Kapitel 19 Akari
Mein Rücken prallt mit so einer Wucht gegen die Zimmertür, dass es mir den Atem raubt. Aber ich habe keine Zeit, mich von dem Schreck zu erholen, denn Niragi presst seine Lippen sofort wieder fordernd auf meine. Seine Hand krallt sich in die Haare an meinem Hinterkopf, die andere in meine Hüfte. Es schmerzt, aber gleichzeitig fühlt es ich so gut an. Niragis heißer Atem vermischt sich mit meinem, während er mich noch fester gegen die Tür drängt, indem er sich mir entgegen lehnt. Diese Position - dieser Kuss – bringt mich um den Verstand und gleichzeitig brauche ich mehr.
Mehr von ihm.
Mehr von seinen Berührungen.
Mehr von diesen innigen Küssen.
Mehr von dem zügellosen Blick in seinen Augen.
Ich schlinge meine Hände um seinen Hals und ziehe ihn fester an mich heran. Es ist mir sogar egal, dass wir mitten auf dem Hotelflur stehen, auf dem uns jeder sehen kann. In diesem Moment gibt es für mich nur ihn.
Niragi löst unsere Lippen voneinander und verteilt heiße Küsse meinen Hals hinab. Ein kleines tiefes Stöhnen entfernt meinen Mund und ich spüre wie sich seine Lippen auf meiner Haut zu einem Lächeln verziehen.
„Verdammt, das war heiß", haucht er in mein Ohr und eine Gänsehaut breitet sich in meinem Nacken aus. „Tu es nochmal."
Noch bevor seine Worte in meinem Gedächtnis angekommen sind, richtet Niragi sich auf, greift an mir vorbei und drückt den Türgriff herunter. Ich quietsche vor Schreck auf, als mein Rücken den Kontakt zu der Wand verliert, und klammere mich nur fester an ihn, während er mich mit einer gezielten Bewegung in sein Zimmer hineinschiebt, die Tür hinter uns schließt und mich von innen erneut dagegen presst.
„Tu es nochmal!", fordert er und presst seine Lippen sofort wieder herrisch auf meine. „Ich will mehr davon!"
Er greift nach meinen Beinen und hebt mich hoch, damit ich sie um seine Hüfte schlingen kann. Sofort drückt er sich fest an mich.
Ich kann ihn spüren und es raubt mich fast den Verstand. Mein letztes Mal ist vor Borderland gewesen und damit schon viel zu lange her. Das Seufzen, das mir nun entweicht, geschieht ganz automatisch.
„Fuck", knurrt er an mein Ohr. „Du machst es mir echt nicht leicht."
Seine Hände wandern an meinem Körper hinab und schieben sich unter mein Kimono. Mit einem geschickten Griff reißt er es mir vom Körper herunter. Gleichzeitig mache ich mich an den Knöpfen seines schwarzweißen Hemdes zu schaffen, aber das ist gar nicht so einfach, wenn zwischen uns kaum ein Blatt Papier passt. Er beginnt rhythmisch mit seiner Hüfte zuzustoßen, um mir weitere Geräusche zu entlocken. Mir wird heiß und das Herz schlägt mir bis zum Hals.
„Oh Gott, Niragi."
Wenn er so weitermachte, würde ich es nicht mehr lange aushalten können.
Endlich schaffe ich es mit zitternden Fingern sein Hemd aufzuknöpfen, während er mich zu seinem Bett herüberträgt und darauf absetzt. Ich rutsche weiter auf die weiche Matratze hinauf, während Niragi sich sein Hemd von den Schultern streift und danach wieder über mich beugt. Doch dieses Mal will ich die Kontrolle übernehmen, stütze mich nach oben und schaffe es ihn auf den Rücken der Matratze zu drehen, während ich mich auf seinen Schoß setze. Doch Niragi wäre nicht er selbst, wenn er die Kontrolle einfach so abgeben würde. Stattdessen richtet er sich auf und fummelt an dem Verschluss meines Bikinioberteils herum. Meine Hände wandern seinen nackten Oberkörper entlang und studieren jeden einzelnen Bauchmuskel genau. Ich neige den Kopf nach vorne und knabbere an seinem Ohrläppchen, während ich ihm zuraune: „Reiß es einfach auf. Ich wollte eh ein neues."
