Kapitel 1 - Alice
Verflucht!
Als ich mich vor einigen Monaten dazu entschied von Zuhause wegzuziehen um weit weg zu studieren hatte ich mir noch alles ganz anders vorgestellt. Ich hatte mir ausgemalt in einem kleinen Wohnheimzimmer mit einer netten Mitbewohnerin zu leben. Tagsüber würde ich dann das College besuchen und abends von Party zu Party ziehen. Ein Studentenleben wie aus dem Bilderbuch eben. Nur habe ich dabei nicht mein Geldbeutel berücksichtigt.
Ich hatte tatsächlich ein Platz im Wohnheim ergattern können, doch meine Mitbewohnerin war alles andere als eine Partykönigin. Sie war die Streberin schlechthin. Vor Semesterbeginn sind alle feiern gegangen. Die letzten Wochen bevor der ganze Stress losging. Auch ich hatte diese Zeit ausgenutzt. Ich habe mich so frei gefühlt und alles getan, was ich vorher nie konnte und durfte. Der Alkohol floss in Mengen und obwohl der größte Teil noch keine 21 war, sagte niemand etwas. Immer häufiger fand ich mich morgens in den Betten von irgendwelchen gut aussehenden Typen vor, die ich danach nie wieder sah. Und tatsächlich machte mir das alles gar nichts aus. Im Gegenteil, ich genoss es!
Und jetzt? Jetzt war der Traum von einem perfekten Studentenleben vorüber. Mein Geldbeutel war leer. Meine Mitbewohnerin hatte nur Lernen im Kopf und ich kam mit dem ganzen Stoff gar nicht mehr hinterher und dabei war erst die Hälfte des Semesters um. Allmählich begann ich zu bereuen mein bisschen Geld was ich angespart hatte so auf den Kopf gehauen und mich mehr für irgendwelche Typen wie für meine Kurse interessiert zu haben. Noch beschissener konnte es doch gar nicht mehr werden.
In meinen Gedanken vertieft lag ich auf meinem kleinen schmalen Bett und starrte an die Decke, während meine fleißige Mitbewohnerin an ihrem Schreibtisch saß und irgendwelche Texte analysierte. Anstatt mir endlich den Arsch aufzureißen und mich ebenfalls an meinen Schreibtisch zu setzen, fing ich an die letzten Wochen und Monate zu bereuen. Das schlimmste jedoch war, dass ich wusste dass sich nichts ändern würde. Ich war ein Haufen Elend. Ich bemitleidete mich selbst, weil es niemand anderes tat. Ich wollte so sein wie Alex, meine ach so tolle Mitbewohnerin.
„Ey Alex?" Schließlich konnte ich meine Gedanken nicht mehr bei mir behalten und nur weil sie ein totaler Streber war, hieß es nicht dass sie nicht nett war und wir uns grauenhaft verstanden.
„Ja?", sagte sie ohne auch nur aufzublicken.
„Wie ist es so Du zu sein?" Nun musterte sie mich sichtlich verwirrt von meiner Frage. Ein Anflug von Stolz machte sich auf ihrem Gesicht bemerkbar und ich sah wie sie sich die perfekte Antwort im Kopf zurecht lag.
„Naja, ich bin ja nichts besonderes. Ich plane gerne. Den Tag, die Woche, mein Leben. Mein Leben lang wollte ich Architektur studieren. Gebäude haben mich schon immer angezogen. Je außergewöhnlicher, umso besser. Ich glaube man muss einfach wissen was man will. Klare Ziele vor Augen haben und dann läuft alles wie von alleine. Wenn man glücklich mit dem ist was man macht, macht man es gleich viel besser. Bist du glücklich?"
Ja? War ich das denn?
