Teuflische Pläne

„Der König ist tot, lang lebe der König", riefen meine sechs Gefährten im Einklang, als sie mir die Krone überreichten.

Unser Umsturz war ein blutiger, aber notwendiger gewesen. Immerhin hatte der Kontinent nun schon lange genug unter der Herrschaft des soeben geköpften Königs gelitten. Er war zudem ein Dämon gewesen – eine nicht zu übersehende Tatsache.

Dämonen gab es schon seit Menschengedenken. Sie nisteten sich gekonnt in Gesellschaften ein und lebten normalerweise zum Leidwesen ihrer Mitmenschen. Deren dämonische Präsenz wurde hierbei nur von ein paar wenigen wahrgenommen, wenn überhaupt. Erfahrene Dämonen waren auch in der Lage, ihre Präsenz vollkommen vor der Menschheit zu verbergen, wenn sie wie Menschen dachten, fühlten und agierten. Sie waren dann nur durch ihresgleichen erkennbar. Besonders solch bewandte Dämonen konnten eine große Gefahr darstellen. Aber natürlich waren bereits ihre untalentierteren Brüder und Schwester ernst zu nehmen. Und so machte es sich ein kleiner Teil der Menschen mit ihren speziellen Fähigkeiten zur Aufgabe, Dämonen ausfindig zu machen und zu töten.

Ich war ebenfalls ein solcher Dämonenjäger. Noch als ich ein kleiner Junge gewesen war, hatte mich einer der stärksten Dämonenjäger unter seine Fittiche genommen. Nun war ich einer der stärksten. Zudem hatte ich die letzten lebendigen Dämonenjäger unter meinem Banner zusammengeführt, um besser gegen die dämonische Bedrohung vorgehen zu können. Und ich war bis jetzt äußerst erfolgreich mit meinem Vorhaben.

Mein ehemaliger Meister war seinem endgültigen Schicksal während einer unser Dämonenjagden begegnet. Wenn er noch leben würde, wäre er sicherlich von enormen Stolz erfüllt, wenn er mich jetzt so sehen könnte. Mit meiner Truppe von Dämonenjägern hatte ich fast alle Dämonen auf dem Kontinent auslöschen können. Und nun war ich auch zu dessen König ernannt worden. Der Kontinent war zum ersten Mal in der Geschichte in den Händen von Dämonenjägern, den Beschützern der Menschheit. Eine glorreiche Zeit schien bevorzustehen.

Das einzige, mit dem ich keinen Erfolg hatte, war die Liebe. In meiner Jugend hatte es einmal ein Mädchen gegeben, welches ich wahrlich geliebt hatte. Sie war auch der Grund gewesen, warum ich mich von Grund auf ändern wollte. Doch scheinbar hatte das Schicksal unsere Liebe nicht zulassen wollen. Kurz darauf hatte sie auch den Tod gefunden.

Es waren wahrlich viele schlimme Dinge in meiner Vergangenheit passiert. Wie dem auch sei, in Zukunft würde ich wahrscheinlich nicht mehr die Gelegenheit dafür haben, darüber nachzudenken. Immerhin wurde mir gerade eben die Aufgabe zuteil, die Geschicke eines riesigen Königreiches zu lenken. Außerdem hatte ich vor, mein altes Leben ein für alle Mal zurückzulassen. Es war an der Zeit, meiner wahren Bestimmung gegenüberzutreten.

***

Wie damals stürmten sie in den Thronsaal. Nur dass ich dieses Mal derjenige war, den es zu stürzen galt.

„Senkt eure Waffen und zieht euch zurück", befahl ich sofort meiner persönlichen Leibgarde in Anbetracht dessen, dass sie keine Herausforderung für die Eindringlinge darstellten. Das wussten sie auch.

„Herr, Ihr habt immer gut für uns und das Königreich gesorgt. Lasst uns nun für Euch kämpfen, auch wenn das unseren Tod bedeutet", entgegnete einer meiner treuesten Wachen. Die anderen nickten auf seine Worte hin und waren ebenfalls bereit, soweit für mein Leben zu gehen.

„Ich schätze euren Einsatz zutiefst. Doch lieber verwehre ich euch diese Ehre und lasse euch heil zu euren Familien zurückkehren. Nun geht."

Sie bissen die Zähne zusammen und waren sich uneins. Die Eindringlinge wandelten indessen gelassen auf den Thron zu, kampfbereit wie ihre Waffen. Und sie würden nicht zögern, sie gegen meine Männer einzusetzen, falls nötig. „Geht! Das ist ein Befehl", scheuchte ich sie schlussendlich davon.

Während sie daraufhin den Thronsaal verließen, sprach ich mit meinem persönlichen Berater: „Es ist Eure Entscheidung, ob Ihr gehen wollt oder nicht. Doch seid Euch gewiss, dass sie für meinen Kopf gekommen sind, nicht für den Euren."

