Türchen 5
Louis
[LoriWriteBlue]
"Und wenn wir uns einfach auf einer Dating - App kennengelernt haben?", fragte ich, nachdem die letzten Minuten des Brainstormings keinen Erfolg gebracht haben. „Wir könnten es etwas realer gestalten. Als du vor einem halben Jahr den Pub zum ersten Mal betreten hast, war ich hin und weg. Ich hatte noch nie mit dir geredet, doch ich habe es mir unzählige Male vorgenommen. Deine blauen Augen leuchteten so warm und herzlich und dein Lachen war unglaublich ansteckend. Jedes Mal, wenn du den Pub betreten hast, war ich aufs Neue fasziniert. Eines Tages habe ich all meinen Mut zusammengenommen und dich angesprochen", erzählte er und eine bessere Kennenlerngeschichte hätte man sich nicht ausdenken können.
Mit leuchtenden Augen hing ich ihm förmlich an den Lippen, so unglaublich gerührt war ich von den süßen Worten. „Das ist wunderschön. Die perfekte Kennenlerngeschichte. Stell dir nur vor, es wäre wirklich so gewesen", sagte ich zufrieden lächelnd. „Ähm. Ja. Eine schöne...Geschichte", sagte er und hat seine gerade erlangte Sicherheit direkt wieder abgelegt. Doch glücklicherweise war ich vorbereitet. Ich sprang von der Couch auf und lief zur Küchenzeile. Harry sah mir irritiert hinterher. „Die beliebtesten Cocktails sind laut meiner Internetrecherche Margarita, Cosmopolitan und Daiquiri. Welches Getränk möchtest du uns denn zubereiten, Herr Barkeeper?", fragte ich mit wackelnden Augenbrauen und reihte die verschiedensten Zutaten auf der Arbeitsfläche meiner Küche aus.
Harry richtete sich von der Couch auf und kam ungläubig auf mich zu. „Hattest du das alles schon da?", fragte er. „Nein, aber wenige Gehminuten von hier ist etwas, das sich Supermarkt nennt. Da soll es tolle Sachen geben.Warst du mal in so etwas?", fragte ich. „Ähm. Ja. War ich", sagte er und verstand offenbar nicht, dass ich die Stimmung durch einen mittelmäßigen Gag steigern wollte. „Schon klar, Harry. Du wirktest nur so nervös im Pub und ich dachte, dass ein gemeinsamer Cocktailabend deine Zunge etwas lockerer werden lassen könnte", sagte ich schulterzuckend. „Meine Zunge?", fragte er. „Bleib ruhig, du musst nicht mit mir rumknutschen, aber ich möchte den lockeren Harry kennenlernen. Den gibt es doch sicher?", fragte ich.
Der Versuch, ihn lockerer werden zu lassen, scheiterte daran, ihm zu sagen, dass ich ihn lockerer werden lassen wollte. „Möchtest du uns einen Cocktail mixen oder wollen wir uns lieber weiter noch etwas anschweigen?", ließ ich ihm die Wahl. Harry atmete hörbar tief durch, ehe er sich zur Arbeitsplatte begab und irgendwas mit den verschiedenen Getränken tat, was in einem wunderschön angereicherten Cocktail endete. „Louis, hier sind nur Konzertbecher. Hast du auch irgendwelche Gläser?", fragte er. „Wozu denn Gläser? Die gehen nur kaputt", erwiderte ich. „Du Kulturbanause", kommentierte er leise, während seine Mundwinkel etwas nach oben zuckten. „Na, wer wird denn da frech?", zog ich ihn auf und biss grinsend auf meine Unterlippe.
Harry goss sein zubereitetes Meisterwerk missmutig in zwei Konzertbecher und reichte mir einen. „Ignorier den Becher, schenk nur dem Inhalt Beachtung", sagte er und stieß mit seinem Becher gegen meinen. „Also, Harry. Ich nehme an, du bist schwul?", fragte ich ihn direkt. „Ähm. Ja", antwortete er sofort und sah mich schon beinahe auffordernd an. „Ich? Ja, natürlich. Ansonsten würde ich mir doch eine Fake - Freundin suchen, wäre vermutlich einfacher", sagte ich. „Haben sich viele Männer bei dir gemeldet?", fragte Harry weiter. „Ja, tatsächlich habe ich ziemlich viele Nachrichten bekommen. Aber die waren nicht sonderlich überzeugend und du warst schließlich die erste Zusage. Und vielleicht auch die beste, das versuche ich gerade rauszufinden", sagte ich und trank einen Schluck aus meinem Konzertbecher.
