17
Draco hatte sich ein eigenes Abteil gefunden und saß nun alleine dort und schaute gedankenverloren aus dem Fenster. Draußen schien die Sonne, anscheinend war es noch Tag. Aber es freute ihn nicht wirklich. Jetzt gab es nichts, was ihn aufmuntern könnte. Das Leben war so verdammt unfair vor allem zu ihm. Aber auch er war unfair gewesen, was er jetzt offenbar ändern musste. Die Wälder und Bäume, an denen die Lok vorbeifuhr, schienen Draco nicht zu interessieren, obwohl er es früher geliebt hatte, die ganze Landschaft. Er hatte den Kopf auf die Hand gestützt und seufzte. Was nützte das Leben noch, wenn man wusste, dass man sowieso verlieren würde? Hatte es überhaupt noch Sinn weiterzukämpfen?
Draco hatte die Lebenskraft verloren. Er hatte den Lebenswillen verloren. Wäre es nicht besser das alles einfach zu beenden? Ihm würde es nichts ausmachen. Und den anderen wahrscheinlich auch nicht. Sie würden wenn schon froh sein. Wer würde ihn schon vermissen? Niemand. Eine einsame Träne rollte seine Wange hinunter. Er hatte in den letzten Tagen so viel durchgemacht. Er wollte nicht mehr. Es war wie eine Folter für ihn. Hermine war für ihn einfach nicht bestimmt. Sie waren einfach nicht füreinander bestimmt. Sie waren so unterschiedliche Personen, aber gleichzeitig auch vollkommen gleich. Beide hatten die Fähigkeit zu lieben. Und genau das hatte Draco in den vergangenen Tagen gelernt. Zu lieben. Er hatte erfahren, wie es war einen Menschen so sehr zu lieben, dass man alles für ihn machen würde. Alles. Selbst sterben. Und genau das würde Draco tun. Er würde Hermine erlösen, in dem ... in dem er nicht mehr existieren würde. Wieso sollte er noch die ganzen Tränen vergießen? Wozu war es wert? Hermine hasste ihn und nichts würde sich jemals daran ändern. Rein gar nichts. Er sollte sich nichts einbilden.
Draco ballte seine Hände zu Fäusten und stand entschlossen auf. Er würde es jetzt machen. Er würde springen. Er sah noch einmal aus dem Fenster. Bald würde die Brücke kommen. Er konnte nicht schwimmen, er hatte es nie gelernt. Mit der Überzeugung, es sei die richtige Entscheidung, ohne es später bereuen zu müssen, verließ er das Abteil. Draco sah sich einmal im Abteil um, um sich zu vergewissern, dass niemand da war und betrat wieder sein Abteil. Mühevoll öffnete er das Fenster. Es schien fast so, als würden ihn seine Kräfte, sowohl magisch, als auch körperlich, in den letzten Minuten seines Lebens verlassen. Sobald das Fenster offen war spürte er den Wind, der ihm entgegen wehte. Die frische Luft tat der Seele gut, die nicht mehr lange hatte. Der Zug fuhr in einer höllisch schnellen Geschwindigkeit, was gut für den Sprung in den Tod war. Er würde den Tod mit offenen Armen empfangen. Nichts konnte ihn noch aufhalten. Niemand. Nichts. Das Fenster war breit genug, damit er durchpassen konnte.
Er war nicht einmal aufgeregt. Er hatte so wenig Lust auf das Leben, dass es ihn gar nicht mal nervös machte, die Tatsache, dass er gleich alles beenden wird.
Noch ein paar letzte Worte, Draco?
Dracos Augen richteten sich auf den See, der dort in der Ferne auf sie zukam. Bald war es so weit. Er hatte tatsächlich noch ein paar letzte Worte. Mit Tränen in den Augen öffnete er den Mund und sagte: "Hermine, ich liebe dich. Dank dir habe ich begriffen, dass ich alles davor falsch gemacht habe. Du hast mir die Augen geöffnet und gezeigt, was Liebe heißt. Für mich ist es genug, dass ich einmal erfahren habe, wie es ist jemanden zu lieben. Vielleicht würdest du mich dafür hassen, wenn du das hier erfährst, aber du kannst deine Wut nicht mehr an mir herauslassen. Du kannst mich nicht tadeln. Weil ich dann schon längst nicht mehr lebe. Du erinnerst dich nicht an uns. Aber mir reichte es schon, zu wissen, wie es ist dich zu lieben. Du bist eine perfekte Freundin, das musst du wissen. Und ich weiß, dass du mich aus vollem Herzen hasst, aber ich liebe dich. Ich liebe dich, Hermine Granger. Und das wird auch für immer so bleiben. Für immer. Ich werde dich nie verlassen, egal ob lebendig oder tot. Vielleicht kann ich dann nicht mehr fühlen. Nicht mehr lieben. Aber - ich - du -" Draco brach ab. Immer mehr Tränen rollten ihm über die Wangen und irgendwann fing er richtig an zu weinen. Noch nie hatte er so geweint. Der See war nun sehr nah.
