{2} -J-
Erschöpft ließ ich meinen Kopf auf die Tischplatte knallen. Genauer gesagt auf mein Mathebuch, in dem ich schon seit genau zwei Stunden versuchte, die Hausaufgabe zu lösen. Immer wieder wiederholte ich den Satz:
Wandle die Normalform f (x)= ax ² *bx*c in die Scheitelpunktform f(x)=a*(x-d) ² +e um.
Wenn ich ehrlich war, wusste ich ja noch nicht mal, was a, x, d und e bedeuten sollten. 'Affen-Xylophon-Durchschlags-Eimer' vielleicht? Wieder stieß ich ein verzweifeltes Seufzen aus. Doch plötzlich ertönte der Benachrichtigungston aus meinem Handy, den ich nur für Celeste verwendete. Ein eigner Nachrichtenton für einen der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Sie war nicht meine Schwester, nein. Sie war auch nicht eine Freundin, die ich jeden Tag sah, nein. Sie war meine beste Freundin.
Uns trennten 430 Kilometer, aber so viel, wie uns trennte, verband uns auch. Noch nie hatte ich so jemanden wie Cele getroffen. Wir waren uns so nah und doch so fern. Es war ein unglaubliches Gefühl zu wissen, dass dieser Mensch zu dir stand. Egal, was du angestellt hattest, und egal wie weit du von ihm entfernt warst; er war immer bei dir. Außerdem war diese Freundschaft nur auf das Innere des jeweiligen Menschen bezogen. Nur durch Buchstaben und Aussagen bildete man sich ein Urteil über diese Person. Nur der Charakter und, wie man so schön sagte, die inneren Werte zählten.
Wir hatten uns vor einem Jahr in einem Chatroom kennengelernt, waren gleich auf einer Wellenlänge, lachten uns gemeinsam über die verrücktesten Chatroomnutzer kaputt. Nahezu jeden Tag um 17:00 Uhr hatten wir uns online getroffen, bis wir irgendwann unsere Handynummern austauschten. Seitdem lief bei mir Whatsapp heiß. Ständig huschte mir ein Lächeln über das Gesicht, wenn ich mein Handy in die Hände nahm. Eine Freundschaft war entstanden. Eine Freundschaft die mir mittlerweile ziemlich viel bedeutete. Eine Freundschaft, die noch nicht mal der Streit mit unseren Eltern auseinanderbringen konnte. Die waren nämlich nicht so begeistert über die neue, völlig unbekannte Freundin ihrer Tochter. Einer der Sätze, die scharf über ihre vor Wut zusammen gepressten Lippen kamen, war zum Beispiel: 'Die ist doch sowieso nie im Leben echt, die verarscht dich nur. Und irgendwann wirst du schon sehen, da sitzt nicht deine imaginäre Freundin vor dir, sondern ein alter, pädophiler Sack.' Doch wenn einem etwas wirklich wichtig war, hielt man daran fest, egal, was die anderen sagten.
Neugierig tippte ich auf das grüne Chatsymbol, und tatsächlich: hinter Celestes Chat prangte eine grüne '(1)'!
Verzweifelt versuchte ich, sie weiter den ganzen Tag über zu erreichen. Ich hatte kein gutes Gefühl bei ihrer letzten Nachricht... Klar, 'Wir sehen uns' bedeutete ja, dass wir uns womöglich treffen würden. Sie wusste auch, in welcher Stadt ich wohnte, ja, sogar den Stadtteil kannte sie mittlerweile. Nur war ein Treffen ziemlich unwahrscheinlich bei der Entfernung, die zwischen uns lag.
Unruhig drehte ich mich auf die andere Seite und kuschelte mich weiter in meine Decke ein. Schon seit Längerem wollten wir uns einmal treffen, doch dadurch, dass unsere Eltern ziemlich misstrauisch waren, war dies keine leichte Aufgabe. Immer wieder waren wir die verschiedensten Möglichkeiten durchgegangen, doch nie waren wir wirklich zu einem Ergebnis gekommen. Manchmal träumte ich schon davon, wie wir uns endlich in die Arme schließen könnten. Ich vermisste sie schrecklich, obwohl ich sie in Form eines kleinen Chats immer bei mir trug. Es war, als würde mir etwas fehlen, obwohl ich es noch nie bei mir haben durfte.
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