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Da so lange kein Kapitel mehr kam, hier die letzten Abschnitte des letzten zum reinkommen in die Geschichte: (in den folgenden drei Wochen sollten wieder regelmäßige Updates folgen)
Suchend irrte ihr Blick durch das Wohnzimmer. Neben dem Kamin stand ein kleines Porzellangefäß. In blauen Lettern trug es die Aufschrift Flohpulver. Lilys Herz trommelte gegen ihre Brust, als sie sich dem Kamin näherte und ihre Fingerspitzen kribbeln spürte. Noah und Jasper schliefen noch. Sie musste das Risiko eingehen, es würde schon nicht schief gehen.
Kurzerhand nahm Lily ein paar der alten Zeitungen vom Balkon, knüllte sie zusammen und entfachte ein Feuer. Nachdem es eine ausreichende Größe erreicht hatte und aus dem Schlafzimmer immer noch kein Mucks zu hören war, streute Lily eine Prise Flohpulver in die Flammen.
Sie färbten sich grün und Funken stoben zu allen Seiten. „Spinners End", flüsterte sie, dann kniete Lily sich hin und steckte ihren Kopf in die Flammen. Die Hitze stieg ihr ins Gesicht, ein Luftzug ließ sie Asche einatmen. Ein Husten unterdrückend, murmelte Lily wieder „Spinners End". Dann verschwamm die Glut vor ihr und die Kamine Londons glitten an ihr vorbei.
„Sev? Ich bin's", flüsterte Lily in die Stille hinein, nachdem sie eine Fülle von Regalen mit dunklen Einbänden erblicken konnte. Vor dem Kamin im Spinners End stand der Ohrensessel, davor ein gläserner Beistelltisch mit messingfarbenen Einfassungen. Von unten aus dem Kamin heraus hatte man eine merkwürdige Perspektive in den Raum.
„Sev?"
Lily kam sich mehr als komisch vor, im Kamin kniend, ohne zu wissen, ob Sev überhaupt zuhause war. Wenn Noah oder Jasper aufwachen würden, gäbe es unangenehme Fragen. Und noch mehr Lügen, als sowieso schon. Sev musste schon wach sein. Er war praktisch immer wach. Die Frage war nur, wo er steckte.
„Hallo? Ich bin's!", rief Lily in den Raum hinein und atmete die rauchig aschige Luft ein. Nach langen Sekunden des Schweigens, hörte sie das Zufallen der schweren Haustür und ein verräterisches Rascheln. „Sev, ich bin hier im Kamin!" Ein Klicken, Lily verrenkte sich den Hals, um nachzuschauen, ob die Wohnzimmertür aufgeglitten war. Die Luft im Kamin war staubig und kratzte in der Nase.
„Lily?"
Sev eilte mit schnellen Schritten ins Wohnzimmer. Er trug seinen Reiseumhang, vom glatten Stoff perlten Regentropfen und wurden von den dicken Fasern des dunklen Teppichs aufgesogen. „Guten Morgen, Sev", begrüßte Lily ihn und bemerkte, dass ihre Stimme ein wenig heiser klang. Das letzte Mal, wie so oft, hatten sie sich streitend voneinander verabschiedet.
„Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass es mir gut geht. Ich weiß nicht, ob du schon davon gehört hast, aber-" Lilys Blick fiel auf den Reiseumhang. In London hatte es nicht geregnet, wo war Sev gewesen? Hatte es bei der Quidditchweltmeisterschaft geregnet? War Sev doch dort geblieben?
Trotz der wohligen Wärme der Glut und des Flohpulvers, fühlte Lily sich, als hätte jemand ihren Bauch mit einer Handvoll Eiswürfel gefüllt. „Wo warst du?", fragte sie und wünschte sich, Sev würde sich hinknien, damit sie nicht mehr ihren Kopf in den Nacken legen musste, um mit ihm zu reden.
Aber Sev blieb stehen und sah weiter auf sie herab. Aus dieser Perspektive wirkte der Blick aus seinen dunklen Augen noch stechender und seine Hakennase noch kantiger als sonst.
„Dumbledore wollte mich sprechen, ich wollte ihn sprechen. Ich bin gerade erst zurückgekehrt." Lily nickte und presste die Lippen zusammen. Im Wohnzimmer des Spinners End wirkte die Welt wie in Grautöne getaucht. Irgendwie passte Sev in dieses Wohnzimmer. Mit seiner bleichen Haut und den blutleeren Lippen. Trotzdem sah er einsam aus.
