Tag 3 - Skyline

Monster

Seine Augen gaben keine Emotionen preis, als er zustach. Langsam, fast schon bedächtig, begann das dunkle Blut zu fließen und verteilte sich auf dem Steinboden.
Die Flüssigkeit erreichte die polierten Anzugschuhe von Francis Ackermann, doch es störte ihn nicht. Er genoss das Glücksgefühl, dass durch seine Adern floss und ihn beflügelte, schon glücklich lächeln ließ.
Kurz schloss er die Augen, dann wandte er sich zurück zu seinem Opfer.
Die junge Frau lehnte schwach an der Wand und presste ihre Hand auf die Stelle, aus der noch immer das Blut hervorquoll, doch in ihren Augen glänzte Verachtung und Hass.

„Ich hätte dir nie vertrauen sollen", spuckte sie ihm ins Gesicht. „Niemals."

Ackermann drehte das Bowiemesser langsam in seinen Händen. Den Blick liebevoll auf seine Waffe geheftet, sprach er leise: „Wann hat das Vertrauen angefangen? Als du mich dieses Baby hier kaufen hast lassen, damit wir abhauen konnten? Als wir im Gefängnis festsaßen und ich dich vor Jerry Dunn gerettet habe? Ich finde, ich habe dein Vertrauen durchaus verdient, Schwester."
Er lachte auf und verzog seine Lippen zu einem charismatischen Lächeln.

„Halt die Klappe", keuchte die junge Frau. „Ich bin nicht deine Schwester und werde es auch niemals sein, du Monster." Ihre Stimme wurde mit jedem Wort, das sie mühevoll aussprach, stockender. Ackermann hoffte, dass sie nicht zu schnell ihren Lebensgeist ausatmete, denn er wollte sich genug Zeit lassen, ihren Tod zu genießen.

Wie oft hatte er Marcus das Versprechen gegeben, auf Maggie aufzupassen?
Wie oft hatte er den Drang in sich gehabt, ihr Blut auf seiner Haut zu spüren? Wie oft hatte er den Drang bekämpft und schließlich besiegt?
Die Antwort lautete „zu oft", und das alles nur wegen seinem Bruder. Marcus hatte sein Vertrauen in Ackermann gesetzt, was diesen zwar geehrt hatte, doch der Mörder wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis seine Triebe wieder seinen Körper kontrollierten.

Stumm verfluchte er seine Kindheit. Wäre Marcus damals bei ihm gewesen, würde er es verstehen. Er würde alles verstehen, jede Narbe auf seinem Körper, und er würde ihn nicht einmal so enttäuscht oder misstrauisch ansehen, wie er es die letzten Wochen so häufig getan hatte.

„Was würde Marcus dazu sagen, hm?", versuchte Maggie es, als hätte sie seine Gedanken gelesen. „Es geht hier nicht um Marcus, meine Liebe. Ich musste es einfach tun."

„Einen Scheiß musstest du." Schon immer war Maggies Mut eines der Dinger, die Ackermann an der jungen Frau am meisten bewundert hatte. „Du verstehst das nicht, Schwester", erwiderte er und trat auf sie zu. „Vergiss nicht den Gefallen, den ich dir damals getan habe."

„Wenn ich gewusst hätte, dass du mich dafür eines Tages erstechen würdest, hätte ich auf deine Hilfe verzichtet", sprach Maggie trotzig und rutschte schnell die Wand herunter, ehe der Mann sie erreicht hatte. „Das habe ich auch nicht geplant", schmunzelte Ackermann und kniete sich zu ihr. Das Blut vom Boden sog sich in seinen Hosenstoff. „Aber der Mensch handelt oft instinktiv, Schwesterherz."

„Du bist kein Mensch", brachte Maggie hervor. Ihre Klamotten waren völlig vom Blut durchtränkt, und sämtliche Wunden stoppten ihren Fluss noch immer nicht. Ihre Hände und Lippen zitterten, aber wie Ackermann es kannte, strahlten Maggies Augen Kampfgeist aus. Trotzdem spürte er, dass sie keinen Angriff wagen würde. Er kannte seine Schwester lange genug, um sie einschätzen zu können.