Nach dem Gespräch mit Alex machte ich mich auf den Weg zu einem Spaziergang über den Campus. Auf ihre Frage konnte ich ihr keine wirkliche Antwort geben und ich glaube das verlangte sie auch nicht. Sie wollte mich zum nachdenken anregen, so wie sie es immer wieder bei den verschiedensten Menschen tat. Vielleicht fragten sie deswegen so oft Leute um Rat, weil sie nicht neugierig war und auf alles eine Antwort brauchte. Sie half mit Worten die anregten. Meiner Meinung nach hätte sie mal lieber Philosophie oder Psychologie studieren sollen, doch sie war so glücklich mit ihrer Wahl Architektur zu studieren. Ich hingegen war mir so unsicher wie noch niemals zuvor. Ich studierte das Gleiche wie Alex und doch interessierte ich mich nie wirklich für die ganzen Themen, doch nun war es zu spät aufzugeben. Einmal in meinem Leben musste ich es schaffen etwas durchzuziehen. Ich würde es schaffen, selbst wenn ich jeden Tag Stunden dafür aufbringen müsste um dieses beschissene Studium zu bestehen.
Eine Welle der Euphorie packte mich und am liebsten wäre ich sofort wieder auf mein Zimmer und hätte angefangen zu lernen, doch da kam mir auch schon Paul entgegen.
„Hey Alice, was geht ab? Kommst du heute mit ins Sunrise?" Er grinste mich frech an. Sicher kreisten seine Gedanken um das letzte Mal als wir uns beim feiern begegnet waren. Oder besser gesagt was danach in seiner Wohnung geschah.
„Elliot und Kenneth kommen auch mit. Könnte lustig werden." Er zögerte kurz. „So wie beim letzten Mal."
Er klang unsicher und der Satz klang eher wie eine Frage. Normalerweise war es mir egal was die Typen mit denen ich schlief von mir dachten, doch meistens sah ich auch nie wieder. Bei Paul war das anders. Er sah verdammt gut aus und war auch nicht schlecht bestückt, doch hätte ich gewusst, dass er auf das Selbe College wie ich ging, hätte ich mich vermutlich nie auf ihn eingelassen. Ich hasste es Körbe verteilen zu müssen und er war wirklich verdammt hartnäckig.
„Heute ist wirklich... schlecht. Ich muss noch an meiner Hausarbeit arbeiten und..." Er unterbrach mich.
„Alice Porter macht was fürs College. Das ist mir wirklich neu. Sag doch einfach wenn du keine Lust..."
„Na schön. Wir treffen uns um zehn am Eingang." Diesmal war ich es, die ihn unterbrach und kaum hatte ich den Satz beendet, machte ich schon kehrt und meine Euphorie und Motivation mein Leben endlich in den Griff zu bekommen war schlagartig vorüber.
Am Abend machte ich mich fertig um mit Paul und seinen Freunden feiern zu gehen. Ich betrachtete mich im Spiegel. Ich entschied mich für ein einfaches schwarzes Mini-Kleid, welches gerade so viel Ausschnitt zeigte, dass es nicht nuttig sondern sexy wirkte. Mein Dekolleté betonte ich zudem mit einer goldenen Kette mit einem Herz Anhänger. Darüber trug ich eine ausgewaschene Jeansjacke, welche zum größte Teil mit meinen langen, roten, lockigen Harren verdeckt wurde. High Heels und etwas Schminke rundeten den Look ab. Ich sah nicht gerade zurückhaltend oder brav aus, doch aus Erfahrung konnte ich sagen, dass es definitiv noch schlimmer ging. Bei manchen Frauen fragte man sich ob sie nicht doch einfach nur Dessous ohne was darüber trugen. Ich wollte sexy und verspielt wirken und nicht so, als würde ich gleich auf den Strich gehen.
Heute würden wir ins Dark Sunrise, einem der beliebtesten Clubs hier in New Haven gehen. Es war ein kleiner Club in dem sich überwiegend Minderjährige trafen, da dort so gut wie nie kontrolliert wurde. Zwar war auch ich noch keine 21, aber ich war definitiv näher dran als manch andere High-School Schüler die sich dort trafen.
Ich blickt auf die Uhr, 21:30. In einer halben Stunde wollte ich mich mit Paul am Eingang treffen. Das hätte ich mir eindeutig besser überlegen müssen!