Und das tat er. Es dauert nicht einmal zwei Sekunden, als ein reißendes Geräusch ertönt und mein Oberteil neben Niragis Hemd auf dem Teppich landet.
Seine Hände greifen nun nach meiner Hüfte, zwingen mich dazu, mich zu bewegen - ich tue es.
Ich spüre ihn, doch dieses Mal habe ich die Macht. Niragi lässt seine Stirn auf meine Schulter sinken und gibt einen keuchenden Laut von sich.
Es gefällt ihm – sehr.
Also verstärke ich meinen Druck noch mehr, mache die Bewegung viel intensiver und provoziere weitere Laute von ihm herauf, die mir den Verstand rauben. Meine Finger wandern nach unten zu dem Bund seiner Hose.
Er muss endlich aus dem Stoff heraus, damit ich ihn richtig spüren kann. Tief in mir. Doch kaum habe ich den Knopf geöffnet, hebt er den Kopf, umschlingt meine Hüfte und dreht uns wieder herum, damit ich unten liege.
„So nicht, Akari", raunt er und sein hitziger Blick sucht meinen. „Sei nicht so voreilig."
Seine Lippen wandern an meinen Hals und arbeiten sich herunter bis zu meinen Brüsten. An der Rechten verweilt er eine Weile und beginnt an der weichen empfindlichen Haut, oberhalb der Brustwarze zu saugen. Erst als ein roter Fleck zurückbleibt, lächelt er zufrieden und verteilt weitere davon auf meinem Oberkörper. Seine Hand wandert derweilen an meinem Körper herab, direkt unter meine Badehose.
„Du gehörst jetzt mir."
Er hebt den Kopf und seine dunklen Augen suchen meine. Die Ernsthaftigkeit in seinem Gesicht lässt mich wissen, dass er es genauso meint.
Er befreit mich aus meiner Badehose und streicht quälend langsam mit der Handfläche an meinem Oberschenkel hinauf. Es macht mich wahnsinnig, so sehr, dass ich es nicht mehr aushalte.
„Verdammt, tue es endlich!", fordere ich und schaue ihm mit einer Zufriedenheit dabei zu, wie er sich seiner Hose entledigt. „Ich will dich endlich -"
Weiter komme ich nicht, denn Niragi stemmt sich über mich, presst seine Lippen mit einem tiefen Verlangen auf meine und dringt im selben Moment in mich ein.
Im gleichen Moment keuche ich auf, lasse genießerisch den Kopf zurückfallen und schließe die Augen.
In seinen Armen zu liegen fühlt sich so unwirklich und leichtsinnig an. Ich, die immer vorsichtig gewesen ist und ihn bis in die Tiefe meines Herzens gehasst habe, liege nun in seinen Armen. Und seien wir ehrlich. Niragi ist ein Raubtier, das wird sich, was auch immer zwischen uns ist, nicht ändern. Und trotzdem will ich gerade nirgendwo lieber sein. Meine Hand liegt auf seiner nackten Brust, direkt über seinem Herzen, das mit jedem Schlag kräftig gegen meine Handfläche pulsiert. Ich kann ihn nicht in eine Person verwandeln, dem andere Leute weniger scheißegal sind. Es genügt mir, dass ich für ihn anscheinend eine Ausnahme bin. Ich werde meine Gefühle für ihn niemals verstehen, aber ich kann es genießen, wenn wir zusammen sind. Denn aus welchem Grund auch immer, hat sich seine schwarze Seele für mich erwärmt.
„Du warst wirklich eine Steberin?", fragt er belustigt und schaut skeptisch zu mir herab. Ich hebe den Kopf von seiner Schulter und nicke.
