Prolog

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Es war kein Kuss; lediglich ein Geben und Nehmen von Leid und Seele und trotzdessen fühlte er eine neuartige Verbundenheit mit dem Wesen, das er doch eigentlich verabscheuen sollte.

Der Wind heulte durch die Nacht und trug eine Dunkelheit heran, die die Welt verändern sollte. Eine hoch aufragende Gestalt hob den Kopf und beobachtete, wie sich die Schatten der Jäger in den hellen Bäumen niederließen. Bis auf ihre erdlichen Gesichter und die stattliche Größe sahen sie aus wie Raubvögel.

Er blinzelte im einfallenden Licht des Mondes die wabernden Schlieren hinweg und überflog die Lichtung. Seine gold glühenden Augen ließen dabei keine Regung ungeachtet und schienen Funken zu sprühen. Ein Knirschen durchbrach die Stille, als die Rune in seinem Nacken zu glühen begann und die Gestalt ihre Zähne aufeinander schlug. Es kam; näherte sich und er konnte rein gar nichts tun, als seine Klauen in die Erde zu schlagen und auf die Dunkelheit zu warten.

»Es ist da. Seid wachsam.« Die Stimme der Gestalt kroch wie ein Flüstern durch die Waldschneise, doch gehört hatte ihn jeder.

Furcht zerrte an seinen stillen Begleitern. Der Geruch von Angst brannte in seiner Nase und er bleckte unwillkürlich die Zähne, als sich einer der Schatten löste. Scharf und deutlich nahm der suchende Blick der Gestalt jede Einzelheit wahr und er umfasste das Griffband seines Schwertes fester. Eine Schwärze, dunkel wie schmieriges Öl, verlief über die gesamte Scharte bis hinab zur Spitze und tropfte in zähen Nebelschwaden auf den Waldboden hinab. Das Blatt war dünn genug um zwischen zwei Rippen hindurchzugleiten, und dennoch so stabil, dass es die dunkelste Seele durchdrang.

Im nächsten Moment lösten sich undeutliche Schemen und das Rascheln von Blättern durchschnitt die Stille, als ein Wesen zwischen den Bäumen hervortrat. Verhüllt in einen zerrissenen, dünnen Umhang war es ihm unmöglich ein Gesicht auszumachen, sodass lediglich das Brennen in seinem Nacken verriet, was sich dort auf ihn zu bewegte.

Verbissen legte er seine Hand auf diesen, um den Schmerz irgendwie zu lindern doch auch dieser Versuch blieb erfolglos. Das Wesen schritt langsam auf ihn zu, sodass die Gestalt bei jedem Tritt die blanken Füße im Umhang aufblitzen sah, und blieb dann wenige Meter vor ihm stehen. Ein Schauer erfasste ihn, als der Neuankömmling seine Arme anhob, mit einer flüssigen Bewegung den dunklen Stoff vom Gesicht zurückstrich und mit einer Stimme sprach, die jedem niedergestreckten Dämon in nichts nachstand.

»Du kannst vor den Worten Tenebras nicht davonlaufen, Königssohn.« Er verengte die glühenden Augen und betrachtete mit eiserner Mimik, wie langes, dunkelblaues Haar zum Vorschein kam, sowie schwarze Hörner die sich in einem leichten Schwung nach vorn dem Nachthimmel entgegenstreckten. Es wäre unmöglich gewesen, diese unter der Kapuze zu verbergen, doch der Prinz wusste, dass er es hier mit keinem sterblichen Wesen zu tun hatte. Ehe dieses wieder seine geschwungenen Lippen öffnen konnte, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: »Ich werde mich ihrer aber auch nicht beugen.«

Das Wesen verzog den Mund zu einem leichten Schmunzeln und ihm fiel erst jetzt die Weiblichkeit auf, die in den Zügen des Feindes lag. Der Umhang glitt von dessen Schultern und entblößte die dunkle Tracht, die einen so tiefen Ausschnitt besaß, dass man die seitliche Wölbung ihrer Brüste sehen konnte. Um den Bauch des Wesens waren mehrfache Lagen schwarzen Tülls gebunden und um dessen Hüfte bewegte sich ein dünnes Tuch schmeichelnd mit der nächsten Windböe, die durch den Wald streifte. Ein langer Schwanz schmiegte sich zuckend um ihre Taille und endete in langen Haaren, die die selbe Farbe trugen, wie jene die ihrem Kopf entsprangen. Ihre aschblaue Haut funkelte im Mondlicht und als er wieder aufsah, konnte er den Triumph in den Augen der Dämonin aufblitzen sehen. Sie funkelten so strahlend wie Saphire und bedachten jeden einzelnen Atemzug, den er von sich gab. Sie sah fast aus wie...

