Tag 4 - Schwesterliche Weisheiten und ein Date?

Der Anblick an diesem Morgen war für ihn überaus ungewohnt. Tatsächlich mal nicht die 8b und nicht Amalia als Lehrerin. Ihr Kollege war auch nicht übel und natürlich hatte er an den vergangenen Tagen durchaus mit ihm zusammmen gearbeitet, aber vielleicht war es seine Grundeinstellung. Der Gedanke, Amalia den ganzen Tag nicht zu sehen, nagte an ihm. Warum, wusste er auch nicht. Waren es doch wirklich nur drei Tage gewesen. Aber er war schlicht ein Mensch, der sich durchaus gerne und schnell an veränderte Umstände gewöhnte. So war er halt. Der Unterricht blieb weiterhin eine ganz lustige Sache und da er es so sah, war seine negative Einstellung vom Montag nicht mehr vorhanden. Es kam auf die Schule an - und auch auf die Lehrer - was er sich nicht immer eingestehen wollte. Spektakulär war der Unterricht jetzt auch nicht und er musste in der Tat zugeben, dass er innerlich bei dem Turnier für die 8b hoffte. Unparteiisch zu sein war nicht Teil seines Vertrages. Also würde er es auch nicht sein. Zwar wäre er zum Tunier nicht mehr da, aber er konnte ja dennoch hoffen.

Nachdem die Stunde vorbei war und er sich versichert hatte, dass er für heute auch fertig wäre, schnappte er sich sein Handy. Spontan tippte er los, verwarf den Gedanken den er zuvor hatte direkt wieder. Was dachte er sich nur dabei? Kurz hatte er mit dem Gedanken gespielt, Amalia nach einem Treffen zu fragen. Aber was wusste er schon über sie? Wenn seine Gedanken stets Amalia gehörten, war es dann wirklich nur Freundschaft? Konnte er sich mehr überhaupt erlauben? Fragen über Fragen. Doch eine quälte ihn besonders: Hatte sie vielleicht schon einen Freund? Dieser Gedanke hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Erst jetzt kam er auf diesen Gedanken. Es war jetzt nicht so, dass er wirklich versucht hatte ihr näher zu kommen. Doch er hatte mit dem Gedanken gespielt. Aber wie fragte er danach? Wären sie nur Kollegen oder seinetwegen auch Freunde, wie konnte er das herausfinden? Er entschied sich seine Schwester anzurufen. Vielleicht wusste sie ihm ja zu helfen.

"Magnus? Was tust du denn zu solch früher Stunde?", fragte die Angerufene direkt nach. Es war erst 10 Uhr und normalerweise schlief er gerne lange. Donnerstags war im Normalfall nur Nachmittags Training.

"Marie. Du wirst mir nicht glauben, wie früh ich diese Woche aufstehe", lachte er bei dem Gedanken ins Telefon, "Du weißt ja von der Schullotterie?"

"Ja. Du heulst mich ja immer damit voll, wie schrecklich das wäre. Sag nicht, du musst das schon wieder machen?", sie kam ihm schnell auf die Schliche.

"Doch tatsächlich", seufzte er, "Aber ich erspare dir diesesmal das Gemeckere."

"Nicht? Das passt gar nicht zu dir", scherzte Marie weiter, doch ihr war die Neugier anzumerken.

"Eigentlich brauche ich eher deinen Rat. Hast du länger Zeit?", fragte er sie, da er wusste, wie knapp diese manchmal war.

"Gerade ja", meinte die Jurastudentin.

"Also ... Es geht um eine Frau", druckste er herum.

"Uh! Bist du verliebt?", fragte Marie geradeheraus und er sah ihr neugieriges Gesicht schon fast vor sich.

"Das ist das Problem. Ich weiß es nicht", gab er zu.

"Schomal einen Test gemacht?", fragte sie neumalklug nach, ob er denn schon auf Google die Symptome des Verliebtseins nachgeschaut hatte.