„Ja, war das nicht eigentlich logisch? Ich war zwar nicht Klassenbeste wie Miyu, aber trotzdem ziemlich gut."
„Ich habe dich mehr für eine Rebellin gehalten", antwortet er grinsend und lässt seinen Kopf zurück in das weiche Kissen sinken. Er verarscht mich, fällt es mir in diesem Moment auf und ich lache über mich selbst, weil ich es ihm abgenommen habe. Dabei ist auf meiner Stirn, seit der Middle School, das Wort „Streberin" tätowiert.
„Auf welchen Platz warst du?"
„Zwölf."
„Und das nennst du strebsam?", fragt er verwundert und hebt überrascht die Augenbrauen.
„Hey, auf meiner Schule waren über einhundertdreißig Schüler. Zwölf ist da ziemlich gut!"
Niragi lacht erneut und ich vergrabe mein rotangelaufenes Gesicht an seiner Brust, bis ich seine Lippen auf meinem Haaransatz spüre.
Er hat mich schon wieder aufgezogen.
Gleichzeitig zieht er die Decke weiter nach oben, damit ich nicht friere, da sich bereits Gänsehaut auf meinem nackten Rücken ausbreiten. Ich dränge mich enger an seinen Oberkörper und genieße die Wärme, die von ihm ausgeht.
„Was ist mit dir?", frage ich in die Stille hinein. „Du warst doch bestimmt der totale Rebell, oder? Vermutlich auch der Mädchenschwarm, an den sich alle herangeworfen haben."
Ich erwarte, dass er einen Witz darüber macht, wie viele Nummern er gesammelt hat, aber die einzige Antwort, die ich bekomme, ist ein kleines, dünn gehauchtes: „Nein."
Überrascht will ich den Kopf heben, doch Niragis Arme, um meinen Körper, ziehen mich enger an sich heran, bis ich mich nicht mehr bewegen kann. Er vergräbt seine Nase in meinem Haar, dreht sich auf die Seite und schweigt. Ich höre seine Atmung, spüre seinen Herzschlag und die Körperwärme. Aber je mehr Zeit vergeht, desto größer wird meine Neugier, doch Niragi schweigt weiterhin.
Nach einiger Zeit drücke ich mich von ihm weg und nehme einen kleinen Abstand zu ihm ein.
„Ich sollte nach Miyu schauen", sage ich, klettere aus dem Bett und ziehe meinen Kimono wieder an, das einzige, das nicht zerrissen wurde. „Die nächsten Spiele starten heute Abend und ich will mich versichern, dass sie okay ist und teilnehmen kann."
Niragi nickt abwesend und dreht sich auf die andere Seite, als wäre er noch immer völlig in seinen Gedanken versunken. Ich wüsste wirklich zu gerne, was in seinem Kopf vor sich geht. Wieso hatte ich mit der Frage zu seinem früheren Leben so einen starken Nerv getroffen?
„Bis später?", frage ich vorsichtig und sehe, wie er nickt. Also seufze ich und verschwinde aus seinem Zimmer.
Nachdenklich fahre ich mir durch die Haare und greife nach dem Türgriff, um seine Zimmertür hinter mir zu schließen, als Mira vor mir auftaucht und ich vor Schreck zusammenfahre.
„Akari", begrüßt sie mich mit ihrer typischen Singsangstimme. „Was für ein Zufall, nach dir habe ich gesucht." Ihr Blick richtet sich hinter mir auf die Zimmernummer und ein zufriedenes Lächeln schleicht sich in ihr Gesicht. Alleine diese kleine Geste zeigt mir ganz eindeutig, dass es kein Zufall ist, dass wir uns hier treffen.
Im Gegenteil. Mira hat es geplant.
Ein merkwürdiges Gefühl beschleicht mich, als sie neugierig über mich hinwegspät, direkt in Niragis Zimmer hinein.
