23. Die elementare Macht (Teil 2)
Fast wie in Trance torkelte ich mit schweren Füßen durch den Sand, tausende Gedanken schossen durch meinen Kopf und ich konnte meinen Fokus erst verlagern als ich neben den Jungs zum stehen kam, das goldene massive Tor betrachtete und aus dem Staunen nicht mehr heraus kam. Es musste an die fünf Meter hoch sein und mindestens halb so breit. Doch das war nicht das Erstaunlichste daran. Das doppeltürartige Gebilde war mit unzähligen Symbolen graviert, die sich wie Hieroglyphen von einer auf die andere Seite hangelten. Viele waren mir bereits bekannt, wie beispielsweise die Triskele oder die vier Elemente, Wasser, Feuer, Erde und Luft. Andere sahen wie Warnungen aus, nicht sehr einladend und gefährlich, was mir ziemlich Sorge bereitete. Ein weiterer Abschnitt schien eine Art Geschichte zu erzählen. Einige Bilder konnte ich als einen Ring, höchstwahrscheinlich als den Ring, entziffern. In Leserichtung folgten zwei Figuren, eine davon war im Ketten gelegt, während die andere die Ketten fest in den Händen hielt. Es wirkte so, als wäre sie von einem Schein umgeben. Daneben knieten mehrere Personen auf dem Boden und verbeugten sich vor der scheinenden Figur. Es dauerte nicht lange bis ich begriff, dass ich das Männchen in Ketten darstellen sollte, was unter anderem auch der kleine Anhänger am Hals bewies und mich kurzerhand erschaudern ließ. Wer mich auch immer unter Kontrolle bringen konnte, würde zu Großem fähig sein, zu Bösem. Das übernatürliche Leben war nun mal nicht immer süß und atemberaubend. Es hatte eben auch eine andere Seite mit einem echt fiesen bitterem Nachgeschmack. Und den hatte ich bisher mehr gespürt als alles andere.
Obwohl ich wusste, was auf mich zukommen würde, wenn Theo den Ring an sich reißen konnte, war meine Angst um einiges gewachsen. Allein nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was dann alles auf mich zukommen würde, verdrehte mir den Magen und katapultierte seinen Inhalt meine Speiseröhre hinauf. Nur schwer schaffte ich es alles wieder runter zu würgen und auch endgültig da unten zu lassen.
Wie ich an Theo's und Milo's Ausdruck erkennen konnte, waren sie eher weniger damit beschäftigt die Zeichen zu verstehen. Die beiden hatten genug damit zu tun herauszufinden, wie wir ins Innere des Tempels gelangen konnten.
"Aha!", rief Milo da auch schon laut aus, wurde jedoch direkt von Theo beiseite gestoßen, damit er sich selbst davon überzeugen konnte, ob es tatsächlich der Eingang war, den er entdeckt hatte.
"Das ist es.", stellte er daraufhin fest, lächelte gerissen zu mir hinüber und zog mich grob zu sich.
"Kein Grund gleich so ruppig zu sein.", beschwerte ich mich, verstummte aber sofort, als ich erblickte, was die beiden gefunden hatten. Auf unserer Höhe, nicht weit vom senkrechten Türspalt entfernt, befanden sich jeweils auf einer Hälfte der zwei Tore eine Einkerbung in Form einer Hand. Eine Linke auf der linken Seite und eine Rechte auf der Rechten. Direkt darunter waren zwei kleine Symbole eingeritzt. Unter der Linken stand eine sehr eckig und kantige Triskele, die wohl für den Alpha stehen musste. Theo hatte mir eines Nachts man von einem Alpha-Rudel erzählt, das dieses Zeichen als Erkennungsmerkmal genutzt hatten. Nun schien es jedoch als allgemein zu zählen. Unter der Anderen waren die Zeichen der vier Elemente, also war sie ganz klar für mich bestimmt. Ich spürte bereits die auffordenen Blicke auf meinem Körper, doch würde sicher nicht dieser Bitte entgegenkommen.
"Oh nein! Du denkst doch wohl nicht im Ernst, dass ich meine Hand in dieses Loch da stecke? Wer weiß, was da drin ist.", weigerte ich mich deshalb und begann hektisch den Kopf zu schütteln.
"Wenn du es nicht von alłeine tust, werde ich dir eben dabei helfen. Mein Plan scheitert jetzt nicht an deiner ängstlich sturen Paranoia."