Ich habe dir gesagt, dass es so enden wird, Draco. Du wolltest nicht auf mich hören. Nun siehst du, wer von uns beiden recht hat.
Draco schluckte. "Ich hätte dir von Anfang an glauben sollen", flüsterte er. Nun war die Brücke erreicht. Draco kletterte auf die kleine Fensterbank und kniete sich darauf. Der Wind war hier stärker. Der See war tief. Sehr tief. Er würde ertrinken. Aber er würde nicht einmal versuchen wieder hochzuschwimmen. Draco schloss die Augen, erinnerte sich an seine Eltern, an Hermine. All die Positiven Erinnerungen flammten auf und Draco lächelte. Alles würde gut werden. Dann ließ er los.
Der Wind peitschte ihm ins Gesicht, es schien fast so als würde er fliegen. Irgendwo hörte er panische Schreie und Rufe. Langsam öffnete er die Augen. Die Sonne schien ihm ins Gesicht, das immer noch ein Lächeln trug. Er sah das schönste, was er jemals gesehen hatte.
"Wow", flüsterte er. Das Wasser kam immer näher, obwohl ihm der Fall wie eine Ewigkeit vorkam. Wie lange würde es noch dauern? Dann, holte er Luft, der letzte Atemzug war erfolgt. Das eiskalte Wasser traf ihn dann wie ein Schlag mit einer Abrissbirne. Das Wasser war klar, aber kalt. Doch er genoss es. Er genoss die letzten Sekunden seines Lebens. Er ließ die Augen offen, obwohl sie brannten. Er wollte keinen Schmerz spüren. Er wollte sein Leben einfach abschließen, wie mit einem Kapitel, das kein Happy-End enthielt. Das Lächeln verblasste nicht, als ihm immer mehr die Luft ausging. Er sank immer tiefer und es wurde immer kälter. Draco bewegte sich nicht, seine Arme waren ausgestreckt, als ob er den Tod umarmen wollte. Der Sauerstoff ging ihm endgültig aus. Das letzte was er in seinem Kopf sah, war Hermine, die ihn anstrahlte. Sie hielt seine Hand und sagte, alles würde gut werden. So würde es werden, sie hatte recht. Dann wurde alles schwarz.
Hermine
Ich sah eine Gestalt, die irgendwie aus dem Zug stürzte und dann ins Wasser landete. Vermutlich konnte diese Person nicht schwimmen, weshalb niemand wieder auftauchte. Das ganze bekam ich rein zufällig mit, in dem ich einfach aus dem Fenster geschaut hatte und das Geschehen mitbekam. Geschockt starrte ich das Wasser an, während Harry, der es ebenfalls mitbekommen hatte, schon den Lokführer informieren wollte. Keine paar Sekunden bremste der Hogwarts-Express quietschend und ich zerbrach mir darüber den Kopf, wer es hätte sein können. Wer war verdammt nochmal so dumm und springt in den Tod? Wahrscheinlich derjenige, der vom Leben keinen Spaß mehr bekam. Ich riss entsetzt den Mund auf. Draco. Ich hatte es gewusst. Ich habe gewusst, dass er es beenden könnte. Nun hatte er es getan. Ratternd blieb die Lok stehen und manche Schüler beschwerten sich im Gang lauthals, was das sein sollte. Aber ich ergriff die Möglichkeit und stürmte aus dem Abteil. harry kam mir entgegen. Er sah, dass ich wohl immer noch ziemlich geschockt aussah, und besorgt packte er mich an den Schultern und fragte: "Hermine, ist alles in Ordnung?"
