Tag 2 - Unterricht und ein Plan?

Pünktlich mit dem Klingeln seines Weckers stand Magnus am Dienstag auf. Das Desaster vom letzten Tag wollte er nicht wiederholen. Wenigstens war Amalia ihm nicht mehr gänzlich gefühlskalt gegenüber und sie hatten sich schließlich dazu entschieden, aufs du zu wechseln. Jemanden gleichaltriges zu siezen schien für beide reichlich komisch und nachdem sie ihm gestanden hatte, wie häufig sich ihre Wege noch kreuzen würden, hatten sie sich schließlich dafür entschieden, dass den Formalitäten genüge getan wäre. Ihre Worte, nicht seine.
Das er Ausnahmsweise nicht verschlief wirkte sich auch auf seine morgentliche Routine aus. Endlich hatte er Zeit für ein vernünftiges Frühstück. Aber 5:30 aufzustehen? Das würde er auch nur jetzt machen. Warum entschied man sich freiwillig nach dem Schulabschluss, wieder zur Schule zu gehen und dann auch noch zu solch früher Stunde? Das würde ihm ein Rätsel bleiben.

Und auch, wenn er noch immer nicht Feuer und Flamme dafür war, das die ganze Woche zu machen freute er sich doch darauf eine gewisse Brünette zu sehen. Unattraktiv war sie nun wirklich nicht und gar nicht so übel wie am Anfang. Ob er diese Bekanntschaft vertiefen sollte? Er hatte ja noch Zeit darüber nachzudenken.

***

"Warten Sie auf Hern Eisenschmied?", fragte eine neugierige Achtklässlerin, während Amalia und die bereits anwesenden Schüler ausnahmsweise mal im Eingangsbereich der Halle, statt draußen ihm Regen.

Wieder die gleiche Klasse, die gleiche Halle, die gleiche Zeit. Würde es heute was werden? Sie hoffte innerlich darauf, denn am gestrigen Tage hatte sie sich noch sehr gut mit Magnus unterhalten. Wieder wütend auf ihn sein, wollte sie nicht, würde sie aber mit großer Sicherheit, wenn er es nicht langsam gebacken bekam, pünktlich zu kommen.

"Ja, das tue ich. Immerhin kann etwas Unterricht bei ihm nicht stören, oder? Das Basketballtunier steht bevor", meinte sie nun zu der Schülerin.

"Vielleicht haben wir dann eine bessere Chance", vermutete die Schülerin.

"Hoffentlich", stimmte sie amüsiert zu, "Ihr seid immerhin meine Lieblingsklasse."

"Und Sie unsere Lieblingslehrerin", warf ein anderer ein, "Sowohl in Mathe, als auch in Sport. Aber eher in Sport."

Das Lob ging runter wie Öl. Obwohl sie ihre Ausbildung geschafft hatte, war es ein langer Weg dahin gewesen. Insbesondere die Corona-Pandemie hatte ihr Referendariat verzögert und es ihr schwer gemacht. Neben dem Studium Geld zu verdienen stellte sich als komplizierter heraus, als gedacht. Durch Lockdowns fand sie kaum einen Nebenjob und war beinahe kurz davor gewesen, das Studium abzubrechen. Aber alle Widrigkeiten hatten sich gelohnt und sie hatte sogar das Glück, an ihrem alten Gymnasium angenommen zu werden. Sie liebte diesen Beruf, doch nicht immer war sie sich sicher, ob sie qualifiziert war. Nur knapp hatte sie die Prüfung zur Lehrerin geschafft. Zumindest was Sport anging. Doch alles blieb still ihr Geheimnis. Eigentlich hatte sie niemanden mit dem sie sprechen konnte. Keine Freunde oder Familie. Während der Schule und im Studium hatte sie keine Zeit gehabt und auch jetzt fiel es ihr schwer Freunde zu finden. Ihre Kollegen waren nett, dennoch kam es nie zu mehr, als einem kurzen Austausch, wenn es mit einer Klasse Probleme gab. Im Stillen beneidete sie diese, die schnell Freunde fanden.

"Ich bin da!", triumphierte schließlich eine verschnaufte Stimme.

"Tatsächlich. 7:39. Gratulation!", richtete sie sich an Magnus, der völlig aus der Puste war.