"Natürlich, nur variiert das Ergebnis stetig", erwiderte er, hatte er sich doch tiefsinnigeres erhofft.

"Aber du magst sie? Eine Lehrerin?", setzte Marie anders an.

"Ja, eine Sportlehrerin. Eigentlich weiß ich fast nichts über sie, außer ihrem Namen. Soll ich sie auf ein Treffen einladen?", auf die erste Frage ging er erst gar nicht ein.

"Mach doch. Was soll schon passieren?", manchmal unterschätzte er die gnadenlose Ehrlichkeit seiner Schwester.

"Vielleicht sende ich damit die falschen Signale oder stoße ihr vor den Kopf", warf er seine Sorgen ein.

"Welchen falschen Signale? Du sagst doch, du magst sie. Wenn sie es nicht will, dann ist das so. Wiedersehen wirst du sie immerhin nicht mehr, wenn das vorbei ist", Magnus erkannte die Wahrheit hinter ihren Worten, aber aktzeptieren konnte er sie nicht.

"Ich weiß. Trotzdem ...", fing er an.

"Du hast mich um Rat gebeten, also halte dich auch daran", unterbrach sie ihn hart, "Also lade sie ein und wenn sie dich nicht will, ist es ihre Schuld."

"Okay, wenn du das sagst", willigte er ein. Schon jetzt bereute er es, Marie zu Rate gezogen zu haben. Aber er konnte es nicht ändern.

"Ich hab dich trotzdem lieb", das war so etwas wie eine halbherzige Entschuldigung.

"Ich dich auch. Danke für deinen Rat. Vielleicht werde ich ihn irgendwann zu schätzen wissen", verabschiedete er sich.

Mit leicht zitternden Fingern schrieb er also eine Nachricht.

***

Entspannt saß Amalia im Lehrerzimmer. Mal ein Tag mit nur Matheunterricht. Das war sie diese Woche gar nicht mehr gewohnt. Sie mochte ihr Fach Mathe wirklich sehr und dass sie nächste Woche aufgrund des Fächertausches noch mehr Mathe unterrichten würde, freute sie insbesondere. Aber heute hätte sie nichts gegen Sportunterricht gehabt. Vor allem wegen eines Mannes. Unglaublich wie er ihr Denken einnahm.
Ihr Handy gab ein kurzes Klingeln von sich, was ihr signalisierte, dass sie eine neue Nachricht hatte. Magnus stand oben. Automatisch beschleunigte sich ihr Herzschlag. Was er wohl wollte?

Hallo Amalia!

Ich weiß, dass kommt spontan, aber hast du Lust auf ein Treffen? Bestimmt hast du schon genug von mir, aber mal etwas außerhalb der Schule? Heute Nachmittag, 14 Uhr, vor der Schule?

Mit lieben Grüßen
Magnus

Das zauberte ihr ein Lächeln auf die Lippen, ohne dass sie es bemerkte. Ihr Herz machte einen Salto. Was war das denn jetzt für eine Reaktion? Es war nur eine Nachricht! Eine Nachricht in der stand, dass er sie gerne sehen würde. Das war der Unterschied. Aber bevor sie da zu viel reininterpretierte, sollte sie einen klaren Kopf behalten. Sie musste die Fakten bedenken! Was wusste sie über ihn? Was könnte er bezwecken wollen? Und vieles mehr.
Wenn man so wollte, konnte man es als Date sehen. Doch was wenn nicht? Wirklich bereit fühlte sie sich nicht dafür. Aber was sonst? Sie war sechsundzwanzig und hatte noch nie einen Freund. Vielleicht hoffte sie auch ein bisschen darauf. Schließlich schnappte sie sich entschlossen ihr Handy und tippte die ihr vielleicht verhängnisvollen Worte.

Okay. Bis später!