"Nein! War..."
Ohne richtig etwas erwidern zu können, sah ich geschockt auf meine Hand, die innerhalb weniger Sekunden von Theo brutal in die Einkerbung gedrängt worden war. Auch er legte seine auf der anderen Seite hinein. Ich war drauf und dran mich vor Wut auf ihn zu stürzen, als zwei Wiederharken meine Hand packten und sie im Inneren gefangen hielt. Egal wie sehr auch zog und zerrte, sie hing fest und ein Blick zur Seite zeigte mir, dass auch Theo feststeckte. Panik machte sich in mir breit, weil ich nicht wusste, was nun geschehen würde. Eigentlich war ich jemand, der in solchen Situationen die Ruhe zu bewahren versuchte, da Zwang und Druck nichts bewirkte, aber das war anders. Obwohl ich nie unter irgendwelchen Phobien gelitten hatte, spürte ich eine Art Platzangst in mir, die mir den Atem raubte. Einzig und allein meine Hand war gefangen und doch fühlte ich mich eingeengt, als würden unsichtbare Wände auf mich zukommen, die drohten mich zu zerquetschen.
Diese Gefühl dämmte sich allmählich wieder, als eine Nadel oder irgendein anderer spitzer Gegenstand in die Mitte meiner Handfläche stach und ich das Blut hinunterfließen spürte. Wie man sich vielleicht vorstellen konnte, ging es mir damit jedoch auch nicht besser, ganz im Gegenteil. Dieser Schmerz war anders, ging tiefer. Vermutlich weil ich nicht sehen konnte, was mit mir geschah und das war das Schrecklichste dabei. Keuchend stand ich da, versuchte erneut mich zu befreien und scheiterte zum zweiten Mal.
Verwirrt bemerkte ich dann, wie sich mein Blut sammelte, durch einen kleinen Kanal zum Türspalt floss und dort in eine weitere kleine, runde Einkerbung tropfte. Auf Theo's Seite des Tores, erkannte ich eine gespiegelte Konstruktion der Kanäle und konnte ausmachen, dass auch er dem kleinen Kanal folgte, durch den sein Blut strömte. Mein Herz raste schneller und schneller, als sich unsere Körperflüssigkeiten in der Mitte vereinten, ein gewaltiges Rumsen zu hören war, uns die Wiederharken freigaben und sich das schwere Tor nach Innen öffnete.
Als hätte etwas meine Hand abgehackt, zog ich sie panisch an mich, begutachtete kurz den kleinen Stich in meiner Handfläche, doch schweifte direkt wieder zum Tor ab, das mittlerweile komplett offen stand. Stocksteif und regungslos verharrte ich auf der Stelle und starrte in die monströs und erdrückend scheinende Dunkel, die mich erschaudern ließ. Alles in mir sträubte dich dagegen auch nur einen Fuß dort hinein zu setzten und trotzdem spürte ich eine Art unsichtbare, aber starke Macht, die mich zu sich hin zog. Tief ins Innere des Ungewissen. Falls es der Ring war, der sich so auf mich auswirkte, stellte sich mir ehrlich die Frage warum. Denn er war mein Untergang, mein Gegner und er sollte mich nicht beeinflussen.
Gruseliges Heulen und andere undefinierbare Geräusche hallten uns entgegen, brachten mich dazu mich ganz schwach und winzig zu fühlen und das einzige, was ich in diesem Moment wollte, war Zuhause zu sein, in meinem warmen, kuscheligen Bett mit einem heißen Kakao und meinen Lieblingsfilmen. Wenn ich doch nur nie das Haus verlassen hätte...
Auch Milo und Theo wagten vorerst nur vorsichtige Blicke hinein in die Schwärze. Keiner wusste, was uns dort drinnen erwarten würde, ob mehr Monster auf uns lauerten oder Dinge, auf die wir nicht vorbereitet waren. Na ja, ich war auf gar nichts von all dem hier vorbereitet gewesen. "Was könnte mich jetzt noch schocken, richtig?", dachte ich zittrig und pulte unsicher an meinen Fingernägeln.
Fokussiert kramte Theo einige Taschenlampen aus seinem Rucksack und warf mir eine davon zu, wo bei ich mich extrem erschreckte, da mein Kopf kaum bei der Sache war.
