9: Panicking


Ich befand mich völlig unter ihrer Kontrolle und noch nie in meinem Leben hatte ich solch eine Angst empfunden wie in jenem Moment.

Wenn jede Zeitangabe verblasst, verlangsamt der Körper ganz von selbst seine Atmung und harrt aus. Er erwartet ein Zeichen, einen Hauch von Hoffnung, der die Gelegenheit zum Kampf verleiht. Manchmal ist das Warten tückisch – manchmal ist es gerade das, was uns am Leben hält. Es zieht uns in den Bann, füllt unsere Gedanken und lässt uns in eine endlose Stille versinken, in der die Welt verschwinden könnte, ohne dass wir es bemerken. Wir befinden uns wie in einer Zeitschleife, alles wirkt belanglos, der Körper fast erstarrt. Es ist, als würden wir an der Schwelle zwischen Leben und Tod schweben, auf dem dünnen Grat balancieren, der uns entweder ins Licht oder in die ewige Dunkelheit stürzen kann, je nachdem, wie wir uns halten. In einem Augenblick kann alles vorbei sein, und es entscheidet, ob wir uns zur rechten oder zur falschen Seite neigen.

In meinem Fall war es der Schritt des Wesens, der mich erst zum Wanken und dann zum Fall kutschierte. Es war wie ein Schalter, der sich plötzlich umlegte und meinen Körper dazu ritt in den Angriff über zu gehen.

Ich bis die Zähne zusammen und schluckte meine Angst hinunter; den Instinkt weg zu rennen, weit weg von dieser Kreatur und der Dunkelheit die sie umgab. Ihr gesamtes Wesen schien keinerlei Schwäche zu offenbaren und dies unterstrich sie mit einem wissenden Grinsen auf den dunklen Lippen, als ich ihr einen Schritt entgegen kam.

Meine Hand schloss sich fester um den glühenden Griff meiner Waffe und ehe ich noch einmal meine Taktik überdenken konnte, zischte die Peitsche bereits durch die Luft und hinterließ einen gleißenden Streifen aus Feuer.

Die Augen der Kreatur weiteten sich, verfolgten das Glühen und ich sah ein verspieltes Glitzern in ihnen, als das züngelnde Inferno auf sie zu kam. Freudige Erwartung blickte mir entgegen und zu meinem völligen Entsetzen, riss das Wesen seinen Arm in die Luft und ließ ihn von den feurigen Gliedern der Peitsche in Beschlag nehmen. Es umschloss ihn völligst, verbrannte seine dunkle Haut, doch statt ihn wegzuziehen, zu schreien oder sich zu wehren zog es nur belustigt einen Mundwinkel nach oben und riss mir mit einem fast lässigen Blick wörtlich den Boden unter den Füßen weg.

Sein plötzlicher kräftiger Zug an der Peitsche riss mich keuchend mit ihr und auch wenn ich wusste, dass ich loslassen musste, konnte ich es nicht.

Mein Körper wurde mit einem dumpfen Aufprall gegen den der Kreatur geschleudert, die sich keinen Zentimeter rührte und ehe ich mich versah beengte mich meine eigene Waffe. Ihr glühender Schwanz umschloss meinen Körper und drückte mir fast die Luft ab, als ich mich zu befreien versuchte.

Ich spürte die Hitze der Flammen auf meiner Haut und auch wenn ich wusste, dass sie mir selbst nichts anhaben konnten, durchströmte mich die Panik, als ich begriff in was für einer Situation ich mich befand. Ich hatte die oberste Instanz eines Kriegers verloren - die Kontrolle der eigenen Waffe - und diese Erkenntnis erschütterte mich zutiefst.

Die Kreatur rührte keinen Finger doch ich spürte ihre Magie. Wie sie die meine blockierte, um mich pulsierte und über meinen Geist strich. Sie bedachte mich mit Blicken die ich am liebsten nicht aus dieser Nähe beobachtet hätte und steuerte die Peitsche nur mit ihren Gedanken, als ich mich gequält rekelte und diese sich enger um meinen Leib schlung.

»Ich bin ehrlich gesagt nicht von einem solchen Mut ausgegangen, mein kleiner Funke.«
Ihre Stimme war lieblich aber genauso scharf traf mich auch ihre Dreistigkeit, als sie sprach.

