5. Weltengänger

Weiter und weiter hinauf ging es, an der Küste entlang. Dieses wurde immer und immer trockener, hohe Bäume, welche man Palmen nannte, die Menschen bekam eine etwas hellere Hautfarbe und Sand.

Dünen und sich ewig streckende Flächen aus Sand.

Der Wind wurde wieder rauer, trockener und auch meine Haare wurden wieder länger.

„Du willst mir wohl Konkurrenz machen", scherzte Strong, zwinkerte mir zu, was ich mit einem Schmunzeln quittierte, ansonsten aber nichts sagte.

Ich achtete nicht sonderlich auf mein Aussehen, hatte ich nie. Ja, ich rasierte mich, hielt es jedoch auch nicht mit dem warmen Bart bei diesem Wetter aus. Meine Haut ähnelte der viele Einheimischer, dunkel, aber rötlicher. Die bereits Kinnlangen Haare band ich mir zu einem Zopf nach hinten, ein kleiner Knubbel, der an meinem Hinterkopf war, aus dem sich manchmal einige Strähnen lösten.

Im Gegensatz zu Strong löste ich diesen nur wenn ich sie wusch oder schlief, ab und an auch abends, wenn ein kühler Wind ging.

Alles war fremd, die Menschen um mich herum, das Land, selbst die Schiffe. Nichts erinnerte mich mehr an meine Heimat, nichts schien davon geblieben und es war so weit entfernt, ein Punkt irgendwo am Horizont, wenn man lange genug fuhr.

Der Mann vor mir, mit den hellen, stechenden Augen, heller als der strahlende Himmel, dem fein geschwungenen, aber ausgeprägten Kiefer, der dunklen, glatten, leicht spannenden Haut, den breiten Schultern und den so erwachsenen Zügen war mir nach wie vor ein Unbekannter.

Nur im Entferntesten erinnerte ich mich an meinen Vater, hatte den Körperbau von ihm, mehr aber auch nicht.

Vor allem aber fehlte in meinen Augen dieser Schmerz, der ihn gequält und mich seit je her erschrocken hatte.

Leicht hob ich die große Hand, die von Hornhaut überzogenen Finger und strich abwesend über die kalte, glatte Oberfläche des Spiegels, als wäre dies lediglich ein Gespinst, welches ich einfach wegwischen könnte und sich dahinter etwas gänzlich anderes auftat.

Dass ich plötzlich wieder zuhause war und genau diese Vorstellung war beängstigend. Jedoch sah ich mir nach wie vor in die Augen, als ich die Hand wieder sinken ließ, seufzte erleichtert auf. „Kommst du endlich?", hämmerte Strong laut an die Tür und ich wandte mich ab und öffnete diese, ihm wortlos folgend.

„Starr sie nicht so an", ich wurde recht unsanft von rechts in meine Rippen gestoßen und zuckte dabei überrascht, aber auch zurück schreckend zusammen. Nur eine dünne Stoffschicht hatte den Körperkontakt von seinem Ellenbogen mit meinem Oberkörper verhindert und doch hatte ich mich so weit unter Kontrolle, dass lediglich mein Atem kurz flatterte, mir das Herz bis zum Hals schlug, sich aber langsam wieder beruhigte.

Ginger sah zwischen mir und der dunkelhaarigen Lady hin und her, beobachtete uns, wie wir einander ansahen. „Sie starrt ihn doch auch an, lass ihn doch", kam es von Strong, welcher wieder einmal in ein Glücksspiel vertieft war, bei welchem er erneut verlor.

Dass sie überhaupt noch jemand auf ein Spiel mit ihm einließ, obwohl er sicherlich schon seit geraumer Zeit nicht mehr zahlen konnte, jedoch immer mehr Schulden aufbaute, war erstaunlich.

„Und ich bekomme dann den Ärger, wenn sie zu einem der Offiziere oder gar dem Käpten geht und sich beschwert", zischte Ginger ihm zu und rammte mir erneut den Ellenbogen in die Seite.

Ich tat endgültig einen Schritt zur Seite um etwas Abstand zwischen uns zu bringen, sah ihn fragend an und wandte mich doch wieder dieser Frau zu. Sie hatte sich an das Geländer des oberen Decks gelehnt, ein charmantes Lächeln auf den Lippen, dabei mit dem Herrn an ihrer Seite redend und doch sah sie öfter hinab, als ihre Begleitung an.

