Tag 1 - Neevend
Road Trip
Das Klirren der Glasflasche die ihr aus der Hand entglitten war schreckte Valkyrie aus ihren Gedanken und sie blieb stehen um die Flasche zu betrachten. Leicht angetrunken brauchte sie ein paar Momente bevor sie sich dazu entschied sie aufzuheben. Naturschutz, dachte sie und schlenderte weiter am steinigen Straßenrand entlang.
Der Teer war an vielen Stellen aufgebrochen und sie war sich ziemlich sicher, dass hier vielleicht ein Auto am Tag vorbei fuhr, wenn man Glück hatte. Auf den Blättern der Bäume saßen immer noch Regentropfen und es war erstaunlich kühl für Mitte Juli.
Es war die einzige Straße die an ihr Ziel führte, sagte sie sich, aber wenn sie ehrlich sein sollte, wusste sie nicht einmal was ihr Ziel genau war.
Der Alkohol machte es etwas schwer klar zu denken. Nicht, dass sie auch ohne Alkohol im Blut klar denken konnte, sagte sie sich, aber der Unterschied machte sich schon ab und zu deutlich.
Mit einer mehr oder weniger geschickten Armdrehung steckte sie die Bierflasche in die Seitentasche ihres Rucksacks und holte sich mit der selben Bewegung nur umgekehrt eine weitere von der anderen Seite.
Sie öffnete sie mit den Zähnen und spuckte den Deckel ins Gebüsch. Sie hatte heute schon genug für die Umwelt getan, dachte sie und nahm einen großen Schluck.
Ein Hupen ließ sie zusammenzucken und die Flasche zerschellte klirrend am Boden. Das war es wohl mit Naturschutz. Ein Van rollte neben ihr an, aufpolierter orange-roter Lack, glänzende Felgen.
Led Zeppelin tönte aus den Lautsprechern und wurde leiser gedreht als das Auto neben ihr langsam zum Stehen kam. Allgemein ein Fahrzeug, dass sie in dieser Gegend nicht erwarten würde. Und es kam ihr bekannt vor, aber für so etwas war ihr Gehirn im Moment nicht bereit.
Ein etwas kleinerer Mann steckte den Kopf zum Fenster raus, dunkle Locken in denen schon ein Ansatz von Grau zu sehen war und ein breites Grinsen auf dem Gesicht. „Der Champion?", fragte sie erstaunt, als ihr Gehirn es fertig gebracht hatte, das Gesicht zu erkennen und durch ihr Gedächtnis laufen zu lassen.
„Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit, großes Mädchen?", fragte Bruce und deutete auf den Van in dem er saß und sie dachte daran anzunehmen, als ihr der Fahrer auffiel.
Kurze blonde Haare, erstaunlich gut gebaut und definitiv bekannt. „Hey! Wegen dir hab ich meinen Job verloren. Weil du dich mit dem Grandmaster angelegt hast."
Wut stieg wieder in ihr auf und sie starrte den Fahrer an, hoffentlich einen Ausdruck auf dem Gesicht, der ihm vermittelte mit was er es zu tun hatte. „Er hat angefangen!"
Valkyrie könnte schwören dass er schmollte. Für ein paar Momente dachte sie, dass sie wohl kein gutes Vorbild war, da sie vor kleinen Kindern trank, bevor sie sich daran erinnerte, dass sie es hier mit vollkommen ausgewachsenen Männern zu tun hatte und das bereitete ihr umso größere Sorgen.
Aber ihre Beine schmerzten, selbst wenn sie dass nie zugeben würde und sie hatte nur noch eine einzige Bierflasche, was hieß, dass sie bereit war Opfer zu bringen. Mit einem Seufzen öffnete sich schwungvoll die Schiebetür des Vans, ‚Stairway to Heaven' im Hintergrund laufen und quetschte sich zwischen zwei Koffer auf die Rückbank.
Bruce grinste sie immer noch an, diesmal zwischen den beiden Vordersitzen hindurch. „Ich bin übrigens Thor, ich bin noch gar nicht dazu gekommen mich vorzustellen", meinte der Blonde. „Bruce kennst du ja schon, vom Boxclub und so weiter, den Wagen habe ich Bifröst getauft und das sind Korg und Miek."