Ich musterte sie voller Abscheu und versuchte damit meine bebende Angst in mir zu verdrängen, als ich die Kreatur erstmals genauer betrachtete.
Ihr langes glattes Haar war von einer tiefen bläulichen Färbung und umschmeichelte ihre scharfen Wangenknochen, die sich unnatürlich stark aus ihrer aschblauen Haut hervorhoben, und tiefdunkle glatte Hörner, welche spitz nach hinten verliefen. Sie besaß eine Weiblichkeit in ihren Zügen, die sich vollends bestätige, als mein Blick auf ihren tiefen Ausschnitt viel und ich die seitlichen, vollen Rundungen ihrer Brüste erkennen konnte. Um ihren Bauch waren mehrfache Lagen schwarzen Tülls gebunden die glitzerten, als sich die Spätsonne ihn ihnen brach.

Ich schluckte, sah weiter hinab und erschrak fast, als ein langer Schwanz sich zuckend um ihre Taille schmiegte, der die Ähnlichkeit zu meiner Art nur noch presenter machte. Ihre nackten Füße waren wegen dem dunklen Nebel der durchs Gras strich fast nicht zu erkennen, doch die Runen und schwarzen Ornamente an ihren Beinen waren nicht zu übersehen.

Die Kreatur räusperte sich und als ich aufsah, lag erneut diese glitzernde Erwartung in ihren unirdischen Augen die mich erschaudern ließ. Sie besaß keine Pupillen, weswegen ich einzig in das glühende, wirbelnde Blau ihrer Iris sah, als ich so standhaft wie möglich hervorbrachte: »Du bist kein Dusker.« Wieder dieses Glitzern.

»Sieh an, deine Augen funktionieren ja ganz ausgezeichnet«, säuselte sie mit einer gespielten Bewunderung und ich war mir sicher, dass ich noch nie zuvor so viel Hass empfunden hatte, wie nun in meinem Gesicht geschrieben stand. Denn auch wenn sie keiner ihrer Art war, so kam sie dennoch von der anderen Seite.

»Doch verrate mir«, erhob sie dann erneut ihre Stimme und musterte meine verspannten Gesichtszüge; oder zumindest glaubte ich, dass sie das tat, denn ohne Pupillen war es schwer den genauen Ort festzustellen, den sie fokussierte, »woran legst du das fest?«
»Deinem Körper entspringen Hörner und eine verlängerte Wirbelsäule.. das sind Dinge, die eher bei meiner Art Zuspruch finden«, knurrte ich scharf als Antwort und ließ sie nicht aus den Augen, als sie mit einem kühlen Lächeln um meinen gefesselten Körper herum schritt.
Um ihre Hüfte bewegte sich ein dünnes Tuch schmeichelnd mit der nächsten Windböe, die durch die Bäume streifte.

»Ist das so? Du hast noch nie einen der anderen Art gesehen.«
»Woher willst du das wissen?«, antwortete ich prompt und erschrak, als die Kreatur plötzlich näher von hinten an mich herantrat.

»Ich kann es sehen; fühlen in deinem Geist. Er steht mir so offen wie dir dein wundervolles, liebliches Leben auf dieser Seite der Mauer«, flüsterte sie rau gegen mein Ohr und ich versuchte von ihr abzuweichen, doch die Peitsche schlang sich nur enger um meinen Körper, als sie schon zur nächsten Frage ansetzte.

»Sag mir, welche Dinge werden hier in Solaris einem Dusker zugesprochen?«
»Zieh dir die Antwort doch selbst aus meinem Kopf, Schattengesindel.«
Ich verbarg meine Angst hinter dem Hass den ich in diese Worte steckte. Selbst das Feuer der Peitsche wurde mit einem Mal heller und vermischte sich mit dem bläulichen Schimmer meiner Haare, durch die meine aufgebrachten Emotionen fast zu pulsieren schienen.

Sie lachte leise und trat wieder in meinen Blickwinkel, wodurch mir nicht die helle Aufregung in ihren Augen entging. Die Farbe bewegte sich wie aufgewirbelter Rauch und ich hätte ihr fast vor die Füße gespuckt, als ich begriff, dass ihr das hier gerade richtig Spaß zu machen schien. Sie ergötzte sich an meiner Angst, meinem Leid und würde sich wahrscheinlich auch noch in meinem Schmerz suhlen. Eines der Dinge, die wir mit dem Leben auf der anderen Seite verbanden.