„Gut gemacht", sagt sie anerkennend und verschränkt die Arme vor der Brust, während sie mich mit einem eindringlichen Blick mustert. In diesem Moment ist es mir schrecklich peinlich, dass ich nichts weiter trage, als einen Kimono und ziehe mir unwohl das Stück Stoff weiter herunter, auch wenn es keinen Unterschied macht und direkt wieder an die Stelle kurz unter meinem Hintern zurückschnellt.
„Du hast ihn wirklich gezähmt. Ich wusste gleich, dass du es schaffen wirst."
Bis sie den Satz beendet hat, stehe ich wie erstarrt vor ihr, nicht fähig mich irgendwie zu bewegen. Doch alles in meinem Kopf schreit lautstark, dass sie bitte den Mund halten soll. Schnell greife ich nach der Tür und will sie zuziehen, damit er nicht noch mehr mitbekommt, falls er sich den Rest nicht eh schon zusammenreimt. Doch noch kann ich mich rausreden, solange ich das Gespräch schnell abwende.
„Ich habe nichts getan", sage ich schnell und spüre sofort wie ich bei dem Versuch, die Tür zu schließen, auf Widerstand stoße.
Shit.
„Oh doch und wie. Der Hutmacher wollte mir nicht glauben, aber ich wusste gleich, dass du sein Herz gewinnen kannst. Wir haben seit Wochen keine rebellischen Aktionen mehr von ihm erlebt. Tja." Sie schlägt in ihre Hände und strahlt mich an. „Wette gewonnen."
„Es war keine Wette. Es ist einfach passiert."
„Engelchen", säuselt sie. „Sei nicht so bescheiden. Herzlichen Glückwunsch. Niragi ist jetzt gefügig. Du hast die völlige Kontrolle über ihn. Ich werde es den Hutmacher wissen lassen, damit du angemessen dafür belohnt wirst."
„Was?" Ich sehe ihr mit großen Augen nach, wie sie den Flur weiter hinabgeht. „Nein", nuschele ich leise. Ich will keine Belohnung. Ich habe doch gar nichts getan! „Nein!"
Mein Ruf hallt von den Wänden des Flurs zurück und verebbt im hinteren Gang. Es klingt markerschütternd, aber nicht einmal ansatzweise so entsetzlich, wie der Anblick, der sich mir bietet.
Niragi steht mit verschränkten Armen an seinem Türrahmen gelehnt. Sein Gesicht ist undurchdringlich, aber alleine durch seine Körperhaltung erkenne ich, dass er nicht nur sauer ist.
Er ist rasend vor Wut.
„Gezähmt", presst er hervor und spannt seine Kiefermuskeln an. „Wette." Er stößt sich von dem Türrahmen ab und tritt einen Schritt auf mich zu. Ich traue mich nicht einmal zu atmen, als er sich langsam zu mir herunter neigt, die Arme noch immer vor seiner Brust verschränkt. „Völlige Kontrolle."
„Ich schwöre dir, so ist das nicht! Wirklich!" Ich fahre mir nervös durch die Haare und ziehe gleichzeitig meinen Kimono wieder herunter, da er bei der Bewegung viel zu weit nach oben rutscht. „Es ist ein Missverständnis. Ich wollte das nicht machen. Es ist einfach passiert. Ich -" Ich verstumme augenblicklich, als er sich noch weiter zu mir nach unten neigt. Niragi legt den Kopf zur Seite, verengt die Augen zu Schlitzen und schnalzt mit der Zunge.
„Ich habe dir gesagt, was passiert, wenn du mich noch einmal verarscht. Herzlichen Glückwunsch, Akari. Du hast so eben dein Todesurteil unterschrieben."
Nachdem Niragi mich im Flur hat stehen lassen, bin ich erst einmal auf mein Zimmer geeilt, um mir etwas Vernünftiges anzuziehen, ehe ich das gesamte Hotel nach ihm abgesucht habe. Ich finde ihn im Speisesaal in der Ecke des Raumen, bei der er auf der Entfernung mit seiner geliebten Waffe auf eine Reihe Gläser zielt, die fein säuberlich auf dem Tisch am anderen Ende des Saals platziert sind. Als ich hereinkomme, ducke ich mich erschrocken weg, denn das Glas splittert in alle Richtungen.
