3. Der Handel mit Befähigten
Die Sonne war gerade dabei aufzugehen und warf ihren feurig orange-roten Schleier über Yokohama, während Misaki frisch geduscht und angezogen in ihr Zimmer trat. Wie es bereits zu erwarten gewesen war, hatte sie in der Nacht nicht geschlafen, was sie allerdings nicht sonderlich störte. Denn es war schon öfter vorgekommen, dass sie länger als 24 Stunden am Stück keinen Schlaf bekommen hatte. Je nachdem, was ihre Mission gewesen war und ob es Probleme gegeben hatte, hatte auch die Zeit variiert, in der sie zur Ruhe gekommen war. Daher belastete es sie auch nicht im Geringsten, da sie sich bereits daran gewöhnt hatte. Zumindest der Schlafentzug belastete Misaki nicht, denn dass sie nun immer eine Aufsichtsperson an ihrer Seite haben musste, gefiel ihr ganz und gar nicht. Sie konnte Chuuyas Reaktion diesbezüglich zwar durchaus nachvollziehen, aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie auch damit einverstanden war. Doch sie hatte ohnehin kein Mitspracherecht, da er ihr Vorgesetzter war und sie ihm gehorchen musste. Vielleicht würde die Situation sich ein wenig schneller beruhigen, wenn sie fürs Erste mitspielte und es akzeptierte. Immerhin wusste Misaki, dass er sich eigentlich bloß um sie sorgte und um jeden Preis verhindern wollte, dass ihr etwas zustieß. Auch wenn sie die Vorgehensweise, wie Chuuya das umsetzte und verdeutlichte, nicht befürwortete.
Während sie den Flur entlang schlurfte und schließlich die Küche betrat, streckte Misaki sich ausgiebig und gähnte leise. Sie brauchte unbedingt einen Kaffee, um ein wenig Energie zu tanken und etwas wacher zu werden. Denn auch wenn sie es gewohnt war, machte sich die Erschöpfung durch den Schlafmangel dennoch ein wenig bemerkbar – innerlich und ebenso äußerlich. Die Augenringe waren kaum zu übersehen, genau wie ihre Müdigkeit. Allerdings wusste Misaki auch, dass sie es ohne Probleme bis abends durchhalten würde, also verschwendete sie daran keinen Gedanken. Stattdessen dachte sie, während sie den Kaffee zubereitete, erneut über die gestrigen Geschehnisse nach und seufzte betrübt. Wenn sie doch bloß den ganzen Tag zu Hause geblieben wäre, dann wäre das alles gar nicht erst passiert und sie hätte dieses Problem nun nicht. Doch jammern brachte Misaki ohnehin nicht weiter und würde nichts an dieser Situation ändern. Einerseits war sie auch froh, dass es so abgelaufen war, denn immerhin hatte sie Atsushi dadurch gesehen und war ihm nah gewesen. Andererseits war aber auch genau das das Problem, welches sie beide in Gefahr hätte bringen können, wenn sie gesehen worden wären. Ganz gleich aus welchem Blickwinkel Misaki es betrachtete, ihr fiel einfach keine Lösung ein, bei der sie niemanden hintergehen, verlassen oder enttäuschen müsste. Nichtsdestotrotz weigerte sie sich, einfach aufzugeben und die Hoffnung gänzlich zu verlieren. Denn niemand konnte wissen, was die Zukunft so alles mit sich brachte und wie sich alles entwickeln würde.
Als der Kaffee gerade fertig geworden war, betrat Chuuya ebenfalls gähnend die Küche und strich sich mit einer seiner behandschuhten Hände durch sein kupferrotes Haar. Die Stimmung zwischen ihnen war, aufgrund des gestrigen Zwischenfalls und des Gesprächs, ziemlich angespannt und unbehaglich. Sie hatten sich zwar nicht gestritten und ihre Unterhaltung war an sich ruhig gewesen, aber dennoch war es so, als ob ihr gutes Verhältnis zueinander dadurch einen Riss bekommen hätte.
Misaki drehte ihm den Rücken zu und füllte die heiße, dampfende Flüssigkeit in zwei Tassen, ehe sie diese auf der Kücheninsel platzierte und ihn stumm musterte. Sie konnte deutlich erkennen, dass er wohl ebenfalls keine besonders angenehme und erholsame Nacht hinter sich hatte. Denn auch unter seinen Augen lagen dunkle Schatten, die auf Schlafentzug hinwiesen.