»Ich bin mir sicher, du würdest es mir lieber selbst erzählen aber wenn du meinst..«, säuselte sie fast vorfreudig und ich presste die Lippen zusammen angesichts ihres wissenden Grinsens vor dem was gleich folgen würde.

Ich beobachtete das Wesen gereizt, hätte ihr am liebsten dieses ekelhafte Lächeln aus dem Gesicht geschlagen, als sie sich schlussendlich lässig gegen einen Baum lehnte. Und dann spürte ich es.
Kalte Krallen kratzten über mein Innerstes; über meinen Geist und griffen nach meinem Unterbewusstsein. Ich hatte noch nie etwas Unangenehmeres empfunden und keuchte erschrocken auf als ich das Gefühl hatte, völlig den Verstand zu verlieren.

Die spitzen Klauen bohrten sich in mein Innerstes und mein Körper - mein Herz, meine Nerven und mein Blut - fügten sich ihrem Griff. Ich befand mich völlig unter ihrer Kontrolle und noch nie in meinem Leben hatte ich solch eine Angst empfunden wie in jenem Moment. Ich konnte mich nicht rühren, noch nicht einmal blinzeln und wie aus der Ferne spürte ich die feuchten Rinnsale aus Tränen meine Wangen hinab laufen. Warme Nässe die einen erschreckenden Kontrast zu der Kälte bildete, die wie ein Raubtier um meinen Geist strich.

»So ist es gut. Du solltest Angst haben, dich fürchten. Für jemanden mit meiner Macht bist du wie ein offenes Buch. Ich könnte jeder Zeit deinen Geist versklaven wenn ich denn wollte. Im Moment stehe ich an der Schwelle deines Unterbewusstseins und wenn ich es wünschte, müsste ich nicht mehr als einen flüchtigen Gedanken aufbringen, um deine gesamte Existenz auszulöschen.« Ihre weiche Stimme schien so weit entfernt und trotzdem verstand ich sie klar und deutlich, als sie sprach und erneut mit diesen sanften, kalten Nägeln über meinen Geist streichelte.

Und dann plötzlich, so schnell wie sie auch gekommen waren, verschwanden sie. Meine Welt wurde wieder klar und hätte mich meine Waffe nicht so fest umschlungen, wäre ich wohl ins Gras gestürzt.

Ihre federleichten Schritte tanzten regelrecht durchs Gras, während sie langsam auf mich zukam und erst als sie ihre dünnen, kühlen Finger auf meine Wange legte und mir die Tränen wegwischte, wurde mir völligst klar, in was für einer gefährlichen Situation ich mich befand.

Mein Körper sträubte sich mit jeder Faser seines Seins gegen die Berührung und ich fing an unwillkürlich zu zittern, im Anblick der aussichtslosen Situation, als ihre kühlen Finger ein elektrisierendes Prickeln auf meinen Wangen hinterließen.
Dann zog sie ihre Hand wieder zurück und lächelte. Solch ein Lächeln das in jenem Moment alles bedeuten konnte.

»Was willst du..?«, hauchte ich fast atemlos und konnte die Angst einfach nicht mehr zurückhalten, die mich durchlief. »Sie werden nach mir suchen.. sie werden..«

Noch bevor ich meinen Satz beendet hatte wurde mir selbst bewusst, wie aussichtslos meine Situation war. Selbst der erfahrenste Krieger hätte nicht gegen dieses Wesen ankommen können, nicht mit diesen Kräften von denen sie sprach. Ich sollte froh darüber sein, wenn es nur mich erwischte und niemand sonst mit in den Abgrund gezogen wurde.

Sie schnaubte nur belustigt und betrachtete ihre spitzzulaufenden blauen Nägel, bei denen ich sicher war, dass sie mir die Haut von den Knochen hätten reißen können.

»Wir wissen beide, dass niemand deinen Aufenthalt kennt und für deine kleinen Telepathie-Spielereien seid ihr Dawner viel zu altruistisch.« Ich sah hinab auf die lodernden Flammen und wich damit ihrem undurchsichtigen Blicken aus, als das Wesen selbst den Kopf hob und weitaus deutlicher hinzufügte: »Nun sage mir, mein kleiner Funke, was für eine Vorstellung habt ihr von den Duskern?«

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