„Was zur Hölle tust du da?!", fahre ich ihn an und ducke mich erneut hinter einem Tisch, als er auf das nächste Glas schießt.
„Warum?", brüllt er aus der Entfernung zurück. „Passt das nicht in deine Planung? Handle ich dir zu unberechenbar?" Er gibt einen abwertenden Laut von sich. „Wie schade."
„Ich weiß, dass du sauer bist. Aber musst du deshalb unsere Gläser zerschießen? Wir leben hier auf den Reserven." Ich überwinde im schnellen Schritt die Entfernung und bin erleichtert, als ich ohne Verletzungen neben ihm zum Stehen komme.
Bei meinen Worten lässt er genervt seinen Kopf kreisen, als müsste er seine blockieren Gelenke lösen und lässt dann für einen Moment das Gewehr sinken. Wut spiegelt sich in seinen Augen, als er mich ansieht. Doch anstatt einer Antwort hebt er die Waffe wieder an und zerschießt das nächste Trinkglas.
„Hör auf!", schreie ich ihn an, schnelle nach vorne und lege eine Hand auf seine Waffe, um ihn erneut dazu zu zwingen, sie sinken zu lassen. Doch er rollt mit den Augen und sieht mit einem Gesichtsausdruck an, der viel schlimmer ist als seine offene Wut.
Gleichgültigkeit.
„Verschwinde, Akari", gibt er nüchtern von sich. „Wie hatten Spaß, das ist alles. Es bedeutet nichts. Also kein Grund, dass du mir weiterhin folgst wie ein kleiner, dümmlicher Hund. Es hat nichts bedeutet."
„Doch, das hat es", widerspreche ich ihm fest entschlossen.
„Nein, hat es nicht. Ich wollte dich ficken. Das habe ich getan, jetzt kannst du gehen."
„Es hat etwas bedeutet", wiederhole ich ruhig. Ich weiß, was er hier versucht. Er ist verletzt und will mich von sich stoßen, weil er damit besser umgehen kann, als sich seinen Gefühlen zu stellen. Und normalerweise würde es funktionieren. In Beziehungen bin ich immer unsicher und gebe schnell auf, sobald es ein Hindernis gibt. Aber hier in Borderland leben wir von Tag zu Tag. Hier kann man den Menschen, den man mag, in jeder einzelnen, verdammten Sekunde verlieren. Ich tue das hier nicht, weil ich mit der Schuld nicht leben kann, sondern weil ich nicht will, dass er seine Mauer wieder hochzieht und sie nie wieder herunterlässt. Ich will nicht der Grund sein, dass Niragi seinen letzten Funken Menschlichkeit verliert. Aber am allerwichtigsten, ich will ihn nicht verlieren.
„Es stimmt", beginne ich mich zu erklären. „Sie haben mich beauftragt, dich um den Finger zu wickeln, weil sie Angst haben, dass du dem Beach sonst den Erdboden gleichmachst." Ich will noch etwas hinzufügen, doch er wendet sich wieder von mir ab. „Ich habe abgelehnt", spreche ich weiter, ungeachtet dessen, dass er es nicht hören will. Stattdessen visiert er die letzten elf Gläser an, die noch in der Reihe stehen. „Ich habe ihnen gesagt, dass ich es nicht mache. Alles, was zwischen uns passiert ist, war echt. Es ist passiert, weil es passieren musste. Meine Gefühle für dich sind echt! Es ist einfach passiert, aber ich habe mich wirklich in dich verliebt, Niragi. Und ja, vielleicht glaubst du mir das nicht, aber ich wollte es dir trotzdem sagen." Ich richte mich auf und schaue ihn entschlossen an, auch wenn er die elf Gläser nebenbei auf acht reduziert hat. „Du hast jedes Recht, wütend auf mich zu sein, aber wenn du jetzt etwas mit einem anderen Mädchen anfängst, werde ich sie vermutlich in dem nächsten Spiel beseitigen müssen." Ich zucke mit den Schultern und trete zurück. „Das wollte ich dir sagen", nuschle ich leise. „Jetzt werde ich gehen und dich", ich fuchtel mit der Hand in Richtung der Gläser, „dein Ding zu Ende machen lassen."