Er deutete mit dem Daumen nach hinten, bevor er auf das Gaspedal stieg und das Auto sich elegant in Bewegung setzte. Ihr Blick folgte Thors Daumen und sie runzelte die Stirn als sie von zwei Katzen vom Nebensitz angestarrt wurde. Eine grau, eine schwarz.
Natürlich könnte sie nicht widerstehen und kraulte die eine hinter den Ohren. Sie begann zu schnurren und sie vergaß kurz ihre Wut, bis Thor den Mund wieder öffnete. „Wo musst du eigentlich hin?" Das wusste sie selbst nicht genau, weswegen sie mit den Schultern zuckte.
„Schmeißt mich raus, wenn wir zur Zivilisation kommen. Du hast mir meinen Job gekostet, ich habe nicht vor hier länger als nötig mit zu fahren. Nichts gegen dich, Champion."
„Wir fahren nach New York. Und bitte ich hab mich schon tausendmal entschuldigt, es war nicht meine Absicht. Aber er ging mir auf den Geist und er wollte Bruce nicht gehen lassen und dann ist das ganze nunmal ausgeartet. Außerdem war er ein nicht sehr netter Mensch."
Netter Ausdruck um jemanden ein Arschloch zu nennen, dachte sie sich. Aber das war ihr egal gewesen, der Job hatte gut Geld gemacht. Das sagte sie Thor auch klar und deutlich und hätte sie sein Gesicht sehen können hätte er wahrscheinlich schuldig ausgesehen.
Das Auto fuhr fast geräuschlos über die kaputte Straße, der kleine Hammer Anhänger am Rückspiegel hüpfte fröhlich auf und ab. Es herrschte eine Weile etwas unangenehme Stille, nur Thor und Bruce tauschten ein paar mal Blicke aus, die der jeweils andere wohl zu verstehen schien.
Sie musterte weiter das Auto, bis ihr Kopf klar genug war, damit ihr wieder auffiel, woher sie es kannte. Es gehörte dem Grandmaster. „Ihr habt dem Grandmaster sein Auto abgeknüpft?", fragte sie und konnte das Erstaunen nicht verbergen.
Der Grandmaster liebte seine Autos. Aber der Grandmaster liebte alle materiellen Gegenstände und interessierte sich nicht für die Bedürfnisse von Lebewesen, also dürfte das wohl kaum verwunderlich sein.
„Vorübergehend ausgeliehen", meinte Bruce während Thor gleichzeitig „Geklaut", von sich gab und es schaffte dabei stolz auszusehen. „Wir bringen es zurück", stellte Bruce etwas unsicher klar und sie konnte mit einem Blick sehen dass dem nicht so war. Aber der Grandmaster hatte so viele Autos, vielleicht würde er nicht merken.
Sie musste zugeben, etwas Respekt hatte sie schon. „Mein Bruder hat uns geholfen, er hatte ein hohes Ansehen bei ihm."
„Und wo ist dein Bruder?"
„Wir haben ihn unterwegs verloren." Passierte halt so, schoss ihr durch den Kopf.
„Wir wollen nach New York bevor sich Thors Schwester seine Firma unter den Nagel reißt", erklärte Bruce, während Thor bei einer Tankstelle Halt machte. Valkyrie stieg aus und spielte kurz mit dem Gedanken hier zu bleiben, bevor ihr auffiel wie einsam es hier war.
Immigrant Song tönte aus den Lautsprechern und sie füllte drinnen ihren Rucksack mit Alkohol. Vielleicht würde sie mit nach New York fahren. Sie verband keine guten Erinnerungen mit New York, ein verlorener Job hatte sie dort weg getrieben, vielleicht würde ein verlorener Job sie zurück bringen.
Sie schüttelte den Kopf, ihre eigenen Gedanken kommentierend und schob ihr letztes Bargeld über den Tresen. New York war ein Abschnitt ihres Lebens den sie hinter sich lassen würde. Vor allem war sie sich sicher, dass ein bestimmter Mensch ihres damaligen Lebens dort immer noch wohnte und sie konnte es sich nicht leisten ihr über den Weg zu laufen. Nicht, nachdem sie erneut einen Job verloren hatte. Nicht mit einer Bierflasche in der Hand.
