Tag 21 - Neevend
„Lass und wegrennen."
Merlin unterbrach was er gerade eben tat, in dem Fall den Boden mit einem nassen Lappen wischen und sah aus. „Wie war das, Sire?"
„Ich sagte lass uns wegrennen, Merlin. Ich glaube, du solltest Gaius einmal dein Gehör untersuchen lassen. Ein Greis hört besser als du."
Merlin ignorierte den letzten Kommentar und runzelte etwas sprachlos die Stirn.
Arthur hatte sich die ganze Zeit schon etwas komisch benommen. Merlin wusste nicht warum, geschweige denn wie er es ändern konnte. Er war launisch, kommandierte ihn noch mehr und harscher herum als sonst und wenn Merlin ihn darauf ansprach, beziehungsweise ein schnippisches Kommentar über das Thema von sich gab, wich er aus. Es war ein Rätsel, aber vielleicht war es Zeit für Antworten.
„Ich hab dich verstanden, edler Idiot, aber warum?"
Merlin legte den Wischlappen beiseite und sah erwartungsvoll in Arthurs Richtung. Dieser lag auf dem Bett, Arme und Füße weit von sich gestreckt und starrte die samtene Decke des Bettes an. Er war gerade von einer Jagd zurück gekommen, von der er Merlin nichts erzählt hatte. Und es hatte ihn ernsthaft gewundert.
„Stell keine Fragen auf die du keine Antworten bekommst, Merlin. Ich bin der Kronprinz, ich schulde dir keinerlei Rechenschaft. Und jetzt auf!"
Arthur rappelte sich auf, richtete sein teures Oberteil und sah Merlin mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Worauf wartest du, pack!"
„Mit Verlaub, Sire, aber was packt man, wenn man wegläuft?"
„Tu nicht so, als wärst du nicht schon mehrere Male für ein paar Tage einfach verschwunden, Merlin. Und komm mir nicht mit der Taverne, ich habe dich noch nie Alkohol trinken gesehen. Außerdem, wie oft haben wir uns schon aus dem Schloss geschlichen?"
„Touché."
Dass diese Ausflüge Merlins meistens dazu dienten, um Arthurs Arsch zu retten, weil dessen Sturkopf ihn wieder einmal in Lebensgefahr gebracht hatte, oder um ganz Camelot zu beschützen, weil ein bestimmter Drache behauptete, dass das Schicksal eines gesamten Königreichs auf seinen Schulter rastete, sagte er nicht. Irgendwann würde Arthur es heraus finden. Und wenn er es tat, würde Merlin's Kopf und Körper schnellstmöglich getrennt werden.
Er warf den Lappen in den Putzeimer, stellte diesen beiseite und zog zwei Umhängetaschen aus dem Schrank. Sonst hätte es dafür immer einen Grund gegeben, aber diesmal kannte Merlin ihn nicht. Er setzte darauf, dass es etwas mit Uther zu tun hatte.
Jedes Mal, wenn dieser Arthur zu einer Besprechung herholte, war er danach mehr als gestresst. Meistens war Merlin das Ziel seiner Wutausbrüche, aber dieser war es mittlerweile gewohnt, mit allerlei Dingen beworfen zu werden. Und es war nicht so als würde er sich nicht wehren oder im Mindesten revanchieren. Arthur mochte vielleicht der zukünftige König sein, aber das war keine Ausrede um seine Wut an Unschuldigen heraus zu lassen.
Außerdem hatte ihm Merlin so oft den königlichen Arsch gerettet, dass die wenigen Male, in denen Arthur den seinen gerettet hatte, lange nicht aufwogen.
Er stopfte Essen aus der Küche möglichst unauffällig in die Taschen und viele andere nützliche Dinge, bevor er zurück ging und sie Arthur reichte. Dieser hatte keine Rüstung an, was wohl hieß, dass Merlin nicht mit baldigen Nahtoderfahrungen rechnen musste. Eine gewisse Erleichterung. Dafür trug er erstaunlich unauffällige Sachen und ein Schwert hing an seiner Seite.
„Okay, ich bin verwundert, dass du es geschafft hast dich alleine anzuziehen, aber warum trägst du so einfache Klamotten. Schadet das nicht deinem Ego? Und wo hast du die überhaupt her."
Ein Apfel traf Merlin mit voller Wucht am Kopf und er zischte kurz auf vor Schmerz.
„Ich möchte nicht erkannt werden."
Merlin fragte nicht weiter nach. Er hatte das Gefühl, keine Antworten zu bekommen.
Ihr Weg führte sie aus Arthurs Gemächern hinaus und durch die Flure des Schlosses. Arthur ging voran, immer zuerst um die Ecke spähend, bevor er weiter ging. Es war offensichtlich, dass niemand wissen durfte, dass er sich weswegen auch immer aus dem Staub machte.
