1. Januar

Liebe Geister der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, lasst euch einfach überraschen:

00:00 Uhr.
Ich halte meine Schwester dicht an meine Brust gedrückt in den Armen.
Die Raketen steigen gen Himmel.
In meinem Kopf zähle ich.
1.
2.
3.
Sie erschrickt sich, zittert und Tränen der Angst laufen über ihr Gesicht, das merke ich daran, dass der Stoff meines Kleides langsam nass wird.
Die Paare um mich herum küssen sich, während der Himmel über ihnen in bunten Farben erstrahlt.
Meine Schwester gibt laute von sich, die ich nie wieder hören wollte. Und ich kann nichts für sie tun.
Es ist zu laut, es gibt keinen leisen Ort in dieser Welt.
Also stehe ich da, drücke sie weiter an meine Brust und versuche auszublenden, dass ich nichts tun kann und im neuen Jahr direkt als gute große Schwester versagt habe.
Ich denke nach. Wäre dieser Moment ein Buch, dann könnte das der Anfang für so ziemlich jede Geschichte sein. Gleich könnte mir jemand ein Messer in den Rücken jagen, meine große Liebe könnte in mich hineinstolpern oder eine von diesen verdammten Raketen könnte mich in Brand setzten.
Ich muss zugeben, die Lichter sind schön, aber der Rest an ihnen lässt zu wünschen übrig.
Sie sind laut, machen Müll und sind definitiv nicht gut für die Umwelt.
Meine Eltern kommen auf uns zu. Sie nehmen uns in den Arm und wir wünschen einander ein frohes, glückliches Jahr. Mama nimmt meine Schwester am Arm, die beiden gehen hinein, um nach unserem Kater zu schauen, welcher seit zwei Tagen im Schrank von meinem Papa zusammengekauert sitzt und nur zum Essen rauskommt.
Er hat Angst vor lauten Geräuschen, wie kann man es ihm verübeln.
Unser anderer Kater ist heute Nachmittag verschwunden, wieder überkommt mich die Angst, dass ihm was passiert ist.
So ist das immer an Silvester.
Doch dieses Jahr werde ich deshalb nicht in Tränen ausbrechen. Er wird wiederkommen, das hat Mama mir versprochen.
Kein Grund zur Beunruhigung.
Ich zünde meine erste Wunderkerze für dieses Jahr an. Ich wünsche mir so einiges.

00:45 Uhr.
Wir gehen nach draußen, um unsere Verwandtschaft zu verabschieden.
Papi reißt die Tür auf und flucht.
Wir anderen blicken ungläubig nach draußen.
„Mein Eimer, mein schöner Eimer", gibt Papi ungläubig von sich.
Ich würde es ja beschönigen, doch es lässt sich einfach nur so sagen: Unsere Einfahrt brennt. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, muss ich lachen, doch heute Morgen war das nicht so lustig. Weiter im Text, ich renne los, hole eine Schüssel voll Wasser und hoffe, dass alles wieder gut wird. Wir gießen das Wasser über den Brand, ich renne noch dreimal zum Waschbecken.
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass mein Cousin irgendein heißes Knalldingens in den tollen Kübel meines Papas hineingelegt haben musste. Während wir nun alle drinnen saßen, mit Sekt anstießen und ratschten, hat dann alles Feuer gefangen und keine eineinhalb Meter vom Auto meiner Tante hat es dann eben gebrannt.
(Update, der Morgen danach: In unserer Einfahrt ist nun ein blauer Plastikfleck mit großen schwarzen Flecken, den meine Mama im Sommer bei 40 Grad nur mit Wasser wegkriegen will (das will ich sehen, versteht mich nicht falsch, meine Mama kann Wunder vollbringen, aber dafür muss sie echt zaubern können (vielleicht kann sie das ja auch)))

00:58 Uhr.
Meine Mama schenkt mir ein rosa glitzerndes Glücksschwein mit den Worten: „Weil Oma doch nicht mehr da ist, da übernehme ich eben ihren Part."
Ich muss an mich halten, nicht zu weinen.

22:04 Uhr.
Ich habe gerade diesen Erguss an Worten geschrieben, es hat Spaß gemacht, den Tag nochmal Revue passieren zu lassen.
Das werde ich bestimmt nicht jeden Tag machen können. Aber das ist egal.
Ich habe mir Vorsätze für 2023 überlegt:
- Mehr schreiben.
- Dankbarkeit öfter zeigen.
- Weniger Süßes zu essen.
- Mein Zimmer täglich aufräumen.
- Jeden Samstagmorgen ein Dancewotkout machen.
- Mehr mit To-do-Listen arbeiten.
- Positiver Denken.

!!! Mich selbst halbwegs akzeptieren !!!

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