Um diese Uhrzeit fuhren nur noch wenige Busse vom Campus ab und ein Auto oder gar einen Führerschein konnte ich mir einfach nie leisten. Zu Fuß wäre ich nur knapp 20 Minuten unterwegs, doch mit meinen Schuhen grenzte der Weg an einen Marathonlauf. Also blieb mir nichts anderes übrig als Paul nochmal anzurufen und zu hoffen, dass er noch nicht los ist.
„Hey du. Ich hatte ganz vergessen, dass ich dieses Wochenende kein Auto habe da es in der Werkstatt ist. Könntest du mich mitnehmen?" Die Lüge kam mir so einfach über die Lippen. Ich war inzwischen eine Meisterin darin.
Ich hatte Glück und er wollte erst gerade los, also ging ich raus und wartete auf dem Parkplatz an seinem Auto auf ihn. Wahrscheinlich würde wieder Elliot fahren, da er sowieso nie Alkohol trank. Sein Auto kannte ich seid dem letzten Mal nur zu gut. Sofort erinnerte ich mich an den Geruch von Regen, als das Auto mitten auf der Straße stehen blieb. Elliot rief einen Abschleppwagen und er und Kenneth gingen zu Fuß nach Hause. Paul hatte ich im Club kennengelernt und bis auf einen kurzen Kuss lief da auch nichts, doch dann hat er mich gebeten mit ihm nach Hause zu fahren. Nach der Autopanne rief er ein Taxi und wir fuhren in seine Wohnung. Ich dachte mir nichts dabei, als wir in der Nähe des Campus ausstiegen. Woher sollte ich auch wissen, dass er Student war? Er wirkte mindestens wie 28 und kaum ein Student konnte sich eine eigene Wohnung leisten. Es stellte sich heraus, dass er einen Tapetenwechsel im Job brauchte und deswegen erneut ans College ging. Durch seine Jahre in denen er arbeitete hatte er genug gespart um sich eine kleine Wohnung leisten zu könnten.
Er war heiß, charmant und verdammt nett, doch ich war nie der Mensch der sich gerne bindet. Morgens verließ ich heimlich die Wohnung und als ich ihm dann am nächsten Tag in der Mensa des Colleges begegnete geriet ich in Erklärungsnot. Seitdem habe ich versucht mich von ihm fern zu halte. Bis jetzt. Ich habe keine Ahnung was ich mir dabei gedacht habe zuzusagen, doch vielleicht sollte ich ihm doch Mal eine Change geben. So schlimm kann es doch nicht sein sich mit einem Kerl zum feiern zu verabreden. Und wenn doch würde mir schon noch eine Ausrede einfallen.
Gerade als ich mein Handy aus der Tasche ziehen wollte um ihm zu schreiben wo er bleibt, sah ich wie Paul mit seinen Freunden die Wohnung verließ und die drei auf mich zu kamen.
„Da seid ihr ja endlich!", bemerkte ich in einem neckenden Ton. „Gentlemen lassen eine junge Frau nicht so lange alleine im dunkeln warten!" Gespielt beleidigt verschränkte ich meine Arme vor der Brust.
„Tut mir Leid Süße, Kenneth hat sich aufgeführt wie ein Arsch, weil..."
„Weil du es einfach nicht sein lassen kannst dich ihr an den Hals zu schmeißen. Merkst du nicht, dass sie kein Bock auf dich hat." Welche Laus ist ihm denn über die Leber gelaufen? Kenneth hatte da nicht so ganz unrecht, aber so gemein musste man es auch nicht ausdrücken und woher wusste er überhaupt was ich denke?
„Nein, es ist alles gut. Ich mag euch drei und besonders Paul wirklich gerne. Ich zwinkere Kenneth zu, während ich mich an Paul lehnte um ihm zu zeigen, dass ich nicht abgeneigt war mit ihnen feiern zu gehen.
Kenneth schnaubte verächtlich als wird schließlich ins Auto stiegen und losfuhren. Flirten konnte ich definitiv gut.
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