"Dann mal los.", beschloss er, schaltete das Licht ein und begab sich als ester hinein. Ich zögerte, schluckte schwer, atmete tief durch und folgte ihm dann schließlich. Verängstigt, mit halb geschlossenen Augen und sehr langsam, aber ich lief ihm hinterher. Milo begab sich dann auch hinter mich und so begann unser Irren durch den finsteren Tempel. Direkt hinter dem Tor war zuerst nichts als ein breiter Gang gewesen. Nur zwei Wände, eine Decke und der staubiger Sandsteinboden unter unseren Füßen. Mit jedem weiteren Schritt wurde diese anziehende Macht stärker und ich hätte alles dafür gegeben, jetzt Theo's Hand halten zu können. Ihm vielleicht ein letztes Mal nahe sein zu können. Ich fühlte mich verloren, durcheinander und bei jedem klitzekleinen Geräusch zuckte ich zusammen.
Käfer krabbelten um uns herum, Spinnennetze, die fast einen halben Meter groß waren, versperrten uns halb den Weg und sonst war es totenstill. Diese Stille war meiner Meinung nach noch beunruhigender, als das Grölen von irgendwelchen Kreaturen, denn so wussten wir nicht, ob wir alleine waren oder sie nur darauf warteten uns endlich anzugreifen.
Als wir das Ende des Ganges erreichten, nach vielleicht zwei Minuten Marsch, standen wir auch schon im Herzen des Tempels. Keine verwirrenden Weggabelungen, keine Monster, keine Fallen. Und das gefiel mir ganz und gar nicht. Ich hatte mehr erwartet und konnte mir kaum vorstellen, dass es so einfach sein konnte, den Ring zu besorgen, ohne auf irgendwelche Schwierigkeiten zu stoßen. Die Fomori konnten nicht die einzige Schutzmaßnahme gewesen sein, dazu war er viel zu wertvoll. Also sollte ich lieber aufmerksam bleiben, egal wie viel Angstschweiß noch immer meine Stirn hinunterfloss. Leichtsinnigkeit würde bestraft werden, so viel war sicher.
Den Raum, in dem wir uns nun befanden, konnte man sich ähnlich wie das Innere eines alten griechischen Tempels vorstellen. Er war quadratisch symmetrisch und ca. eineinhalb Meter von der Wand entfernt, stiegen ionische Säulen in die Höhe und stützten einen Teil der Decke. Der Rest der Decke ragte eher pyramidenförmig nach oben, wo in der Mitte ein kleines Fenster den Mondschein hindurch ließ, der dann die Mitte des Raumes traf. Und genau dort stand ein Sockel auf einem Podest, auf dem der Ring in einer kleinen Halterung befestigt war. Er war mir direkt ins Auge gefallen, da einerseits sonst alles ziemlich leer zu sein schien und das gespiegelt Licht den Ring glänzen ließ, sodass es blendete.
Milo war der erste, der nicht großartig nachdachte und auf den Sockel zustürmen wollte. Doch Theo hatte wohl ähnlich gedacht wie ich, packte seinen Arm und zog ihn zu uns zurück.
"Warte. Es wäre zu nicht klug ohne Rücksicht loszurennen.", meinte dieser und ausnahmsweise stimmte ich ihm zu. "Wir sollten uns lieber langsam bewegen und aufpassen."
In einer Reihe wagten wir die ersten Schritte zu unserem Ziel. Wirklich sehr vorsichtig, versuchten wir nur in unsere eigenen Fußstapfen zu treten und blickten uns dabei gründlich um. Ich wusste nicht genau, was mir in diesem Moment mehr Sorge bereitete. Der Aspekt jede Sekunde überrascht werden zu können und draufzugehen oder dass wir nur noch wenige Meter von meinem Untergang entfernt waren und ich schnell handeln musste, kämpfen musste, um mich zu befreien. Doch ich durfte nicht den Fokus verlieren, sonst würde es mich mein Leben kosten. Meine abschweifenden Gedanken mussten jetzt einfach ignoriert und mein rasender Puls gesenkt werden. Zweites könnte da leider etwas mehr Probleme machen. Ich war aufgeregt und das raubte mir den Atem und etwas meiner Konzentration.
