zugelassen, dass Chuuya die Oberhand gewann. Doch diesmal wollte er es darauf ankommen lassen und beschloss, sich vorerst zu fügen und den Rothaarigen machen zu lassen. Ob es nun bloß die Neugierde war, die ihn dazu bewegte oder doch auch der Reiz, Chuuyas feurigem Temperament einfach freien Lauf zu lassen; er wollte, dass diese Flamme zu einem lodernden Feuer wurde.
Von seinen Gedanken eingenommen und abgelenkt, zuckte Dazai zusammen, als er Finger an seinem Hals spürte, die den Verband ein wenig nach unten schoben. Doch als Chuuya im nächsten Moment in die freigelegte, weiche Haut biss und entschuldigend darüber leckte, spannte sich der gesamte Körper des Braunhaarigen augenblicklich an und ihm entwich ein erschrockenes Keuchen. Durch diese kleine, aber eindeutige Reaktion animiert, begann er damit, jede freie Stelle von Dazais Hals zuerst mit seinen Zähnen zu reizen und anschließend mit seinen Lippen zu liebkosen. Chuuyas Zunge hinterließ auf ihrem Weg zum Mund eine feuchte Spur, ehe sie sich forsch in diesen drängte.
Während der Kuss immer fordernder wurde, vergriff sich Chuuya mit zittrigen Fingern an Dazais Hemd und öffnete schnellstmöglich einen Knopf nach dem anderen. Danach begaben sie sich in eine aufrecht sitzende Position, damit sich der Braunhaarige endgültig seines Oberteils entledigen konnte. Sein Oberkörper war, ebenso wie seine Arme und sein Hals, größtenteils von Bandagen bedeckt, doch das störte Chuuya nicht. Immerhin kannte er seinen ehemaligen Partner gar nicht anders und hatte ihn auch noch nie ohne all seine Bandagen gesehen. Tatsächlich hatte er Dazai bloß einmal gefragt, weshalb er sich selbst ihm gegenüber nie vollständig entblößte. Allerdings blieb die Frage dennoch bis heute unbeantwortet, da der Braunhaarige damals einfach das Thema gewechselt und ihn wie üblich provoziert hatte.
Dazai legte seine Hände auf Chuuyas Oberschenkel und ließ sie, mit einem leichten Druck, bis zu seiner Hüfte wandern, an der er ihn packte und fest an sich drückte. Sie konnten die bereits steife Erektion des anderen durch den Stoff ihrer Hosen spüren, weshalb sie keuchend und schwer atmend den Kuss lösten. Ihre Augen waren halb geöffnet und verschleiert vor Lust, als sich ihre Blicke trafen.
»Zieh dich aus«, hauchte Chuuya mit rauer Stimme, ehe er aufstand und sich neben das Bett stellte.
Dazai kicherte grinsend, als er der Aufforderung folgte und dabei zusah, wie der Rothaarige sich ebenfalls des störenden Stoffes entledigte, nachdem er etwas aus seinem Nachtkästchen geholt und aufs Bett gelegt hatte. Danach begab sich Chuuya wieder zu dem Braunhaarigen, schob seine Beine auseinander und kniete sich dazwischen. Und wieder war da dieses dreckige, überhebliche Grinsen auf seinen Lippen und der hungrige Ausdruck in seinen Augen. Er streichelte mit den Fingerspitzen seiner rechten Hand hauchzart an der Innenseite von Dazais bandagiertem Oberschenkel entlang, während er die linke Hand auf seiner Brust platzierte, um ihn auf die Matratze zu drücken. Der Braunhaarige stützte sich allerdings auf seinen Unterarmen ab, damit er genauestens beobachten konnte, was Chuuya als nächstes tun würde. Doch er hatte nicht erwartet, dass das dem Rothaarigen offensichtlich gelegen kam, denn dieser erhielt den Augenkontakt grinsend aufrecht, indessen seine Hand sich mit festem Griff um Dazais erigiertes Glied schloss. Quälend langsam glitt Chuuyas Hand auf und ab, strich mit dem Daumen