9
Draco rannte die Korridore entlang. Er war so schockiert von dem Ereignis, dass er kaum atmen konnte und dennoch sprintete er aus Leibeskräften weiter. Er musste Hermine finden. Ja, das musste er.
Völlig aus der Puste blieb er vor einem Klassenzimmer stehen und ohne lange zu überlegen hämmerte er mit voller Kraft gegen die geschlossene Tür. Zu seiner Überraschung machte Professor Slughorn auf.
Sie starrten sich einen Moment lang an, dann öffnete Draco den Mund, um etwas zu sagen, brachte jedoch keinen Ton raus. Auch Slughorn konnte anscheinend nichts sagen und starrte Draco nur schief an. Hinter ihm kicherte die ganze Klasse, nur Hermine nicht, die ganz vorne saß.
"Professor?", sagte Draco vorsichtig.
Slughorn blinzelte ein paar mal, offenbar sah er Draco erst jetzt richtig und seine Augen weiteten sich. "Mr Malfoy!"
"Jaaa, also ich brauche die Hermine Granger kurz", sagte Draco so ruhig er konnte und setzte eine Unschuldsmiene auf. Er hatte eine Stunde Zeit.
"Die Hermine Granger?", fragte Slughorn erschrocken. "Wieso Mr Malfoy? Sie ist doch gerade im Unterricht, Sie können nicht einfach sagen, dass-"
"Der Dunkle Lord erwünscht sich Grangers Anwesenheit", unterbrach Draco ihn kühl.
Die Schüler verstummten alle augenblicklich, manche von ihnen wurden schrecklich blass.
Natürlich hatte Draco vor, in den sieben Tagen alles zu verbessern, aber so ging es natürlich auch. In dieser Welt würde er sich beweisen können, ohne eine lächerliche Aufgabe zu erledigen, die darin bestand ein Schlammblut zur Hochzeit zu überreden. Hier würde er dem Dunklen Lord dienen, er würde Ruhm abbekommen, wenn er erfolgreich sein würde.
Das hatte er sich doch sein Leben lang ersehnt, oder etwa nicht? Doch, das hatte er, und nun war die Zeit gekommen, um seinen allergrößten Wunsch in die Tat umzusetzen.
Slughorn erbleichte merkbar. Er sah fast aus, wie eine Leiche. "Sie dienen also doch dem Dunklen Lord, Malfoy?"
Draco hob eine Augenbraue. "Das habe ich schon immer getan, und werde es auch immer tun."
Hermine, die den Tränen nahe war, sagte: "Professor, Malfoy hat leider Recht. Der Dunkle Lord wollte schon vor ein paar Tagen, dass ich zu ihm komme." Ihre Stimme war unfassbar ruhig, und sie selbst verlor auch nicht die Fassung, was Draco faszinierte.
"Oh, na dann, Mrs Granger", sagte Slughorn, immer noch unter Schock gesetzt. "Viel Glück", fügte er noch hinzu und hielt die Tür für Hermine auf, die rasch den Klassenraum verließ.
"Danke, Professor Slughorn", sagte Hermine, als sie sich wieder zum Professor umdrehte. "Glück werde ich womöglich gebrauchen."
Slughorn nickte ein letztes mal und schloss dann mit einem entsetzten Gesicht die Tür.
Hermine wandte sich an Draco. "Du gibst mich also auf?"
"Ich habe dich auch noch nie angefangen", entgegnete Draco kühl. "Komm mit, wir haben nicht viel Zeit, Granger."
Hermine fing leise an zu weinen, folgte Draco aber schließlich. Draco war es nun egal, was mit Hermine geschehen würde. Er würde beliebt werden und genau das brauchte er.
Er würde dem Dunklen Lord so nahe stehen, dass alle ihn beneiden würden. Er würde alle Aufgaben meistern, so dass alle ihn bewundern würden. Endlich wusste er, woraus seine Zukunft bestand. Ruhm, Glück und Zufriedenheit.