Als sie es sich wieder auf der Rückbank gemütlich gemacht hatte und der schwarzen Katze den Kopf graulte, erzählte ihr Thor von seiner Schwester. Nicht, dass es sie interessierte, aber sie hatte das Gefühl es war auch eher dafür da um eine Unterhaltung mit Bruce aufrecht zu erhalten, der ab und zu Kommentare einwarf.
Die beiden waren ein komisches Duo, aber sie schienen zu funktionieren. Auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, wie diese zwei Chaoten je etwas gemeinsam fertig brachten. Thor erzählte davon, wie er gerade von der Beerdigung seines Vaters kam und Bruce zufällig auf dem Weg beim Boxclub getroffen hatte.
Der Boxclub, bei dem sie vor einigen Tagen noch gearbeitet hatte. Und Bruce beschlossen hatte, wieder nach New York zurück zu kehren. Ihr fiel auf, dass Thor viel alte Sprache verwendete, während Bruce eher stockend redete.
Vielleicht interessierte es sie doch. Aber nur weil sie Bruce mochte. Er war ein guter Kerl, erstaunlich hager für so einen guten Boxer. Durch ihn hatte sie ein gutes Ansehen beim Grandmaster gewonnen, durch Thor hatte sie es wieder verloren. Ironie.
Anscheinend hatte Thors Vater ein großes Vermögen inklusive großer Firma hinterlassen und wenn Thor zu spät kam würde das alles seiner Schwester gehören. Und von was sie mitbekam konnte sie sagen, dass seine Schwester keine angenehme Frau war. „Die Göttin des Todes", hatte Thor gesagt und sie hatte die Augen verdreht.
Die Bäume wichen Wiesen und sie hatte ein Fenster geöffnet um sich den Fahrtwind um die Ohren pfeifen zu lassen. Led Zeppelin wurde durch Queen abgelöst.
„Und wenn wir schnell genug sind können wir Thor bald CEO von Asgard nennen", meinte Bruce begeistert und Thor murmelte etwas unverständliches. Anscheinend hatte er nicht so viel Lust darauf, aber höchstwahrscheinlich war das die bessere Möglichkeit als es seiner Schwester zu überlassen.
Dann zog sie scharf die Luft ein und verschluckte sich dabei an ihrem Whiskey. „Warte, hast du Asgard gesagt?", sagte sie und Bruce und Thor drehten sich erstaunt um, nicht damit rechnend dass die wütende Frau auf der Rückbank ihnen überhaupt zugehört hatte. „Ja?"
„Heißt deine Schwester zufällig Hela?"
„Woher-"
„Ich komm mit nach New York." Zwei Köpfe schossen verwirrt zu ihr nach hinten und der Van fuhr fast in den Graben, bevor Bruce sich herüber lehnte und das Lenkrad zurück riss. Erschrocken griff Thor wieder danach.
„Woher kommt das auf einmal?"
„Ich hab mal bei euch gearbeitet. Und ich würde alles für die Chance geben zu sehen wie Hela verliert."
Hela war der Grund warum sie die Stelle verloren hatte. Und wenn man genau sein möchte war sie dadurch auch an Vals Alkoholproblem schuld. Nachdem sie gefeuert worden war war ihr Leben komplett aus dem Ruder gelaufen.
Und wenn man es noch genauer nahm war Hela dadurch auch daran schuld dass Val ihre Freundin verloren hatte. Der unbenutzte Ring saß immer noch eingenäht im Innenfutter ihrer Jacke.
Hela war wahrscheinlich der Mensch auf der Welt den sie am meisten hasste und nur um diesen Gesichtsausdruck von Wut und der Realisierung einer Niederlage auf ihrem Gesicht zu sehen war sie bereit mit den beiden Chaoten auf der Vorderbank bis nach New York zu fahren. Ein kleiner Road Trip hatte noch niemandem geschadet.
Jetzt fehlte nur noch, dass Thors Bruder es schaffte, dass sie gefeuert wurde und die Sammlung war komplett. Sie hoffte nur, dass es keine weiteren Geschwister gab. Bruce und Thor tauschten ein Grinsen aus und Bruce reichte etwas umständlich die Hand nach hinten.
„Willkommen an Bord der Bifröst." Sie setzte den Whiskey ab, grinste und schlug ein.
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