über die Spitze, um die Lusttropfen zu verteilen. Der Brustkorb des Braunhaarigen hob und senkte sich zwar schnell und unregelmäßig, aber abgesehen von einem gelegentlichen Keuchen gab er keinen Ton von sich. Stattdessen biss Dazai sich bloß auf die Unterlippe, warf den Kopf in den Nacken und beherrschte sich, so gut er eben konnte. Wenngleich Chuuya dieser Anblick sehr gefiel, reichte es ihm nicht. Er wollte den Braunhaarigen nichtsdestotrotz hören, ihn an seine Grenzen bringen, bis er endlich und endgültig die Beherrschung verlor. Und als er plötzlich seine Tätigkeit unterbrach und leise kicherte, murrte Dazai unzufrieden und starrte ihn mit halb geöffneten Augen an. Chuuya leckte sich absichtlich langsam und sinnlich über die Lippen, ehe er seinen Kopf in den Schoß des Braunhaarigen sinken ließ und gegen die Eichel hauchte. Danach ließ er diese gemächlich in seinen Mund gleiten, leckte darüber und saugte vorsichtig an ihr. Daraufhin zog Dazai scharf die Luft ein, sein Körper spannte sich an und ein leises Stöhnen drang durch zusammengebissenen Zähnen hindurch. Währenddessen hob Chuuya seinen Blick, um keine Sekunde dieses Anblicks zu verpassen. Er genoss, wie viel Selbstbeherrschung es Dazai offensichtlich kostete, keinen lauten Ton von sich zu geben. Keiner von ihnen wollte nachgeben, doch schlussendlich würde einer der beiden aufgeben müssen.
Chuuya hielt den Blickkontakt, während er Dazais Männlichkeit immer tiefer in seine Mundhöhle aufnahm, abwechselnd stärker und sanfter saugte, und seine Zähne immer mal wieder vorsichtig den Schaft hoch und runter streiften. Dadurch fand auch die Zurückhaltung des Braunhaarigen ihr jähes Ende. Seine Atmung wurde immer unregelmäßiger und schneller, sein lautes Stöhnen erfüllte den Raum und als er spüren konnte, dass er gleich den ersehnten Höhepunkt erreicht hatte, stoppte Chuuya plötzlich und sah ihn bloß grinsend an.
»Du... spielst also... mit mir? Wie gemein von dir...«, gab Dazai schwer atmend und theatralisch von sich.
Chuuya ignorierte seine Aussage, setzte sich auf ihn und nahm eine kleine Flasche zur Hand, die auf dem Bett lag. Er verteilte das Gel großzügig auf seinen Fingern, lehnte sich anschließend nach vorne und stützte sich dabei mit der anderen Hand auf Dazais Brust ab. Langsam ließ er einen seiner Finger in sich gleiten und schloss dabei die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. Der Braunhaarige beobachtete fasziniert den Anblick, welcher sich ihm bot. Er erkannte deutlich, wann Chuuya einen weiteren Finger in sich eindringen ließ. Allein dieses erregte Gesicht, die zusammengekniffenen Augen, der leicht geöffnete Mund, der schwache, rötliche Schimmer auf den Wangen... Es brachte Dazai fast um seinen Verstand, den Rothaarigen so zu sehen.
Im nächsten Moment ließ Chuuya von sich ab, setzte sich auf und rutschte provokant ein wenig auf Dazais Glied hin und her. Allerdings waren sein Verlangen und seine Lust schon so groß, dass er dieses Spielchen nicht sonderlich lange fortsetzen könnte. Auch der Braunhaarige hatte keine Geduld mehr und legte die Hände bestimmend an seine Hüften, um die Bewegungen zu stoppen.
»Genug gespielt... Machen wir weiter... wie Erwachsene«, sagte Dazai keuchend.
Chuuya grinste verrucht, doch als sein Partner die Initiative ergreifen wollte, hielt er ihn am Handgelenk zurück und beugte sich so weit nach vorne, dass ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren.
