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Während der Quidditchweltmeisterschaft war sie Alix mit Jasper zusammen nur so kurz begegnet, dass sie seinem Nachnamen keine weitere Beachtung mehr geschenkt hatte. Erst jetzt, nach ihrem Zusammenstoß auf der Treppe, und bei Bagmans Ankündigung, wurde sie sich der Parallele wieder bewusst.
Aber vielleicht war Delacour auch einfach nur ein häufiger französischer Nachname und es Zufall, dass Alix in Hogsmeade übernachtete. Nur wenn es nicht so wäre... Dann wäre Jasper nicht nur mit Alix sondern auch mit Fleur Delacour verwandt.
Gerade als Lily sich zu fragen begann, ob sie das schlimm fand, rempelte Ginny sie von der Seite aus an. „Hallo, jemand da? Oder hat Fleur dich auch in Trance versetzt?"
Lily blinzelte und fokussierte ihren Blick auf das Geschehen in der Arena. Fleur hatte ihren Zauberstab auf den Drachen gerichtet, der im Gegensatz zu Cedrics Exemplar von intensiv grüner Farbe war.
Ginny hatte Recht, Fleur schien ihn in eine Art Trancezustand zu versetzen. Das Drachenweibchen wirkte friedlich, hatte den langen Hals gesenkt und den schimmernd geschuppten Schwanz beschützend um das Nest gelegt.
„Scheint auch noch, als würde ihr Plan funktionieren" murmelte Ginny missmutig. Lily musterte sie belustigt. „Was hast du denn gegen sie?", fragte Lily grinsend.
„Na, ist doch klar, dass wir eigentlich jetzt alle für Harry oder Cedric sind", mischte Neville sich ein. Fleur bot mit ihrer Trance-Vorführung auch längst nicht so ein Spektakel wie Cedric vor ihr. Lediglich ein paar feine Flammen züngelten ab und an aus den Nüstern des Drachens hervor.
„Na es ist schon auch noch möglich, sich für die anderen Teilnehmer zu freuen. Das ist doch das eigentliche Ziel", sagte Hermine ein wenig besserwisserisch. „Dass wir uns vernetzen, mit Hexen und Zauberern aus anderen Ländern in Kontakt kommen." Ihre Wangen röteten sich ein wenig. Auf Ginnys Lippen stahl sich ein verräterisches Grinsen.
„So wie zum Beispiel mit bulgarischen-", setzte sie an, aber Hermine unterbrach sie mit einem vehementen Kopfschütteln. „Wag es nicht", zischte sie und Lily und Neville sahen einander verdutzt an, während Hermine und Ginny einige Blicke tauschten.
„Da seht mal, Fleur hat es fast geschafft!", rief Hermine etwas überenthusiastisch, um von ihr abzulenken. Aber sie hatte recht, Fleur war dem Ei tatsächlich schon um einiges Näher als Cedric es um diese Zeit gewesen war.
Das Drachenweibchen war augenscheinlich in den Schlaf gesunken, manchmal schien es Lily, als würde die Schwanzspitze ein kleines bisschen zucken, fast so, als würde der Drache gerade einen Traum erleben.
Jetzt kamen die letzten Meter, selbst Bagman verzichtete darauf, ins Mikrophon zu brüllen. Das gesamte Publikum schwieg, beobachtete Fleur, wie sie mit unverschämter Grazie auf den Drachen zu tänzelte.
Lily bemerkte, wie einige Jungen ihr verträumte Blicke schenkten. Sie bewegte sich wie eine Raubkatze, elegant, leise, mit einer gefährlichen Anmut. Noch dazu entblößte der silberne Rock, den sie trug, mehr Haut als er verbarg.
Es wirkte fast, als wäre das Publikum mit in Trance versetzt worden. Vielleicht lag es daran, dass sie alle erst mit einigen Augenblicken Verzögerung reagierten, als aus den Nüstern des Drachens plötzlich ein dünner Flammenstrahl stob.
Fleur, die sich genau in der falschen Richtung befand, fing Feuer. Der dünne Stoff ihres Rockes brannte, sie ließ den Zauberstab sinken, der Drache hörte auf zu schnarchen, schien zu erwachen. Sie bemerkte den Fehler zu spät, machte einen Satz nach vorne, griff nach dem Ei, obwohl sie dabei war, sich in ein menschliches Zündholz zu verwandeln.
Lily beobachtete, wie sich ein paar Reihen vor ihr ein blonder Haarschopf aus der Menge herausstach. War es Alix? Sie reckte ihren Hals, um noch mehr zu sehen; Fleur, die das Ei in die Höhe hielt, triumphierend, rote Schockzauber, die aus allen Richtungen auf den Drachen einprasselten, Madam Pomfrey, die begann Fleur mit einem Schwall Wasser zu löschen.
