Tag 2 - Neevend
Die Apokalypse steht bevor
Die Feuerwand in der Ferne schob sich kaum merklich Stück für Stück nach vorne. Die aufkommende Wärme hätte man bis jetzt nur für einen simplen Sommertag halten können, mit dem einzigen Problem, dass der Dezember gerade begonnen hatte.
Er stand in seinem Garten, Blick starr nach vorne gerichtet. Die gefrorenen Blüten begannen ihre Blätter zu strecken.
Nicht mehr lange und all das hier würde vorbei sein. Seine Nachbarn scheuchten panisch ihre Kinder ins Auto, das Unvermeidliche nur aufschiebend, mit der Hoffnung vielleicht irgendwo noch Schutz zu finden, aber er wusste es besser. Der Motor grollte.
Eine Lösung hab es nicht wirklich. Er war doch noch zu jung, dachte er sich und ließ sich auf die Gartenbank sinken, Hände im Schoß verschränkt und blickte dem Desaster entgegen.
Es würde noch eine Weile dauern. Vielleicht ein paar Stunden, vielleicht ein paar Tage, so genau konnte er das nicht sagen.
Aber er trauerte um all die menschliche Erschaffungen die bereits geopfert wurden. Sie waren so weit gekommen und hatten noch einen so weiten Weg vor sich.
Die Luft war trocken und staubig. Der Boden war getränkt mit geschmolzenem Schnee, doch auch das würde sich bald ändern.
Er hatte sich noch so viele Ziele gesetzt, Ziele die er noch nicht einmal angefangen hatte zu verwirklichen und jetzt würde er zusammen mit allem anderen in Flammen aufgehen. Er hatte sich das Ende anders vorgestellt.
„Schon irgendwie schade, findest du nicht?", fragte eine eher gleichgültige Stimme und als er seinen Kopf drehte stand zu seiner Linken ein junger Mann, vielleicht in seinem Alter. So genau konnte man das nicht sagen, er hatte eines dieser Gesichter die den anderen rätseln ließ, wieviel er doch vom Leben wusste.
Der dunkelblaue, glatt gebügelte und sauber sitzende Anzug sah viel zu teuer und unangemessen für das Ende der Welt aus. Oder vielleicht, wenn man schon unterging, vielleicht sollte man es dann mit Stil machen. Die Krawatte saß perfekt, die schwarzem Haare waren glatt nach hinten gekämmt und die einzige Macke die er finden konnte war der leichte Höhenunterschied der Bügel der eleganten Sonnenbrille.
„Ja, ich schätze wohl", antwortete er, von einem Seufzen begleitet und kam sich plötzlich etwas komisch hier in seinem alten Schlafanzug zu sitzen. Nicht dass es jetzt noch etwas bedeutete.
Ein warmer Luftzug zerzauste seine Haare während der mysteriöse Mann komplett unberührt schien.
„Ich hatte nicht vor es so enden zu lassen." Er war sich nicht sicher worüber der Mann sprach, also lauschte er einfach. Er hatte noch etwas Zeit.
Vielleicht würde er sich noch ein letztes Mal Pfannkuchen machen, mit etwas Glück stand das angebrochene Glas Nutella, dass die Nachbarskinder ihm mal geschenkt hatten, noch in den Abgründen seiner Speisekammer.
Die zweite Familie neben ihm war diese Ferien in den Urlaub geflogen. Er schaute in Richtung der riesigen Feuerwand die sich unaufhaltsam näher schob. Der Fremde hatte recht, es war schon irgendwie schade.
„Versteh mich nicht falsch, ich bin voll und ganz dafür es enden zu lassen. Ab diesem Zeitpunkt fingen sie sowieso nur an sich selbst zu zerstören. Und obwohl ich stets für Ereignisse solcher Art bin, ab jetzt hätte es nur noch bergab gehen können.
„Aber so etwas? Ich würde sogar soweit gehen und es unkreativ nennen, findest du nicht? Langsam fange ich an die damalige Sache mit den Dinosauriern gut zu heißen", fuhr der Fremde fort, während er ihm still schweigend zuhörte und nicht anders konnte als zu schmunzeln. Vielleicht setzte ihm die Hitze bereits zu.
„Die Menschen haben ein Wort dafür. Apokalypse. ‚Gottes Gericht', ‚Weltuntergang', ‚Zeitwende'. Alles kreativer als das, was sie beschreiben. Dabei hatten wir so etwas großes für das Ende geplant. Etwas dass so vielversprechend gestartet hat verdient ein spektakuläres Ende, bevor es der Langwierigkeit verfällt."
„Worüber reden sie?", traute er sich endlich zu fragen, er konnte es sich nicht mehr leisten Fragen offen zu lassen. „Von all dem hier natürlich", meinte der Fremde und schenkte ihm ein breites Grinsen und setzte sich zu ihm auf die Bank.
Ein komischer Geruch ging von ihm aus. Es war nicht unangenehm, keinesfalls, aber dem Gegenteil war auch nicht der Fall. Alles an dem Fremden war so unerwartet, dass er nicht anders konnte als von ihm fasziniert zu sein.
„Wer sind sie?"
„Ich glaube nicht, dass sich mein Name in Worte fassen lässt. Aber nenn mich Neil." Neil hatte ein Bein über das andere geworfen und einen Arm auf die Lehne gelegt.
„Ich dürfte nicht hier sein, aber ich habe ein Versprechen zu halten. Und nicht eingehaltene Versprechen sind gerne einmal der Grund für Reue. Ich will diese Welt nicht zusammen mit meiner Würde untergehen sehen."
Mittlerweile glich das Wetter Hochsommer und die Rosen erfüllten die Luft mit ihrem Geruch.
„Und was ist dieses Versprechen?", fragte er und hatte das Gefühl zu wissen was es war, ohne es tatsächlich zu tun. Da schwirrte diese Erinnerung in seinem Hinterkopf, nicht die die wichtig war, sondern die, dass er sich eigentlich an etwas erinnern sollte.
„Weißt du, ich habe dich schon immer den Vorgesetzten vorgezogen. Heutzutage hat niemand dort oben noch einen Funken Stil oder Imagination."
Neil legte den Kopf in den Nacken und seufzte. Eine Erinnerung schlich sich in sein Gedächtnis.
Die Feuerwand rückte näher und näher und er wusste, dass die Zeit davon lief. Neil schenkte ihm ein Lächeln.
„Du hast das alles hier begonnen, ich kann dich nicht damit untergehen lassen. Es ist Zeit nach Hause zu kommen."
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