Innerlich lächelte sie. Die Mühen die anscheinend damit verbunden waren hatte er also selbstlos auf sich genommen. Wirklich selbstlos war das zwar nicht, aber sie schätzte es. Jeder fängt immerhin mal klein an.

***

Tatsächlich pünktlich gekommen, stand Magnus nun erneut vor der Klasse. Wenigstens konnte er sich die Vorstellung sparen. Erwartungsvoll wurde er angesehen und heute wusste er das auch einzuorden. Von Amalia hatte er am vergangenen Tag erfahren, dass in der nächste Woche ein Basketballtunier des gesamten Jahrgangs anstand. Glück für ihn, da er daher fast nur zu dem Unterricht der achten Klassen musste und nicht zu anderen Klassen. Zwar musste er schon gestern auch mit fünften und siebten umgehen, aber das eher um sich einzugewöhnen. Jetzt lag natürlich die Erwartung auf ihm das er den aufstrebenden Klassen helfen würde, bestmöglich abzuschneiden. Ob er in so kurzer Zeit etwas ausrichten konnte? Irgendwie packte ihn da etwas der Ehrgeiz. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

"Was könnt ihr denn alles schon?", fragte er in die Runde, um zu wissen wo er anfangen musste.

Eine Hand schoss in die Höhe, "Hm ... Wir hatten das Thema schonmal in der sechsten. Also die Grundlagen können wir; Positionswurf, Korbleger, Dribbeln und irgendwelche Taktiken hatten wir auch durchgenommen. Das ist nur sehr lange her."

Er blickte zu Amalia die zwar nickte, aber etwas unsicher wirkte. Wie lange unterrichtete sie diese Klasse schon? Augenscheinlich nicht lange genug, um wirklich alles zu wissen. Von dem was er hörte klang es zumindest so, als ob nicht alles verloren war. Wenn sie die Grundlagen beherrschten, mussten diese lediglich verfeinert werden.

"Dann wärmen wir uns auf und wir spielen ein paar Runden", entschied er, während er Amalias Blick auf seinem Rücken spürte.

Nachdem die Schüler der 8b ein paar Runden in der Halle gelaufen waren, begann er mit der Einteilung der Teams. Dabei mischte sich dann aber Amalia ein, die zuvor nur zugesehen hatte. Für sie war seine Anwesenheit eindeutig eine Entlastung. Wenn er denn erschien. Bei der Einteilung aber konnte sie eindeutig besser einschätzen, wer nun gut und wer schlechter war. Das ungewöhnliche für ihn an dieser Klasse war, dass es 17 Mädchen und 12 Jungen gab. Meistens war dies anders, doch hier dominierten die Mädchen. Nicht, dass Mädchen schwächer wären, doch er konnte sie schlechter einschätzen. Der Größendurchschnitt war zumindest aktzeptabel, aber er hatte die anderen Klassen noch nicht wirklich gesehen.

Am Ende entstanden vier Teams, mit jeweils den Standardmäßigen fünf Spielern und einem Auswechselspieler. Sechs waren entweder nicht da oder konnten nicht mitmachen. Irrte er sich oder waren das mehr als zu seiner Schulzeit? Obwohl das ja auch von Klasse zu Klasse unterschiedlich war. Die Spiele begannen! Jeweils fünf Minuten pro Spiel. Schnell stellte er fest, dass sie sich ganz gut anstellten. Einige zumindest. Andere liefen nur mit, ohne den Ball wirklich mal zu bekommen. Passierte es doch, reagierten sie perplex und versuchten den Ball einfach nur loszuwerden. Eine Schwäche die jedoch alle hatten; sie waren zu unkoordiniert und liefen nur wild dem Ball hinterher. Es gab zwar Ansätze von Taktik oder das jeder einen Gegner deckte, doch bereits im nächsten Moment war das wieder zu nichte gemacht. Alle vier Teams zeigten diese Probleme deutlich, doch es gab auch talentierte Schüler. Einige trafen aus dem Positionswuf zielsicher den Korb, konnten Bälle gut abfangen und sehr effektiv fangen und werfen. Beschweren konnte er sich also nicht unbedingt.

Als also jedes Team einmal gegen jedes andere Team gespielt hatte, versammelten sich alle erneut um ihn. Amalia war über seine Erkentnisse selbstverständlich informiert, doch er sollte sie rüberbringen. Genau das tat er und von einigen Seiten kam verständnisvollles Nicken und andere zeigten Unverständnis für seine Kritik. Insgesamt nahmen die Schüler seine Worte ganz gut auf.