"Draco", flüsterte Hermine plötzlich.
Draco drehte sich überrascht über ihre Stimme um, und bemerkte, dass sie stehen geblieben war.
"Was ist?", erwiderte Draco kalt.
"Ich dachte, wir wären Freunde", hauchte Hermine so leise, dass sie niemand hören konnte, aber Draco verstand sie.
"Wer hat dir denn so eine miese Lüge aufgetischt?", fauchte Draco. Es fühlte sich wie früher an, er war wieder wie früher. Nichts und Niemand konnte das jetzt noch verändern.
"Draco, hör auf", wisperte Hermine, die kaum noch Kräfte zum Stehen hatte. Sie wankte kurz und hielt sich schließlich an einer Fensterbank fest, wobei sie Draco flehend ansah. "Möchtest du das alles wirklich?"
Draco runzelte die Stirn. "Deshalb mache ich es ja auch, Schlammblut!"
Hermine sah so aus, als verstünde sie die Welt nicht mehr. "Draco, was bringt es dir?!"
"Mehr als dir, würde ich sagen!", rief Draco aufgebracht. Er wollte nicht, dass Hermine ihn überredete, doch irgendwo in seinem Herzen hatte er doch eine Schwäche für sie.
"Als du mir von deiner Welt erzählt hast, war ich froh, dass es uns dort gab. Dass dort alles in Ordnung war. Dass wir dort glücklich sein konnten", flüsterte Hermine und fing an leise zu weinen. "Ich war gleichzeitig aber auch verzweifelt, dass es hier nicht so sein kann. Verstehst du mich?"
Draco war sprachlos. Er wusste nicht was er darauf antworten sollte. War er Hermine wirklich so wichtig? Wenn ja, dann war es in der anderen Welt nicht so.
"Mag sein, dass es in dieser Welt so ist. Aber in der anderen Welt hasst du mich. Ich habe keine andere Wahl", sagte Draco ruhig, er hatte keine Kraft mehr, um sie anzuschreien. Trotz alledem hatte sie ihn irgendwo im Herzen berührt.
Hermine näherte sich ihm. Sie war nur noch ein paar Zentimeter von seinem Gesicht entfernt, aber Draco verweigerte es ihr nicht.
Vielleicht war das der Moment, der alles veränderte.
Er spürte nur noch Hermines Lippen auf seinen und sein Herz machte einen riesigen Hüpfer. Vielleicht sprang es sogar aus seiner Brust raus. Er konnte sich die Situation nicht erklären, er wusste nur, dass es richtig war, hier zu stehen und Hermine Granger zu küssen.
Hermine löste sich von ihm und sah mit ihren tränennassen Augen in die von Draco. "Ich werde mich an dich in der anderen Welt erinnern", versprach sie ihm, obwohl sie nicht wusste, ob es so sein würde.
Draco seufzte und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Er riss entsetzt den Mund auf. er hatte nur noch eine Viertelstunde. Doch er hatte seinen Plan geändert. "Komm mit!" Er nahm ihre Hand und eilte, nein, rannte den Korridor entlang mit Hermine im Schlepptau. "Hermine, hast du vielleicht rein zufällig überlegt, wie wir alles rückgängig machen können?", fragte Draco nebenbei und hoffte aus eine nützliche Antwort, doch der Hoffnungsschimmer war so klein, dass man ihn übersehen konnte.
"Also ich habe tatsächlich da über etwas nachgedacht", sagte Hermine etwas zögernd.
Draco blieb augenblicklich stehen, sodass Hermine in ihn hineinlief. Er dreht sich zu ihr um und sah sie erwartungsvoll an. "Ja? Und weißt du was zu tun ist?", fragte er sie hoffnungsvoll.
Sie nickte. "Komm mit!"
Hermine zog ihn kräftig am Arm und er rannte ihr verzweifelt hinterher. Es war ein Spiel, dass von Leben und Tod handelte. Er hoffte auf das erste.