„Sie scheint den Anblick doch zu genießen."

Und wieder wandte sie sich ab, starr dabei in meine Augen sehend und plötzlich dieses Lächeln auf den Lippen, dass ich zuvor nie an ihr gesehen hatte. Ein echtes Lächeln.

„Los Männer, Pause zu Ende."

So ging es Tag um Tag, wir standen mittags, während unserer Pause an dem gleichen Platz, aßen, rauchten und Strong verspielt sein Geld.

Und sie tauchte ein jedes Mal auf, sah hinab zu uns, immer eine andere Person an ihrer Seite, wobei des Öfteren eine Frau, Mitte vierzig dabei war, mit bereits ergrauendem Haar, eindringlich auf sie einsprechend, sehr vertraut und mit hoch gezogenen Augenbrauen uns musternd, als würde sie auf Dreck hinab sehen.

„Schrecklich, das ist ihre Mutter. Arrogant bis ins tiefste Mark", murmelte Ginger und zündete sich seine Pfeife an.

Er hustete ein paar Mal, entließ den Rauch ein paar Mal und begann dann in Ruhe zu rauchen, auch wenn seine Augen tränten.

Arrogant also.

Und dass es ihr scheinbar nicht gefiel wie ihre Tochter hinab sah, geschweige denn, dass sie jeden Tag einen anderen Herrn an ihrer Seite hatte, sah man ihr an.

Wieder sah sie mich an, die ältere Frau nicht beachtend und ich legte den Kopf leicht schief, leckte mir über die Lippen und fragte mich: „Was sie wohl für eine Augenfarbe hat?"

Ginger lachte auf und auch Strong entwich ein kehliges Lachen: „Sag bloß dich hat's erwischt?"

„Ich habe dir bereits gesagt, dass du sie dir abschminken kannst", meinte Ginger und schüttelte den Kopf.

„Es interessiert mich einfach...", murmelte ich, nicht verstehend, was genau die Beiden meinten, worauf sie anspielten. Zweideutiges Denken war mir noch nicht wirklich vertraut, von Jacque kannte ich es ein bisschen.

Erneut lachten sie und ich sah sie verwirrt an, wandte, nicht weiter nachhaken wollend, da ich durch ihre Antwort wahrscheinlich nur noch verwirrt wäre, wieder zu den zwei Frauen.

Ein Lächeln schien die Mundwinkel von ihr, von Lady, zu umspielen, dann wandte sie sich ab. Lady, passender hätte es nicht sein können.

Dunkel war es gewesen, die See ruhig und hell glänzten die Lichter der Stadt auf der Wasseroberfläche. Wir würden nur einen Tag in diesem Hafen halt machen, es war eine doch recht große, ansehnliche Stadt.

Die Häuser aus hellem Stein oder Lehm gebaut, unterschieden sich in ihrer Farbe nicht wirklich von der Erde. Noch gehörte diese Stadt jedoch nicht zu den Großstädten, sondern galt nach Gingers Aussage als Unzivilisiert und Klein. Wir würden größeres sehen und ich wusste nicht, ob ich mich davor fürchten sollte oder gespannt darauf warten wollte.

Die meisten Gäste waren von Bord, erkundeten die Gassen, saßen in Clubs oder Pubs oder strich über den nächtlichen Markt, mit all seinen Gewürzen, Tüchern, duftenden Speißen und schreienden Verkäufern, die um einen jeden Kunden kämpften.

Mittags hatte ich bereits die Umgebung erkundet, in der kurzen Pause, welche wir normalerweise an Deck verbrachten und ich wie die letzte Woche, wieder die Frau beobachten würde.

Ginger schien dies irgendwann akzeptiert zu haben, zumindest gingen ihm in den Diskussionen gegen Strong immer öfter die Argumente aus. Dass Strong aber sogar sein Glücksspiel und die enormen Schulden schön reden konnte, verdeutlichte seine Sprachgewandtheit.

Er konnte, zumindest so wie ich es empfand, jeden um den Finger wickeln.

„Wieso sind Sie nicht in irgendeinem Pub, wie der Rest der Mannschaft, um sich dort zu betrinken?", riss mich eine helle, klare, vor allem aber sehr anziehend wirkende Stimme aus meinen Gedanken.