Schnell schickte sie es ab, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Und das tat sie auch. In der nächsten Sekunde bereute sie es schon wieder. Was hatte sie in einem Anflug von Mut getan? Doch die zwei Häkchen zeigten eindeutig, dass er die Nachricht bereits gelesen hatte. Jetzt war es zu spät für einen Rückzieher.

***

Einige Stunden später wartete Magnus bereits vor der Schule. Seine Hände waren ganz schwitzig und die Zeit schien sich zu ziehen, wie Kaugummi. Ja, sie hatte eingewilligt, aber was wenn sie es sich spontan anders überlegt hatte? Amalia ist eine zuverlässige Frau, sprach er sich selber Mut zu. Außerdem war es noch nicht 14 Uhr. Sie konnte noch kommen.

"Da bin ich!", rief sie durch die Tür kommend in seine Richtung. Ihre Leichtigkeit wollte er haben.

"Ich dachte schon du kommst zu spät", äußerte er um Leichtigkeit bemüht seine Sorge.

"So wie du?", fragte sie mit einer Spitze nach, "Wo geht es hin?"

"Öhm ... Zum Weihnachtsmarkt? Aber nur wenn du willst", natürlich hatte er sich schon zuvor Gedanken darüber gemacht, aber er war dennoch nicht sicher.

"Gerne doch. Etwas vorweihnachtliche Stimmung. Du kennst den Weg?", froh sie nicht verärgert zu haben schüttelte er den Kopf, "Wunderbar", der Sarkasmus in ihrer Stimme war unüberhörbar, "Dafür kenne ich den Weg aber bestens."

"Ich komme nicht von hier", versuchte er sich zu erklären, was Amalia belustigt die Augenbrauen hochziehen ließ, "Na gut. Schon von hier, aber nicht aus dieser Stadt im Kreis."

"Aber wie bist du bitte nicht an dem Weihnachtsmarkt vorbei gekommen? An dem kommt man nicht vorbei", lachte sie weiter.

"Wir solllten los, oder?", wechselte er schnell das Thema.

"Ja natürlich", kurz war ihr eine leichte Nervösität anzumerken.

Doch bis auf dies, war ihr keinerlei Sorge anzumerken. War dieses Treffen das Gleiche wie für ihn? Oder traf sie sich regelmäßig mit anderen und das hier war nichts besonderes? Er wusste es nicht. War er sich doch nicht einmal sicher, was dieses Treffen für ihn bedeutete. Man konnte es schon ein Date nennen, oder?
Stillschweigend ging er hinter Amalia durch die Gassen der Altstadt. Vereinzelt taten sich Neubauten hervor, doch Fachwerkhäuser aus dem Mittelalter hatten hier die Oberhand. Der glatte und zum Teil auch rutschige Stein war ihm mehr als nur bekannt. Einen Teil des Weges ging er in dieser Woche regelmäßig. Ein Markt war ihm nicht begegnet. Wo dieser sich jetzt befand, interessierte ihn schon.

"Tada!", präsentierte Amalia stolz, als sie einen Dönerladen passiert hatten und jetzt eine Treppe hinunterstiegen.

Und tatsächlich. Bereits aus der Ferne hörte er leise Musik und die Lichter schienen schon aus der Ferne. Das leichte Dämmern am Himmel ließ die Stimmung irgendwie romantischer werden. Oder waren es seine eigenen Gefühle? Doch egal was es nun war, es gefiel ihm. Während sie die Treppe weiter runtergingen, nahm er immer mehr wahr. Die verlockenden Gerüche von allerlei Leckereien, fröhliches Gelächter und vieles mehr. Direkt am Treppenaufgang stand eine kleine Crêpebude.

"Crêpes?", fragte er nach.

"Gerne doch", willigte sie ein und gab zu, "Ich liebe Crêpes."

"Zwei Crêpes mit Nutella, bitte", bat er den älteren Verkäufer und überreichte das benötigte Geld.

Mit ihren Crêpes in der Hand, gingen sie schließlich weiter über den Weihnachstsmarkt und Magnus genoss einfach Amalias Nähe.

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