Tag 1 - Wildfreund

Roadtrip

„Hast du alles?", fragend sieht Naima ihre beste Freundin Lyra an, die gerade auf den Beifahrersitz ihres alten VW Busses geklettert ist. „Ja... Du hast mich immerhin zigmal angerufen und mich so ungefähr an jedes Einzelne Detail erinnert, dass ich einpacken soll.", antwortet Lyra und verdreht spielerisch die Augen. „Du weißt ganz genau, dass ich es hasse, wenn am Ende irgendetwas zuhause bleibt.", antwortet Naima und zur Antwort lächelt Lyra. „Wie glaubst du werden die Jungs sich schlagen?", meint Lyra, um vom Thema wegzukommen. „Werden wir ja gleich sehen wie gut sie für ihren Roadtrip ausgerüstet sind", antwortet Naima, „Aber zuerst müssen wir Kira noch abholen." Mit diesen Worten startet sie ihren Wagen und fährt in Richtung des Hauses ihrer Freundin. Diese wartet schon mit ihren Taschen an der Einfahrt ihres Grundstückes. Diese werden nur wenige Minuten später achtlos in den Kofferraum des Busses geworfen. Kira nimmt ebenfalls im Bus Platz und die drei fahren gemeinsam zum ausgemachten Treffpunkt mit den Jungs.

„Da seid ihr ja endlich!", ruft Jeremy und lässt dabei bewusst einen ironischen Unterton mitschwingen. Naima wirft ihm nur einen bösen Blick zu, während sie vom Fahrersitz hüpft. „Wir werden ja sehen, wer von uns das am Ende der Reise sagen darf", lautet ihre Antwort, als sie direkt vor Jeremy steht. „Ooooh...", kommentieren Chris und Sebastian. So ziemlich jeder der Gruppe weiß, dass Naima insgeheim mehr für Jeremy übrig hat, als sie zugeben würde. Eigentlich ist Jeremy der Einzige, der es nicht weiß, aber die Anderen sind der Meinung, dass Jeremy und Naima das zwischen sich ausmachen müssen. „Chris? Sebastian? Euch ist schon klar, dass ihr eigentlich auf meiner Seite sein müsstet", murrt Jeremy. „Ja... aber auf Naimas Seite ist es viel lustiger", kommentiert Sebastian und Chris stimmt ihm mit einem Nicken zu. „Die Regeln sind klar?", fragt Lyra, die unbedingt los will. „Jeden Abend Standort schicken. Niemanden nach dem Weg fragen. Wer zuerst da ist gewinnt", zählt Chris auf und Lyra nickt zufrieden. „Dann ist ja alles geklärt", meint sie und geht wieder auf ihren Platz. Kira folgt ihrem Beispiel und mit einem letzten Grinsen in Jeremys Richtung, setzt auch Naima sich auf ihren Platz.

Die Wette zwischen den beiden Parteien ist ganz simpel. Jeremy hat es vor kurzem etwas zu weit getrieben und hat Naimas, über alles geliebten, alten VW Bus beleidigt. Er meinte, dass Naimas Auto ja sowieso nicht mehr lange überleben und bald auseinanderfallen wird. Damit hatte er die Grenze überschritten. Lyra und Kira hatten ihre beste Freundin schon lange nicht mehr so wütend gesehen. Sie hatte Jeremy an den Kopf geworfen, dass sein toller moderner Wohnwagen auch nicht besser durchhalten würde. Um Jeremy zu beweisen, dass ihr VW es noch drauf hat, hat sie dann die Wette mit ihm abgeschlossen, dass sie es mit ihrem VW Bus schneller von einem Ende Deutschlands zum anderen schafft, als er mit seinem neuen Wohnwagen.

Kira seufzt und reißt Naima somit aus ihren Gedanken. „Wann werden Jeremy und du sich endlich eingestehen, dass ihr Gefühle für einander habt?", fragt sie. „Spinnst du? Ich und Jeremy? Niemals!", ruft sie entgeistert, aber das ihre Wangen rot anlaufen verrät sie. „Ja, ja... Rede es dir nur weiter ein. Ich shippe euch trotzdem." Darauf antwortet Naima nicht mehr und starrt stur auf die Spur vor sich. Tage vergehen und die beiden Gruppen haben die Hälfte ihrer Strecken geschafft. „Na Naima? Wie geht's deinem Auto? Immer noch nicht auseinander gefallen?" Naima setzt schon zu einer Antwort an, aber Lyra kommt ihr zuvor. „Ganz ehrlich Jeremy? Ich hätte nicht gedacht, dass du andere runtermachen musst, um dich besser zu fühlen. Gib doch einfach zu, dass du eifersüchtig bist auf Naimas coolen, alten Bully." Betreten schaut Jeremy auf den Boden. „Dachte ich es mir doch. Können wir die Fahrt nicht einfach gemeinsam genießen anstatt einen riesen Wettkampf draus zu machen?", fragend schaut Lyra zwischen ihrer besten Freundin und Jeremy hin und her. Nach einigen Minuten des Schweigens, lenken die Beiden Seiten schließlich ein. „Na gut..." „Geht doch!" Naima hält Jeremy eine Hand hin und dieser schlägt ein.