Merlin folgte ihm dicht auf den Fersen und holte ihn schließlich ein, sodass sie auf gleicher Höhe gingen. Bei der Abzweigung zu den Ställen bog er ab und brauchte eine Weile um zu bemerken, dass Arthur geradeaus weiter gegangen war.
„Keine Pferde", zischte der Prinz und Merlin sprintete um ihn wieder einzuholen. „Ich frag erst gar nicht." „Wie du auch solltest."
Im Burghof herrschte Totenstille, bis auf den kleinen Luftzug, der durch die Fahnen mit dem Wappen der Pendragons blies und den Stoff im Wind flattern ließ. Es wirkte fast gespenstisch und Merlin stellte sicher, immer in Arthurs Nähe zu bleiben. Nicht, dass er sich nicht hätte verteidigen können, aber die Atmosphäre jagte ein Schaudern seinem Rücken herunter.
Die Zugbrücke war hochgefahren und Arthur sah ihn fragend an.
„Was?", zischte Merlin. „Wie ich dich kenne gibt es hier einen Geheimweg."
Merlin seufzte und führte Arthur in einen eher selten benutzten Gang. Eine kleine hölzerne Tür lag am Ende, verdeckt durch allerlei Gerümpel.
„Ihr müsst euch jetzt schmal machen, Sire."
„Ich bin nicht fett, Merlin", fauchte Arthur und er verdrehte die Augen.
„Das hab ich gar nicht gesagt, Sire. Nur etwas breiter gebaut."
„Streich den Sarkasmus da raus, Merlin. Ansonsten kannst du hier bleiben."
Merlin ging vor durch den schmalen Gang und wies Arthur an die Tür zu schließen. Sie hatten keine Fackeln dabei und hier wäre auch zu wenig Platz für eine, weswegen sich Merlin Stück für Stück fort tastete. Es war nicht so, als hätte man sich hier verirren können.
Sie kamen im Wald wieder heraus, nach einem Weg, der sich fast wie eine Ewigkeit anfühlte.
„Deine Geheimwege sind scheiße, Merlin."
„Der Herr kann gerne seine eigenen benutzen, wenn es dem Herrn nicht passt."
Arthur seufzte und sah zurück zum Schloss, dass über den Baumwipfeln türmte. Er wirkte etwas traurig, bevor er sich umdrehte und tiefer in den Wald ging.
Merlin beobachtete ihn, bevor er hinter ihm her stolperte. Langsam machte er sich ernsthafte Sorgen.
Ihr Weg führte über Stock und Stein, während Merlin versuchte herauszufinden, wohin er überhaupt führte. Sie rasteten nur für Essenspausen oder um etwas zu trinken. Irgendwann hielt Merlin es nicht mehr aus. Es dämmerte bereits und sie machten gerade Pause auf einem querliegenden Baumstamm.
„Was ist los, Arthur. Du benimmst dich seit Tagen so komisch und ich will Antworten. Sei ehrlich, immerhin laufe ich gerade mit dir weg. Und wie lange willst du das überhaupt durchziehen?"
Arthur seufzte.
„Nur für ein paar Tage. Bis mein Vater zu Sinnen kommt."
Merlin sah ihn auffordernd an.
„Er will mich verheiraten. Mit irgendeiner Prinzessin, die ich noch nie zuvor getroffen habe. Er traut mir nicht zu, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffen kann und legt so unglaublich viel Verantwortung auf meine Schultern."
Der Kronprinz lieg mittlerweile wütend im Kreis umher, während Merlin auf einem Apfel herum kaute und gespannt Arthurs Tirade lauschte.
„Es nervt mich einfach so extrem. Außerdem gehört mein Herz schon jemand anderem."
Wenn Merlin sich nicht täuschte, hatte Arthur einen leichten Rotton im Gesicht. Er fragte nicht nach oder zog ihn damit auf, es war wahrscheinlich eh Gwen.
„Und dann seine ständigen Ausbrüche, nur weil jemand ein klitzekleines Bisschen Magie verwendet hat. Und ich steh daneben, und denk daran, wie du immer so unglaublich leichtsinnig mit deiner Magie umgehst und wahrscheinlich der nächste sein könntest."
Merlin verschluckte sich an seinem Apfel und brach in wildes Husten aus.
„BITTE WAS."
„Du bist schrecklich, wenn es um Geheimnisse geht, Merlin."
Merlin stemmte sich nach oben und sah ihn entsetzt an.
„Und du..."
„Warum sollte ich dich Köpfen lassen, zum Himmel auch Merlin. Du bist zwar ein schrecklicher und unzuverlässiger und fauler und leichtsinniger und tollpatschiger und dummer-"
„Ich hab's kapiert, danke."
„-Diener, aber du bist mein Freund."
Und ehe er sich versah, hatte ihn Arthur in eine feste Umarmung gezogen. Das war neu. Aber definitiv gewöhnungswürdig.
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