Aber ich wandte mich aus seinem Griff und die ersten Tränen verließen meine Augen, was Harry umso verwirrter machte. "Hermine! Was ist passiert? Kanntest du die Person?" Ich nickte heftig, brachte aber kein Wort heraus. Ich schluckte und bevor Harry fragen konnte, wer es gewesen ist, rannte ich los und wich allen Schülern aus, die im Gang standen und verwirrt hin und her schauten. Eulen wurden verschickt und manche interessierte es gar nicht, dass einer gerade Selbstmord begangen war. Ein Typ stand an der offenen Tür, um aufzupassen, dass niemand raus fiel. Der Lokführer hatte den Zug längst verlassen und ging vorsichtig den steilen Abgang in den See runter. Ich fragte mich, was er machen wollte, um ihn noch zu retten, falls es noch möglich war, aber er war mir zu langsam. Ich wollte mich an dem Typen vorbeiquetschen, aber er hielt mich auf. "Miss, Sie dürfen da nicht raus." Das war mir natürlich auch klar.
"Aber ich muss! Lassen Sie mich sofort durch, bitte!", flehte ich fast schon, und immer mehr Tränen liefen über mein Gesicht.
"Ich kann Sie nicht durchlassen, Miss. Es ist gefährlich!", behaarte er und sah mich bemitleidend an.
Ich stieß einen hohen Schluchzer aus. "Bitte! Ich kannte ihn! Ich muss zu ihm, ich muss ihn retten! Ich liebe ihn!", schrie ich verzweifelt und machte Anstalten mich dazwischen zu quetschen, aber er hielt mich zurück.
"Ich kann Sie ja verstehen, aber Sie - "
"ARRRRRGHH!", schrie ich, da der Geduldsfaden nun endgültig riss und mit einer schnellen Bewegung verpasste ich ihm einen Tritt in einer sehr unangenehme Stelle. Er kreischte auf und krümmte sich, während ich die Möglichkeit ergriff und raus stürzte. Ich rannte die Wiese runter, nicht wie der Lokführer, der einen Sturz ins Wasser vermeiden wollte und sprang. Ich konnte schwimmen. Ich habe es früher in der Muggelschule gelernt. Aber ob ich so tief tauchen konnte, war etwas anderes. Das kalte Wasser traf mich mit einem Schlag und ich schrie auf, aber aus meinem Mund entkam nichts anderes als Luftblasen. Ich sah mich im klaren Wasser um. Entschlossen tauchte ich immer tiefer, bis der Druck auf den Ohren so stark war, dass ich das Gefühl hatte, mein Kopf würde gleich platzen. Doch ich war schon so tief, ich durfte nicht aufgeben, selbst wenn mir allmählich der Sauerstoff ausging und ich drohte zu ertrinken. Plötzlich sah ich eine Gestalt. Sie bewegte sich nicht, lag auf dem Untergrund. Mich packte der Ehrgeiz und ich tauchte immer tiefer, die Kraft ging mir aber immer mehr aus. Ich brauchte dringend Sauerstoff. Jetzt, sofort. Doch bevor ich mein Ziel erreichen konnte, packte mich jemand am Kragen und ich wurde hochgezogen. Panisch wedelte ich mit meinen Händen rum, als Zeichen, dass ich ihn retten wollte, aber ich wurde nicht losgelassen. Ich öffnete den Mund, Wasser füllte meinen Mund und ich schluckte sehr viel runter.
Dann wurde ich aus dem Wasser gezogen und an Land geschleudert. Ich hatte die Augen geschlossen und atmete sehr schnell und flach. Ich konnte nicht mehr. "HERMINE!" Es war Harrys Stimme, die weit weg zu sein schien. "HERMINE! HERMINE, HERMINE!" Ich öffnete den Mund und brachte nur ein Keuchen hervor: "Harry ..." Dann verlor ich das Bewusstsein.
[...]
Ich saß auf dem nassen Gras und hatte die Knie an meine Brust gezogen. Es war bereits vollkommen dunkel und viele Zelte standen etwas weiter weg auf einem Feld aufgeschlagen. Ich war allein am Ufer und beobachtete das plätschernde Wasser. Minerva McGonagall war auch schon hier gewesen und wollte mich überreden mich wenigstens vom Platz zu bewegen, aber ich habe mich einfach geweigert. Irgendwo leuchteten Fackeln und Rufe waren zu hören. Der Hogwarts-Express war weiter gefahren, um die Schüler zur Schule zu bringen. Harry durfte hier bleiben, genauso wie Ron. Sie haben ebenfalls ein Zelt bekommen und ich wusste, dass sie sich Sorgen über mich machten.