»Gefällt uns was wir sehen?«, fragte sie gespielt langsam und begann mit schwebenden Schritten auf ihn zu zu gehen. Wie ein Raubtier das seine Beute betrachtete, glitt ihr Blick über den Prinzen und blieb an seinem Schwert hängen, dass er mit einer langsamen Bewegung anhob und auf ihre nackte Brust richtete. »Keinen Schritt weiter, Dämon.«

Ein Knurren entfuhr seiner Kehle, doch die Kreatur hielt nicht an. Auch verlangsamte sie ihren Gang nicht und stoppte erst, als die Spitze seiner Klinge fast ihre Brust berührte und ihre Lippen ein amüsiertes Grinsen umspielte. Er war ihr nun so nah, dass er jeden Atemzug deutlich hören konnte, ehe sie belustigt fragte: »Du besitzt die Kühnheit, jene Klinge auf mich zu lenken, durch welche die Macht meiner eigenen Spezies fließt?«

Der Prinz verengte seine leuchtend, gelben Augen und ging, wie um seinen Mut zu unterstreichen, einen Schritt auf das Wesen zu, sodass die Spitze des Schwertes nun ihre Brust traf. Sie sah an sich hinab, beobachtete die Waffe, aus der die Dunkelheit triefte wie Geifer und säuselte, fast schon überrascht von seiner Furchtlosigkeit: »Welch beeindruckender Wagemut..«

Wie als veranstalteten die beiden Herausforderer ein Schauspiel, schnellte die Hand des Dämons nach vorn und umfasste die scharfe Klinge. Noch ehe er irgendein Zeichen geben musste, schnellten zwei Schatten aus den Bäumen und stürzten sich auf die Kulisse hinab. Ihre federbesetzten Schwingen verloren fast keinen Ton und noch bevor sie ihre Klauen und Dolche in die Haut des Feindes schlagen konnten, zerrissen ohrenbetäubende Schreie die Lichtung, als die Dämonin sie in einem mit der Klinge zerteilte, die vor wenigen Augenblicken noch in der Hand des Prinzen gelegen hatte. Die Waffe fuhr seitlich durch ihre Bäuche und noch bevor die Schwingenträger ihre Schmerzen lokalisieren konnten, fielen ihre geteilten Körper vom Himmel und färbten die Erde im Licht des Mondes dunkelrot. Letzte gequälte Atemzüge entwichen den sterbenden Körpern, ehe sie an ihrem eigenen Blut erstickten.

Drei weitere Jäger stießen sich aus den Baumkronen hinab; kreischten, fauchten und fluchten ihren Zorn hinaus, als sie sich auf das dämonische Wesen stürzten und ihre Klingen aufeinandertrafen. Dieses jedoch bewegte sich so schnell, das kein Schwingenträger eine Chance zu haben schien, gegen ihre nächste Handlung anzukommen. Dem Prinzen blieb nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie sie jeden seiner Krieger, jene tapfere Freunde die sich geschworen hatten, ihn mit ihrem Leben zu verteidigen, abschlachtete, als wären sie nichts weiter als lästige Kreaturen die ihrer Zeit nicht wert waren.

Ihre Schmerzensschreie, ihr Wimmern und Gurgeln, als die Schattenklinge durch ihre Leiber segelte, halten durch die Nacht und der Adelssohn konnte nur fassungslos auf das Gemetzel sehen, als es endlich vorbei war. Der Geruch nach Blut und Tod durchtränkte die Luft und würde alsbald weitere Kreaturen der Finsternis anlocken. Sie mussten hier weg.
Er merkte erst, dass er am ganzen Leib zitterte, als es schon zu spät war und er die Augen der Dämonin auf sich spürte. Wie Dolche borten sie sich in seinen Geist und er starrte auf ihre Zunge, als sie sich einige Blutspritzer von den bläulichen Lippen leckte und angewidert ihre verschmierten Füße betrachtete, als jeder ihrer Schritte matschige Geräusche auf dem feuchten Untergrund hervorrief. Befleckt von Gedärm, Blut und den dunklen Federn, aus denen sie sich wahrscheinlich ein Kissen stopfen würde.

Er presste die Zähne zusammen, versuchte gegen die Tränen anzukämpfen und stieß seine Krallen nur noch tiefer in die Erde, als das weibliche Wesen direkt vor ihm stehen blieb und ihm das Schwert vor die Füße warf. Die Waffe, mit der sie all seine Gefährten kaltblütig ermordet hatte. Alle bis auf einen.