Aus den Reihen der Beauxbatons tönte Applaus, der einem Erdbeben glich, schrille Jubel. Der blonde Haarschopf bewegte sich seitwärts, dann zu den oberen Rängen, Lily verdrehte ihren Hals, war aufgestanden, bevor sie wirklich wusste, was sie überhaupt erreichen wollte.
„Ich bin gleich wieder da", sagte sie abwesend zu Neville, Ginny und Hermine, ignorierte ihre fragenden Gesichtsausdrücke und ließ stattdessen den Jungen nicht aus den Augen.
So schnell wie es ging, kämpfte sie sich durch die Reihen, entschuldigte sich durchgehend und verdrehte die Augen, wenn sich jemand über sie beschwerte. Sie hastete die Treppenstufen hoch, hier oben hatte sie den Blondschopf noch gesehen, dann stand sie am Ende der Treppe, am letzten Rang, dahinter endete die Tribüne.
Lily sah sich um, von dem blondhaarigen Jungen keine Spur. Dabei musste er hier irgendwo sein. Sie blickte über das Geländer der Tribüne weg von dem Mittelpunkt der Arena hin zum Verbotenen Wald.
Und tatsächlich, ein paar Meter unter ihr hing Alix an den Metallstreben der Arenakonstruktion. Er hangelte sich an den Streben entlang Richtung Boden. Lily blickte in die andere Richtung. Der Weg zum Ausgang war versperrt durch tausende Schüler, mehrere Kameras und Reporterteams.
Sie wartete, bis Alix am Boden angelangt und in Richtung See, dort, wo das Zelt der Champions und Madam Pomfreys Krankenstation lagen, verschwunden war, dann schwang sie sich selbst über die Reling.
Sie wusste selbst nicht, warum sie sich plötzlich so für ihn interessierte, eigentlich konnte es ihr ziemlich egal sein, wohin Alix verschwand und mit wem er verwandt war. Aber von ihrer Neugierde gepackt, konnte Lily einfach nicht widerstehen.
Am Anfang wäre sie mehrere Male beinahe gestürzt und ihr gelang es nur im letzten Moment, die Hand zurück an die Metallstreben zu bekommen. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, taten ihre Arme jedenfalls weh, mit Sicherheit würde sie morgen mit einem ordentlichen Muskelkater aufwachen.
Lily ließ ihren Blick schweifen. Von unten sah das Gestell für die Zuschauertribüne riesig aus, den Weg nach oben würde sie jedenfalls nicht bewältigen können. Alleine bei dem Gedanken daran hörte sie ihre Armmuskeln schon streiken.
Mit schnellen Schritten machte sie sich auf den Weg runter zum See. Gedämpft hörte sie Bagmans Stimme, ein lautes Raunen aus dem Publikum. Krum war an der Reihe und anscheinend war sein Drache weniger gut gelaunt.
Lily bewegte sich im Schatten der Bäume, fast war sie am Zelt der Champions angelangt. Schon von weitem konnte sie Alix sehen, der vor dem geschlossenen Krankenzelt stand und wild gestikulierend mit Madam Pomfrey zu diskutieren schien.
Sie ließ ihren Blick auf die beiden geheftet, sodass sie beinahe über eine Tasche gestolpert wäre, die an einen Baumstamm gelehnt war. Geistesgegenwärtig duckte sie sich hinter einer großen Baumwurzel, gerade noch rechtzeitig.
Bei ihrem starren auf Alix gerichteten Blick waren ihr vollkommen die beiden Gestalten entgangen, die im Schutz eines umgekippten Baumes ebenso die Szenerie der beiden Zelte beobachteten. Ein Mann mit unscheinbarem Haar, großem Rucksack und einem komplizierten Gestell an seiner Seite, das Lily auf den zweiten Blick als Kamera enttarnte und neben ihm eine Frau in giftgrünem Mantel und hellen, aus dem weich-trüben Licht des Waldes hervorstechendem Haar.
Nur ein paar Schritte weiter, und sie wäre Rita Kimmkorn und ihrem Fotografen geradewegs in die Arme gelaufen. Lily atmete tief durch. Sah zurück zu der Tasche. Sie war aus Krokodilleder gefertigt, gehörte sie Kimmkorn? Und falls ja, verbarg sich die Flotteschreibfeder in ihr?
Lilys Herz klopfe schneller, in Aufregung über den Gedankenblitz, der ihr just gekommen war. Kimmkorn die Feder aus ihrem Zimmer in den Drei Besen zu stehlen war illusorisch, außerdem würde Rosmerta Probleme bekommen, wenn Rita Kimmkorn publik machte, dass in den Drei Besen gestohlen wurde. Jetzt allerdings wähnte sie sich sicher, um Schutze des Waldes, während alle anderen das Spektakel der ersten Turnieraufgabe beobachteten.