„So... und um jetzt das letzte bisschen dicke Luft zwischen euch auszuräumen fahren Jeremy und Naima gemeinsam die letzte Strecke in Naimas Bully und wir anderen fahren in Jeremys Auto hinterher", ergreift nun auch Kira das Ruder, als sie die Chance erkennt. Etwas murrend helfen die Beiden das Gepäck dementsprechend umzuräumen und Naima und Jeremy fahren los. Die ersten paar Kilometer verbringen die Beiden mit Schweigen. Doch irgendwann wird es Jeremy zu blöd und er ergreift das Wort. „Warum hasst du mich eigentlich so sehr?" Verblüfft sieht Naima zu Jeremy, bevor sie ihren Blick wieder auf die Straße heftet. „Ich hasse dich nicht. Ich bin bloß verdammt schlecht im Umgehen mit Gefühlen. Ich schiebe Menschen, die mir wichtig sind tendenziell eher von mir weg. Lyra und Kira haben es irgendwie geschafft an dieser Barriere vorbeizukommen, aber es ist harte Arbeit." „Und was sind das für Gefühle, mit denen du nicht umgehen kannst? Weil eigentlich hast du für meine Begriffe eine sehr emotionale Person." „Das weißt du nicht? Kira, Lyra, Chris UND Sebastian haben mich schon darauf angesprochen... Ich dachte, dass es sehr offensichtlich wäre. Aber für den begriffsstutzigen Jeremy noch einmal in ganz deutlich: Ich stehe schon seit einer halben Ewigkeit auf dich...", meint Naima neckend und lässt das Ganze kurz einsinken, bevor sie weiterspricht, „So. Jetzt ist es draußen. Du kennst einen meiner Schwachpunkte. Viel Spaß damit. Spiel ruhig mit meinen Gefühlen. Ich bin das schon gewohnt." Entsetzt starrt Jeremy sie an. „Was hast du denn für ein schlechtes Bild von mir? Hab ich dir etwas getan?", fragend schaut er in Naimas Richtung.

Diese zieht plötzlich an den Straßenrand und Jeremy rechnet schon damit aus dem Wagen geworfen zu werden, aber stattdessen sieht er, dass Naima mit den Tränen kämpft. Bevor Naima etwas dagegen unternehmen kann, zieht Jeremy sie in seine Arme. Kaum haben seine Arme sich komplett um sie geschlossen, fängt Naima an haltlos zu schluchzen. Als sie sich beruhigt hat, lässt Jeremy sie los und schaut sie prüfend an. „Willst du es mir erzählen?", fragt er und sie schüttelt den Kopf. „Nicht jetzt. Irgendwann anders mal." Verständnisvoll nickt Jeremy. „Ich weiß zwar nicht, was dir wiederfahren ist, aber ich verspreche dir, dass ich nicht auf deinen Gefühlen herumtrampeln werde", meint Jeremy und wischt die letzten Tränen mit seinem Daumen weg. „Das könnte ich doch gar nicht", flüstert er, als ihm klar wird wie nah sich ihre Gesichter sind. Ehe die Beiden sich versehen liegen ihre Lippen aufeinander. Als sie sich voneinander lösen, breitet sich ein Lächeln auf Naimas Lippen aus. „So gefällst du mir viel besser." Naima öffnet die Fahrertür und kommt auf Jeremys Seite. Verwirrt schaut er sie an. „Du fährst bis zur nächsten Etappe. Damit du mal merkst wie toll meine ‚Schrottmühle' eigentlich ist", erklärt sie ihr Vorhaben und Jeremy nimmt ihr die Autoschlüssel ab. „Dir ist schon klar, dass Lyra damit Recht hat, dass ich eigentlich nur eifersüchtig war auf dein Auto?", fragt Jeremy grinsend. „Natürlich. Das war mir von Anfang an klar, aber meine Freunde dürfen mit meinem Auto fahren, weil ich denen vertraue", erklärt Naima. „Wir sind nur Freunde? Nach dem was gerade eben war?", fragt Jeremy gespielt schockiert. „Du hast mich ja nie was gefragt. Ich mag zwar vieles sein, aber ‚leicht zu haben' gehört nicht dazu." „Okay. Dann frage ich dich jetzt. Naima... Ich stehe schon seit einer halben Ewigkeit auf dich... Willst du mit mir zusammen sein?", fragt Jeremy. „Sehr gerne... aber jetzt würde ich gerne weiterfahren", meint Naima, drückt Jeremy einen Kuss auf die Lippen und lässt sich auf den Beifahrersitz fallen. Jeremy schüttelt, breit grinsend, den Kopf, aber schließlich geht er auf die Fahrerseite und startet den Motor und fährt zum nächsten Treffpunkt, an dem ihre Freunde schon ungeduldig warten.

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