Mein Herz hämmerte wie ein Maschinengewehr in meinen Ohren und ich bildetet mir auch schon wieder die komischsten Dinge ein. Ich sah doch tatsächlich auf der linken Seite hinter den Säulen ein verrottetes, altes Skelett, das auf einem Speer aufgespießt an der Wand hing. Zügig blickte ich zur anderen Seite, erfasste dort jedoch kleine Löcher in Wand und führte blitzschnell eins zum anderen.
"Theo, stopp!", schrie ich da auch schon, woraufhin er sich verwirrt umdrehte, es aber zu spät war, als eine Bodenplatte unter seinem Fuß nachgab und ich dachte an einem Herzinfarkt sterben zu müssen. "RUNTER!"
Ohne zu zögern duckten sich alle auf den Boden. Einen Augenblick später und wir hätten geendet wie unser kleiner Freund dort, denn kaum war die Platte ganz unten, schossen messerscharfe Speere aus den Öffnungen und verfehlten uns nur um Haares breite. Na ja, auf jeden Fall die meisten. Einer der Speere streifte meinen Rücken, riss mein Shirt kaputt und schnitt mir in die Haut. Auch wenn es höllisch wehtat, konnte ich von Glück reden, dass der Schnitt nicht tief war. Trotzdem kam mir dieser Schmerz leider nur all zu bekannt vor. Es brannte und zwar extrem stark. Die Spitzen waren in Eisenhut getränkt...
"Danke...", keuchte Theo ebenso durch die Wind wie ich, mit dem Unterschied, dass ich versuchte so schnell es ging das Gift mit meinem Shirt aus der Wunde zu tupfen. Es würde mich nicht umbringen, da war ich mir ja immerhin sicher, aber es würde mich schwächen und das konnte ich mir nicht leisten. Nicht heute. Da wir Vollmond hatten stand die Chance jedoch gut, dass es besser heilen würde und vielleicht würde diese geringe Menge Eisenhut auch kaum Auswirkungen auf mich haben.
"Ist alles in Ordung? Du blutest ja.", stellte Milo fest, der mir auf half und dabei auf meinen Rücken deutete.
Für mich war jedoch klar, dass ich nichts vom Gift erzählen wollte. Es würde nur unnötigen Stress auslösen und mir einen Nachteil im Kampf einbringen, weshalb ich flüchtig "Ja, ja. Ist nur ein kleiner Schnitt. Nichts weiter. Ich beginne schon zu heilen." sagte und so unschuldig spielte wie möglich.
"Bist du dir sicher? Du bist ganz schön am schwitzen.", vergewisserte sich Theo etwas skeptisch, was ich jedoch bestens kontern konnte.
"Das liegt vielleicht daran, dass wir grade beinahe wie Vampire aufgespießt wurden!" und dabei beließ er es.
Auf dem restlichen Weg lösten wir zum Glück keine weiteren Fallen aus, was mich einerseits erleichterte, andererseits aber auch beunruhigte, denn das bedeutete, dass ich mich gleich vor Theo quer stellen musste, um ihm den Weg zum Ring zu versperren, was alles andere als einfach werden würde. Fast waren wir da, der Moment rückte immer näher und trotzdem schaffte ich es mal wieder in meine Gedanken abzuschweifen, obwohl ich genau das verhindern wollte. Darauf hatte ich die ganze Zeit über hingearbeitet. Mir mein Leben zurück zu holen. Doch es gab noch sie viele Fragen, die ich hatte. So viel was mir im Weg stand, so viel Verunsicherung.
Was hatten meine Träume zu bedeuten, die ich so oft in der Vergangenheit gehabt hatte? Wer oder was suchte mich und warum? War ich überhaupt bereit hierfür, war ich stark genug? Und was würde geschehen, wenn ich es tatsächlich schaffte? Ich war mir nicht mal sicher, ob ich es überhaupt tun konnte, da ich in Theo zum Teil immer noch den Jungen sah, den ich vor Wochen kennengelernt hatte. Ich wusste, dass er es höchstwahrscheinlich nicht wert war, er sich nicht ändern würde, vor allem nicht für mich, aber ein geringer Teil von mir wollte ihm noch eine Chance geben, wollte nicht begreifen, dass er durch und durch böse war. Ich spürte noch immer seine zarten Berührungen, seine weichen Lippen auf meinen. Wie von selbst streichelte ich leicht über sie. Doch genau so intensiv fühlte ich auch den ganzen Schmerz, das Leid, dass er mit zugefügt hatte. Die Messerschnitte und das Tau um meinen Hals. Nie hatte mich jemand so sehr verletzt und war mit gleichzeitig so sehr unter die Haut gegangen...