„Was hat Dumbledore gesagt?", fragte Lily. Sev ließ sich Zeit, um zu antworten. Er legte seinen Reiseumhang ab und ließ ihn mit einer beiläufigen Zauberstabbewegung trocknen, bevor er ihn zusammengefaltet über die Lehne des Ohrensessels hängte.
„Dumbledore lässt ausrichten, dass du dich bei ihm melden kannst, wenn du es für notwendig erachtest." „Sprich, ich muss nicht?" Sev lächelte ein schmallippiges Lächeln und schüttelte kaum merklich amüsiert den Kopf. „Nein, du musst nicht. Ich hielt es für sinnvoll, ihn davon zu überzeugen." Lily senkte den Kopf und war einen Moment lang überrascht, ihre Beine nicht sehen zu können. An Gespräche mit Flohpulver würde sie sich wohl nie gewöhnen können.
„Danke", sagte sie schließlich und schluckte. „Ich wollte mich nicht schon wieder mit dir streiten. Du weißt schon, kurz bevor du appariert bist. Tut mir leid, Sev." Er schwieg einen Moment lang, bevor er ihre Entschuldigung mit einem Kopfzucken abtat.
„Hat das Ministerium ein Flohnetzwerk zur Kommunikation eingerichtet?", fragte Sev irgendwann, als Lily sich schon an das gemeinschaftliche Schweigen gewöhnt hatte. Er setzte sich auf den Ohrensessel. Nah an die Kante, stets dazu bereit, sich im nächsten Moment zu erheben.
Lily begriff zunächst nicht, was er meinte. Dann kam ihr in den Sinn, dass er überhaupt nicht wissen konnte, wo sie sich gerade befand. „So ähnlich", druckste sie herum. „Um ehrlich zu sein, bin ich nicht mehr auf dem Gelände der Quidditchweltmeisterschaft. Schon seit gestern Nachmittag nicht mehr." Er zog lediglich seine Augenbrauen in die Höhe. „Und wo bist du dann?"
„In London. Mit Jasper und Noah. Wir wohnen in der Wohnung von ihrem Vater." Lily hielt es für schlauer, nicht zu erwähnen, dass Mr. Duchess davon nichts wusste. „Wir haben das Spiel nicht geschaut und von dem Aufruhr überhaupt nichts mitbekommen", erklärte Lily. „Ich habe es gerade erst im Tagespropheten gelesen und mich gemeldet, damit du weißt, dass bei uns alles in Ordnung ist."
„Aufruhr", wiederholte Sev eine Spur leiser, nur für sich selbst. Manchmal führte er diese Art Selbstgespräche, die sich nur aus wenigen Worten zusammensetzten. Vielleicht war er lange Zeit zu oft alleine gewesen. „Ich habe davon erst vor wenigen Minuten erfahren. Ganz Hogsmeade spricht über nichts anderes."
Jetzt lag es an Lily, erstaunt die Augenbrauen hochzuziehen. „Du warst in Hogsmeade?" „Dumbledore war seit den Ereignissen in der Nacht anderweitig beschäftigt. Außerdem wird es ein forderndes Schuljahr, in vielerlei Hinsicht. Dumbledore hatte nur wenig Zeit." Lily fragte sich, was das vielerlei Hinsicht bedeuten sollte, machte sich aber erst gar nicht die Mühe, sich bei Sev danach zu erkundigen. Wenn er etwas verschwieg, dann verschwieg er es so lange, bis er sich er sich dazu entschloss, es nicht mehr zu verschweigen.
„Eugenia hat sich nach dir erkundigt und sagte, sie würde sich freuen, wenn du sie besuchen würdest." Auf Lilys fordernden Augenaufschlag hin fügte Sev hinzu: „Ich war kurz dort. Dumbledores Auftrag." „Mhm", machte sie nur und zog die Mundwinkel in die Höhe. Sev ging nicht darauf ein, aber einen Augenblick lang hing seine unausgesprochene Antwort laut in der Luft zwischen ihnen.
„Vielleicht sehen wir uns erst in der Schule", sagte Lily, nachdem sie beide ihren eigenen Gedanken hinterher gehangen hatten. „Wie gesagt, ich wollte dir nur kurz Bescheid geben, dass es mir gut geht." Sev nickte.