Die Schritte hatte ich gehört, Absätze, klackernd, jedoch nicht zu laut. Da es jedoch auch einige Frauen auf diesem Deck gab, welche mit ihren hohen Schuhen durchaus laufen konnten und nicht trampelten, hatte ich mir nichts weiter dabei gedacht.

Die Zigarette, welche ich mir gerade gedreht und zwischen die Lippen gesteckt hatte, sog sich langsam aber sicher mit meinem Speichel voll, als ich mich überrascht der Dame zuwandte und im Dunkeln, lediglich von der kargen Außenbeleuchtung erhellt, zum ersten Mal in ihr bildschönes Gesicht sah.

Sie wirkte perfekt.

Ebenmäßige Züge, keine Narben, keine Falten, keine Unebenheiten, Muttermale oder Unreinheiten. Ein voller Mund, mit wunderschön geschwungenen Lippen, genau die richtige Größe, eine hübsche Stupsnase, jedoch nicht zu ausgeprägt und dann die großen Augen, welche mich in einem dunklen Blau beinahe starr, aber auch herausfordernd ansahen.

Ein leises Klicken, vor mir Flammte eine kleine Flamme auf und ich neigte mich ein Stück nach vorne, da sie mir doch nur bis etwa zum Kinn ging, um meine Zigarette zu entzünden, dabei jedoch nicht den Blick abwendend von ihr.

Leicht glühte das Ende meiner Zigarette auf, der Rauch kroch mir in den Mund, hinab in meine Lunge und wurde wieder mit einem Seufzen ausgestoßen. Sie sah mich an, ein Schmunzeln auf den Lippen, welches ich nicht deuten konnte und auch noch nie an ihr gesehen hatte.

Lady trug ein hübsches Abendkleid, nicht so weit ausfallend wie es die Damen tagsüber trugen, sondern wesentlich eleganter, aus seidenem Stoff und an ihrem Körper anliegend.

Ihre Haare hatte sie offen, in leichten Wellen über die Schultern fallen lassend und doch war der Abdruck einer Spange darin zu sehen.

Ihre Hände steckten in hellen Handschuhen, welche ihr bis über die Ellenbogen gingen und meiner Ansicht nach nicht zu dem roten Kleid passten. Ich fand ihre ganze Kleidung nicht ansprechend, zu pompös, auch wenn es schlicht wirkte, zu gestellt einfach.

„Sie scheinen wirklich nicht sehr gesprächig zu sein", nach wie vor hatte sie dieses Schmunzeln auf den dezent rot bemalten Lippen und musterte mich ohne sich dafür zu schämen, so wie ich es auch tat.

Ich zuckte mit den Schultern, wusste nicht so recht, ob ich etwas sagen sollte, noch wie ich mir diese Situation erklären konnte.

„Was tust du hier?"

Und schon hörte ich die Stimme meiner Mutter, wie sie mich ausschimpfte und sich bei der betroffenen Person entschuldigte, weil ich sie oder ihn einfach so mit Du angesprochen hatte.

Ihr Lächeln wurde eine Spur breiter, der Atem beschleunigte sich und sie fuhr sich mit den schmalen Fingern durch die Haare. „Ich langweile mich. In dem Festsaal ist mal wieder ein Ball, alle hohen Persönlichkeit sind fein angezogen, tanzen mit einander, reden über Belanglosigkeiten und versuchen sich selbst mit den Leuten geschäftlich gut zu stimmen, welche sie nicht ausstehen können", antwortete sie direkt und viel ausschweifender, als ich gedacht hatte.

Ein Ball?

Belanglosigkeiten?

Geschäftlich gut stimmen?

Ich verstand nicht wirklich, konnte mit diesen Worten nicht viel anfangen und erwiderte wieder nichts. Lady lehnte sich neben mir an die Rehling, sah hinab auf das Wasser und seufzte, nicht erleichtert oder entspannt, sondern beinahe sehnsüchtig.

„Du warst heute Mittag nicht da", sie sah mich nicht an, hatte den Kopf gehoben und blickte hinaus aufs Meer, in die Dunkelheit. Ich nickte.

„Hast du dir die Stadt angesehen? Ich meine nicht die Straßen, welche für Leute wie mich vorgesehen sind."

„Ja", sie nickte, ihr gerade noch so ernst wirkendes Gesicht wurde erneut von einem Lächeln erhellt und sie beobachtete mich wieder, dabei den Kopf leicht schief legend.