"Oh mein Gott, was ist das? Das schmeckt wie der Himmel auf Erden. Falls der Himmel auf Erden einen Geschmack haben sollte. Dann würde er definitiv nach diesem Getränk schmecken. Ich will nie wieder etwas trinken", schwärmte ich. „Also eigentlich ist es nur ein Daiquiri. Freut mich, dass er dir schmeckt", sagte er und lächelte stolz. „Machst du uns gleich noch einen? Und dann werde ich dich langsam aber sicher in die Welt der Superhelden entführen. Meine Mutter würde Verdacht schöpfen, wenn du den Unterschied zwischen Marvel und DC nicht kennen würdest", sagte ich. „Den Unterschied zwischen was?", fragte er irritiert. „Oh Harry, wir haben noch so viel vor. Komm", sagte ich und ließ mich erneut auf die Couch nieder.
Ich hielt einen circa dreißigminütigen Monolog, dem Harry aufmerksam lauschte. Es überraschte mich, denn für gewöhnlich schalteten die Menschen nach spätestens fünf Minuten ab. Doch Harry wirkte tatsächlich interessiert. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er einen Zettel und einen Stift herausgezogen hätte, um sich Notizen zu machen. Er hing mir förmlich an den Lippen. „Ich langweile dich, oder?", fragte ich nach Abschluss meiner Ausführungen. „Nein!", erwiderte er sofort und schüttelte den Kopf. Das Lächeln in meinem Gesicht wurde größer und für einen Moment dachte ich darüber nach, was wohl gewesen wäre, wenn ich Harry unter anderen Umständen kennengelernt hätte.
Vermutlich wäre er noch immer viel zu schüchtern gewesen und ich hätte alles mir in der Macht stehende getan, seine Schüchternheit abzulegen. „Was ist los, Louis?", fragte er. „Hab nur nachgedacht. Du bist hübsch und hast mir gerade dreißig Minuten zugehört, wie ich über Nerd - Kram geredet hab. Ich frage mich zum einen, warum du Single bist und zum anderen, warum du mir vorher nicht aufgefallen bist", ließ ich ihn an meinen Gedanken teilhaben. „Ich... Ich arbeite viel. Und gehe selten weg. Es ist nicht leicht, da jemanden kennenzulernen. Und meine introvertierte Art ist vermutlich der Tropfen auf dem heißen Stein", sagte er.
"Versteh mich nicht falsch, aber du arbeitest hinter eine Bar. Es gibt vermutlich kaum einen Job, bei dem man häufiger angegraben wird, als in deinem", widersprach ich. „Ich bin nicht gut darin, es zu merken, wenn das passiert. Vermutlich", sagte er und zuckte mit seinen Schultern.„Wie ist es bei dir?", fragte er. „Ich lerne sehr oft Menschen kennen, habe eine ziemlich lange Date - Phase hinter mir, aber irgendwie interessieren mich die meisten Menschen einfach nicht. Und bisher habe ich mich erfolgreich dagegen gewehrt, einen Freund zu haben, nur um einen Freund zu haben. Aber der Druck meiner Familie wird größer", sagte ich.
"Stimmt, die biologische Uhr tickt schließlich", sagte Harry leise und grinste mich an. Ich riss nahezu erschrocken meine Augen auf und verschluckte mich beinahe anmeinem Getränk, was - nebenbei gemerkt - eine Verschwendung gewesen wäre. „Okay, du fühlst dich also langsam wohler in meiner Gegenwart?", fragte ich zufrieden. „Ja. Ich bin mir mittlerweile zu 28 % sicher, dass du meine Organe nicht entnehmen willst", sagte er zufrieden. „Echt? So sicher? Gewagt", sagte ich und sah ihn mit einem teuflischen Blick an, was Harry sofort wieder etwas unsicherer werden ließ. „Nein, wir bleiben jetzt locker und entspannt", sagte ich und legte eine Hand auf seinem Oberschenkel ab, um ihn von seinem eigentlich Vorhaben, sich in die Küche zu flüchten, abzuhalten.
Harry's Blick schoss zu meiner Hand und kurz darauf zurück in mein Gesicht. Ich hob entschuldigend die Hände. „Sorry, ich wollte dich nicht einfach anfassen", sagte ich, doch Harry nahm meine Hand in seine und legte sie zurück. „Wie viel Überwindung hat dich das jetzt gekostet?", fragte ich frech nach. „Du hast ja keine Vorstellung. Und dass du mir diese Frage stellst, macht es nicht besser", sagte er schmunzelnd. „Aber wir wollen schließlich ein Paar sein. Paare berühren sich hin und wieder", sagte Harry und teilte mir so seine absolut uneigennützigen und ehrenhaften Gründe mit, warum meine Hand nun wieder auf seinem Oberschenkel lag. Deutlich weiter oben als beim letzten Mal.