Der übrige Jäger schoss im Sturzflug auf den Dämon hinab, wollte dessen augenscheinliche Wehrlosigkeit ausnutzen, doch der Fürst wusste besser als jeder andere, das die gefährlichste Waffe der Dämonen tief in ihnen selbst ruhte. Noch im selben Moment, als er den Dolch in ihren Hals stieß presste sie schon die Hände gegen seine Lenden und entzog ihm das Kostbarste, was der junge Krieger überhaupt zu bieten hatte. Dunkle Schliere krochen aus seinem Körper und ein gequälter Schrei entwich seinem verzehrten Mund, als sie ihn aus der Luft fing und seine leblose Hülle abfällig zu Boden warf, als seine letzte Lebensenergie in ihre Adern übergegangen war. Den Dolch zog sie sich danach so genüsslich langsam aus ihrem Hals, dass die Wunde schneller verheilte, als man hätte blinzeln können.

»Wirst du dich nun beugen? Wenn schon nicht Tenebra dann doch zumindest deinem Schicksal.« Ihre Stimme schien viel zu entfernt, als stünde sie nicht direkt vor ihm und klang so lieblich, als hätte sie nicht gerade sechs Sterbliche ermordet und ein Schlachtfeld veranstaltet, dass er in seinem Leben nie wieder vergessen würde.
Es war irrsinnig gewesen sich ihr behaupten zu wollen.. sie waren alle tot - nur für ihn hatten sie ihre Leben gelassen.

Langsam, wie in Trance hob er sein Schwert vom feuchten Boden auf und zuckte zusammen, als ein Stöhnen ihn erstarren ließ. Auch die Dämonin wandte den Kopf und besah sich angewidert den noch atmenden Krieger, der das Gemetzel überlebt hatte. Vom Aderngold besudelt und von Schlamm verdreckt rollte er sich zuckend auf die Seite und würgte Blut und beißende Galle. Sein Unterkörper war auf eine unnatürliche Weise verdreht und seine Arme, an dessen die einstig prächtigen Flügel hingen, hingen nur noch in Fetzen und an einzelnen Sehnen, die rissen, als er sie zu bewegen versuchte. Wann hörte es endlich auf..?

Die qualvollen Geräusche bewegten den Prinzen aus seiner Starre und er wollte schon auf seinen einstigen Krieger - seinen Verbündeten - zugehen, als ein Dolch der königlichen Gade, der gerade noch in dem Hals des Dämons steckte, durch die Luft pfiff und sich in den Hinterkopf des Sterbenden bohrte. Sein Körper sackte auf den klebrigen Boden und blieb liegen.
Voller Entsetzen und mit schmerzender Brust versuchte er seine Augen von den Leichen zu nehmen und krallte seine Hand noch fester um den Griff seines Schwertes. Es hatte alles keinen Sinn. Es war alles bedeutungslos.

»Ihr Ableben war es gewiss. Eine Wahrheit, die dir längst nicht unbekannt war«, säuselte ihre weiche Stimme erneut über die Lichtung und in ihren anmutigen Schritten deutete nichts auf ihre Taten hin, als sie wieder näher trat und um den Adelssohn herum wanderte. »Verschwinde aus meinem Kopf.. Dämon«, presste er bebend hervor und zog die Flügel enger an seinen Körper. Was war er nur für ein erbärmlicher Führer. Er allein hatte sie aufgestellt und nun waren sie alle tot.
»Oh nenn mich doch Alysann.«
»Einen Dreck werde ich tun!« Seine Stimme glich mehr dem Fauchen eines wilden Tieres, als er ihre Finger an seinem Rücken spürte. Er spürte sie in jeder Feder, jedem Muskel und wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich erlöst zu werden. Von diesem Leid, der tiefen Sehnsucht nach der sündigen Dunkelheit und dem Geruch von Blut, der so zäh in der Luft hing, das ihm fast übel wurde.

Ihre Berührung glich einer süßen Erlösung und er hätte fast schon leise in die Nacht hineingeseufzt, als ihre Finger über seine Flügel strichen, und sie leise hauchte: »Wenn du den Widerstand ablegst, dann wird es nicht weh tun.« Es klirrte dumpf, als die Klinge aus seiner schweißnassen Hand rutschte und auf den feuchten Erdboden aufschlug. Die Rune brannte wie Feuer auf seiner Haut und als die dunkle Kreatur sich an seinen Rücken schmiegte und ihre Lippen auf seinen Nacken legte, erlosch der beißende Schmerz für einen Augenblick. Der Prinz zitterte am ganzen Leib und ballte die Fäuste. Nein. Er konnte das nicht zu lassen, egal wie einfach und schön es sich anfühlte, von der Kreatur verführt zu werden. Dem Dämon, der seine Brüder und Schwestern ermordet hatte.