Ein Blick nach vorn zeigte mir, dass ich schon viel zu lange weggetreten war, denn Theo hatte den Sockel beinahe erreicht, schreckte bereits triumphierend die Hand nach dem Ring aus. So blieb mir nichts anderes übrig, als ihn aufzuhalten.
"HALT!", schrie ich auch schon, rannte auf ihn zu und stieß ihn weg vom Podest.
"Hey! Was soll den das?", fauchte er nur fragend zurück, rappelte sich auf und klopfte sich den Dreck von der Kleidung.
"Ich kann nicht zulassen, dass du ihn bekommst. Dass du mich noch weiter zerstörst." Oh, was habe ich zu zittern begonnen, als er daraufhin erst zornig zu mir aufblickte und dann böse zu grinsen anfing, was seinen Augen ein gefährlich Funkeln verlieh und mich bis in den Grund einschüchterte. Das helle Mondlicht kribbelte dabei auf meiner Haut sowie auch der Eisenhut noch etwas brannte. Ich konnte nur hoffen, dass ich nicht alles schlimmer gemacht hatte und meine Kraft mich jetzt nicht im Stich ließ.
"So so.", meinte Theo ruhig. "Die kleine Werwölfin weigert sich schließlich doch und denkt, sie könnte mich daran hindern, das zu bekommen, was ich will. Und wie hast du dir vorgestellt das anzustellen?"
Allein, dass er so verdammt ruhig blieb, mich nur betrachtete und auf eine Antwort wartete, setzte mich höllisch unter Druck. Denn, ja, wie wollte ich das anstellen? Ich hätte mir im Vorfeld vielleicht einen detaillierteren Plan als 'einfach kämpfen' machen sollen, aber dafür war es nun zu spät. Ich stand dort, stumm, panisch und hilflos und musste endlich irgendwelche Worte aus meinem Mund bekommen. Ich schluckte schwer, schloss kurz die Augen und begann dann zu sprechen.
"Theo, ich weiß, dass da ein kleines Quäntchen Gutes in dir steckt. Du musst es nur rauslassen. Hast du denn nie so etwas wie Reue, Liebe oder Glück verspürt? Es muss doch wenigstens einen schönen Augenblick in deinem Leben geben haben. Bitte, ich möchte dir nicht wehtun. Ich will nicht mit dir kämpfen." Bei meinen letzten Worte fühlte ich, wie sich meine Augen langsam mit Tränen füllten, wie ehrlich ich alles gemeint hatte. Ich liebte ihn, ich liebte das Monster, das mich entführt und gefoltert hatte, jedoch konnte ich sehen, dass er nicht so empfand.
"Das ist dein Plan? Versuchen irgendwie Gefühle in mir zu wecken, damit ich mich schlecht fühle und aufgebe?", wollte er spöttisch wissen und verkneift sich in Gelächter auszubrechen. "Schätzchen, das haben schon viele versucht. Ich werde mich nicht ändern. Egal was du auch probierst, es wird keine Wirkung auf mich haben. Lass es lieber gleich und komm von dem Ring weg, bevor es noch unschön wird."
Nun liefen endgültig die Tränen meine Wangen hinunter und verletzt wischte ich sie beiseite. Ich konnte wenigstens von mir behaupten, ich hätte alles versucht, doch das machte es auch nicht besser. Ich war innerlich zerbrochen, ausgehüllt und musste damit abfinden ihn töten zu müssen, um andere und mich zu retten. Auch wenn es sich so anfühlte, als wäre ein Teil von mir gestorben, als ich dies einsah, wusste ich, dass ich keine andere Wahl hatte.
"Nein, ich werde ihn dir nicht überlassen. Ich werde kämpfen und du wirst mich nicht töten. Der Ring ohne mich ist lediglich ein stinknormaler Ring. Das würdest du nicht riskieren.", stellte ich deutlich klar und sofort konnte ich die Wut erkennen, die in ihm zu brodeln begann.