Dankend nahm Chuuya sich eine der dampfenden Tassen und genehmigte sich einen kleinen Schluck, bevor er sie murrend wieder abstellte, da ihn jemand anrief. Misaki trank abwartend ihren Kaffee, während sie dem Telefonat aufmerksam lauschte und sich auf einen der Stühle setzte.
Nachdem Chuuya aufgelegt und sein Handy in der Hosentasche verstaut hatte, wandte er sich an Misaki, die ihn weiterhin abwartend und ohne jegliche emotionale Regung ansah.
»Wir müssen los, der Boss hat mir einen wichtigen Auftrag erteilt und du wirst mich begleiten.«
»Hm, und was ist das für ein Auftrag?«, fragte sie sachlich.
»Wir treffen uns im Hauptquartier mit zwei Männern aus dem Ausland, die Befähigte verkaufen sollen. Unsere Aufgabe ist es, mehr Informationen über diese Befähigten zu beschaffen und dem Boss mitzuteilen. Solche Händler als Geschäftspartner zu haben, wäre für die Mafia nämlich sehr vorteilhaft und wir müssen ebenso sichergehen, dass sie keine Bedrohung für uns darstellen.«
Misaki erwiderte darauf nichts, sondern nickte bloß, ehe sie sich in den Eingangsbereich begab und ausgehfertig machte, damit sie gehen konnten. Anschließend verließen sie und Chuuya das Apartment, wobei sie jedoch mehr als unzufrieden und verstimmt wirkte. Es gefiel ihr nämlich ganz und gar nicht, dass sie sich nun mit Händlern trafen, die Menschenhandel betrieben. Sie wusste selbst zu genau, wie es war eingesperrt und aufgrund der Fähigkeit benutzt zu werden. Deshalb hatte sie für solche Menschen nichts weiter als Abneigung und Verachtung übrig, da sie Befähigten einfach schamlos ihrer Menschlichkeit beraubten und sie zu ihrem Eigentum - ihrer Ware - machten. Natürlich wusste Misaki, dass es bei der Mafia nichts Besonderes war und sie es akzeptieren musste, da diese Welt und dieses Leben eben alles andere als rechtschaffen waren. Dennoch war das immer ein Punkt, den sie nicht so einfach verdrängen oder ignorieren konnte, auch wenn ihr nichts anderes übrigblieb.
Im Hauptquartier angekommen, begaben Chuuya und Misaki sich zu einem der vielen Konferenzräume, die speziell für diese Art von Treffen vorgesehen waren. Links und rechts neben der Tür des besagten Raumes, standen zwei Untergebene des Rothaarigen und informierten ihn, dass ihre Gäste bereits anwesend waren. Daraufhin öffnete einer der Männer stumm die Tür, damit die beiden eintreten konnten und schloss diese dann wieder.
Misaki folgte Chuuya langsam, als er sich mit festen Schritten in die Mitte des Raumes begab. Dort befand sich ein großer, länglicher Tisch, der von mehreren Stühlen umgeben war. Auf zwei davon saßen die beiden Männer, mit welchen sie sich treffen sollten und die sich nun erhoben. Sie schienen beide ungefähr gleich groß - dazu auch noch mindestens zwei Köpfe größer, als Misaki und Chuuya - und etwas älter zu sein, doch ansonsten unterschieden sie sich in jeglicher Hinsicht von einander. Der eine war ziemlich schlank und trug eine schwarze Stoffhose, ein weißes Hemd und ein schwarzes Gilet. Sein graues Haar war etwas länger und wellig, seine Augen stechend rot mit einem unheilvollen Glanz. Der andere war eher kräftig und trug schlichte Kleidung, die aus einer blauen Jeans und einem schwarzen Pullover bestand. Er hatte eine Glatze, einen etwas struppigen Vollbart, dunkelbraune Augen und über seine rechte Wange zog sich eine waagrechte Narbe.
»Guten Tag! Mein Name lautet Mario Vargas Llosa«, sagte der Grauhaarige lächelnd und zeigte anschließend auf den Mann neben sich, »Und das ist mein Kollege, Juan Rulfo. Nennen Sie uns einfach bei unseren Vornamen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Misaki wusste nicht recht, was es war, doch irgendetwas an diesem Mann weckte ihr Misstrauen. Sie musterte ihn argwöhnisch und betrachtete auch den anderen Mann genauestens, jedoch fiel ihr nichts Verdächtiges auf. Ganz abgesehen davon, dass er sich so überaus freundlich und fröhlich verhielt, dass es ihr schon unnatürlich vorkam.