Seine Schwester - Auch wenn sie nicht blutsverwandt waren und Maggie diese Bezeichnung von Anfang an abgelehnt hatte, mochte Francis Ackermann diese Anrede. Ihr Band hatte sich über die Jahre und das ein oder andere Erlebnis verstärkt, trotz Maggies häufigem Misstrauen gegenüber ihrem Schwager.

„Mach dir keine Sorgen, meine Liebe", wisperte er ihr zu und legte sie sanft auf den Boden, „ich werde auf Marcus aufpassen." Widerstandslos folgte Maggie. Schlaff lag ihr Körper da, ihre Hände rutschten von den Wunden und sie stöhnte auf. „Verschwinde aus seinem Leben", zischte sie schwer atmend. Besorgt besah Ackermann ihre Wunden, während sie weitersprach. Würde sie schneller den Verletzungen erliegen, als er es kalkuliert hatte?

„Du hast seine Frau und seinen Sohn getötet. Er wird dir das niemals verzeihen. Du bist nicht sein Bruder, du bist nicht einmal ein Mensch."

Amüsiert kicherte Francis Ackermann auf. Der Gedanke, dass sie sich bereits als ermordet bezeichnet hatte, gefiel ihm, auf eine ihm unbekannte Weise. Sein Körper kribbelte vorfreudig und wieder klopfte sein Herz schneller.

Er strich ihr die Haare aus der Stirn, bevor er erneut zustach. „Ich bin sein Bruder und werde es immer sein. Ich werde ihn nie mehr wieder alleine lassen. In einer Welt wie dieser müssen wir zusammenhalten.

Maggie keuchte auf und zum ersten Mal, seit sie sich kannten, beobachtete der Killer, wie ihre Augen langsam trüb wurden. Er schloss die Augen und lauschte genüsslich, wie ihr Atem immer unregelmäßiger ging.

„Du Monster." Schwach kamen diese Worte über ihre Lippen, kaum verständlich, doch Ackermann lächelte geschmeichelt. „Ich werde an deine Worte denken. Ehrlich, ich werde sie nicht vergessen. Du hast mir immer sehr viel bedeutet, Maggie", sprach er feierlich, ehe er das Bowiemesser an ihre Kehle setzte.

Ihre Augen weiteten sich nicht, wie Ackermann es von anderen Opfern gewohnt war. Maggie schloss ihre Lieder und tat einen letzten, schmerzhaften Atemzug. „Ich werde dir das Messer hier lassen", flüsterte er dicht an ihrem Ohr, „ich verbinde viele Erinnerungen damit mit dir, Schwesterherz."

„Mon... ster."

Das Blut sprudelte lebendig hervor, als das Messer durch ihr Fleisch glitt und Francis Ackermann befreit aufatmete. Er fuhr sich behutsam über die Bluttropfen, die auf seinen Körper gespritzt hatten.

Maggies Körper erschlaffte endgültig und er legte seine kalte Hand liebevoll an seine Wange, bevor er ihre Stirn küsste und neben ihr sitzen blieb.

Einige Stunden waren vergangen, in denen er sie angesehen und ihre Hand gehalten hatte. Ackermann lächelte, als er eine Tür hörte. Sein Bruder hatte ihn endlich gefunden.

„Wieso hast du mit vertraut, Bruderherz?"

Seine emotionslose Stimme empfing den keuchenden Agenten, der sich mit einem Schrei an dem Killer vorbeistürzte, zu seiner Geliebten.

„Warum zum Teufel dachtest du, ich wäre ein Mensch?"

Ackermann wandte den Blick ab, während er sich aufrichtete und Marcus stumm weinte. „Maggie hatte von Anfang an recht. Ich bin unberechenbar und ihr hättet mir niemals vertrauen dürfen."

Er legte das Bowiemesser sachte nieder und trat zur Tür.

„Ich bin ein Monster, Marcus."

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