Tag 14 - Jemand, von dem ich mich entfernt habe
Hallo Isschen, hallo schlechtere Hälfte,
ich vermisse dich. Also, ich vermisse Isschen, meine schlechtere Hälfte. Erinnerst du dich noch an diese Zeiten? Ich mich schon. Und das ziemlich gut. Weißt du noch, damals als wir nebeneinander bei dir saßen und beide mit den gleichen Typen auf Knuddels schrieben? Oder als wir zusammen am Bahnhof saßen, jeder ein Bierchen in der Hand? Oder an diese eine Frage „Herr Meier, darf ich mal anspitzen", und du dann den elektrischen Anspitzer gezückt hast? Als wir mit 13 kichernd aus dem Getränkemarkt liefen, weil wir uns unser erstes eigenes Bier gekauft hatten? Es gibt so schöne Momente, an die ich mich erinnere.
Aber ich erinnere mich auch an die Studienfahrt. Erinnerst du dich auch noch dran? Ich glaube nicht, denn du warst vollkommen zugedröhnt. Ich glaube, ich habe noch nie jemanden getroffen, der so viel Gras innerhalb so kurzer Zeit geraucht hat. Du warst durchgehend auf Droge. Okay, es war nur Gras, aber trotzdem. Als wir dich gefragt hatten, ob du nicht Angst hättest, abhängig zu werden, wurdest du aggressiv und wolltest, dass wir uns um unseren eigenen Scheiß kümmern. Weißt du, wir hatten nur Angst um dich. Wir wollten dir nichts vorschreiben oder dich anklagen. Wir wollten nur, dass du mal nachdenkst, was du dir selbst antust. Aber das hat dich herzlich wenig gekratzt. Dein Argument, dass alle Leute, die in sozialen Berufen arbeiten, Erfahrungen mit Drogen gemacht haben, zieht bei mir nicht. Nur weil das alle machen? Man, früher konnte man dich nicht zu „allen" zählen. Denn du warst anders. Du hast dich so sehr von anderen Menschen unterschieden. Und jetzt? Jetzt bist du wie jeder abgerutschte Jugendliche.
Ich mache mir manchmal Vorwürfe, dass ich zu wenig getan habe. Ich habe vielleicht zu wenig probiert, dich aus dem Griff dieser .. Gestalten zu befreien. Nachdem ich da rausgekommen bin, hätte ich mehr tun müssen, damit du es mir gleichtust. Aber ich habe mich doch um dich gekümmert. Du hast mir immer nur angeboten, dazuzukommen, wenn du dich mit denen getroffen hattest. Aber das konnte ich damals noch nicht. Wenn ich die alle damals gesehen hätte, naja, ich weiß nicht, was dann mit mir passiert wäre. Aber auf jeden Fall wäre es nicht gut für mich gewesen. Also konnte ich nicht dabei sein, als du die alle getroffen hast. Ich habe also nicht wirklich mitbekommen, was bei euch lief. Dann hätte ich vielleicht einiges von dir abhalten können. Vielleicht hätten wir dann beim Abiball zusammen tanzen können, glücklich, dass wir beide endlich von unserer Schule wegkönnen, dass wir demnächst studieren können; und traurig, dass wir uns nicht mehr jeden Tag sehen würden. Aber jetzt bist du ja auf 'ner anderen Schule, wir sehen uns eigentlich nie, wir hören nichts voneinander, ich lese nur ständig deine depressiven Posts auf facebook.
Wie konnte es nur so weit kommen? Was lief nur falsch bei uns?
Ich vermisse dich wirklich. Und doch habe ich dich fast aus meinen Gedanken verdrängt. Ich will nicht ständig an dich denken. Das würde mich deprimieren. Ich heule ja jetzt schon, bei diesen paar Zeilen. Denn du warst mal alles in meinem Leben. Du warst mir mal wichtiger als ich mir selbst. Tja, aber die Zeit ist lange vorbei. Leider.
Ich wünsche mir und dir, dass du wieder auf die richtige Bahn kommst. Dass du ein recht gutes Abi machst.
Tschüss,
Hips.
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