Ich drehe mich um und will gehen, doch seine nächsten Worte lassen mich innehalten.
„Weißt du was ich war?", fragt er mich, ohne mich dabei wirklich anzuschauen. „Ich war ein verdammter Loser! Ich habe so hart gelernt, aber meine Noten wurden trotzdem nicht besser. Mein Vater schlug mich, meine Mutter schaute weg und in der Schule lauerten mir die Älteren auf, die es kaum erwarten konnten, mir mein Geld und andere Sachen wegzunehmen. Ich wurde gemobbt, geschlagen und beleidigt. Ich hasse sie, ich hasse sie alle! Mein gesamtes Leben war beschissen! Aber hier bin ich so etwas wie ein Gott!" Seine Stimme erhebt sich und Stolz funkelt in seinen Augen auf, als sich unsere Blicke begegnen. „Die Leute haben Angst vor mir, sie haben Respekt! Ich habe die Macht, Akari. Ich habe die beschissene Macht! Und dann kamst du und hast mich -", er verzieht das Gesicht, „so weich gemacht. Ich habe geglaubt, dass es okay ist, dass ich es auch endlich verdient habe, jemanden an mich heranzulassen, zumal du es warst, die mich gerettet hat!"
„Du hast mich in den Spielen viel öfter gerettet", sage ich verwirrt.
„Ich meine nicht die Spiele. Ich meine die Zeit vor Borderland."
„Was?"
„Du hast mich schon verstanden. Damals nach der Schule. Du hast mich vor den Mobbern gerettet. Ich hielt dich für mein Schicksal, die einzige Person, die je auf meiner Seite sein würde. Und dann traf ich dich hier wieder und du hast mich nicht mehr erkannt. Ich meine, sieh mich an." Er zeigt an sich herunter. „Ich habe etwas aus mir gemacht. Ich bin nicht mehr der Kerl von früher. Und trotzdem, TROTZDEM!" Wütend wendet er das Gesicht ab und visiert mit dem Lauf der Pistole das Ziel. „Ich habe dir vertraut, es zugelassen, dass ich mich verliebe und jetzt erfahre ich, dass du mich von Anfang an verarscht hast!"
Tränen steigen mir in die Augen, als er all diese Emotionen und Gedanken herauslässt. Es ist mehr, als alles, was er je von sich gab, und es überflutet mein Herz so sehr, dass ich damit nicht anders umzugehen weiß, als auf ihn zuzugehen, ihm die Waffe aus der Hand zu reißen und ihn in meine Arme zu ziehen. Zuerst weigert er sich, meine Berührung zu erwidern, und fühlt sich deutlich unwohl. Doch dann wandern seine Händen an meinen Rücken und verstärken den Druck.
„Ich habe es von Anfang an Ernst mit dir gemeint", versichere ich an seiner Schulter und spüre, wie mir eine Träne die Wange herunterrinnt und damit sein schwarzweißes Hemd durchnässt.
„Weißt du was am schlimmsten ist?", fragt er und gibt den Widerstand auf. Seine Nase vergräbt sich in meinem Haaransatz. „Dass sie Recht haben. Du hast mich gezähmt. Aber sollte irgendjemand jemals wagen, dich mir wegzunehmen, dann werde ich wie ein Sturm über Borderland hereinbrechen."
Der Gedanke ist erschreckend, aber ich komme nicht dazu, etwas zu erwidern, denn im gleichen Moment ertönt die Sirene, die das Startsignal für die Spiele ankündigen.
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