"Wie du willst...", knurrte er aufgebracht, brüllte lautstark während seiner Verwandlung und rannte mit gezückten Krallen auf mich zu. Auch Milo, der bisher nur still daneben gestanden und sich alles angehört hatte, war bereit einzugreifen und sich ebenfalls auf mich zu stürzen, als Theo ihn jedoch aufhielt und meinte, dies sei eine Sache zwischen ihm und mir allein. Falls es aber zu Schwierigkeiten kommen würde, würde er ihn von der Leine lassen.
Ich fragte mich, ob diese Entscheidung von ihm nun dumm oder mutig war, denn er schien sich ziemlich sicher zu sein mich zu besiegen, was ich aber nicht auf mir sitzen lassen wollen würde. Schnell warf ich diese Frage beiseite, denn ich hatte ein anderes Problem. Ein tobender Werkojote, der geradewegs auf mich zu kam. In Gedanken betete ich, dass ich in der Lage war meine Kraft zu nutzen, obwohl ich überzeugter Atheist war. Und trotzdem schien es mir grade richtig, um Hilfe und etwas Glück zu bitten. Noch immer stand ich im Mondschein, schloss kurz die Augen, um die Macht zu spüren, konzentrierte mich nur auf meine Verwandlung. Und als ich dann die Augen wieder öffnete, fühlte wie sie glühten, konnte ich nicht anders als zu lächeln, die ganze Kraft in mir zu sammeln und schließlich überzeugt und komplett verwandelt in Theo's Richtung zu laufen.
Mit einem weiten Sprung schnellten wir aufeinander zu, unsere Schlägen trafen sich und waren so ähnlich kraftvoll, dass sie sich quasi gegenseitig auslöschten und wir beide ohne einen Kratzer wieder auf den Füßen landeten. Das Gift des Eisenhutes war kaum noch spürbar, zu viel Adrenalin wurde durch meinen Körper gepumpt. Ich hatte die komplette Kontrolle, glaubte fest, dass ich es schaffen würde und so ging der Kampf weiter. Das, was hier geschah, würde ihn Geschichtsbüchern wahrscheinlich als epische Schlacht beschrieben werden, auch wenn sie eher brutal und blutig erschien als wirklich episch.
Viele Male brachte ich ihn zu Boden, verpasste ihm tiefe Wunden, die kaum Zeit zum Heilen hatten, doch oft steckte auch ich ein. Die Kleidung zerrissen, Schnitte die brannten und nur so vor Blut trieften und trotzdem gab ich mich nicht geschlagen. Ich war verdammt nochmal eine Auserwählte, der besondere Werwolf und ich war stärker als er! Er würde nicht derjenige sein, der mir mein Leben ruinierte, der die ganze Welt unterjochen würde. Nicht Theo Raeken.
Jeder weitere Angriff zerrte zwar etwas an meiner Ausdauer, die Beine und Arme wurden schwerer, doch ihm ging es nicht anders. Jeder weitere Angriff ließ aber auch meinen Stolz wachsen, ließ mich reifer werden, ich wuchs weiter über mich hinaus. Als Mensch. Als Tandy. Und wie befohlen waren es nur wir zwei, die sich gegenseitig zerfetzten, uns gegen Wände schleuderten und uns Knochen brachen. Auf jeden Fall bis zu diesem einen Moment.
"Oke, du hast gewonnen. Ich gebe mich geschlagen.", sagte Theo nämlich plötzlich völlig aus der Puste.
Ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Er war nicht der Typ, der einfach aufgab, doch leider konnte ich seine Taktik dahinter noch nicht erkennen. Vielleicht wollte er eine Pause, vielleicht aber auch nicht. Klar war jedoch, dass er mich ablenken wollte, mich verwirren wollte und für diesen einen kleinen Moment schaffte er es eben auch. Ich war kurz unaufmerksam, versuchte meine Gedanken zu seinem Manöver zu sortieren und da bemerkte ich erst zu spät, dass Milo nicht in Sichtweite war, sondern sich unauffällig hinter mich geschlichen und blitzschnell seinen Kanimaschwanz um meinen Hals geschlungen hatte, mit dem er mich vom Boden hob und ich so weder eine Chance hatte richtig zu atmen, noch mich zu wehren. Zappelnd hing ich dort, versuchte mich zu lösen, zerfledderte seinen Schwanz mit meinen roten Klauen, doch es half nichts. Endgültig vorbei war es dann, als ich ein Kratzen im Nacken spürte, Milo mich frei gab und ich gelähmt zu Boden fiel.