„Entweder du bist schüchtern, was ich nicht annehme, dumm, wobei es das erste Mal seit Jahren wäre, wenn ich mich so in einer Person getäuscht hätte. Ich erkenne dumme, hochnäsige Männer bereits aus weiter Entfernung. Oder aber du bist einfach nur sehr verschlossen und ruhig. Irgendwie gefällt mir das, auch wenn ich mehr mit mir selbst, als dir spreche", sagte sie leichthin und stieß sich wieder von der Rehling ab.

Kurz schien sie inne zu halten, als wollte sie noch etwas sagen, zögernd, ob sie nicht doch lieber gehen wollte und musterte mich. „Ich bin Diane."

„Ethan."

Mit einem ehrlichen und breiten Lächeln wandte sie sich ab, lief, ihr Kleid mit den Händen raffend, sodass sie nicht darüber fiel, über das Deck zurück zu der Treppe, welche auf ihr Deck führte und wank mir, kaum oben angekommen, noch einmal zu, bevor sie aus meinem Sichtfeld verschwand.

Mittags stand ich, so wie immer, an Deck. Dieses war wie ausgestorben, weder Kinder, noch sonderlich viele Erwachsene oder Mitglieder der Crew waren anwesend.

Alle schienen sie den freien Tag und im Fall der Mannschaft, die wenigen freien Stunden, genießen zu wollen. Früh morgens, weit vor Sonnenaufgang war ich durch die engen Gassen gelaufen. Still war es gewesen, nichts hatte sich gerührt, außer ein paar streunenden Hunden, mir gefielen die Wüstenstädte, in einer ewigen Einöde, von Palmen überschattet und doch vermisste ich das Grün, Wiesen und Wälder.

Die Hitze war beinahe nicht auszuhalten und nur im Schatten einer Überdachung konnte ich auf Deck bleiben. An Deck zu Arbeiten war eine Qual, Ginger hatte nicht nur Sonnenbrand, sondern bereits an manchen Stellen Blasen auf der Haut.

Ich wartete, den Blick zum oberen Deck gewandt, ohne mir etwas zu trinken zu holen, ohne mich zu regen, bis bereits die meisten Passagiere wieder da waren und der Dampfer laut mit dem Nebelhorn kund tat, dass er ablegte.

Sie war nicht aufgetaucht und auf eine gewisse Weise konnte ich nachvollziehen, wie sie sich am vorigen Tag gefühlt hatte.

Ginger kam, Strong stützend, gerade noch an Bord und fluchte, ihm unschöne Dinge an den Hals wünschend. Nur langsam konnte ich mich aus meiner Starre lösen, kam auf die Beiden zu und bemerkte, dass Strong an der Schläfe blutete und Gingers Hemd ebenfalls einige dunkelrote Flecken aufwies.

„Ich sage ihm noch, dass er nicht spielen soll und was macht er... . Tot hätten sie ihn geschlagen", brachte dieser wütend heraus, jedoch blitzte auch Sorge in seinen Augen auf. „Und dann macht er auch noch die falsche Frau an, die sind einfach ausgerastet", aufseufzend quittierte er meine Hilfe, als ich mir Strongs Arm über die Schulter legte und ihm half diesen unter Deck zu tragen.

Dass ich mich an Berührungen gewöhnte konnte ich nicht behaupten, jedoch schützte mich der lange Stoff von Strongs Hemd davor, dass unsere Haut sich berührte.

Vorsichtig legten wir diesen auf seiner Koje ab und Ginger schickte mich, wirsch mit der Hand wedelnd und ihm einen besorgten Blick zuwerfend, weg: „Ich kümmere mich darum."

Ich würde Diane an diesem Tag nicht mehr sehen, auch in den folgenden Tagen tauchte sie nicht auf, weder mittags, noch abends, wie ich gehofft hatte.

„Deine Schönheit hat wohl nicht ausgereicht", scherzte Ginger, an seiner Pfeife ziehend und Strong im Auge behaltend, wie dieser neben den Spielenden stand, aber der Versuchung widerstand, ebenfalls mitzumachen.

Ginger hatte ihn oft genug ermahnt, daran erinnert, wie schlecht es hätte enden können und vor allem, dass er ihn kein weiteres Mal retten würde, sondern das nächste Mal einfach in seinem Blut liegen ließ.