»Lass deine Hände einfach dort, wo sie gerade noch waren und genieß es.«
Nickend legte er seine Hände wieder an Chuuyas Hüften, während dieser sich aufrichtete. Der Rothaarige griff nach Dazais Männlichkeit und positionierte die Spitze an seinem Eingang, ehe er sich langsam auf dessen Schoß niederließ. Stück für Stück senkte Chuuya sein Becken, sodass der Braunhaarige immer weiter in ihn eindrang, bis er ihn schließlich vollkommen ausfüllte. Er biss die Zähne zusammen und stöhnte leise, versenkte seine Fingernägel etwas verkrampft in Dazais Unterarmen.
Nachdem Chuuya sich an das Gefühl gewöhnt hatte und die körperliche Anspannung etwas abgeklungen war, begann er damit, sein Becken in einem ruhigen Rhythmus zu heben und wieder zu senken. Er stützte sich mit den Händen auf Dazais Brust ab, um einen besseren Halt zu haben und senkte dabei den Kopf. Der Braunhaarige unterstützte seine Bewegungen, kam ihm mit dem Becken stoßweise entgegen und vergrub dabei seine Fingernägel in der zarten, heißen Haut. Je schneller ihr Rhythmus wurde, desto lauter wurde auch das Keuchen und das anfänglich leise Stöhnen. Ihre Laute hallten von den Wänden wider, genauso wie das Geräusch von nackter Haut, die aufeinandertraf. Die Hitze stieg in ihnen auf, als ob sie Fieber hätten und in ihrer Lendengegend baute sich der Druck immer weiter auf.
Dazai umfasste mit einem festen Griff Chuuyas Glied, pumpte es im Rhythmus ihrer Stöße und strich gelegentlich mit dem Daumen über die Eichel. Dabei konnte er seinen Blick nicht von dem Rothaarigen abwenden, der Anblick war gleichermaßen berauschend und betörend. Die kupferroten Haare, die an der verschwitzten Haut klebten. Die halb geöffneten Augen, die ihn hungrig und voller Verlangen fixierten. Die Lippen, die im Schein des hereinfallenden Mondlichtes glänzten und durch die so wunderschöne Töne nach außen traten. Die geröteten Wangen, die seine Lust noch unterstrichen. Die Finger, die sich in seine Bandagen krallten und Halt suchten. Chuuyas Bewegungen wurden immer unkoordinierter, was darauf hinwies, dass er ebenfalls nicht mehr lange durchhalten würde. Doch Dazai hatte nicht mit dem gerechnet, was er als nächstes tat. Er legte seine Hände um den Hals des Braunhaarigen und packte zu, ohne ihn den benötigten Sauerstoff zu rauben. Dabei grinste Chuuya ihn herausfordernd an, ließ sein Becken kreisen und erhöhte dann das Tempo. Dazai wand sich in Ektase unter ihm und lächelte ihn gefährlich an, was dem Rothaarigen eine Gänsehaut bescherte. Es war beinahe so, als ob sie unter Strom stehen und gleichzeitig brennen würden. Die Hitze schoss durch jede Zelle ihres Körpers und bei jedem Stoß war es so, als ob ein Blitz durch sie gejagt wurde.
Daraufhin dauerte es auch nicht mehr lange, bis beide lautstark und fast zeitgleich über die Klippe der Erlösung getragen wurden. Danach sackte Chuuya erschöpft auf Dazai zusammen. Beide warteten schwer atmend darauf, dass die befriedigende Welle, die der Höhepunkt mit sich gebracht hatte, abklang und sich auch ihr Puls normalisierte. Anschließend richtete Chuuya sich zittrig auf und hob sein Becken an, damit Dazais Männlichkeit aus ihm herausgleiten konnte. Er ließ sich neben den Braunhaarigen fallen, starrte einfach nur an die Decke und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Wow, Chuuya...«, sagte Dazai fasziniert und fasste sich dabei an den Hals, »...du hast eindeutig dazugelernt. Das war unglaublich.«
»Halt die Klappe, Makrele. Ich hasse dich...«, murmelte Chuuya und seufzte langgezogen.
»Ja ja... Ich dich auch, Chibi...«

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