Grinsend spuckte Theo etwas Blut aus seinem Mund und wischte seine dreckigen Hände an seiner Hose ab. Vergnügt blickte er zu mir herab, lachte auf und erfreute sich an seinem unfairen Sieg. "Ich sagte doch, ich bekomme immer, was ich will. Nicht mal du konntest mich aufhalten, auch wenn ich zugeben muss, dass ich es ohne Milo vermutlich nicht geschafft hätte. Aber lass uns keine Zeit mehr verschwenden, mein Augenblick ist gekommen."
So ein verdammter Mist! Dieser hinterlistige Dreckskerl! Ich hätte es geschafft, ich war so nah dran gewesen... Eigentlich hätte es kaum besser laufen können. Ich hatte mich endlich unter Kontrolle gehabt, meine Chancen standen mehr als gut und trotzdem hatte ich es vermasselt. Meine Verzweiflung war groß, von der Enttäuschung mal ganz abgesehen. Die Tränen waren nicht aufzuhalten, wäre ich nicht gelähmt gewesen, hätte mich vor innerem Schmerz zusammengekauert und verkrampft. Mein Schicksal war besiegelt, alles würde sich nun alles ändern und es war meine Schuld. Es war meine Schuld, dass unschuldige Menschen sterben würden.
Diese Last war zu gewaltig, sie erdrückte mich und deshalb dachte ich, dass es das Beste wäre, wenn Theo endlich den Ring umnahm und die Sorgen mit einem Mal verschwinden würden. Dass die wahre Tandy verschwinden würde und ich weniger über diesen Schaden nachdenken müsste. Grade tat einfach alles weh, mein Körper, meine Seele, mein Herz. Sogar das Atmen wurde schwer. Es war wie ein zweiter Tod, nur dass ich nicht tot war. Vielleicht war es sogar schlimmer, aber ändern konnte ich es auch nicht mehr. Ich hatte versagt...
Deshalb schloss ich einfach die Augen, als Theo auf den Sockel zuschritt. Das sollte nicht mein letzter Anblick werden. Nicht er.
Doch schlagartig öffnete ich sie wieder, als ein riesiger Knall zu hören war, ich geschockt zum Eingang des Tempels blickte und nicht glauben konnte, was ich dort sah.
"Theo! Geh sofort von dem Ring weg!"
Freudentränen strömten mein Gesicht hinunter, als ich doch tatsächlich das Pack vor mir stehen sah. Scott, Stiles, Malia, Lydia und Liam. Sie waren wirklich hier! Nie hatte ich sie alle gesehen, außer Scott und Liam natürlich, aber ich hatte schon so viel von ihnen gehört, seit ich vom Übernatürlichen wusste. Und sie kamen nicht allein. Mister Argent war auch dort und... Peter? Oh mein Gott, Peter lebte und er half mich zu retten! Wie zum Teufel konnte das bitte möglich sein!? Ich war überwältigt und unendlich Dankbar für das Erscheinen von jedem einzelnen.
Jedoch kam das Unfassbarste erst noch. Hinten aus dem Schatten tapste der schwarze Wolf aus meinen Träumen hervor und verwandelte sich vor allen anderen in eine braunhaarige, erwachsene Frau.
Ich war sprachlos, wusste nicht wie mir geschah, aber spürte, dass jetzt alles gut werden würde. Die Präsens dieser Frau war stark und gab mir ein vertrautes Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, ich fühlte mich zuhause. Ich war gerettet...
Hallo 👋🏻
Oh man, nach einem Monat hab ich es endlich geschafft das inoffiziell letzte Kapitel zusende zu schreiben. Ganze 4052 Wörter sind es geworden! Ich habe echt lange dran gesessen, viel Arbeit rein gesteckt und hoffe, dass es euch so gefällt, wie es geworden ist.🥰
Tut mir leid, wegen des Cliffhangers, aber Spannung muss trotz des Endes sein. Der Epilog wird vermutlich nicht so lang wie die Kapitel, aber es wird eine Menge erklärt, weshalb ich empfehle sie zu lesen, wenn ihr die Antwort auf offene Fragen wissen möchtet.
Schon mal im Voraus danke an alle, die mich bis hier hin begleitet haben und immer dabei waren. Ihr seit klasse!❤️
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