"Richtige Paare küssen sich auch", sagte ich mit wackelnden Augenbrauen, doch Harry nutzte den Moment und sprang tatsächlich auf, um zurück in die Küchezu gehen und uns einen weiteren atemberaubenden Cocktail zu mischen. Ich folgte ihm und sprang auf die Arbeitsplatte, um ihm dabei zuzusehen. „Deine Zunge hängt ein ganz kleines bisschen raus, wenn du konzentriert bist", stellte ich sanft lächelnd fest. Harry dachte kurz nach, ehe seine Zunge in seinem Mund verschwand und er lächelnd zu mir sah. „Du bist sehr aufmerksam", sagte er. „Und du ein hervorragender Zuhörer und ein noch viel besserer Barkeeper", sagte ich stolz. Eigentlich wollte ich nur den ersten Fakt nennen, jedoch reichte mir Harry in dieser Sekunde ein weiteres Getränk.
Zufriedenes Seufzen verließ meinen Mund, denn er war verdammt gut in dem, was er tat. „Magst du mir eines deiner Gedichte zeigen?", fragte Harry. Ich nahm seine Hand in meine und lief mit ihm zu meiner kleinen Abstellkammer, die gerade groß genug war, dass ich einen winzig kleinen Schreibtisch unterbringen konnte. Ich reichte ihm die heutige Ausgabe der Londoner Times und schlug die entsprechende Seite auf. Harry las sich die Zeilen aufmerksam durch und sah dann völlig begeistert zu mir. „Louis, das ist ja unglaublich. Das klingt so wunderschön und tiefgründig", sagte er mit leuchtenden Augen. „Danke Harry", sagte ich mit aufeinander gepressten Lippen. „Ich werde jeden Morgen zum Zeitungsladen gehen und die neuste Ausgabe kaufen", legte Harry fest.
"Bist du jetzt mein größter Fan?", fragte ich schmunzelnd. „Du scheinst ja auch meiner zu sein", sagte Harry schmunzelnd nach einem Blick in meinen leeren Konzertbecher. Ich leckte mir genüsslich über die Lippen und reichte ihm mein Becher. „Es ist angenehm, Zeit mit dir zu verbringen. Ich glaube, das Weihnachtsfest wird ein Kinderspiel", entschied ich. „Ich empfinde es auch als sehr angenehm, Zeit mit dir zu verbringen", sagte er und sah mich mit leuchtenden Augen an, bevor er sich wieder den Getränken widmete und seine Zunge den Weg aus seinem Mund fand.
"Oh, was ist das?", fragte ich begeistert, als Harry mir ein rotes Getränk mit unzähligen Zuckerstreuseln und einen Schuss Sahne reichte. „Ein Weihnachtscocktail. Habe ich mir gerade ausgedacht", sagte er noch immer etwas unsicher, doch die Unsicherheit war deutlich geringer als noch zu Beginn des Abends. Ich trank einen kleinen Schluck und sah mit leuchtenden Augen zu Harry. „Und ich möchte jetzt jeden Abend so einen", sagte ich und trank direkt den nächsten Schluck. „Okay, jeden Abend", sagte Harry und beobachtete meine Reaktion auf das Getränk, wirkte zunehmend stolzer.
"Louis, das war wirklich ein schöner Abend, aber ich muss morgen sehr früh raus", löste Harry unser Fake - Date schließlich nach dem Weihnachts - Cocktail auf. „Was denkst du? Sehen wir uns wieder?", fragte ich. „Natürlich. Spätestens, wenn ihr die Bar am Nikolaustag für euch habt", sagte er. „Bekomm ich dann auch einen Weihnachts - Cocktail?", fragte ich. „Jeden Abend", bestätigte er und räumte die Zutaten ordnungsgemäß an den dafür vorgesehen Platz, ehe er in den Flur lief und in seine Chelsea Boots schlüpfte. „Danke für den schönen Abend", sagte ich und schloss kurzerhand meine Arme um seinen Körper zur Verabschiedung.
Augenscheinlich maßlos überfordert ließ Harry seine Arme hängen, ehe er es schließlich doch schaffte, sie um mich zu legen. Er zog mich fest an sich und streichelte mir sanft über den Rücken . Die Berührung löste ein angenehmes Gefühl in mir aus, weshalb ich noch etwas fester um ihn griff, bis er sich leise räusperte. „Wir sehen uns am Nikolaustag", verabschiedete er sich mit rotgefärbten Wangen. „Bis dahin", erwiderte ich und winkte zufrieden lächelnd.
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