„Du solltest dir einen neuen Umhang kaufen, wenn ihr in die Winkelgasse geht." Aus den Taschen seines Umhanges nahm er ein gezähntes Portemonnaie aus Drachenleder hervor. Die Geldbörse öffnete sich nur, wenn der Besitzer über die metallene Verschlussschnalle strich, vor Jahren einmal hatte Lily das auf schmerzlichste Art und Weise selbst lernen müssen. Die kleinen scharfen Zähne hatten sich an ihrem Zeigefinger festgebissen und Madam Pomfrey hatte sie einzeln wieder rausziehen müssen. Zu allem Übel fielen dem Portemonnaie die Zähne nämlich aus, bevor sie spitzer und kräftiger wieder nachwuchsen.
Sev kniete sich vor den Kamin und streckte ihr eine Hand mit ein paar Sickeln und Galleonen entgegen. Es brauchte einen Augenblick, bis ihnen beiden einfiel, dass sich Lilys Hände auf der anderen Kaminseite befanden und sie davon abhielten, mit dem Kopf vornüber in die Asche zu kippen.
Bevor Lily es verhindern konnte, entwich ihr ein prustendes Lachen. Asche wirbelte auf und bestäubte Sevs Umhang grau. Er seufzte leise, aber seine Mundwinkel zuckten verräterisch belustigt.
„Dann müssen wir uns wohl etwas anderes überlegen", sagte er und in seinem Gesicht sah Lily etwas von dem jungen Sev aufblitzen, den sie sich immer etwas verschmitzt vorstellte. Kurzerhand nahm Sev seinen Zauberstab hervor, richtete ihn auf die Galleonen und sagte Ratzeputz.
Lily hob eine Augenbraue. „Sev, was genau soll das werden?", fragte sie argwöhnisch. „Reden ist Silber", sagte er langsam und begutachtete die sauber glänzenden Geldmünzen zufrieden, „aber Schweigen ist Gold. In deinem Fall besonders goldig." Lily kniff prüfend die Augen zusammen.
„Mund auf, Zunge raus", befahl Sev ihr plötzlich und aus seinem Mund hörte es sich so merkwürdig und ungewohnt an, dass Lily anfangen musste zu lachen. „Ich kann meinen Umhang auch einfach selbst bezahlen. Dann muss ich mir nicht den Mund vergolden lassen", wand sie ein, aber Sev überging ihren Vorschlag in einem Atemzug. Auffordernd sah er sie an und richtete seine Zauberstabspitze auf eine der Münzen.
Sie erhob sich in die Luft und flog auf Lily zu. Sev ließ sie gegen Lilys Nasenspitze stupsen, bis sie nachgab und langsam den Mund aufmachte. Das Metall fühlte sich kühl an und schmeckte noch ein bisschen nach Seife, als Sev es auf ihre Zunge dirigierte.
„Ich sollte Eugenias Mutter danken, oder?", fragte Lily nuschelnd, weil sie die Zunge nicht bewegen konnte. „Weil du irgendwie gute Laune hast. Findest du nicht?" Sev überging auch das und lenkte konzentriert die zweite Münze in ihren Mund. Lily schmunzelte, Sev verzog keine Miene und ließ den Münzstapel wachsen.
„Da' 'olllteh ühr einen Unghang reichen", protestierte sie, als Lily ihren Mund kaum noch schließen konnte. Sev begutachtete sein Werk, dann steckte er seinen Zauberstab zurück in den Umhang.
„Es muss ja nicht nur einer sein. Vielleicht findest du auch etwas ... Festlicheres." „Estlichehr? Oführ?" Sev erhob sich und zog kaum merklich die Schultern hoch. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Nicht wahr?" Lily verdrehte die Augen und versuchte die Spucke herunter zu schlucken, die sich in ihrem Mund angesammelt hatte. Was bedeutend schwieirger war, wenn alles mit Münzen vollgestopft war. Sev beabachtete sie einen Moment lang amüsiert, dann richtete er sich auf. „Schöne Ferien, Lily. Wir sehen uns spätestens in Hogwarts."
Sie nickte. „'ankche, Sef", brachte Lily hervor, dann zog sie ihren Kopf zurück nach London, während Sev ihr zum Abschied zuwinkte.
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