Er riss sich von ihr los, presste seinen Rücken gegen den nächsten glitzernden Stamm und ließ sich von den Flammen in seinem Genick erneut verschlingen, als er keuchend zu Boden ging. Die Dämonin blinzelte ihm nach, ließ ihre blutverschmierten Hände sinken und lächelte. Dieses Scheusal lächelte ihn an und hatte noch all die Macht dabei schön auszusehen. Ihr dünner Schwanz schmiegte sich um ihr Handgelenk und ihre bläuliche, lange Haarpracht bewegte sich wie ein Nebel um ihre wunderschönen Wangenknochen, die genauso spitz verliefen wie ihre dunklen Hörner.

»Bitte«, stöhnte der Prinz nun leise und legte erneut die Flügel um seinen schmerzenden Körper, »es muss eine andere Möglichkeit geben.. ich..«
»Die gibt es nicht«, unterbrach ihn ihr sanfter Ton und für eine Sekunde lag Mitleid in ihrem Blick. Mitleid für die Beute vor ihren Füßen. Konnten Dämonen überhaupt solche Gefühle empfinden? Die Frage blieb unbeantwortet, stattdessen sagte sie: »Und deine Seele erkennt diese Wahrheit.«

Wieder kamen ihre Füße auf ihn zu, doch diesmal rührte er sich keinen Millimeter und presste einstig seine Federn um seinen Leib. Die Dämonin beugte sich zu ihm hinab, berührte seine Flügel, die er um sich geschlungen hatte und öffnete sie mit einer Sänfte, die er solch einem Wesen niemals zugetraut hätte. Seine Arme glitten an seinem Körper hinab und er sah in ihre strahlend blauen Augen, die, umso näher sie ihm kam, von einem dunklen Schleier erstickt wurden. Als würden sie all das wenige Licht um sich herum verzehren, besah die Dämonin ihn mit ihren schwarzen Blick und er verlor sich in der Dunkelheit, die er so noch nie zuvor gesehen hatte. Selbst der Nachthimmel schien neben der Kreatur zu verblassen, als sie zärtlich über seine blanke Brust strich und der Prinz die Augen nicht von ihr nehmen konnte.

Sollte dies das Ende sein? All die Jahre der Qual und Flucht sollten in nur wenigen Minuten enden? Minuten, für die er so verbissen gekämpft hatte?

»Leg deinen Groll nieder und lass los, dann wird es dir keine Schmerzen bereiten«, entflohen ihrer Kehle die Worte doch ihre Lippen bewegten sich nicht mit ihnen. Stattdessen quoll dunkler, zäher Rauch aus ihnen hervor und labte sich an seiner nackten Haut.
Es. Wie er das Thema doch hasste.
Der junge Fürst sah der Dämonin direkt in ihre tiefsten, abscheulichsten Abgründe ihrer Seele während er ihren schwarzen Blick erwiderte und sich an den schwindenden Schmerzen sattfraß. »Nimm mich an, öffne dich, lass mich hinein, lass los.« Ihre Stimme hallte wie in einem nie endenden Echo in seinem Kopf wieder und der schlierige, wabernde Rauch kroch seine Brust hinauf und leckte an seinen Lippen, liebkoste sie, versprach Erlösung, als er leise keuchte und den Kopf gegen den Stamm lehnte. Sollte es so mit ihm zu Ende gehen? Wieder die selbe Frage doch diesmal hatte er eine Antwort.

Mit einer ruckartigen Bewegung und letzter Entschlossenheit zog er einen Dolch aus seinem versteckten Waffengurt und packte den Dämon am Hals, der erschrocken aufjapste und gerade mal genug Zeit hatte, um die Magie wieder in seine Adern zu ziehen. Sein Nacken brannte, rebellierte aufgrund seiner Handlung doch auch dies war ihm in jenem Moment egal. Einstig für das Höllenwesen hatte er einen Blick, als er ihr den Dolch durch das rechte Auge stach und ihr schwarzes, klebriges Blut ihm entgegen spritzte. Es schmeckte bitter auf seinen Lippen und ihr markerschütterndes Gebrüll halte durch den Wald wider, als er sich von ihr stieß und rannte.