Aber ich würde hier nicht weggehen. Ich wollte alles rückgängig machen. Ich wollte, dass Draco wieder am Leben war. Ich habe mich erinnert. Ich habe mich an alles erinnert. An uns. Aber ich habe es nicht gesagt. Das war der Fehler. Vielleicht wäre er jetzt noch am Leben, wenn ich es einfach zugegeben hätte. Ich konnte Draco verstehen, warum er mich liegen gelassen hatte. Er wollte nicht verletzt werden, genauso wie ich es nicht wollte. Ich wusste, dass er alles dafür geben würde, um wieder nach Hause zu kommen, in die echte Zeit. Das hatte er geschafft, weshalb auch ich hier war. Ich seufzte und unterdrückte die Tränen. Es hatte jetzt keinen Sinn zu weinen. Ich musste mein Leben glücklich weiterleben, so hatte Draco es doch sicherlich gewollt. Ich wollte am liebsten wieder ins Wasser springen und selbst ertrinken. Zu ihm kommen. Ich stellte mir vor, wie er mich in den Arm nahm und zu sich drückte, dabei mir sanft über den Rücken strich. Ich schluchzte auf. Ich würde ihn nie wieder küssen können, nie wieder im Arm halten können, nie wieder sein Lächeln sehen können, wenn ich ihm sagte, wie sehr ich ihn liebte und würde niemals mehr seine schöne Stimme hören, wenn er die Worte an mich zurückgab.
Er war für immer verschwunden. So lange hatte ich Angst gehabt, dass er das tun würde. Nun war ich einmal nicht da und schon verließ er mich. Er war gegangen. Es schmerzte so sehr. Meine Brust zog sich zusammen und schnürte mir fast den Atem ab. "Draco", flüsterte ich. "Draco, bitte komm zurück, tu mir das nicht an! Du hast mich verlassen. Du hast mir soviel bedeutet, Draco. Wir sind einander so wichtig geworden. Ich liebe dich so sehr. Aber jetzt ist es zu spät. Schau, wir alle sind traurig. Selbst Harry ist total durcheinander. Verdammt, Draco, warum?! Weißt du, ich habe so viel mit uns geplant ... ich habe mir vorgestellt, wie wir zusammen am Ufer des großen Sees sitzen und uns umarmen, weil uns kalt ist. Du kannst dir nicht vorstellen, wie traurig ich bin. Ich werde es mir niemals verzeihen. Du hast mir immer sehr viel bedeutet, Draco. Und das tust du immer noch. Ich werde dich nie vergessen. Nie, hörst du? Hörst du mich? Draco, bitte, tu mir das nicht an! Ich - ich liebe dich. VERDAMMT, ICH LIEBE DICH! Kannst du mich hören? Kannst du wieder kommen und mich trösten? Bitte ... Du hast mal gesagt du würdet für mich auch dann da sein, wenn du nicht mehr auf dieser Welt sein wirst! Draco, ich flehe dich an -" Meine Stimme versagte und ich brach zusammen, aber flüsterte weiter: "Ich wollte dir noch so viel von mir erzählen. Wir hätten glücklich werden können. Du warst-"
"Hermine. Hör auf. Bitte." Harry legte eine Hand auf meinen Rücken. Ich schluchzte auf und verbarg mein Gesicht in den Knien. Dann ließ ich meinen Gefühlen freien Lauf. Es war vorbei. Er war verschwunden. Für immer. Und ich konnte nicht mehr tun.
"Hermine, hör zu. Bitte, du musst mir zuhören." Harry setzte sich neben mich und legte einen Arm um meine Schulter. "Er liebt dich immer noch, hörst du? Er ist immer noch da oben und beschützt dich. Wir sind alle erschüttert, aber du musst das durchstehen, Hermine, okay? Du schaffst das, wir glauben an dich, auch Draco. Wir müssen lernen damit umzugehen." Er zog mich in den Arm und ich schluchzte hemmungslos. Ich war nicht dazu bestimmt glücklich zu sein. Ich war es einfach nicht. Das Schicksal war gegen mich. Ich hatte das Gefühl, dass mich alle verlassen haben. Alle. Ich klammerte mich an Harry und schluchzte. Draco würde für immer Draco bleiben, aber anders. Er war nicht mehr hier. Ich hatte alles und alle verloren.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top