»Sie müssen dann wohl Herr Nakahara sein«, stellte Mario fest und richtete seinen freudigen Blick danach auf Misaki, »Und wie ist Ihr Name, liebes Fräulein?«
»Ich heiße Misaki«, erwiderte sie monoton.
Anschließend setzten sie sich gegenüber voneinander an den Tisch, wobei Misaki den Blick der stechend roten Augen, der auf sie gerichtet war, förmlich spüren konnte. Beinahe so, als ob sie von ihnen durchbohrt werden würde. Allein bei dem Gedanken daran, dass er sie anstarrte, durchzog sie ein unguter Schauer und sie fühlte sich unwohl. Dieser Mann war ihr nicht geheuer und sie hoffte, dass dieses Treffen schnellstmöglich vorbei war. Denn Misaki würde gerade lieber jeden anderen Auftrag ausführen, solange sie dabei nicht in der Nähe dieses seltsamen und unangenehmen Mannes sein musste. Sie ließ sich davon zwar nichts anmerken, aber innerlich war sie deswegen ziemlich unruhig. Auch wenn Misaki keine Angst hatte, war die Präsenz des Grauhaarigen dennoch irgendwie furchteinflößend und das Einzige, was ihr in diesem Moment eine gewisse Sicherheit gab, war, dass Chuuya ebenfalls anwesend war.
»Also, Mario-san... Sie wollen Menschen an uns verkaufen, die übernatürliche Fähigkeiten besitzen?«, äußerte Chuuya skeptisch und verschränkte die Arme vor seiner Brust.
»Das stimmt, wir besitzen Befähigte jeden Alters. Ich habe sogar Listen dabei, auf denen unsere Subjekte aufgeführt sind. Wollen Sie sie sehen?«, fragte der Grauhaarige lächelnd und neigte seinen Kopf dabei etwas zur Seite.
Chuuya nickte bloß, woraufhin Mario eine schwarze Aktentasche, die aus Leder bestand, hervorholte, diese auf den Tisch legte und eine Akte herausholte, welche er über die polierte Tischplatte schob. Indessen der Rothaarige den dünnen Ordner öffnete und die Dokumente darin las, beobachtete Misaki die beiden Männer, die gegenüber von ihnen saßen, weiterhin eingehend. Allein bei den Worten des Grauhaarigen, welche die Befähigten betroffen hatten, sträubte sich alles in ihr und sie musste sich mit aller Kraft beherrschen, damit sie ruhig blieb und nichts darauf erwiderte. Denn dass er diese Menschen als Subjekte betitelt hatte, welche sie besaßen, passte ihr ganz und gar nicht.
»Sie sind doch bestimmt ebenfalls eine Befähigte, nehme ich an. Dürfte ich fragen, welche Fähigkeit Sie besitzen, Fräulein Misaki?«, fragte Mario interessiert.
»Ich kann es Ihnen gerne demonstrieren, wenn Sie darauf bestehen«, erwiderte sie in einem eiskalten Tonfall.
Chuuya warf ihr einen warnenden Blick zu und wollte gerade etwas sagen, als der Grauhaarige ihm zuvorkam.
»Das wäre reizend, ich bitte darum!«
Misaki schnaubte belustigt, ehe sie sich Chuuya zuwandte und auf seine Erlaubnis, die er ihr schließlich seufzend mittels eines Nickens gab, gewartet hatte. Sie dachte, dass es bestimmt nicht schaden könnte, den beiden Männern zu zeigen, was sie erwarten würde, wenn sie Ärger verursachen würden. Wahrscheinlich war Chuuya derselben Ansicht und gestattete es bloß aus diesem Grund, vielleicht wollte er aber auch nur ihre Reaktion genauestens beobachten.
Sie zog ihren rechten Handschuh aus und holte das Messer, welches sie immer bei sich trug, hervor. Ohne zu zögern schnitt Misaki sich quer über ihre Handfläche und verstaute das Messer anschließend wieder in der Innentasche ihrer Jacke. Mario beobachtete dies fasziniert und war erstaunt, als aus der Schnittwunde plötzlich Blut aufstieg und sich zu einem blutroten Katana formte, welches sie nun in der Hand hielt. Jedoch ließ Misaki es kurz darauf wieder verschwinden und zog ihren Handschuh an, da sie keine Lust hatte, noch länger von dem Grauhaarigen beobachtet zu werden und weil sie sonst in Versuchung gekommen wäre, ihm einfach den Kopf abzuschlagen.