Strong hingegen versuchte möglichst unbeteiligt den Spielenden zuzusehen, auch wenn man ihm nur allzu genau ansah, dass es ihm unter den Nägeln brannte eine Partie mitzumachen und, so wie immer, zu verlieren.

Er war kein Glückspilz und ausgerechnet die Glücksspiele, bei denen er nichts beeinflussen konnte und alle mit gezinkten Karten spielten, liebte er am meisten. Dass er tatsächlich die Finger davon ließ war erstaunlich und zeigte, dass er doch tatsächlich aus seinen Fehlern lernen wollte, zumindest so tat, so lange Ginger anwesend und noch auf ihn wütend war.

„Oh", kam es über die Lippen des Rothaarigen und fragend hob ich den Blick, bis eben Strong beobachtend, nun aber Ginger musternd. Er sah mich nicht an, nickte nur in Richtung des oberen Decks und auch ich wandte mein Gesicht diesem zu.

Da stand sie, einen Herrn neben sich, welchem sie keine Aufmerksamkeit schenkte, sondern mit einem Lächeln, welches einnehmend und gebieterisch wirkte, hinab sah und mich direkt an.

Sie erschien mir fremd, als handle es sich dabei nicht um die Frau, welche ich noch vor zwei Tagen in der Dunkelheit getroffen hatte, auf dem unteren Deck, für die Normalsterblichen und Matrosen, dort hatte sie nicht falsch gewirkt, sondern schien einfach in der falschen Kleidung, jedoch am richtigen Fleck.

Freundlich war anders, unterkühlt, das Gesicht angespannt, der Kiefer unter der Haut deutlich zu sehen, die Zähne zusammen gebissen, die vollen Lippen schmaler, beinahe eine Linie und doch dieses kalte Lächeln, welches ihre Begleitung bezauberte, mich aber abschreckte.

Der Mann hatte einen Schnauzbart, ein Grübchen im Kinn und auf den braunen, leicht gelockten Haaren einen halbhohen Zylinder, aus hellgrauem, im Sonnenlicht glänzendem Stoff gefertigt, wie sein Anzug.

In den dicken Sachen schwitzte er sicherlich sehr, jedoch musste man in solchen Kreisen auf sein Äußeres achten, das hatte mir Ginger erklärt: „Was denkst du, wieso die Damen trotz allem diese Kleider tragen, sie sind viel dicker, als die der Frauen hier. Viel mehr Schichten Stoff, was deine Dame dort anhat, dieses leichte Kleid, könnte man bereits als skandalös bezeichnen."

Dabei zog er bedeutungsvoll, jedoch völlig übertrieben die Augenbrauen nach oben und bedachte Strong mit einem warnenden Blick, als dieser bereits dabei war, sich wieder zu den Spielenden zu gesellen.

Unser nächstes Treffen sollte anders ablaufen, völlig anders. Ich war unter Deck, jedoch in der höheren Klasse, da es dort anscheinend Schwierigkeiten bei irgendeiner Sache gab, was genau dies war würde ich nie heraus finden, da mir, kaum dass ich genannten Ort erreichte, mitgeteilt wurde, dass sie das Problem bereits beseitigt hatten.

Eine ältere Dame, schwere, glitzernde Steine an einer goldenen Kette um den Hals und die wulstigen Finger mit dicken Klunkern verziert war auf jeden Fall involviert, den nassen Pelz um die Schulter und auch das Sakko des bereits grauen Herrn war etwas nass.

Auf dem Rückweg zu meinem Deck, mich durch die wesentlich heller erleuchteten, sauberen und luxuriösen Gänge laufend, wurde plötzlich rechts von mir eine Tür aufgerissen und überstürzt kam eine Frau heraus. Diese stieß beinahe mit mir zusammen, sah mich überrascht und bereits Luft holend, um einen bissigen Kommentar loszulassen, an und hob dann überrascht die Augenbrauen.

„Ethan", kam es über ihre Lippen und doch schob sie die Schultern nach hinten und streckte den Rücken durch, als ein älteres Paar uns passierte und sie freundlich grüßte, mich musternd.

„Etwas stimmt nicht mit dem Wasserhahn, kümmern Sie sich doch bitte endlich darum", meinte sie zu mir in einem Befehlston, wegen dem ich fragend die Augenbrauen hob, jedoch auf einen bedeutenden Blick von ihr nickte.