Draco konnte kaum glauben, dass er noch vor ein paar Minuten Hermine Granger verraten wollte. Ihm wurde peinlich bewusst, dass es sein Ende gewesen sein könnte. Aber Hermine hatte ihn überredet und dafür war er natürlich dankbar.
Sie zerrte ihn um eine Ecke und währenddessen warf Draco rasch einen weiteren Blick auf seine Armbanduhr. Die Stunde war genau jetzt vorbei. Das verpasste Draco einen Schock. Sie mussten sich beeilen, und zwar so schnell es nur möglich war.
"Hermine", fing Draco an. "Bist du dir wirklich sicher, dass-"
Doch weiter kam er nicht, denn Hermine blieb so plötzlich stehen, dass er mit ihr zusammenstieß.
"Hier ist es!", keuchte Hermine atemlos.
"Was ist hier?", fragte Draco verwirrt und sah sich um.
Hier war nichts.
Es war einfach nur ein leerer Korridor.
Sie verloren immer mehr Zeit.
Gleich hatten sie keine Chance mehr zu entkommen.
"Was genau ist hier?!", fragte Draco verzweifelt.
"Der Ort an dem es geschah!", half Hermine ihm auf die Sprünge. "Hier bist du hingefallen!"
"Und was sollen wir jetzt damit anfangen?!", wollte Draco leicht genervt wissen. Er konnte es fast nicht aushalten mitzubekommen, wie sie lässig wertvolle Zeit verloren.
"Überleg doch mal!", zischte Hermine. "Wir wollen alles rückgängig machen! Das heißt, dass wir auch dort anfangen soll, wo alles anfing!"
"Aber es hat nicht hier angefangen!", sagte Draco verdutzt. "Wir sind durch diese Tür gegangen und dann waren wir in dieser einen komischen Traumwelt!"
"Das war aber in deiner Welt. Hier war alles in Ordnung, bis du hingefallen bist!", erwiderte Hermine.
"Du meinst also, dass ich mir meinen Kopf gegen die Wand hauen sollte und dass dann alles wieder in Ordnung ist, oder was?", fragte Draco mürrisch.
"Nein, natürlich nicht!", fauchte sie. "Du sollst-"
"-mich von Weasley schlagen lassen?", unterbrach Draco sie. "Hermine, das ist nicht lustig, wenn du-"
"-lass mich doch einmal ausreden!", knurrte Hermine wütend. "Du sollst dich nicht schlagen lassen und du sollst deinen Kopf auch nicht gegen die Wand hämmern! Ich möchte nur sagen, dass dies vielleicht ein magischer Ort ist, dass es etwas mit diesem Ort zu tun hat. Verstehst du es?", fragte sie erwartungsvoll.
Draco starrte sie an. "Nein."
"Oh Gott", flüsterte Hermine frustriert. "Ich meine, dass-"
Doch plötzlich wurde alles von einer bösartigen Stimme unterbrochen. Die Stille wurde durch die gefährliche und aggressive Stimme des Dunklen Lord zerrissen. Das Flüstern war fast so, wie der Tod: Schrecklich und Schmerzhaft.
"Ich habe dir eine Stunde gegeben, Draco Malfoy", flüsterte Lord Voldemort. "Du hast es wieder einmal nicht geschafft." Draco war sich vollkommen sicher, dass die ganze Schule mithörte und mitfühlte. "Ich beauftrage alle Lehrer und Schüler hiermit Draco Malfoy und Hermine Granger zu suchen. Der oder die Glückliche, der den Blutsverräter und die Schlammblüterin findet wird belohnt. Wenn in einer Viertelstunde niemand die beiden findet, werde ich sie persönlich suchen und alle bestrafen, die mir in den Weg kommen. Malfoy und Granger, der Tod wartet auf euch."
Stille.
Unerträgliche Stille.
Endlose Todstille.
Keine Rührungen, eine Bewegungen, alles schien still zu stehen.