»Das war wahrlich beeindruckend und faszinierend!«, schwärmte Mario mit funkelnden Augen, ehe er sich an Chuuya wandte, »Herr Nakahara, was halten Sie davon, wenn Sie sich einen der Befähigten von dieser Liste aussuchen, egal welchen und wir ein kleines Tauschgeschäft abschließen?«
Vor Wut rasend wollte Misaki gerade erneut ihren Handschuh ausziehen, als Chuuya schnell ihre Hände festhielt und seinen zornigen Blick auf den Grauhaarigen richtete.
»Ich werde Misaki weder eintauschen, noch verkaufen, also vergessen Sie das sofort wieder, bevor ich ausfallend werden muss!«, knurrte er erzürnt, »Wir sind hier fürs Erste fertig. Ich werde meinem Boss die Listen zeigen und alles weitere mit ihm besprechen, danach werde ich mich bei Ihnen melden. Zwei meiner Untergebenen stehen vor der Tür und werden Sie nach draußen geleiten.«
Chuuya nahm die Akte und griff nach Misakis Handgelenk, ehe er aus dem Raum stürmte und sie dabei hinter sich her zog.
»Das Fräulein wäre doch ein ideales Püppchen, findest du nicht? Und wenn ich etwas will, dann bekomme ich es auch - auf die eine, oder die andere Weise«, sagte Mario belustigt zu seinem Partner, nachdem Chuuya und Misaki den Raum bereits verlassen hatten.
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Als Atsushi gerade von einem Botengang zurückkam und das Büro der Armed Detective Agency betreten wollte, konnte er bereits, als er vor der Tür stand, Kunikidas wütende und genervte Schreie hören. Wahrscheinlich vernachlässigte Dazai wieder seine Arbeit und lag irgendwo herum, war - wie so oft - einfach gegangen und unauffindbar oder strapazierte Kunikidas Nerven anderweitig. Nichts davon wäre für Atsushi auch nur annähernd eine Überraschung, da es eigentlich täglich vorkam. Genauso wie er annahm, dass Ranpo vermutlich gerade etwas Süßes aß, Naomi an ihrem Bruder klebte, Kenji freudig und strahlend etwas über das Landleben oder Kühe erzählte, der Chef einen Tee trank, Kyouka alles still beobachtete und Yosano bloß darauf wartete, dass sie jemanden behandeln konnte. Und falls sie nicht im Büro wären, dann würden sie unten im Café Uzumaki sein. Es war der friedlichere und ruhigere Tagesablauf, wenn die Detektive gerade keinen Auftrag hatten, niemand Yokohama bedrohte oder sie gegen jemanden, wie beispielsweise die Port Mafia, kämpfen mussten.
Nonchalant öffnete Atsushi die Tür und musste schmunzeln, da seine Kollegen genau das taten, was er bereits angenommen hatte. Er ging zielstrebig auf seinen Platz zu und setzte sich, um den restlichen Papierkram zu erledigen, der noch auf seinem Tisch lag. Seufzend bemerkte er, dass auch etwas von Dazais Papierkram auf seinem Arbeitsplatz lag. Jedoch war das ebenso keine Überraschung, da das beinahe täglich vorkam. Vermutlich war das einer der Gründe gewesen, weshalb Kunikida seinem Partner lautstark eine Standpauke gehalten hatte. Denn Dazai war zwar anwesend, aber lag mit dem Oberkörper bloß auf seinem Tisch und summte verträumt eine Melodie vor sich hin. Währenddessen legte Atsushi kopfschüttelnd den Papierkram, der nicht ihm gehörte, zurück auf den Tisch des Braunhaarigen und machte sich daran, seinen eigenen abzuarbeiten. Immerhin hatte er selbst mehr als genug zu tun und würde vermutlich, wenn nichts dazwischenkommen sollte, auch den restlichen Tag damit beschäftigt sein. Allerdings konnte Atsushi sich nicht richtig konzentrieren, was jedoch nicht an dem Aufruhr in der Detektei lag, denn daran war er bereits gewöhnt. Es lag eher daran, dass sich seine Gedanken immer wieder um Misaki drehten. Denn seit sie ihn gestern stehengelassen hatte, konnte er an nichts anderes denken, als ihr Verhalten und ihre Worte. Er wusste zwar, dass ihre Situation schwierig und kompliziert war, aber hätte nicht gedacht, dass es offensichtlich auch so gut wie unmöglich sein würde. Womöglich war Atsushi einfach zu optimistisch gewesen, als er gedacht hatte, dass sie das schon irgendwie schaffen würden. Wahrscheinlich hatte er sich ebenfalls zu wenig Gedanken darüber gemacht und war zu naiv gewesen, indem er angenommen hatte, dass es schon gutgehen würde. Und während er eher unbeschwert gewesen war, hatte Misaki wohl alleine damit gekämpft, darunter gelitten und schlussendlich gezwungenermaßen eine Entscheidung getroffen. Atsushi fühlte sich schuldig und fragte sich nun ständig, ob er es hätte ändern können, wenn er es früher eingesehen hätte. Jedoch wusste er nicht, ob es für dieses Problem überhaupt eine passende Lösung gab, zumindest fiel ihm selbst keine ein. Aber wenn es jemand wissen könnte, dann wäre das wohl...