„Guten Abend, Mister und Mrs. Connor", grüßte sie mit einem umwerfenden und falschen Lächeln die zwei Herrschaften. „Fräulein Diane, sie sehen umwerfend aus Kind", sagte die alte Frau nasial und verzog ihre Mundwinkel zu einem Lächeln, welches mich persönlich etwas ekelte.

Die zwei zogen weiter und kaum dass sie in ihrem Zimmer verschwunden waren, wurde ich, den beiden noch hinterher blickend, am Hemd gepackt und von Diane in ihre Kajüte gezogen.

Aber dieses Zimmer, die Zimmer, konnte man nicht als Kajüte bezeichnen. Mit leicht geöffnetem Mund sah ich mich in dem luxuriös ausgestatteten Raum um, eine Art Wohnzimmer, edle Holzmöbel, adrette Sofas, eine kleine Bar, hübsche Kommoden.

Ich fühlte mich gänzlich fehl am Platz, betrachtete jedoch fasziniert einige Bilder, Ölgemälde, mehr wert, als ich es mir damals hätte ausmalen können, Landschaften zeigend.

„Wo habe ich ihn denn", hörte ich gedämpft Dianes Stimme aus einem Nebenraum und folgte ihr lautlos, meine Schritte wurden gänzlich von dem schweren, weißen Teppich gedämpft. Sie stand neben einem großen Himmelbett, die Laken waren noch zerwühlt, der große Schrank stand offen, in welchem zahlreiche Kleider aus edelsten Stoffen hingen.

Einige Strümpfe lagen achtlos herum oder hingen über der Stuhllehne, der Schminktisch war überfüllt von kleinsten Pinseln, Stiften und Behältern. „Sie wissen, dass es nicht sehr vornehm ist einer Lady in ihr Schlafgemach zu folgen?", mit einer hoch gezogenen Augenbraue, jedoch einem echten Lächeln musterte sie mich und zog einen Anzug aus dem Koffer, in welchem sie eben noch gewühlt hatte.

Mit diesem kam sie auf mich zu, hielt ihn prüfend an meine Brust und nickte dann: „Der müsste passen."

Fragend zog ich die Augenbrauen hoch, hielt das Kleidungsstück fest und sah ihr hinterher, wie sie auch schon wieder weg lief und weiter in dem Koffer wühlte. Eine Hose, Hemd und ein paar Schuhe folgten, welche sie mir ebenfalls aufdrückte.

„Wofür?"

„Das sollen Sie anziehen!"

„Warum?"

„Können Sie auch ganze Sätze formulieren?"

„Ja!", nach wie vor sah ich sie fragend an und sie lachte. „Warum?", hakte ich erneut nach und sie wich meinem Blick aus, verschränkte beinahe wie ein kleines Kind die Arme vor der Brust und meinte: „Ich würde Sie gerne mit auf einen Ball nehmen."

Ich auf einem Ball? Entsetzt starrte ich sie an.

Und doch nickte sie bekräftigend, scheinbar sehr überzeugt von dieser Idee, die ich für alles andere, als gut hielt.

„Nein", mir wurde bewusst, dass ich wieder keinen wirklichen Satz zustande brachte und wollte diesen gerade vervollständigen, als sie mich bereits unterbrach. „Oh bitte, Sie müssen ja nichts sagen, außerdem muss ich so nicht mit irgendwelchen Schnöseln reden", sie schien wirklich überzeugt, auch wenn man kurz dieselben Zweifel in ihrem Gesicht sah, welche auch mich quälten.

Ich hielt dies hier für eine dumme Idee: „Ich könnte meinen Job verlieren." Sie schüttelte den Kopf und begann ziemlich ungeniert damit, mein Hemd aufzuknöpfen. Ich zuckte zusammen, mehr als überfordert mit der ganzen Situation, verspannte mich ungewollt und doch ließ sie sich nicht weiter beirren.

„Wenn es auffliegt werde ich verspottet, aber Ihnen wird nichts passieren", sagte sie und nach wie vor skeptisch zog ich die Augenbrauen zusammen, auf sie hinab sehend, als sie mit ihrer Arbeit fertig war, die Hände kurz vor meinem Oberkörper in der Luft verharrten und sie mit einer leichten Röte um die Nase mich musterte.

„Ich werde mich im bad zu recht machen", sagte sie, etwas heißer und räusperte sich. Nicht dass sie krank würde, obwohl sie noch kurz zuvor recht gesund gewirkt hatte.

„Sie können sich hier fertig machen."

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