„Ich werde an der Seite des Königs bleiben", antwortete er ohne Umschweife.

Eine gewisse Freude erfüllte mich, als ich das zu hören bekam. „Nun gut."

Nachdem man meine Männer hatte ziehen lassen und wir nun allein waren, wandte ich mich an die Eindringlinge: „Vielen Dank, dass ihr sie verschont habt."

„Gewiss doch", antwortete sogleich die Bogenschützin unter ihnen schnippisch. „Wie ihr bereits sagtet, sind wir bloß für Euren Kopf gekommen."

Sie waren insgesamt zu fünft. Da war zum Einen unser aller Lehrmeister und der Älteste von uns, Fadir genannt. Zum anderen Aries, das einzige weibliche Mitglied in unserer Truppe aus Dämonenjägern und zudem eine verflucht talentierte Bogenschützin. Die anderen Drei waren ebenfalls angemessen begabte Dämonenjäger. Was mir an ihnen jedoch nicht gefiel, war ihr feiges Misstrauen mir gegenüber, welches vor Kurzem in ihnen aufgekeimt war.

Zugegeben hatte ich immer ein schlechtes Gefühl, was diese Drei anbelangte. Nur zu gerne hörten sie sich meines Wissens die Flausen von Svikull an, die er ihnen anscheinend erfolgreich in den Kopf gesetzt hatte. Es wunderte mich also nicht, dass sie heute hier waren. Aber von Aries und Fadir erwartete ich als letztes einen Verrat, denen es zu verdanken war, dass sich diese Gruppe von Verrätern erst hier zusammengefunden hatte.

„Und warum wollt ihr den Kopf des Königs?", fragte mein Berater an meiner Stelle.

„Weil er ein Dämon ist, genau wie der zuvor."

Ich erhob mich und stellte mich neben meinen Berater hin. „Ihr habt sicherlich Anlass genug für euren Verrat. Doch schmerzt es mich sehr, dass meine engsten Gefährten plötzlich denken, ich sei ein Dämon. Was bringt euch dazu?"

Der kühle Stahl einer Klinge berührte plötzlich meinen Hals. Und dann beantwortete mein Berater die soeben gestellte Frage: „Ich habe sie dazu gebracht." Mein fragendes Augenpaar wich auf ihn hinüber. Dann fuhr er fort: „Nachdem du mich zu deinem Berater auserkoren hast, hatte ich Gelegenheit, Dinge zu sehen, die andere nicht sehen konnten. Und wie sich im Zuge dessen herausgestellt hat, bist du nichts anderes als ein Wolf im Schafspelz."

Im Inneren musste ich schmunzeln. Nach außen hin ließ ich mir davon aber nichts anmerken und sprach im neutralen Ton: „Es stimmt also: Vertrauen aufzubauen ist der erste Schritt für den perfekten Verrat."

Er warf mir ein schelmisches Lächeln zu und wusste nicht, was ihm bevorstand. Ich lächelte zurück, was ihn etwas aus der Fassung brachte.

„Blendin hatte also Recht mit seinen Worten", sprach da Aries und lähmte Svikull damit förmlich. In seiner Unachtsamkeit stieß ich ihn vorsichtig von mir weg, woraufhin er zuerst mich und dann die anderen ungläubig anblickte. „Ja, Svikull, du bist in der Wahrheit der Dämon unter uns. Blendin hat vorhergesehen, dass du bei diesem inszenierten Verrat dein wahres Gesicht zeigen wirst."

Er vermochte nicht zu widersprechen, auch da sich nun der einsichtigste der drei mir Misstrauenden, einmischte: „Aries, du hast gesagt, dass die Wahrheit offenbart und dass der Dämon in unseren Reihen ausgeschaltet wird, wenn wir dir und Fadir folgen. In der Tat bekommen wir jetzt ein interessantes Bild zu sehen. Aber beweisen tut es nichts. Wenn wir ihn jetzt töten, verletzen wir nur unseren Codex."

„Da hast du wahrlich recht", warf Fadir ruhig ein. „Aber bedenkt, dass Svikull sofort bereit war, Blendin zu töten, obwohl er weder von unserem Plan wusste noch einen handfesten Beweis für seine angebliche dämonische Existenz hatte. Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass er ein Dämon ist, auch wenn wir seine Präsenz nicht fühlen können."

„D- Das war also nichts Weiteres als eine Farce?", stammelte Svikull daraufhin.

Keiner gab ihm eine Antwort, und ich dachte mir nur meinen Teil.

[Ja, das war es. Von mir in die Wege geleitet, um dich problemlos zu töten. Aber das war erst der Anfang.]

Bevor er noch mehr sagen konnte, bohrte sich ein Schwert von hinten durch seinen Oberkörper und kam mit einem Schwall Blut wieder auf der Höhe seines Herzens hervor. Er ächzte, und fiel gleich darauf in sich zusammen, als ich nach ein paar Augenblicken meine Klinge aus seinem Fleisch zog.