»Atsushi-kun, wärst du so nett und würdest- …«, setzte Dazai an, ehe er schlagartig wieder verstummte und den Jüngeren musterte.
Es war ihm zunächst nicht aufgefallen und offensichtlich war Atsushi so tief in seinen Gedanken versunken, dass er es selbst nicht bemerkte, doch es flossen einige Tränen über seine Wangen und tropften auf den hölzernen Tisch und die Papiere, die darauf lagen. Dazai legte vorsichtig eine Hand auf seine Schulter, woraufhin er aus seinen Gedanken gerissen wurde und erschrocken zusammenzuckte.
Als Atsushi schließlich endlich realisiert hatte, dass er gerade weinte, wischte er sich hastig mit dem Handrücken über die Augen und richtete seinen Blick anschließend auf Dazai, der ihn mit zur Seite geneigtem Kopf beobachtete.
»Ich habe dir doch schon einmal gesagt, dass du dich nicht selbst bemitleiden sollst, weil dein Leben sonst ein endloser Alptraum bleibt. Hast du das etwa vergessen?«
»Aber... ich habe sie damit völlig allein gelassen und nichts unternommen, ihr nicht geholfen und damit eine schwere Last auferlegt«, antwortete er niedergeschlagen, »Was soll ich denn tun, Dazai-san? Kann ich jetzt überhaupt noch etwas tun, was die Situation mit Misaki ändert oder ist es zwecklos? Ich weiß nicht mehr weiter...«
»Würdest du denn einfach aufgeben, nur weil andere sagen, dass es zwecklos sein könnte? Immerhin liebst du sie… oder irre ich mich?«
»Ja... Ich meine nein... Ich... Also ich...«, stotterte Atsushi unbeholfen und fuchtelte wild mit den Armen.
»Du brauchst eine Gelegenheit, um mit Misaki-chan sprechen zu können, also verschaffen wir dir einfach eine und dann sagst du ihr all das, was du denkst und fühlst. Ist doch ein Kinderspiel, wenn man es sich nicht zu kompliziert macht.«
»Ein Kinderspiel? Wie soll das denn etwas an der Situation ändern und wie sollen wir das schaffen?«
»Mach einfach das, was ich dir sage und um den Rest kümmere ich mich schon«, erwiderte Dazai lächelnd und klatschte freudig, ehe er aufstand und das Büro verließ.
Obwohl Atsushi überaus dankbar war, dass Dazai ihm half, wurde er das Gefühl nicht los, dass dessen Plan ebenso einige Probleme verursachen würde. Abgesehen davon verstand er nicht, wie seine Gefühle etwas an der Tatsache ändern sollten, dass sie strenggenommen verfeindet waren, weil sie auf gegnerischen Seiten standen und somit keinen Kontakt haben durften. Für Atsushi selbst wäre es zwar nicht allzu gefährlich, wenn sie dieses Tabu brechen würden, aber Misaki würde als Verräterin angesehen und getötet werden. Auch deswegen fragte sich Atsushi, was Dazais Plan war und wie er vorhatte, dieses Problem zu lösen.
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