Draco starrte Hermine an. Hermine starrte Draco an.
Plötzlich hörten die beiden lautes Tosen unter sich. Die Schüler fingen an sich zu verteilen und nach ihnen zu suchen.
Es war fast so wie früher, als der Krieg um Hogwarts anfing.
Es war unglaublich wie ruhig Hermine und Draco blieben, trotz des Lärms unter ihren Füßen. Hermine fasste endlich ihren Mut zusammen und sagte: "Draco, überleg nochmal wie alles passiert ist, achte auf jedes einzelne wichtige Detail. Es könnte nützlich sein."
Draco nickte ruhig und bemühte sich an alles zu erinnern, was an jenem Tag passiert ist.
"Zuerst waren wir im Unterricht", fing Draco nachdenklich an. "Davor hatten wir einen Streit, aber ich habe dir Zettel im Unterricht geschrieben und du hast geantwortet. Nach dem Unterricht sind wir zusammen als letztes aus der Klasse gegangen, doch sobald wir durch die Klassenzimmertür gelaufen sind, habe ich plötzlich etwas gefühlt, was so ähnlich war wie ein ganz leichter Stromschlag und dann waren wir plötzlich an einem ganz anderen Ort. Und dann-"
"Oh mein Gott!", schrie Hermine.
Draco sprang erschrocken zurück und starrte sie ängstlich an. "Was ist? Was ist los?!"
"Ich weiß, was passiert ist!", rief sie und fasste sich an die Stirn. "Gedankenübertragungszeitportal!"
Draco starrte sie mit offenem Mund an. "Was für ein Ding?!"
"Gedanken.Übertragungs.Zeit.Portal!", wiederholte Hermine klar und deutlich und sah Draco so an, als ob es selbstverständlich wäre sowas zu wissen.
Doch Draco schaute sie nur fragend an und hob eine Augenbraue als Zeichen, dass er es nicht wusste. Hermine rollte mit den Augen und öffnete schon den Mund, um es zu erklären, doch weite kam sie nicht, denn im nächsten Moment rannte ein Schüler um die Ecke, blieb wie angewurzelt stehen und schrie: "Hier sind sie! Ich habe sie gefunden, sie gehören mir!"
Draco wusste, dass es ein Erstklässler war. Er war froh endlich seine fiese Art zeigen zu können. "Das denkst ach nur du, Winzling! Stupor!"
Doch kaum hatte er den einen geschockt kam auch schon der andere um die Ecke gerannt. Doch je öfter er und Hermine mit den Zauberstäben peitschten, desto mehr Leute tauchten auf.
"Fangt sie!", schrie jemand.
Draco gab mit dem Schocken auf und entschied sich dafür abzuhauen. "Komm!", schrie er Hermine zu und gemeinsam rannten sie um eine weitere Korridorecke. Doch die anderen folgten ihnen.
Verschiedene Flüche und Zauber verfehlten sie knapp um ein paar Zentimeter, ab und zu schickte Draco ebenfalls einen Fluch los mit dem er erfolgreich wurde. Doch es waren einfach zu viele. Er hatte das merkwürdige Gefühl, dass die halbe Schule ihnen folgen würde.
"Stopp", rief eine bekannte Stimme. Sofort wurde alles stehen und liegen gelassen, aber Draco und Hermine rannten weiter. Doch diese Chance konnten sie nicht ergreifen, schon im nächsten Moment wurden sie geschickt von einem Schockzauber getroffen und beide prallten unglücklich auf dem Boden auf.
Sie waren verloren.
Es wurde totenstill und sie hörten, wie sich ihnen jemand näherte. Beide spürten Gefahr und garantiert nicht Gutes.
Eine schwarze Gestalt blieb genau vor ihnen stehen. Es war nicht Voldemort. Es war auch nicht Slughorn oder Umbridge. Es war Snape und in seinem Gesicht spiegelte sich Schadenfreude und Hass wider.
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