[Welch eine Freude zu sehen, wie du die letzten Lebensgeister deiner erbärmlichen Existenz in einer Lache deines eigenen Blutes aushauchst.]

Fast schon kam mir ein Grinsen auf die Lippen, als ich ihn inständig dabei beobachtete, wie er so aus dem Leben trat. Da verwandelte sich sein sterbender Körper auch schon in glühende Asche, der ultimative Beweis dafür, dass er ein Dämon gewesen war.

[Endlich ist es vollbracht. Endlich habe ich den letzten Dämonen auf dem Kontinent getötet. Nun wird es Zeit für den nächsten Schritt.]

Mit gefühlsloser Miene schaute ich sodann auf den Rest meiner Gefährten und strömte dabei eine kalte Aura aus. Nur Aries war in der Lage auf mein Tun mit etwas anderem als sonderlicher Lähmung zu reagieren.

Augenblicklich spannte sie die Sehne ihres Bogens und zielte mit einem ihrer dämonentötenden Spezialpfeile auf mich. „Was tut ihr denn?!", rief sie den anderen zu in der Hoffnung sie würden sehen, was sie soeben erkannt hatte. „Er ist ebenfalls ein Dämon."

„A- Aber ... Das macht doch keinen Sinn, Aries", erhob Fadir seine Stimme, und setzte sich somit für mich ein.

„Es macht auch keinen Sinn, dass Blendin plötzlich gegen unser aller Codex verstößt, den er doch selbst so hoch gelobt hatte. Bitte glaubt mir, Meister. Gleich nach dem er Svikull getötet hat, konnte ich eine immens starke, dämonische Präsenz wahrnehmen. Warum Ihr nicht?"

„Ist das denn wahr, Blendin?", wandte er sich daraufhin an mich und hielt die anderen zurück, mich auf der Stelle anzugreifen.

Ich schmunzelte. „Möget Ihr auch noch der stärkste Kämpfer in unserer Truppe sein, hat das Alter und Eure Fürsorge uns allen gegenüber wahrlich Eure Sinne getrübt." Meine folgenden Worte richtete ich an den Rest der Gruppe: „Sie hat Recht, Ich bin ein Dämon. Der letzte, den Ihr zu sehen bekommt."

„Felachim hat dich aufgezogen, dich bis zu seinem Tod ausgebildet. Warum? Und warum alles, was danach geschehen ist? Niemals hätte ein Dämon ein solches Leben führen können. Und ..." Tränen machten sich in seinen Augen, die schon etliche Falten umgaben, bemerkbar. „Nach seinem Tod bist du mir wie ein Sohn ans Herz gewachsen. Warum?"

Sie begegneten ihm mit mitfühlenden Blicken. Ich hingegen antwortete ihm eiskalt: „Er mag zwar Euer bester Freund gewesen sein, aber dennoch hatte er Geheimnisse vor Euch, alter Mann. So wie ich auch." Er riss seine Augen weit auf, und ich konnte spüren, dass er nun die Wahrheit erkannte. „Ganz genau. Euer Freund Felachim ist durch meine Hand ums Leben gekommen."

Eine Welt brach für ihn zusammen. Währenddessen prasselten etliche Fragen und Selbstzweifel wie kalter Regen auf ihn ein, die er sich auf die Schnelle nicht zu beantworten vermochte. Die Menschen um ihn schienen von seiner Misere in den Bann gezogen zu werden. Ein Moment, den ich nur zu sehnsüchtig erwartet hatte.

Ein fleischiges Klatschen brach die Stille. Frisches Blut sprudelte aus Fadirs Mund hervor. Kurz darauf ging er zu Boden, mit meinem Schwert im Hals, welches ich mit meinen dämonischen Kräften in seinem schwächsten Moment nach ihn geschleudert hatte.

„W- Wie konntest du nur?! Ich habe dir vertraut!", brüllte Aries als Antwort, und ließ gleich darauf ihren Pfeil auf mich los, den ich mit einer gelassenen Handbewegung von mir abwandte. Als sie den nächsten einspannte, rief sie die anderen mit all ihrer Macht zum Kampf auf, woraufhin sie auch gleich auf mich losstürmten.

Als sie sich mir so näherten, vergingen die nächste Momente wie in Zeitlupe für mich. Und ich erkannte, dass auch ich mir so einiges nicht klar beantworten konnte. Warum zum Beispiel war ich diesen Weg, den Weg eines Menschen, gegangen? Und wäre alles anders gekommen, wenn ich damals nicht von der Frau, die ich liebte, verraten worden wäre?

Das einzige, über das ich mir im Klaren war, war die Tatsache, dass dieser Kampf die Zukunft des Kontinents bestimmen würde. Und nun, da mein Plan Erfolg gehabt und ich die zwei stärksten Mitglieder der Dämonenjäger ausgeschaltet hatte, hatte ich auch eine Chance ihn zu gewinnen.


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