Wahrscheinlich hatten die beiden sich hier auf die Lauer gelegt, um die exklusiven Storys aufspüren zu können. Vom Turnier würden viele berichten können, von den Fäden, die im Hintergrund, vor allem in dem Zelt der Champions, gezogen wurden, wusste nur sie Bescheid. Nur sie würde wieder maßlos übertreiben können; die Wahrheit, geschmeidig wie Seide, gesponnen durch ihre Hände fließen und zu einem Teppich aus Lügen gewebt werden.
Lily biss sich auf die Unterlippe. Die Tasche stand zusammen mit einem abmontierten Blitzlicht, einer Feldflasche und einem silbernen Flachmann in dem Rücken der beiden. Mit etwas Glück wäre Lily schnell genug, die Tasche zu öffnen, die Feder zu finden und wegzulaufen.
Noch dazu kannte sie sich aus, einige Trampelpfade und Abkürzungen kannte sie in diesem Teil des Waldes, sie würde sie mit Leichtigkeit abhängen können. Ihr Entschluss war gefasst.
Auf leisen Sohlen näherte Lily sich der Tasche. Mit schnellen Blicken vergewisserte sie sich, dass Kimmkorn und ihre Begleitung noch dabei waren, Fleur und Alix vor dem Zelt zu beobachten. Sie löste die Schnalle der Tasche. Nur ein leises Klicken, es ging in den Geräuschen des Waldes unter.
Die Tasche stand unter einem magischen Vergrößerungszauber und war vollgestopft mit Papier, losen Zetteln, Entwürfen von Zeitungsberichten, Schnipseln und Fotos. Nur zu gerne hätte Lily ihrer Neugierde auch hier gefrönt und sich in die Lektüre der Artikel halb Wahrheit halb Lüge vertieft.
Im großen Fach war nichts. Sie tastete vorsichtig in einem der kleineren Seitenfächer. Ein Brillenetui, ein Putztuch, eine Geldbörse. Daneben ein Parfumflakon. Kimmkorn und der Fotograf begannen, sich leise zu unterhalten, sahen auf die Uhr.
Hektisch begann Lilys Herz schneller zu klopfen, vielleicht würden sie gleich aufbrechen, sie musste sich beeilen – ihre Finger streiften einen Federkiel.
Ein zufriedenes Grinsen erhellte ihr Gesicht. Jetzt nur noch schnell –
Lily sah auf, ihr Blick kreuzte das stechende Augenpaar von Rita Kimmkorn. Lily fluchte, die Sekunde, die Kimmkorn brauchte, um zu verstehen, was vor sich ging, nutze sie, um sich die Feder zu schnappen und in Deckung zu gehen.
„Amando!", fuhr Kimmkorn den Fotografen an. „Man ist gerade dabei, uns zu bestehlen."
Ein violetter Blitz krachte kurz oberhalb von Lilys Kopf in die Baumrinde und hinterließ eine schwarze Narbe. Ohne einen weiteren Blick zu riskieren, sprang Lily auf, die Flotteschreibfeder fest an ihre Brust gedrückt und sprang im Zickzack über die kleine Waldlichtung.
Jetzt zückte auch Amando seinen Zauberstab, die beiden feuerten gleichzeitig, Lily spürte die Luft um sich herum vibrieren.
Sie machte einen letzten Satz, vor ihr lag der Trampelpfad, den sie in Erinnerung gehabt hatte. Nur Amando folgte ihr, sie würde den behäbigen Fotografen schnell abgehängt haben. Lily rannte schneller, rannte nicht auf dem Weg sondern im Slalom um die einzelnen Bäume herum.
Erst nach ein paar Minuten traute sie sich, einen Blick nach hinten zu riskieren. Amando stand nicht weit von der Lichtung entfernt, die Hände in die Seiten gestützt. Lily hörte Kimmkorn wütende Beleidigungen plärren. Sie verlangsamte ihr Tempo, streckte ihr Gesicht der Sonne entgegen. Und für diesen einen Augenblick fühlte sie sich der Welt überlegen.
Na ob das eine gute Idee war, ich bin mir ja nicht so sicher, meine Liebe... (hämisches Autoren-Grinsen)
Ich war mir übrigens auch nicht sicher, ob ich das heute mit dem Update noch packe. Aber voilà hier sind wir! (bin ein bisschen stolz. Das hier ist ja schon fast wieder regelmäßig! Fast so wie in den guten alten ich-update-alle-drei-Tage-Zeiten. Kann sich da eigentlich noch jemand dran erinnern? Müsste so 2016 gewesen sein :0 )
Ich möchte mich nochmal für sämtliche Rechtschreibfehler und auch andere "leicht vermeidbare" Fehler entschuldigen, die man durch ein einfaches Korrekturlesen beheben könnte... Leider finde ich dazu (auch in Quarantäne-Zeiten!) nicht wirklich die Zeit :) Hoffe natürlich, dass das nicht so sehr auffällt :/ (Merci an euch & bleibt gesund -myell)
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