"Aber das war unsere letzte Stunde vor dem Tunier, was jetzt? Wir haben nicht mehr so viel Zeit", fragte ein Schüler. War es der gleiche wie schon davor öfters? Sein Gesichtergedächtnis war echt schlecht.

"Ich weiß nicht", gab er zu, sich selber eingestehend, dass er es nicht wusste.

***

"Vielleicht", warf Amalia ein, wissend das ihr Vorschlag sehr gewagt war, "Vielleicht können wir ein paar Sportstunden dazu gewinnen."

"Wie das?", neugieriges Geflüster begann, aber ausnahmsweise ermahnte Amalia die Schüler nicht.

"Nun ja ... Ihr seid ja gut in Mathe und vielleicht könnte ich da ein paar Stunden rumtauschen", meinte sie vorsichtig, "Aber nur wenn ihr wollt. Dafür würden wir danach ein paar mal Sport mit Mathe tauschen müssen."

Eine Hand ging nach oben. Natürlich die, von der neugierigsten und offensten Schülerin, "Das klingt doch gut. Aber was ist mit der Halle? Die ist doch immer besetzt, oder?"

"Da müssten wir wohl darauf hoffen, dass eine frei ist oder auf das Kleinspielfeld gehen. Vorausgesetzt es ist gutes Wetter", erklärte sie, doch je mehr sie sagte, desto mehr wurde ihr bewusst, wie viel sie organisieren müsste, "Kurze Abstimmung: Wer ist dafür?"

Einige Hände schossen sofort in die Höhe, andere zögerten meldeten sich dann aber auch. Am Ende war es fast Einstimmig. Nur eine Handvoll Schüler war dagegen, aber hier musste sie auf die Mehrheit hören. So unbeliebt sie sich auch damit machte. Was sie einmal ausgesprochen hatte, musste sie auch einhalten.

"Dann machen wir das so. Ich informiere euch noch darüber, wann und wo wir dann noch Sport machen", ein Blick auf die Uhr, "Ihr könnt euch umziehen gehen."

Als die Schüler sich auf den Weg machten, hörte sie zwar vereinzelt gemecker, aber sie versuchte es zu ignorieren. Auch wenn Zweifel an ihr nagten. Tat sie das richtige? Sie könnte es mit mehr Erfahrung vielleicht einschätzen.

"Respekt. Darauf wäre ich nicht gekommen. Die Schüler können sich glücklich schätzen. So eine Sportlehrerin hätte ich mir gewünscht", Magnus lächelte sie ehrlich an und seine Worte ermutigten sie nochmal neu.

"Meinst du?", fragte sie dennoch nach, "Es tut mir aber echt Leid, dass ich dich damit automatisch zu mehr Stunden verdonnere."

Erwartungsvoll sah sie ihn an. Wie würde er reagieren? Sie hatte gar nicht an ihn im Besonderen gedacht. Obwohl sie es unterbewusst doch getan hatte. Sie musste ja zugeben, dass sowohl für die Schüler, als auch für sie, seine Anwesenheit sehr schön war. Dass sie ihn gestern noch am liebsten hochkant rausschmeißen oder erst gar nicht reinlassen wollte, spürte sie nicht mehr viel. So schlimm war er auch nicht und wenn sie schon keine Wahl hatte, sollte sie das Beste rausholen. Das sagte sie sich zumindest.

***

"Sie können sich wirklich glücklich schätzen. Recht machen kannst du es ihnen nicht. Und es ist für mich eigentlich kein Problem. Die Kinder sind ja schon echt nett", beruhigte er seine Gesprächspartnerin. Sie wirkte mit jeder Sekunde nahbarer.

Dass ihre Anwesenheit ihn auch nicht störte, war noch besser. Fand er sie doch ganz nett und ihr Engagement für die Schüler war unglaublich. Er beobachtete immer wieder, wie groß ihre Mühe war. Auch wusste er, dass ihr Angebot mit mehr Arbeit verbunden war, als er ahnen konnte. Da half er ihr doch gerne.

"Dann sollten wir uns mal schleunigst auf den Weg machen. Kommst du mit? Ich schätze meine Chancen das durchzubekommen höher, wenn ich dich mitnehme", fragte sie möglichst pragmatisch nach, aber er wusste, dass auch sie ihn nicht mehr hasste.

"Gerne doch."

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