Und plötzlich, als er dachte dem Schicksal entkommen - endlich frei zu sein fühlte es sich an, als würde sein eigenes Auge von innen explodieren und zerrissen werden. Heißes Blut strömte seine Wange hinab.
Kreischend vor Schmerz landete er auf dem getränkten Boden und wandt sich vor Qual. Seine Lider zuckten und wie aus Instinkt fasste er an seine Schläfe und spürte die fleischige, klebrige Wunde, als hätte er sein eigenes Auge massakriert. Spitze Finger bohrten sich in seine Schultern und rissen ihn ruckartig herum, was die Schmerzen nur noch zu verstärken schien und sie immer mehr in seinen Hinterkopf trieb. Magensaft kroch seinen Hals empor und gequält versuchte er zu würgen, als er ein Gewicht auf seinen Lenden wahrnehmen konnte das ihn sein unverletztes Auge aufreißen ließ.

»Du dummes dummes kleines Federvieh.. kleines dummes Vögelchen..« Die Dämonin knurrte, als er erneut Anstalten machte sich zu bewegen und dickflüssiges Blut tropfte von ihrer Wunde auf ihn hinab. Ihr wunderschönes Gesicht war wutverzerrt, ihre unirdischen, spitzen Ohren angelegt und ihr Schwanz peitschte aufgebracht von einer Seite zur anderen, als sie ihn mit ihrem unversehrten Auge anfunkelte und ihm das andere als fleischiges Loch entgegenblickte. »Dummes kleines Vögelchen«, murmelte sie erneut und presste ihr Becken gegen das seine, um den jungen König möglichst in seinen Bewegungen einzuschränken. Er weinte und stöhnte verbittert aufgrund des Schmerzes, der ihn fast in eine andere Dimension zu bringen schien, und wand sich unter dem Feind. Jeder seiner Bewegungen war von Verzweiflung und Erbärmlichkeit geprägt, mit dem Wissen das Niederlage unumgänglich war; doch sie verspottete ihn nicht, blitzte ihn einstig mit ihrem gesunden Auge an und nagelte ihn an die Erde.

»B..bitte..«, flehte er gebrochen und Speichel floss ihm übers Kinn, »ma..ach das es aufh..hört.. e..endlich auf..hört..«
Bestimmt presste sie ihre Brust an die seine und strich verträumt mit den klebrigen Fingern über seine Wange, als er röchelnd sich ihren Berührungen entgegen reckte, in der Hoffnung die Qualen an ihr ersticken zu können. Ihr übriges Auge lief wieder schwarz an und zog all die Dunkelheit der Nacht in sich auf, als endlich der Pein und das Elend anfingen nachzulassen. Ihre helle Stimme in seinem Kopf klang wie ein Schlaflied und er hatte keine Kraft, sich weiter gegen sein Schicksal zur Wehr zu setzen. Er war allein, verlassen und beraubt seiner Stärke die seine Verbündeten in den Tod gerissen hatte.
»Nimm mich an, öffne dich, lass mich hinein, lass los.«

Ihr Lied tanzte in seinem Geist und der rabenschwarze, zähe Nebel quoll aus ihrem Mund über das spitze Kinn und ließ die Grenze zwischen Tod und Lebendigkeit verschwimmen. Ihr Gesicht rückte näher an das seine und wie, als würde er in ihren Tanz miteinstimmen öffnete der Prinz die feucht glitzernden Lippen und... nahm sie an, öffnete sich, ließ sie hinein und ließ los.

Ihre Lippen berührten sich so zärtlich, als klebte nicht ihr gemeinsames Blut an ihnen und ehe er sich weiter der süßen Sünde des Erlöses versprach, spürte er es. Der Nebel floss in ihn hinein, tropfte seine Mundwinkel hinab und füllte die Leere in seinem Körper. Er schmeckte herb, fremdartig und auf eine seltsame Art und Weise uralt. Seufzend gab er sich der Dämonin hin, ließ sie sein Licht verschlingen und labte sich an dem schwindenden Schmerz, der seinem Nacken, dem zerfleischten Auge und seinem Herzen galt.

Es war kein Kuss; lediglich ein Geben und Nehmen von Leid und Seele und trotzdessen fühlte er eine neuartige Verbundenheit mit dem Wesen, das er doch eigentlich verabscheuen wollte.

Der Nebel füllte ihn aus und je mehr er von ihr trank, desto verblasster wurde ihr Abbild über ihm. Er umfasste ihre Hörner, presste seine Lippen stärker auf die ihre und nahm das Grinsen wahr, dass ihren Mund verzog. Sie führte ihn geradewegs in den schönsten Albtraum, wo das Unbekannte ihn mit offenen Armen empfing und das Unvorstellbare Wirklichkeit wurde.

Und mit einem Mal war er nicht mehr allein.

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